Anastasius Grün
Robin Hood
Anastasius Grün

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Robin Hood und der Gerber.»Artur a Bland, der Gerber von Nottingham«, sagt einer der englischen Kommentatoren dieser Balladen, »war ein wilder, unsteter Bursche, welcher die Häute mehr liebte, wenn sie noch warm und rauh auf dem Rücken der Bullen sich befanden, als in seiner Gerbergrube im Übergangsstadium, um Sohlen und Oberleder für die Beschuhung zu werden. Es war damals eine schlechte Zeit für das Gerbergeschäft; jeder Hausvater gerbte das Leder für Schuhe und Riemzeug selbst, mittels eines Verfahrens, welches, von der Wissenschaft unserer Tage zwar belächelt, doch ein festes und dauerhaftes Produkt lieferte. So kam es wohl, daß der ehrenwerte Artur mehr an Barnesdale und seinen Vetter John dachte, als an seine Beschäftigung mit einem unlieblich duftenden Gemenge von Eichenrinde und Gossenwasser. Mit so unstetem Gemüt und mit dem Rufe eines Raufbolds wanderte er in den Wald, gleich gefaßt auf gute und schlimme Abenteuer und gleich unbekümmert, einem Stück Rotwild oder einem bewaffneten Outlaw zu begegnen.« (Gutch II, 182.)

              In Nottingham ein Gerber war,
Genannt Artur von Bland:
So weit sich zieht das Landgebiet,
Kein Junker hielt ihm stand.

Mit seiner Stange lang und spitz
Schafft er sich freie Bahn,
Treibt zwei und mehr wohl vor sich her,
Denn ungern hält er an.

Und als er kam zur Sommersfrüh
In Sherwoods lust'gen Wald
Und dort und da nach Rotwild sah,
Traf er Robin alsbald.

Sowie er Robin Hood erblickt,
Sann einem Schwank er nach,
Mit einem Wink gebot er flink
Ihm still zu stehn und sprach:

»Wer bist du, kühner Bursche, sprich,
Der hier so kecklich streicht?
Wohl scheinst du mir ein Dieb, der hier
Des Königs Wild begleicht.

Als Hüter bin ich dieses Forsts
Vom König selbst bestallt,
Dem Rotwild nah, das dort und da,
Drum dir gebiet' ich Halt!«

»Wenn du ein Hüter dieses Forsts
Und hast so viel Gewalt,
Rufst du wohl mehr Genossen her,
Eh' du mich bringst zum Halt!«

»Ich ruf' nicht mehr Genossen her,
Da mir kein andrer not;
Ich weiß, mein Stock vom Eichenpflock
Vollstreckt wohl mein Gebot.

Dein Bogenholz, dein Schwert und Bolz
Ist mir nicht Strohhalms wert:
Wenn ich nur klopf' auf deinen Kopf,
Dann schießest du verkehrt.«

»Sprich feiner, Bursche!« rief Robin,
»Wähl andre Worte dir!
Sonst ich dich weis' ins rechte Gleis'
Und lehre dich Manier.«

»Hol dich der Henker!« sprach Artur,
»Bist du solch großes Tier?
Dein Trutzgesicht, mich kümmert's nicht,
Erst lehr' dich selbst Manier.«

Da löst Robin sein Wehrgehenk
Und legt den Bogen hin,
Wählt einen Stock vom Eichenpflock,
Der stark genug ihm schien.

»Ich nehme dein Gewaffen, Freund,
Da meins dir nicht gefiel,
Sieh hier den Stock vom Eichenpflock,
Am Maße fehlt nicht viel.

Doch laß uns messen ganz genau,
Bevor der Kampf hebt an;
Denn wenn ich hab' den längern Stab,
Kein ehrlich Spiel ist's dann.«

»Die Länge tut nichts!« sprach Artur,
»Mein Stock ist Eichenstoff,
Mißt Schuh neunthalb und fällt ein Kalb,
Fällt dich auch, wie ich hoff'.«

Jetzt hielt Robin sich länger nicht,
Sein Hieb, der fiel so schwer,
Da sprang gar schnell ein blut'ger Quell;
Zehn Uhr war's ungefähr.

Doch rasch ermannt traf Artur ihn
Aufs Haupt mit solchem Stoß,
Daß beiderseit vom Haupte breit
Das Blut ihm rieselnd floß.

Robin tobt', als sein Blut er sah,
Dem wilden Eber gleich;
Artur in Hast hieb ohne Rast,
Als fällte Holz sein Streich.

Und um und um geht's, rundherum,
Zwei Keiler auf der Jagd,
Sie dringen ein auf Arm und Bein,
Sich hackend unverzagt.

Sie teilen wacker Hieb für Hieb,
Zwei Stunden lang und mehr;
Von jedem Schlag rings klang der Hag,
So eifrig ging es her.

»Halt ein, halt ein!« rief Robin Hood,
»Und laß die Fehde heut'!
Denn dreschen wir gleich die Knochen uns weich,
Doch trägt's uns keinen Deut;

Und künftig sei die Bahn dir frei
Im schönen Waldrevier.«
»Schön Dank für nichts! Mein Stock erficht's,
Ihm dank' ich's und nicht dir.«

»Was ist dein Handwerk?« frug Robin,
»Freund, sag mir's ohne Scheu,
Sag noch dazu: wo wohnest du?
Gern wüßt' ich beides treu.«

»Ich bin ein Gerber, der sich plagt'
In Nottingham manch Jahr;
Treff' ich dich dort, ich gerb', aufs Wort,
Umsonst die Haut dir gar.«

»Schön Dank, schön Dank!« rief Robin Hood,
»Du meinst es gut mit mir,
Du gerbst, Gesell, umsonst mein Fell,
Mit gleichem dien' ich dir.

Doch willst du, müd' der Gerberei,
Mit mir zur Waldeshut,
Beim Kreuzes Holz, dein Sold wird stolz,
Mein Nam' ist Robin Hood.«

»Bist Robin Hood,« sprach Artur drauf,
»So wie mir's wirklich scheint,
Nimm hier die Hand Arturs von Bland,
Wir bleiben jetzt vereint.

Doch sag mir an, wo Klein Johann?
Nach ihm verlangt mich sehr,
Da wir durchs Band des Bluts verwandt
Von Mutterseiten her.«

Da stieß Robin ins Jägerhorn,
Er blies, daß laut es klang,
Da rannte schon der kleine John
Herab den grünen Hang.

»Was gibt's? Was gibt's?« so rief Klein John,
»O Meister, kund mir's tut!
Ihr steht gebannt, den Stab in der Hand,
Ich fürcht', es geht nicht gut.«

»Ich halte stand, weil mich gebannt
Der Gerber hier zur Stell',
Ein Meister der Kraft und Gerberschaft,
Er gerbte schön mein Fell.«

»Das macht ihm Ehre,« sprach Klein John,
»Wenn solche Tat sein Brauch;
Doch sei er ein Held, ich halt' ihm das Feld,
Und gerbt mein Fell er auch.«

»Halt ein, halt ein!« rief Robin Hood,
»Er ist, wie ich's verstand,
Ein Freisaß gut aus deinem Blut
Und heißt Artur von Bland.«

Da warf Klein John den Stecken hin,
Soweit er fliegen mocht',
Und kam gerannt zu Artur von Bland
Und seinen Hals umflocht.

Sie sind nicht scheu und sagen's treu,
Wie's jauchzt in ihrer Brust,
Sie sehn sich dann mit Freuden an
Und weinen gar vor Lust.

Robin, die beiden an der Hand,
Umtanzt die Eiche rund:
»Wir sind drei Leut', drei lust'ge Leut',
Drei lust'ge Leut im Bund!

Solang' wir leben, laßt uns drei
Nur eins und einig sein!
Der Wald erkling', alt Weiblein sing'
Noch lange von uns drein!«


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