Anastasius Grün
Robin Hood
Anastasius Grün

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Robin Hoods Geburt.Diese Ballade, zuerst in Jamiesons Popular Songs nach dem mündlichen Vortrage einer Mrs. Brown mitgeteilt, behandelt zwar die neuere Sage von Rob. Hoods adeliger Abkunft und beruht sonach auf geringer historischer Glaubwürdigkeit, doch ist sie nicht im Widerspruch mit des Helden späterem Verhalten und in Ton und Haltung noch frisch und eigentümlich.

        Willie war stark von Gliederbau
Und edler Ahnen Sohn,
Zum Grafen Richard kam er einst
Und dient' um Kost und Lohn.

Graf Richard hatt' ein Töchterlein,
Wie eine Lilie zart,
Sie schlossen ihren Herzensbund
Nach echter Liebesart.

Es fiel auf eine Sommernacht,
Das Laub war schön und licht,
Da traf Willie sein Fräulein hold
Allein im Waldesdicht.

»O Willie, mein Gewand ist eng,
Das sonst mir war so weit!
Fort ist mein schönes Wangenrot,
Mein Stolz zu andrer Zeit!

Erfährt mein Vater nur ein Wort,
Was zwischen uns geschehn,
Er äße nicht, und er tränke nicht,
Bis er dich hängen gesehn.

Doch komm zu meinem Kämmerlein,
Wann sich geneigt der Tag,
Und nimm in beide Arme mich,
Daß ich nicht fallen mag.«

Und als der Tag zur Neige ging,
Kam er an ihr Kämmerlein,
Da blickte sie zum Fenster aus
Im hellen Mondenschein.

Sie schlüpft' ins Kleid von Scharlach rot
Wohl ohne Furcht und Harm,
Und Willie, stark von Gliederbau,
Hob sie in seinen Arm.

Sie gingen in den grünen Wald,
Und eh' die Nacht entflohn,
Gebar sie zwischen grünem Laub
Ihm einen schmucken Sohn.

Die Nacht verstrich, der Tag begann,
Die Sonne brach hervor,
Da fuhr Graf Richard aus dem Schlaf
Und raffte sich empor.

Er rief nun seine rüst'gen Leut',
Wohl einen, zwei und drei:
»Was ist's mit meiner Tochter lieb,
Daß sie nicht kommt herbei?

Ich träumte bösen Traum heut' nacht,
Gott geb', es ende gut!
Ich sah im Traum die Tochter lieb
Ertränkt in der Salzsee Flut.

Doch ob sie krank sei, ob sie tot,
Und ob sie sei geraubt,
Ich schwör' den Eid und halt' ihn treu,
All' hängt ihr Haupt bei Haupt!«

Sie suchten hier, sie suchten dort,
Sie suchten auf und ab
Und fanden sie, wie im grünen Wald
Dem Kind die Brust sie gab.

Er nahm das Knäblein auf den Arm
Und küßt's mit zärtlichem Mut:
»Und hängt' ich deinen Vater gern,
Doch blieb ich der Mutter gut.«

Er küßt es aber und abermal:
»Ich heiße dich Enkelein,
Und Robin Hood im grünen Wald,
Das soll dein Name sein.«

Manch einer singt vom Gras, vom Gras,
Manch einer vom Korn im Feld,
Manch einer der singt von Robin Hood,
Weiß nicht, wo er kam zur Welt.

Das war nicht in der Hall', in der Hall',
Nicht im Saal, von Farben bunt,
Es war im lieben, grünen Wald,
Wo die Lilien blühn im Rund.


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