Anastasius Grün
Robin Hood
Anastasius Grün

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Robin Hood und Guy von Gisborne.Gisborne ist ein Marktflecken im Westen von Yorkshire an der Grenze von Lancashire. Des hier gemeinten Guy von Gisborne geschieht zwar durch einen bekannten schottischen Dichter, William Dunbar, im fünfzehnten Jahrhundert bereits Erwähnung, welcher ihn neben Robin Hood, Adam Bell und anderen Zelebritäten als einen Helden ähnlichen Gepräges nennt; doch ist von Guys Taten und Erlebnissen nichts auf die spätere Nachwelt gelangt. Darin war das Glück den andern genannten günstiger.

Die vorliegende Ballade gilt übrigens als eines der ältesten und bestangelegten Stücke des ganzen Liederkreises.

        Wenn grün und sonnig Busch und Flur,
Die Blätter breit und lang,
Ist's lustig durch den Wald zu gehn,
Erfüllt vom Vogelsang.

Walddrossel sang und hielt nicht ein,
Sie sang so laut vom Ast,
Daß Robin Hood im grünen Wald
Erwacht aus seiner Rast.

»Nun, meiner Treu,« sprach Robin Hood,
»Ein Traum ward mir heut nacht
Von zwei Freisassen flink, die mich
In heißen Kampf gebracht.

Sie schlugen mich, sie banden mich,
Mein Bogen ward geraubt,
So wahr Robin im Land noch lebt,
Sie büßen's noch, das glaubt!«

»Es fliehn die Träume,« sprach Klein John,
»Wie Wind um Hügel streicht,
So laut er stürmte nachts, doch schweigt
Er morgens still vielleicht.«

»Wohlauf, wohlan, ihr muntern Leut',
Klein John soll mit mir gehn,
Ob wir die zwei Freisassen flink
Im grünen Wald erspähn?«

Sie nahmen um die Mäntel grün,
Die Bogen an die Seit';
So schritten sie den Wald hinein
Zum Schießen wohlbereit.

Bis ihrem Lieblingsplatz sie nah
Im grünen Waldesraum;
Da sahn sie einen Freisaß flink
Gelehnt an einen Baum.

Er trug am Gürtel Schwert und Dolch,
Den Tod von manchem Mann,
Sein Kleid war eines Rosses Fell
Mit Schweif und Mähne dran.

»Hier, Meister, unterm grünen Baum,«
Sprach John, »hier haltet still,
Derweil ich geh', den Freisaß flink
Zu fragen, was er will?«

»O John, du denkst gering von mir
Und sprichst gar wunderlich!
Wann sandt' ich je mein Volk voraus,
Indes ich hinten schlich?

Es ist nicht schwer, am bloßen Wort
Erkennen Knecht und Herrn,
Und spräng' entzwei mein Bogen nicht,
Den Kopf dir bräch' ich gern!«

Ein Wort hat Unheil oft gebracht,
So schied Robin von John;
Der macht auf wohlbekanntem Pfad
Waldeinwärts sich davon.

Doch als er kam nach Barnesdal',
Groß Leid ihm widerfuhr,
Denn zwei Genossen fand er da
Erschlagen auf der Flur;

Und Skarlett war auf flücht'gem Fuß,
Der lief durch Stock und Stein,
Er lief mit hundertvierzig Mann,
Der Sheriff hinterdrein.

»Jetzt schieß' ich einen Schuß,« sprach John,
»So Gott mir helfen will;
Der Sheriff, der so schnell jetzt rennt,
Er hält dann gerne still.«

Den langen Bogen spannte John
Und richtet' ihn zum Schuß,
Der Bogen war von schwachem Ast
Und fiel ihm vor den Fuß.

»Weh dir, du jämmerliches Holz,
Daß du dem Wald entstammt!
Grad heut, wo du mein Trost sein sollst,
Zum Unglück mir verdammt!«

Der Schuß war nur ein matter Schuß,
Doch fand der Pfeil ein Ziel,
Traf einen aus des Sheriffs Volk,
Und William Trent, der fiel.

Dem William wär's ein beßres Los,
Wenn krank im Bett er läg',
Als daß er lief durch grünen Wald
Johns Pfeilen in den Weg!

Fünf Männer wiegen mehr als drei,
Der Spruch ist allbekannt;
Der Sheriff fing Klein John und fest
An einen Baum ihn band:

»Du wirst geschleift zu Berg und Tal,
Am Hügel dann gehenkt!«
»Vielleicht auch nicht!« versetzt Klein John,
»Wenn Christ es anders lenkt.«

Nun lassen wir den kleinen John,
Für Robin mach' er Raum,
Wie dieser kam zum Freisaß flink,
Der dort noch lehnt' am Baum.

»Ei, guten Morgen, Kamerad!«
So sprach jetzt Robin Hood,
»Mir sagt der Bogen, den du führst,
Daß du ein Schütze gut.«

Der Freisaß sprach: »Ich bin verirrt
An Weg und Tageszeit.«
»Ich geb' im Wald dir,« sprach Robin,
»Als Führer das Geleit.«

»Ich suche einen Vogelfrei'n,
Man nennt ihn Robin Hood,
Und fänd' ich ihn, mir lieber wär's
Als vierzig Pfunde gut.«

»Nun, flinker Freisaß, komm mit mir,
Den Robin siehst du bald,
Doch suchen wir erst Zeitvertreib
Uns hier im grünen Wald.

Und proben wir Geschick und Glück
Hier auf dem Waldesplan,
Der Robin tritt uns in die Quer
Vielleicht, eh' wir's versahn.«

Zwei Jahrestriebe schnitten sie
Vom Hagebuttenstrauch
Und steckten sechzig Ruten weit
Das Ziel nach Schützenbrauch.

»Beginn, Geselle,« sprach Robin,
»Den Schuß dir räum' ich ein.«
»Nein, wahrlich, nein!« der Freisaß drauf,
»Du sollst mein Vormann sein.«

Zuerst schoß Robin nach dem Ziel,
Nicht fehlt' er fingersdicht;
Der Freisaß war ein Schütze gut,
Ihm gleich doch tat er's nicht.

Der Freisaß tat den zweiten Schuß,
Er traf wohl in den Kreis,
Doch Robin traf viel besser noch,
Er schoß entzwei das Reis.

»Gott segne dich!« der Freisaß rief,
»Gesell, dein Schuß ist gut,
Bist, wenn das Herz gut wie die Hand,
Mehr wert als Robin Hood.

Nun sag mir deinen Namen, Freund,
Am Lindenbaum allhier.«
»Nein, wahrlich, nein!« versetzt Robin,
»Erst sag' den deinen mir.«

Der Freisaß sprach. »Ich wohn' im Tal,
Robin zu fahn ich schwur,
Wer recht den Namen kennt, der nennt
Guy von Gisborn' mich nur.«

»Ich wohn' im Wald hier,« sprach Robin,
»Und bin vor dir nicht bang,
Bin Robin Hood von Barnesdal',
Den du gesucht so lang'.«

Wer nicht verwandt, bekannt den zwein,»Wer nicht verwandt, bekannt den Zwein.« »Kythe nor king« ein alter alliterierender Ausdruck für die im Mittelalter heilig gehaltenen Geschlechts- und Freundschaftsgenossenschaften. (Dönniges.)
Für den war's schön zu sehn,
Wie sie mit Klingen hell und blank
Im Kampf zu Leib sich gehn;»Wie sie mit Klingen hell und blank / Im Kampf zu Leib' sich gehn.« »With blades both browne and bright,« buchstäblich: »mit Klingen braun und glänzend«, was jedoch ein Widerspruch wäre. Zwar bemerkt Bischof Percy (Reliques etc.) zu dieser Stelle, daß brown bei den alten Dichtern das gewöhnliche Epitheton für Schwerter und andere Angriffswaffen sei (z. B. brown brand, brown sword, brown bill), zuweilen sogar in der Zusammenstellung mit »glänzend« (bright brown sword); er weist darauf hin, daß Chaucer und Spenser in ähnlicher Bedeutung das Wort rusty (rostig) gebrauchten, und meint, es habe den Anschein, daß unsere Vorfahren wenig Wert auf die Blankerhaltung der Waffen legten, es vielmehr für ehrenhafter hielten, diese getränkt mit dem Blute ihrer Gegner zu zeigen. Allein diese Bemerkungen lösen jenen Widerspruch nicht, welcher noch erhöht wird, wenn man sich Glanz und Blutrost in Verbindung denkt. Der Übersetzer hielt sich daher an die ihm freundlichst mitgeteilte Deutung eines verehrten Germanisten (K. Weinhold), welcher das altenglische browne hier gleichbedeutend mit dem altdeutschen brûn (hell, glänzend) erklärt.

Wie sie zwei Stunden fochten fort
An einem Sommertag,
Nicht Robin Hood und nicht Sir Guy
Wich oder unterlag.

Robin sah eine Wurzel nicht,
Die macht' ihn straucheln jetzt,
Und Guy hat rasch und flink den Hieb
Von seitwärts ihm versetzt.

»Liebfraue du,« rief Robin Hood,
»Die Mutter bist und Maid,
Es war noch keines Manns Geschick,
Zu sterben vor der Zeit.«

Robin dacht' unsrer lieben Frau
Und sprang empor sogleich,
Er führte solch gewalt'gen Hieb,
Sir Guy fiel tot vom Streich.

Er faßt am Haar das Haupt Sir Guys,
Steckt's an den Bogenknauf:
»Du warst ein Schelm dein Lebetag,
Das hör' nun endlich auf.«

Er zog ein irisch Messer vor
Und kerbt' ihm das Gesicht;
Den, der dies Haupt erkennen mag,
Gebar das Weib noch nicht:

»Da lieg nun, liege nun, Sir Guy,
Und wünsche mir kein Leid;
Empfingst die schlimmern Streiche du,
Nimm nun das beßre Kleid.«

Den grünen Mantel legt' er ab
Und hüllt' Sir Guy darein,
Dann steckt' er in die Roßhaut sich
Vom Haupt hinab zum Bein.

»Dein Bogen, Pfeil und kleines Horn
In meinen Händen bleibt;
Ich will nach Barnesdal', zu sehn,
Was meine Schar dort treibt.«

Das Horn Sir Guys führt' er zum Mund
Und blies, daß laut es klang,
Das hört' der Sheriff Nottinghams,
Gelehnt am Bergeshang.

»Horch!« rief der Sheriff, horch, mir klingt
Botschaft von bestem Schall!
Ich hör's, dort stößt Sir Guy ins Horn,
Das kündet Robins Fall.

Ich hörs, dort stößt Sir Guy ins Horn,
Es schallt so schön zurzeit;
Dort kommt er selbst, der Freisaß flink,
In seinem Roßfellkleid.

Komm her, Sir Guy, du Wackrer, komm,
Nimm, was du willst von mir!«
»Ich will dein Gold nicht,« sprach Robin.
»Will keinen Lohn von dir.

Doch da erschlagen ich den Herrn,
Laß mich's auch tun dem Knecht,
Dies sei mein Preis und Lohn allein,
Kein andrer käm' mir recht.«

Der Sheriff rief: »Du bist ein Narr!
Dir ziemte Ritters Lohn;
Doch weil so mäßig dein Begehr,
So ist's bewilligt schon.«

Klein John hört seines Meisters Stimm'
Und weiß, sein Glücksstern lacht:
»Nun werd' ich frei,« so rief er froh,
»Mit Christi Gnad' und Macht!«

Und Robin fliegt zum kleinen John,
Ihn eilig zu befrein,
Der Sheriff mit dem ganzen Troß
Folgt hastig hinterdrein.

»Zurück, zurück!« rief Robin Hood,
»Welch tolles Drängen auch!
Zu hören eines andern Beicht'
War hierzuland nie Brauch.«

Ein irisch Messer zog Robin,
Löst John an Arm und Bein,
Und reicht den Bogen ihm Sir Guys,
Der soll sein Retter sein.

John nahm den Bogen Guys zur Hand,
Die Bolzen auch und Pfeil',
Der Sheriff sah, wie er ihn spannt',
Und sucht' im Fliehn sein Heil.

Er lief nach Haus gen Nottingham,
Wie er noch nie gerannt,
Und so tat seine ganze Schar,
Da hielt nicht einer stand.

Doch konnt' er laufen nicht so schnell,
Nicht reiten so in Eil',
Klein John mit breitem Bolzen traf
Ihn noch ins Hinterteil.


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