Anastasius Grün
Robin Hood
Anastasius Grün

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König Richard und Robin Hood.Ein junger finnischer Forscher, Herr E. G. Estlander, welcher kürzlich zwei Abhandlungen in schwedischer Sprache: Richard Lejonhjerta und Folkesangerna om Richard, worin er die zweite Hälfte des zwölften Jahrhunderts als das Zeitalter Robin Hoods annimmt, ans Licht gestellt hat, charakterisiert das von W. Scott im Ivanhoe geschilderte Zusammentreffen König Richards mit Robin Hood in folgenden Worten, welche auch auf unsere Volksballade Anwendung finden: »Persönliche Berührung beider hat schwerlich stattgefunden, und doch kann eine wahrheitsgemäßere Veränderung der historischen Wirklichkeit nicht gedacht werden als diejenige, welche den Ritterkönig auf dem Thron und den Freibeuterkönig der Wildnis einander begegnen läßt. Denn wie unermeßlich auch der Abstand scheinen mag zwischen dem Beherrscher der mächtigsten Nation des Westens, dessen Wille Gesetz war für ein blühendes Reich, dessen Fahnen die stolzeste Ritterschaft folgte, und dem rechtlosen Freibeuter, der mit seinen Leuten dem Wilde gleich gejagt ward in Sherwoods Wäldern, so begegnen sich ihre Charaktere doch in zwei wesentlichen Punkten. Beide Männer sind echt romantische Persönlichkeiten wegen ihrer Losgebundenheit von den trivialen Verhältnissen des alltäglichen Lebens; beide sind außerdem gleichzeitige Repräsentanten zweier Völker, welche nach der Schlacht bei Hastings so lange feindlich nebeneinander wohnten in demselben Lande. Während die Normannen mit Begeisterung ihrem Helden folgten auf seiner weltberühmten Ritterfahrt nach dem heiligen Lande, sieht das Volk der Angelsachsen mit Gram in Sherwoods Freibeutern die letzten Kämpfer um seine Selbständigkeit. Der Gegensatz der beiden Persönlichkeiten erweitert sich so zu einem Gegensatze des Charakters, der Lebensbedingungen und sozialen Stellung zweier Völker.« (Vgl. den Aufsatz: »Richard Löwenherz und Robin Hood« in Nr. 23 des Magazins für die Literatur des Auslandes. Jahrg. 1861.)

          Der König Richard hat gehört
Manch Stücklein von Robin,
Drob staunt' er sehr und wünscht' noch mehr
Zu sehn sein Volk und ihn.

Mit einem Dutzend seiner Lords
Ritt er nach Nottingham,
Wo er befahl ein gutes Mahl,
Wo er die Herberg' nahm.

Als eine Zeit er da verweilt
Und doch sein Ziel nicht fand,
Er und die Lords einstimm'gen Worts
Anzogen Mönchsgewand.

Von Fountains-Abbey ritt der Zug
Gen Barnsdal' hin gewandt,
Wo kampfbereit die Schar gereiht
Von Robin Hood schon stand.

Der König überragt den Troß,
Daß Robin heimlich dacht',
Das sei der Abt, und schon sich labt
Am Fange, den er macht.

Er faßt des Königs Pferd am Zaum:
»Halt, Abt,« so rief er, »halt!
Ich wend' mich gern an solche Herrn,
Die Pracht und Prunk umwallt.«

»Wir sind des Königs Botenschar,«
Der König selbst versetzt,
»Nicht ferne steht die Majestät,
Mit dir zu sprechen jetzt.«

»Gott schütz' den König,« rief Robin,
»Und all', die zu ihm stehn;
Wer seinen Thron wagt zu bedrohn,
Der soll zur Hölle gehn.«

»Dich selbst verdammst du,« rief der Fürst,
»Du übst Verräters Art!«
»O nein, bei Gott! Ob Königsbot',
Das lügst du in den Bart!

Nie tat ich Leides einem Mann,
Der treu und ehrlich lebt;
Mich reizt nur der, des schnöd' Begehr
Nach fremdem Gute strebt.

Ich tat kein Leid dem Ackersmann,
Der pflügt auf seinem Grund,
Noch dem, der hier das Waldrevier
Durchstreift mit Falk und Hund.

Erzfeind bin ich der Geistlichkeit,
Die übermächtig heut!
Solch fauler Bauch und schelmischer Gauch,
Ein Fang ist's, der mich freut!

Doch bin ich froh, daß ich Euch traf
Auf Eurer Botenfahrt;
Kommt, Freund, ich biet' Euch, eh' Ihr zieht,
Ein Mahl nach Waldesart.«

Verwundert steht der König da
Und alle nach der Reih',
Und jeder fragt sich halbverzagt,
Was für ein Mahl das sei?

Da führt Robin zu seinem Zelt
Des Königs Pferd am Zaum:
»Dich schickt,« sprach er, »mein Fürst und Herr,
Sonst ehrt' ich so dich kaum.

Zulieb dem König Richard tu'
Ich mehr als dieses heut;
Habt Ihr mehr Geld, als je ich zählt',
Ich nehm Euch keinen Deut.«

Robin setzt an den Mund sein Horn,
Bläst laut und hell darein,
Und hundertzehn der Schützen gehn
Heran in vollen Reihn.

Als sie vorbei an Robin ziehn,
Beugt jeder Mann das Knie:
Der König dacht': Ei, welche Pracht!
Wohl Schönres sah ich nie!

Er dachte: O Robin, wie hast
Dein Volk du in Gewalt,
Mehr huldigt's dir, als meines mir,
So lern' der Hof vom Wald!

Zum Mahle setzten dann sich all'
Auf grünem Rasengrund,
Die ganze Zahl, rot, schwarz und fahl,
Ein Anblick seltsam bunt.

Geflügel gab's, Wildbret vollauf
Und aus dem Fluß den Fisch;
Der König schwur: »Auf See und Flur,
Nie hielt ich bessern Tisch!«

Robin ergriff die Kanne Ale:
»Nun den Beginn gemacht!
Und jedermann erheb' die Kann':
Dem König sei's gebracht!«

Der König selbst trank Königs Heil,
Das ging die Rund' entlang,
So daß dies Wohl zwei Tonnen voll
Des besten Biers verschlang.

Dann einen Becher Weines schwingt
Robin hoch in der Hand:
»Will trinken Wein im grünen Hain
Bis an des Grabes Rand!

Nun spannt mir eure Bogen all',
Beschwingt mit Grauganskiel,
Zeigt eine Prob' der Kunst, als ob
Der König säh' das Spiel.«

Sie schossen all' so meisterlich
Wohl Stab und Schaft entzwei;
Der König fand, daß kaum ein Land
Mit ihresgleichen sei!

»Brav, Robin!« sprach der König dann,
»Wenn ich dir bring' Verzeihn,
Willst jederzeit du dienstbereit
Und treu dem König sein?«

»Ja,« rief Robin, »von Herzen, ja!«
Und jeder schwang den Hut,
»Wir sind allzeit ihm dienstbereit
Und weihn ihm Gut und Blut!

Ein Priester war mein erster Feind,
Drum hass' ich diesen Stand;
Da Ihr Euch zeigt so wohlgeneigt,
Sei auch mein Groll verbannt!«

Der König hielt nicht länger sich,
Von mildem Sinn erfüllt:
»Robin, dir sei nun frank und frei
Die Wahrheit ganz enthüllt!

Ich bin der König, euer Herr,
Der eurem Blick sich zeigt.«
Als Robin da die Wahrheit sah,
Ist schon sein Knie geneigt.

Der König sprach: »Steh wieder auf!
Dir sei in Huld verziehn!
Mein Freund, steh auf! – Wer hemmt den Lauf
Der Gunst, die ich verliehn?«

Laut jubelnd ging's nach Nottingham,
Daß dort das Volk wohl meint
Den König tot, die Stadt bedroht,
Im Anzug schon den Feind.

Der Pflüger ließ den Pflug im Feld.
Die Esse ließ der Schmied,
Manch Alter, der geht mit Beschwer,
Am Krückstab hinkend flieht.

Doch als der König Kunde gab
Dem Volke, was geschehn,
Im Chore schallt sein: »Gott erhalt'!«
»Heil, unsre Stadt bleibt stehn!«

Der Sheriff frug: »Ist dies Robin,
Der Schelm, der mir verhaßt,
Der wunderlich mein Volk und mich
Geladen jüngst zu Gast?«

»Ei,« rief Robin, »so tut mir's gleich!
Bestellt ein Nachtmahl frisch!
Der König sag' von diesem Tag:
Nie hielt ich bessern Tisch!«

Als tags darauf der ganze Zug
Aufbrach mit Mann und Roß,
Zog auch Robin nach London hin
Ins hohe Königsschloß.


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