Anastasius Grün
Robin Hood
Anastasius Grün

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Robin Hood und der Töpfer.

1.
              Im Sommer, wenn das Laub so frisch,
Voll Blühen jeder Ast,
Gar lustig tönt der Vöglein Sang
In schattiger Waldesrast.

Der Besten einer war Robin,
Die Bogen je gestrammt;
Zu Ehren unsrer lieben Frau
Ehrt' er die Fraun allsamt.

Der Freisaß gut stand eines Tags
In seiner lustigen Schar,
Da nahm er auf dem Weg vom Feld
'nen stolzen Töpfer wahr.

Er rief: »Dort kommt ein Töpfer stolz,
Der lang' den Weg schon zieht,
Doch einen Penny Wegezolls
Mit Art zu zahlen flieht.«

»Ich traf zu Wentbreg ihn,« sprach John,
»Verdammt sei er dafür,
Er gab mir Rippenstöße drei,
Daß ich sie heut' noch spür'!

Um vierzig Schilling wett' ich euch
Und zahl' sie diesen Tag,
Daß keiner von uns allen ihm
Ein Pfand entringen mag.«

»Hier vierzig Schilling!« rief Robin,
»Du sagst noch diesen Tag,
Daß ich dem stolzen Töpfer wohl
Ein Pfand entringen mag.«

Aufzählten jetzt das Geld allbeid',
Ein Schütz' bewahrt es auf:
Dem Töpfersmann entgegen eilt
Robin in flinkem Lauf.

Er legt die Hand jetzt an sein Pferd
Und heißt ihn stehn zur Stell';
Der Töpfer fragt mit kurzem Wort:
»Was willst von mir, Gesell?«

»Drei Jahre, Töpfer, sind's und mehr,
Daß du den Weg hier ziehst
Und einen Penny Wegezolls
Mit Art zu zahlen fliehst.«

Der Töpfer frug: »Wie heißest du,
Der du nach Wegzoll fragst?«
»Mein Nam' ist Robin Hood, dem du
Ein Pfand wohl nicht versagst.«

Der Töpfer rief: »Ich geb' kein Pfand,
Noch zahl' ich Wegezoll;
Die Hand hinweg von meinem Gaul,
Wenn dich's nicht reuen soll!«

Zu seinem Karren trat er dann
Und suchte drin nicht lang',
Zog eine tüchtige Stange draus,
Die aus Robin er schwang.

Den Arm, geschützt von seinem Schild,
Zückt Robin jetzt das Schwert,
Der Töpfersmann ging auf ihn los:
»Gesell, gib frei mein Pferd!«

So trafen die zwei Männer sich,
Ein Anblick schön zu sehn!
Am Hügel unter einem Baum
Die Leute Robins stehn.

Klein John zu den Genossen sprach:
»Der Töpfer hält gut stand!«
Da schlug der Töpfer raschen Hiebs
Den Schild aus Robins Hand.

Bevor Robin, zum Grund gebückt,
Aufheben kann den Schild,
Packt ihn der Töpfer beim Genick
Und wirft ihn aufs Gefild.

Das sah von ferne Robins Schar,
Die in den Schatten stand;
Da rief Klein John: »Dem Meister helft
Aus jenes Töpfers Hand!«

Da fliegt die ganze Schützenschar
Herbei, so schnell sie kann;
Klein John doch frägt: »Nun, Meister, sprich,
Wer unsre Wett' gewann?

Sind meine vierzig Schilling dein,
Sind deine vierzig mein?«
»Und wären's hundert,« rief Robin,
»Fürwahr, sie all' sind dein!«

Der Töpfer sprach: »Nicht ist's Manier,
So meinen weise Leut',
Daß arme Sassen auf dem Weg
Man aufhält und bedräut.«

»Traun, du sprichst Wahrheit,« rief Robin,
»Nach guter Freimannsart!
Nie mehr, und zögst du täglich hier,
Bedräu' ich deine Fahrt!

Mich treibt's, nach Nottingham zu gehn,
Willst du mein Helfer sein?
Gib mir dein Kleid, nimm meins dafür,
Komm, geh den Handel ein!«

»Gern brächt' ich dir,« der Töpfer sprach's,
»Als guter Kundmann Glück;
Verkaufst die Töpfe du nicht gut,
Kehr, wie du gehst, zurück.«

»Nein, meiner Treu,« versetzt Robin,
»Zum Pfand geb' ich den Kopf!
So wahr ein Weib noch Töpfe kauft,
Zurück kommt dir kein Topf!«

»Bedenk,« rief John und rings die Schar,
»Der Sheriff ist dir gram!«»Bedenk . . . . . . . / Der Sheriff ist dir gram.« Hier geschieht des Hauptfeindes Robin Hoods, des verhaßten Sheriffs von Nottingham, zuerst Erwähnung. Ritson nennt nach Fullers »Worthies of England« die Namen Ralph Murdach und mehrere Jahre nach diesem William Brewerre als Sheriffe von Derby- und Nottinghamshire zur Regierungszeit Richards I., als dessen Zeitgenosse Robin Hood in den vorliegenden Balladen angenommen wird.

Der Sheriff ist ein hoher richterlicher Würdenträger in England. Durch die Angelsachsen war deren heimatliches Gerichtswesen auch nach Britannien verpflanzt worden. Die kleineren Gemeinden, in welche der Gau (scire) zerfiel, hatten so wie dieser ihre besonderen Gerichte. So bestanden die Zehntgerichte, die Gerichte der Hundreden und die großen Gaugerichte; die letzteren wurden gehalten unter dem Vorsitze des Sciregerefa, eines ursprünglich aus der Gemeinde von ihr selbst gewählten, späterhin aber vom Könige aus der Zahl seiner Gefolgsgefährten (Geferan) eingesetzten Beamten. Auch die Vorsteher kleinerer Gemeinden kommen unter der Benennung Gerefan vor, welche, wie angedeutet, mit dem germanischen Gefolgschaftwesen zusammenhängt. Als unter den normännischen Königen für jede einzelne Shire ein Comes als königlicher Statthalter eingesetzt war, fing man an den ehemaligen Sciregerefa auch mit dem Ausdrucke Vice-Comes (Vescaunt) zu bezeichnen und seinen Wirkungskreis wesentlich der königlichen Kurie namentlich in allen Entscheidungen, bei welchen das Interesse des Königs im Spiel war. unterzuordnen. (Vgl. Philipps a. a. O.)


»Umsonst! Im Schutz der heiligen Maid
Zieh' ich nach Nottingham.«

So sprach Robin und zog ins Land
Froh mit der Töpferwar';
Der Töpfer ließ sich's wohl ergehn
Im Wald mit Robins Schar.

 
2.
Als Robin kam nach Nottingham,
Die Wahrheit künd' ich treu,
Sein Pferd spannt er vom Wagen aus,
Gibt Hafer ihm und Heu.

Er stellt im Mittelpunkt der Stadt
Zur Schau die Waren auf;
»Kauft Töpfe! Töpfe!« schrie er laut,
»Gebt Handgeld auf den Kauf!«

Gerade vor des Sheriffs Haus
Er seinen Standort nahm,
Und Fraun und Witwen drängten sich
Zu kaufen seinen Kram.

»Wohlfeile Töpfe!« schrie er laut,
»Hier stehn ist nicht mein Hang!«
Da sprach, wer ihn jetzt sah: »Der Mann
Treibt das Gewerb' nicht lang'!«

Die Töpfe, die fünf Pence wohl wert,
Gibt er um drei sogleich;
Und Mann und Weib stimmt überein:
»Der Töpfer wird nicht reich!«

So blieben von den Waren all'
Fünf Töpfe noch zur Schau;
Er nimmt vom Wagen die und schickt
Sie an des Sheriffs Frau.

Die Frau sagt ihm gar schönen Dank
Und war unmaßen froh:
»Gern kauf' ich, wenn Ihr wiederkehrt,
Von Euren Töpfen so.«

Er rief: »Die besten sind für Euch,
Schwör's beim dreieinigen Gott!«
Sie lud ihn in des Sheriffs Haus
Mit Art zum Mittagsbrot.

Als Robin in die Halle trat,
Den Sheriff traf er hier,
Der Töpfer kennt die Lebensart
Und grüßt ihn mit Manier.

»Seht, was der Töpfer uns verehrt,
Fünf Töpfe, breit' und schmal'!«
»Willkommen!« sprach der Sheriff, »nehmt
Handwasser, dann zum Mahl!« . . . . . . . . »Nehmt / Handwasser, dann zum Mahl.« »Der Akt des Händewaschens vor und nach jeder Mahlzeit, in früheren Zeiten allgemein gebräuchlich, scheint seit Einführung der Gabeln um das Jahr 1620, welches Werkzeug unsere Vorfahren mit den Fingern ersetzen mußten, außer Übung gekommen zusein.« (Ritson a. a. O.)

Sie saßen dort bei edler Kost,
Dran sich der Gaum erfreut;
Da sprach von einem Wettspiel groß
Ein Paar der Sheriffsleut'.

Von einem Schießen gut und fein,
Bestimmt für nächsten Tag;
Und vierzig Schilling stehn als Preis
Für den, der siegen mag.

Der stolze Töpfer saß ganz still,
Im Sinn doch blieb's ihm stehn:
»So wahr ein guter Christ ich bin,
Dies Schießen muß ich sehn!«

Als sie bei Brot und Ale und Wein
Getafelt gute Zeit,
Mit Pfeil und Bogen machten sie
Zum Schießen sich bereit.

Des Sheriffs Leute schossen gut,
Wie's guter Schützen Spiel,
Doch blieb um halbe Bogenläng'
Ein jeder fern vom Ziel.

Der Töpfer, der bisher ganz still,
Rief jetzt schier mit Verdruß:
»O hätt' ich einen Bogen nur,
Ich zeigt' euch einen Schuß!«

»Ihn haben sollst!« der Sheriff sprach's,
»Den besten wähl' aus drein!
Du scheinst ein stolzer tüchtiger Bursch',
Erprobt nun sollst du sein.«

Nach Bogen schickt' er einen Mann,
Der ihm zur Seite stand,
Davon den besten jetzt Robin
Mit einer Schnur bespannt.

Laß sehn, ob du, wie's Schützen ziemt,
Bringst bis ans Ohr die Schnur?«
Der Töpfer rief: »So Gott mir helf',
Ein Kinderspiel ist's nur!«

Er nahm aus einem Köcher dann
Den besten Pfeil zum Schuß,
Der flog ganz nah zum Zeichen hin.
Es fehlte nicht ein Fuß.

Noch schießen all die Sheriffsleut',
Und Robin nach der Reih',
Er trifft das Ziel, sein Bolzen schießt
Den Scheibenpflock entzwei.

Da schämten sich die Sheriffsleut',
Daß er den Preis gewann;
Der Sheriff lacht und macht gut Spiel:
»Du Töpfer bist ein Mann!«

Der Töpfer sprach: »Ein Bogen liegt
In meines Karrens Hut;
Das ist ein guter Bogen, traun,
Hab' ihn von Robin Hood!«

»Kennst Robin Hood?« der Sheriff frug,
»Bitt' dich, erzähl' davon.«
»Ich schoß mit ihm am krummen Baum
Zu hundertmalen schon.«

»Gern gäb' ich hundert Pfund, ich schwör's
Bei dem dreieinigen Gott,
Den Schelm hier neben mir zu sehn;
Der Preis wär' mir ein Spott!«

Der Töpfer sprach: »Tut, wie ich rat'!
Wollt kühn Ihr mit mir gehn,
Sollt morgen vor dem Frühmahl noch
Den Robin Hood Ihr sehn.«

Der Sheriff schwur: »So will ich tun
Bei dem dreieinigen Gott!«
Drauf gingen sie vom Schießen fort
Heimwärts zum Abendbrot.

Frühmorgens wie der Tag beginnt,
Bereit sind Mann und Pferd,
Der Töpfer blieb' ungern zurück,
Und rüstet sein Gefährt.

Er sagt Lebwohl und Dank der Frau
Für all', was er empfing:
»Nehmt, holde Frau, und mir zulieb
Tragt diesen goldnen Ring.«

»Vergelt' Euch's Gott!« die Fraue rief,
»Und mög' Euch's wohl ergehn!«
Des Sheriffs Herz war freudenvoll,
Den schönen Wald zu sehn.

Und als sie kamen in den Wald,
Von grünem Laub umlacht,
Im Busch die Vöglein sangen froh,
Das war nur Lust und Pracht!

»Hier lebt sich's fröhlich,« sprach Robin,
»Wenn man zu zehren hat!
Mein Horn sag' uns, ob Robin Hood
Unfern von unsrem Pfad.«

Robin setzt an den Mund sein Horn,
Das tönt so laut und voll,
Im Walde hören's seine Leut'
Und rennen her wie toll.

Und als sie rings um ihn gereiht,
Klein John sogleich hob an:
»Nun sagt, wie ging's in Nottingham?
Ging Eure War' an Mann?«

»Es wachse dir,« versetzt Robin,
»Darob kein graues Haar;
Ich bringe hier den Sheriff euch
Zum Tausch für unsre War'.«

»Er ist willkommen!« sprach Klein John,
»Du gibst uns Gutes kund!«
Jetzt gäb', daß er ihn nie gesehn,
Der Sheriff hundert Pfund:

»Hätt' ich in Nottingham gewußt,
Was jetzt mir worden klar,
Du kämst mir nicht mehr in den Wald
Die nächsten tausend Jahr'!«

»Das glaub' ich gern!« versetzt Robin,
»Gott dank' ich, daß ich hier!
Drum sollt Ihr lassen uns das Pferd
Und Börs' und Goldeszier.

Ihr kamt hierher gar stolz zu Roß,
Heim sollt Ihr gehn zu Fuß;
Doch Eure Frau ist lieb und gut,
Drum bringt ihr meinen Gruß.

Den weißen Zelter send' ich ihr,
Der wie der Wind hin flieht;
Nur Eurer lieben Frau zulieb'
Nicht Schlimmres Euch geschieht.«

Als heimwärts dann der Sheriff kam,
Willkommen hieß sie ihn.
»Wie lebtet Ihr im grünen Wald?
Und fingt Ihr den Robin?«

»Zum Teufel ihn mit Haut und Haar!
Er nahm mir Geld und Hab';
Nur diesen schmucken Zelter schickt
Er dir als Ehrengab'.«

Sie lacht hellauf und schwört bei Ihm,
Den einst das Kreuz beschwert:
»Ihr habt die Töpfe nun bezahlt,
Die Robin mir verehrt!«

Im Wald zum Töpfer sprach Robin:
»Nun schätze deine War'!«
Der sprach: »Man gäbe wohl dafür
Zwei Nobelstücke bar.«

»Nimm hier zehn Pfund,« sprach Robin Hood,
»In Münzen gut und fein!
Und wann du kommst zum grünen Wald,
Willkommen sollst du sein!«


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