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III. Die Heldenzeit der Republik.

 

1. Kurtius. Manlius. Decius.

 

1. Kurtius.

Nachdem Kamillus 64 Jahre lang der Republik gedient hatte, starb er an der Pest. Furchtbar wüthete die Krankheit und raffte viele wackere Bürger hin. Die Noth vermehrte sich, als ein Erdbeben die Stadt erschütterte und auf dem Markte einen tiefen Abgrund bildete, der sich durchaus nicht wollte füllen lassen. Die Augurn prophezeiten, es würde der Riß nur dann wieder geschlossen werden, wenn der Stärkste und Mächtigste der Stadt hineingeworfen würde. Da setzte sich der junge Kurtius in voller Rüstung auf sein prächtig aufgezäumtes Roß, weihete sein Leben den Göttern und sprengte muthig in den Abgrund, der ihn verschlang, aber auch alsbald sich schloß.

 

2. Manlius.

Die Latiner verlangten mit den Römern Ein Volk zu bilden, und daß sie wie die Römer einen Konsul wählen könnten. Dazu waren die Römer viel zu stolz, um solches zu bewilligen; sie wollten Römer bleiben und allein herrschen. Also zogen sie in's Feld unter dem Konsul Titus Manlius. Dieser befahl seinen Soldaten bei Todesstrafe, daß ohne seine Erlaubniß sich Niemand mit den Feinden in einen Kampf einlassen sollte, denn strenge Ordnung mußte in einem römischen Heere sein. Nun ritt eines Tages sein Sohn mit einigen Reitern aus, um den Feind auszukundschaften; er begegnete dem Anführer der latinischen Reiterei. Dieser forderte den jungen Manlius zum Zweikampf heraus. Der tapfere Römer hielt es für schimpflich zu fliehen, er dachte nicht mehr an das Verbot, nahm den Zweikampf an, erschlug den Latiner und kehrte mit der erbeuteten Rüstung triumphirend in's Lager zurück. Er konnte freilich nicht leugnen, daß er wider das Verbot den Kampf gewagt hatte; doch alle Soldaten freuten sich seines Sieges und baten laut den Konsul, die Strafe zu erlassen. Manlius aber winkte den Liktoren, die mußten seinen Sohn ergreifen und ihn enthaupten, damit allen Römern offenbar würde, wie das Gesetz das Höchste sei.

 

3. Decius.

Dann führte Manlius das Heer den Latinern entgegen; am Berge Vesuv begann die Schlacht. Den einen Flügel des römischen Heeres befehligte der Konsul Manlius, den andern der zweite Konsul Decius. Vor der Schlacht war beiden Feldherren eine göttergleiche Gestalt erschienen, die hatte verkündet, der eine Feldherr und das andere Heer sei den Todesgöttern verfallen. So beschlossen denn beide Konsuln, daß der Feldherr des zuerst weichenden Flügels sich selbst opfern und damit das feindliche Heer dem Untergange weihen solle.

Decius befehligte den linken Flügel, dessen erstes Treffen wich. Da ließ sich der brave Feldherr vom Oberpriester dem Tode weihen. Er verhüllte sein Antlitz und betete zu allen Göttern der Ober- und Unterwelt für sein Volk um Sieg, für den Feind um Furcht und Graus. Dann sprach er über sich und den Feind den schrecklichen Todesfluch. Jetzt, wie der Geist des Verderbens, brauste er hoch auf schnaubendem Rosse mitten unter die Legionen der Latiner; entseelt sank er nieder. Die Römer wollten ihren Feldherrn rächen, die Latiner wurden bestürzt und konnten dem furchtbaren Andrang nicht widerstehen. Sie mußten fliehen, kaum der vierte Theil entkam. Ihr Lager und Decius' Leiche, die herrlich bestattet wurde, fiel in die Hände der Sieger (361 v. Chr.).

 

2. Pyrrhus Nach Althaus.. Fabricius. Kurius.

 

1.

In ganz Mittelitalien waren die Römer schon Herren geworden, und bald fanden sie auch zu ihrer Freude eine Gelegenheit, den Krieg in Unteritalien zu führen. Dort war die mächtigste Stadt Tarent. Die Griechen, die sie bewohnten, waren reich und lebten üppig, es waren leichtsinnige und übermüthige Menschen. Sie nahmen einmal ohne allen Grund den Römern vier Schiffe weg, und als deswegen römische Gesandte in Tarent erschienen, wurden sie vom Volke verhöhnt und beschimpft, weil sie das Griechische nicht ganz richtig sprachen. Als nun aber die Römer mit einem starken Heere anrückten, riefen die Tarentiner den König Pyrrhus von Epirus zu Hülfe, der durch seine großen Kriegsthaten weit und breit berühmt war.

Epirus war ein halbgriechisches Land, das westlich von Macedonien lag, und Pyrrhus brauchte nur über das Adriatische Meer zu fahren, so war er in Italien. Er war ein vortrefflicher Feldherr, sein Heer hatte er auf's Beste eingerichtet und in vielen Kämpfen geübt. Der Krieg war seine Herzenslust und er war voll Begierde, zu erobern und zu herrschen, gleichviel wo es war. Zuerst hatte er in Macedonien und Griechenland Krieg geführt, denn da war lauter Unordnung, nachdem das Reich Alexander's des Großen zerfallen war.

Nun, als ihn die Tarentiner riefen, dachte er gleich, ganz Italien und Sicilien dazu zu erwerben. Rasch kam er nach Tarent mit einem auserlesenen Heere und zwanzig Elephanten (280 v. Chr.).

Die Tarentiner hatten ihm in ihrem griechischen Stolze gesagt, die Römer wären ungebildete Menschen und bloße Barbaren, die würden leicht zu bezwingen sein. Als aber Pyrrhus von einem Hügel bei Heraklea das römische Heer anrücken sah, sagte er gleich, die Schlachtordnung dieser Barbaren käme ihm gar nicht barbarisch vor, sondern ganz wohl überlegt. Noch mehr bewunderte er die Römer, wie sie unerschrocken über den Fluß Liris gingen und sich zum Angriff vorbereiteten. Sie stürmten nun auf das Heer des Pyrrhus los, um es zu durchbrechen; siebenmal erneuerten sie den Angriff, aber es gelang ihnen nicht. Als nun vollends die Elephanten mit Thürmen voll Soldaten auf ihren Rücken anrückten, wurden die Römer bestürzt, ihre Pferde scheueten, warfen die Reiter ab, und die Verwirrung und Flucht war allgemein. Doch alle Leichen der gefallenen Römer lagen mit dem Kopfe gegen den Feind, kein Einziger war fliehend niedergehauen, und Pyrrhus rief: »Hätte ich solche Soldaten, so wäre die Welt mein.«

Er meinte, die Römer würden nach dieser Niederlage den Frieden wohl annehmen, und schickte deshalb seinen Freund Cineas nach Rom. Derselbe bot Geschenke, man nahm sie nicht an, seine schlaue, einschmeichelnde Rede bethörte aber Einige, daß sie meinten, man solle die Vorschläge des Pyrrhus annehmen. Da stand ein alter blinder Rathsherr auf, der sonst nicht in die Versammlung kam, diesmal sich aber von seinen Sklaven in einer Sänfte hatte hintragen lassen. »Wie?« rief er, »bisher habe ich den Verlust meiner Augen betrauert; jetzt wünschte ich auch taub zu sein, daß ich die unwürdigen Vorschläge eurer Feigheit nicht mit anhören dürfte. Ihr zittert vor einem Haufen Menschen, die immer die Beute der Macedonier gewesen sind, vor einem Abenteurer, der um die Gunst der Diener Alexander's gebuhlt hat?« Das wirkte. Die Versammlung beschloß einstimmig, nicht eher sei an Friedensunterhandlungen zu denken, als bis Pyrrhus Italien geräumt habe. Als Cineas seinem Könige die Nachricht überbrachte, sagte er: »Der römische Senat sei ihm vorgekommen wie eine Versammlung von Königen.«

 

2.

Um die Gefangenen auszulösen, schickten die Römer den Cajus Fabricius als Gesandten an Pyrrhus. Er war schon Konsul gewesen, aber ein ganz einfacher Mann und ganz arm geblieben; er hatte nur seinen Acker, den er selbst bebaute. Pyrrhus bot ihm ein großes Geschenk an, nicht um ihn zu etwas Unrechtem zu verleiten, sondern nur als Zeichen seiner Hochachtung. Aber Fabricius wies es mit den Worten zurück: »Ich brauche kein Geld!« Am andern Morgen stellte ihn Pyrrhus auf die Probe; er ließ den größten Elephanten heimlich hinter das Zelt führen, worin er sich mit dem Gesandten unterredete. Auf ein gegebenes Zeichen ward der Vorhang plötzlich hinweggezogen, und der Elephant streckte mit fürchterlichem Gebrüll seinen Rüssel hinter dem Kopfe des Fabricius hervor. Der aber sagte ganz ruhig zum Könige: »So wenig mich gestern dein Geld reizte, so wenig schreckt mich heute dein Elephant!« Pyrrhus konnte sich nicht genug darüber verwundern. Die Gefangenen wollte er zwar nicht freigeben, aber er erlaubte ihnen doch, nach Rom zu einem großen Feste zu gehen unter der Bedingung, daß sie sich freiwillig wieder als Gefangene stellten. Sie gingen hin und feierten das Fest mit, am bestimmten Tage aber erschienen sie alle wieder im Lager des Pyrrhus. Todesstrafe hatte der Senat darauf gesetzt, wenn einer zurückbliebe.

 

3.

Im folgenden Jahre, 279 v. Chr., kam es abermals zu einem Treffen. Pyrrhus siegte zwar, verlor aber so viele von seinen Soldaten, daß er ausrief: »Noch einen solchen Sieg, und ich bin verloren!« Im dritten Jahre des Krieges führte der wackere Fabricius selber die Römer gegen den König. Ehe die Heere einander nahe kamen, erhielt der römische Feldherr einen Brief vom Leibarzte des Pyrrhus, worin dieser sich erbot, gegen eine angemessene Belohnung den König zu vergiften. Fabricius las den Antrag mit gerechtem Unwillen und meldete dem Pyrrhus die Verrätherei seines Arztes. Pyrrhus rief voll Bewunderung: »Eher könnte die Sonne aus ihrem Lauf, als dieser Römer vom Pfade der Rechtlichkeit abgelenkt werden!« Er ließ den Arzt hinrichten, schickte aus Dankbarkeit den Römern alle ihre Gefangenen ohne Lösegeld zurück und ließ abermals Frieden anbieten. Er erhielt wieder die gleiche Antwort: erst müsse er Italien geräumt haben, bevor an Friedensunterhandlungen zu denken sei. Für die erhaltenen Gefangenen schickten die Römer eben so viel Gefangene zurück. Pyrrhus scheute indeß ein drittes Treffen, und da es ihm schimpflich schien, nach Hause zu gehen, ohne den Krieg beendet zu haben, kam ihm ein Antrag von den Siciliern sehr gelegen, die ihn gegen die Karthager zu Hülfe riefen. Er ließ eine Besatzung in Tarent zurück und schiffte hinüber.

 

4.

In Sicilien richtete Pyrrhus auch nichts aus und nach zwei Jahren kehrte er auf dringendes Bitten der geängsteten Tarentiner nach Italien zurück. Die Römer stellten ihm ein großes Heer entgegen. Einer der beiden Feldherren war der berühmte Manius Kurius, an Geisteskraft wie an Armuth dem Fabricius ähnlich. Als er das erste Mal die höchste obrigkeitliche Würde in Rom, das Konsulat, bekleidete, schickte ein Volk Unteritaliens Gesandte an ihn, einen Frieden zu vermitteln. Diese fanden ihn auf einer hölzernen Bank am Feuerheerde sitzend, sich ein Gericht Rüben zu kochen. Sie boten ihm eine große Summe Geldes. Er antwortete lächelnd: »Kann Derjenige, der sich mit Rüben begnügt, noch Geld verlangen? Ich will lieber reiche Leute beherrschen, als selbst reich sein!«

Dieser Mann war jetzt Feldherr gegen Pyrrhus, und hatte eine sehr vortheilhafte Stellung eingenommen. – Als es zur Schlacht kam, versuchte Pyrrhus wieder, durch seine Elephanten den Römern Schrecken einzujagen. Allein diese wußten jetzt die Elephanten zu schrecken; sie warfen brennende Pechkränze auf die Ungeheuer, und diese Thiere wurden darüber so wüthend, daß sie sich gegen ihre eigenen Herren wandten und Alles in Verwirrung brachten. Die Römer erfochten einen vollständigen Sieg, und Pyrrhus verlor nicht allein 20,000 Menschen, sondern mußte auch sein ganzes Lager den Siegern preisgeben. Das letztere war für die Römer ein sehr wichtiger Gewinn, denn sie lernten dadurch die Kunst, ein Lager regelmäßig zu befestigen.

Pyrrhus zog aus Italien heraus, Kurius aber mit vier Elephanten triumphirend in Rom ein. Das ganze südliche Italien hatte sich den Römern unterworfen.

 

5.

Wie Fabricius und Kurius lebten fast alle Römer zu der Zeit einfach, den alten Sitten getreu. Jedes Jahr wurden aus denen, die schon Konsuln gewesen waren, zwei Censoren gewählt; diese hatten das Amt, darüber zu wachen, daß Jeder sein Vermögen ordentlich verwaltete, keine Schulden machte und ohne Prunk (Luxus) lebte. So – meinten sie – gezieme es einem Republikaner, d. h. dem Bürger eines freien Staates. Als Fabricius Censor war, stieß er einen vornehmen Patricier aus dem Senate, weil er in seinem Hause zehn Pfund Silbergeschirr fand! Die vornehmsten Römer hielten es für keine Schande, den Acker selbst zu bauen und durch die Arbeit erhielten sie sich gesund und kräftig. Von studirten Leuten und Gelehrsamkeit wußte man damals noch nichts; die Römer lasen wenig Bücher, auch von Malern, Bildhauern und Schauspielern wußten sie damals noch nichts, sie verstanden aber den Staat auch ohne solche Künste zu regieren und ihre Herrschaft über alle Nachbarländer auszubreiten. Sie hatten noch wenig Prachtgebäude, baueten aber ihre Häuser dauerhaft und ihre Landstraßen waren unverwüstlich.

 

3. Die römischen Legionen.

Das römische Heer war vortrefflich geordnet. Es war in Legionen eingetheilt; jede Legion bestand aus 6000 Mann Fußvolk, bewaffnet mit Speeren, Wurfspießen und Schwertern. Statt der Fahnen hatte jede Legion als Feldzeichen einen silbernen Adler auf einer Stange. Zu den 6000 Mann Schwerbewaffneten kamen noch fast eben so viel leichtbewaffnete Bundesgenossen, und außerdem Reiterei. Eine vollständige Legion bestand dann wieder aus zehn Kohorten.

So oft die Römer sich lagerten, warfen sie Schanzgräben auf; innerhalb derselben wurden dann reihenweis die Zelte aufgeschlagen, zwischen denen die Wege so genau abgesteckt waren, daß die Zeltreihen wie Straßen aussahen. Gewöhnlich befehligten die Konsuln das Heer; ihre Unterfeldherren hießen Legaten; wenn die Republik in Gefahr kam und der beste Feldherr nicht gerade ein Konsul war, wurde eben der Tüchtigste zum Diktator erwählt. Stets ward auf strenge Mannszucht gehalten; jeder Soldat mußte unbedingt gehorchen. Wenn einer ungehorsam war, wurde er mit Ruthen gepeitscht oder auch enthauptet; wenn aber ganze Kohorten oder Legionen geflohen waren oder sich empört hatten, so wurde der zehnte Mann von ihnen hingerichtet. Der sich im Kriege ausgezeichnet hatte, wurde feierlich belohnt. Hatte Einer einem Bürger das Leben gerettet, so erhielt er eine Bürgerkrone; hatte Einer zuerst den Wall einer belagerten Stadt erstiegen, so bekam er eine Mauerkrone; und für die Befreiung einer belagerten römischen Stadt wurde eine Belagerungskrone geschenkt. Alle diese Kronen waren verschieden gearbeitet, durften aber nur an Festtagen getragen werden.

Wenn ein Feldherr einen Sieg erfochten hatte, bei dem wenigstens 10,000 Feinde erschlagen worden waren, so riefen ihn die Soldaten zum Imperator aus, d. h. zum kommandirenden General, und so wurde er von da an immer genannt. Ein Imperator bewarb sich dann um einen Triumph in Rom, und wenn derselbe ihm gestattet wurde, zog er feierlich mit den erbeuteten Waffen und den Gefangenen in die Hauptstadt ein. Die Soldaten schmückten sich mit grünen Zweigen und sangen lustige Lieder; auch wohl Spottlieder auf den Triumphator selber, damit dieser nicht zu übermüthig würde. Der Triumphator aber fuhr, auf einem offenen Wagen stehend, in der Mitte des Zuges. Sein Lohn war diese Ehre, und sein Schmuck ein Lorbeerkranz.

Weil die römischen Legionen so vortrefflich eingerichtet waren, als römische Bürger sich fühlten und mit Stolz für die Größe ihres Vaterlandes kämpften, wurden sie die berühmtesten und tapfersten Soldaten der alten Welt.

 

4. Die punischen Kriege. Nach Bredow.

 

1. Duilius. Regulus.

 

1.

Unter den Pflanzstädten, welche Tyrus, die berühmte phönizische Handelsstadt am Mittelländischen Meere, angelegt hatte, war Karthago die mächtigste und blühendste geworden. Diese Stadt lag auf der am nördlichsten ins Meer hervorragenden Spitze Afrika's, da, wo jetzt Tunis liegt, Sicilien gerade gegenüber. Karthago trieb nicht bloß Handel, wie einst Sidon und Tyrus, sondern führte auch Kriege und machte Eroberungen. So hatte es sich nicht bloß das umliegende Gebiet in Afrika erworben, sondern auch die Inseln Sicilien und Korsika, und einen großen Theil der Insel Sicilien unterjocht. Außerdem hatte es noch viele Kolonien, seine Flotten segelten auf allen bekannten Meeren, sein Handel war blühend, sein Reich unermeßlich. Die Punier oder Karthager selbst waren ein kleines Volk, aber mit ihrem Gelde mietheten sie fremde Truppen, die ihnen die Länder erobern mußten.

Sobald die Römer über Italien hinausgingen, konnte es nicht fehlen, daß sie mit den Puniern feindlich zusammentrafen; denn beide Völker hatten die Weltherrschaft im Sinn. Die Römer setzten nach Sicilien über, schlugen die karthagischen Soldtruppen, welche dort standen, und eroberten in wenig Jahren mehr als 60 sicilische Städte. Nun schickten die Karthager eine große Kriegsflotte. Die Römer, die auf dürftig zusammengenagelten Brettern nach Sicilien übergesetzt waren, kamen in große Verlegenheit; doch sie wußten sich zu helfen. Zufällig war an der Küste ein karthagisches Kriegsschiff gestrandet; dessen bemächtigten sich die Römer, und erbaueten nach diesem Muster mit unbeschreiblicher Anstrengung in 60 Tagen ihre erste Flotte von 120 Kriegsschiffen. Diese Schiffe waren freilich sehr unbehülflich; sie konnten nur mit großer Mühe fortgestoßen werden. Aber der römische Feldherr Duilius wußte auch hier Rath; er erfand eine Art Zugbrücken, welche man, sobald ein feindliches Schiff nahete, auf dasselbe niederfallen ließ. Wiederhaken hielten dann sogleich die beiden Schiffe zusammen, die römischen Soldaten sprangen auf die Brücke und fochten nun wie aus dem festen Lande. Unter des tapfern Duilius Anführung erfochten die Römer einen glänzenden Sieg über 150 feindliche Schiffe (bei Mylä 260 v. Chr.), und die Römer waren über diesen ersten Seesieg so erfreut, daß sie ihrem Feldherrn eine marmorne Ehrensäule errichteten, an welcher die Schnäbel der eroberten karthagischen Schiffe befestigt wurden. Zugleich bewilligten sie dem Duilius, so oft er des Abends von einem Gastmahle nach Hause zurückkehrte, mit Fackeln und mit Musik sich begleiten zu lassen – eine Ehre, die andere Sieger nur an dem Tage ihres feierlichen Einzugs in Rom genossen.

 

2.

Nach diesem Siege eroberten die Römer die Inseln Sardinien und Korsika, und Regulus wagte es sogar, nach Afrika überzusetzen, und die Feinde in ihrem eigenen Lande anzugreifen. Er eroberte eine karthagische Stadt nach der andern, machte sehr reiche Beute und stand schon vor den Thoren Karthago's. Da landeten griechische Miethstruppen; Regulus, der sich des Sieges allzugewiß glaubte, wurde geschlagen und selbst mit 200 Römern gefangen genommen.

In den nächsten Jahren waren die Römer nicht glücklicher; mehrere Städte auf Sicilien wurden von den Karthagern wieder erobert, zwei römische Flotten durch einen Sturm zerstört. Doch die Römer verzagten nicht; sie baueten wieder neue Flotten, und durch einen glänzenden Sieg, den sie auf Sicilien über das karthagische Heer davon trugen, wurden die Karthager so gedemüthigt, daß sie den gefangenen Regulus selbst mit mehreren Gesandten nach Rom schickten, um einen Frieden zu vermitteln. Regulus mußte aber schwören, wenn er nichts ausrichtete, wieder nach Karthago zurückzukommen. Wiewohl er nun wußte, daß bei seiner Rückkehr die schrecklichsten Martern seiner warteten, rieth er dennoch nicht zum Frieden, sondern zeigte den Römern, daß Erschöpfung die Karthager zwinge, um Frieden zu bitten. Die Vorschläge der Gesandten wurden also verworfen und Regulus, den weder die Vorstellungen des Senats, noch die Bitten der Seinigen zurückhalten konnten, ging seinem Eide getreu nach Karthago zurück. Dort ward er von den erbitterten Feinden hingerichtet.

 

3.

Es kam, wie Regulus vorhergesagt hatte. Die Karthager wurden wiederum in einer blutigen Seeschlacht entscheidend geschlagen, und da zugleich Unruhen in Karthago selbst ausgebrochen waren, mußten sie den Frieden auf die Bedingungen annehmen, welche die Römer ihnen stellten. Sie mußten Sicilien gänzlich räumen und eine ungeheure Summe als Entschädigung für die Kriegskosten den Römern bezahlen. Sicilien, die reiche, fruchtbare Insel, ward nun zu einer römischen Provinz. Eine Provinz mußte Steuern und Abgaben nach Rom bezahlen, Soldaten stellen, so viel und so oft als Rom es verlangte, und von dem Guten, was sie hatte, den Römern das Beste liefern. War ein Römer Konsul gewesen, dann wurde er auf ein Jahr als Statthalter oder Prokonsul in die Provinz geschickt und konnte hier frei schalten und walten. Nur mußte er nachher dem Senat und Volke Rechenschaft von seinem Wirken geben. Als die Römer die schöne Insel Sicilien erworben hatten, da erfuhren sie, wie herrlich es wäre, über eroberte Länder zu herrschen. Und da sie das mächtige Karthago überwunden hatten, waren sie stolz auf ihre Kraft und scheueten sich vor keinem Volke mehr. Ihre Eroberungssucht war jetzt so groß geworden, daß ihnen auch kein Friedensvertrag mehr heilig war. So nahmen sie, während Karthago in Afrika die Unruhen zu dämpfen suchte, treulos noch die Inseln Sardinien und Korsika weg, und als die Karthager sich darüber beschwerten, droheten sie Krieg, und verlangten, daß jene noch obendrein die Kosten bezahlen sollten, welche ihnen der Zug nach diesen Inseln verursacht hatte. Kein Wunder also, daß die Karthager auf Rache sannen.

 

2. Hannibal.

 

1.

Hamilkar, ein edler Karthager, schiffte mit seinem Heere nach Spanien hinüber, um hier seiner Vaterstadt ein Gebiet zu erobern, von wo aus sie dann gegen Rom wieder vorrücken könnten. In Spanien fanden die Karthager viel Silber in den Bergwerken, und allmälig erholte sich auch ihr Handel wieder. Sie gründeten an der Küste des Mittelländischen Meeres Neu-Karthago, an der Stelle, wo jetzt Karthagena steht. Als Hamilkar nach Spanien abreiste, bat ihn sein neunjähriger Sohn Hannibal, ihn mitreisen zu lassen. Der Vater erlaubte es, führte den Knaben aber zuvor an einen Altar, und ließ ihn schwören, daß er ewig ein Feind der Römer sein wolle. Nie ist ein Schwur treuer erfüllt worden.

Nach dem Tode seines Vaters und Schwagers übernahm Hannibal den Oberbefehl über das Heer der Karthager, ein Feldherr, der an Geistesgröße und Heldenmuth Wenige seines Gleichen in der Weltgeschichte hat. Er war groß und wohlgewachsen, hatte ein feuriges Auge, einen würdevollen Gang und eine edle kräftige Stimme. Keine Gefahr konnte seine Geistesgegenwart erschüttern, keine Anstrengung seinen Körper ermüden; er war unempfindlich gegen Frost und Hitze, gleichgültig gegen die Reize des Wohllebens; er konnte hungern und dursten, Nächte durchwachen, ohne daß man es ihm anmerkte. Er begehrte nichts von dem geringsten Soldaten voraus zu haben. Oft schlief er, nur in seinen Kriegsmantel gehüllt, auf bloßer Erde. Im Treffen war er der Erste und Letzte. Die Soldaten hingen aber auch an ihm, wie an ihrem Vater; die schlechtesten Miethtruppen wurden unter seiner Leitung tapfere Krieger.

Als die Römer von den Eroberungen hörten, welche die Karthager in Spanien machten, wurden sie unwillig und setzten herrisch den Fluß Ebro den Karthagern zur Grenze; auch sollten diese die Stadt Sagunt, noch auf der Westseite des Ebro, unangetastet lassen. Hannibal achtete aber nicht auf die römischen Bedingungen; er belagerte Sagunt. Die Einwohner sandten nach Rom um Hülfe, doch vergebens; da sie sich nicht länger vertheidigen konnten, steckten sie ihre Häuser in Brand und verbrannten sich mit ihren Weibern und Kindern. Die Eroberung von Sagunt erklärten die Römer für einen Friedensbruch; sie schickten Gesandte nach Karthago und verlangten die Auslieferung des Hannibal. Da sich der Rath in Karthago nicht vereinigen konnte, faßte der römische Gesandte, des Redens müde, sein Oberkleid zusammen und sprach: »Hier ist Krieg und Frieden, was wollt ihr?« – »Gib, was du willst!« antwortete Einer aus dem Rath. – »So sei es Krieg«, rief der Römer, und ließ den Mantel auseinander fallen. Und es begann nun ein Krieg zwischen Rom und Karthago, der das übermüthige Rom seinem Untergange nahe brachte und achtzehn Jahre dauerte (218 bis 201 v. Chr.).

Die Römer erwarteten einen Angriff zur See und machten Plane, den Feind in Spanien anzugreifen. Aber ehe man noch mit dem Plane fertig war, stand Hannibal schon mit Elephanten, afrikanischen Reitern und Fußgängern in Italien. Was kein Mensch für möglich hielt, das führte Hannibal aus. Mit einem Heere von Soldaten, die nur an heißes Klima gewöhnt waren, mit einem Gefolge von Elephanten, die nur in Ebenen brauchbar sind, mit tausenden von Pferden, die über Klippen und Eisschollen an der Hand geführt werden mußten, oft niederstürzten und ihre Führer in den Abgrund rissen; – dann rings umgeben von wilden Räubervölkern, die dem Heere des Hannibal Hinterhalte legten, endlich in der schlechten Jahreszeit, im Monat November, unter allen diesen Hindernissen stieg Hannibal über zwei der höchsten Gebirge Europa's, über die Pyrenäen und die Alpen. Ueber die Pyrenäen ging es schnell; in zehn Tagen ward das ganze Gallien (Frankreich) durchzogen, als man aber an die Alpen gelangte, schien Kälte und Hunger dem Kühnen ein Ziel zu setzen. Hannibal schreckte nicht zurück. Menschen und Thiere mußten die steilen, mit Eis bedeckten Anhöhen hinaufklettern. Tage lang mußte erst Weg und Steg geebnet werden, und dann, wenn die Führer vermeinten, eine Anhöhe erklommen zu haben, sanken sie oft plötzlich wieder zurück in den Abgrund, oder wurden von Lawinen verschüttet. Ueberall war jedoch der Feldherr selbst gegenwärtig; überall ordnete, arbeitete, kämpfte er selber. Endlich, nach neuntägigem Klettern, bei welchem mehrere tausend Menschen und der größte Theil der Lastthiere umgekommen waren, erreichte Hannibal den Gipfel der Alpen, und hier über den Wolken, auf den ewigen Schnee- und Eisfeldern, ließ er sein Heer zwei Tage lang rasten. Doch das Hinabsteigen war fast noch schwieriger als das Hinaufklettern; ganze Schaaren stürzten in die Felsklüfte und Abgründe, oft konnte man nicht vorwärts noch rückwärts. Als das Heer in den schönen Gefilden Italiens anlangte, war nur noch die kleinere Hälfte vorhanden: von 59,000 Mann waren bloß 26,000 geblieben; die Andern waren erschlagen, erfroren, in die Abgründe versunken.

 

2.

Nun zeigte Hannibal seinen Feldherrngeist. Ein römisches Heer rückte ihm entgegen; er schlug es am Fluß Ticinus. Dann rief er die Gallier auf zur Empörung gegen Rom und verband sich mit ihnen. Aber schnell hatten die Römer ein zweites Heer gesammelt; doch der Meister im Kriege wußte eine günstige Stellung an der Trebia zu gewinnen, so daß ein kalter Wind den Römern Regen und Schnee in's Gesicht trieb, und fast das ganze römische Heer wurde aufgerieben. Ganz Oberitalien ging zu dem Sieger über, und mehr noch als durch Waffengewalt gewann er durch schonende Milde.

Mit dem Frühling des nächsten Jahres drang Hannibal in das mittlere Italien vor. Der Fluß Arno hatte die ganze Gegend überschwemmt, doch das hielt den Hannibal nicht auf. Drei Tage und drei Nächte mußten die Soldaten, ohne zu rasten, im Wasser waten, die Lastthiere blieben im Schlamme stecken, und Hannibal selber verlor durch Erkältung das eine Auge. Kaum aber war er auf dem Trockenen, so wußte er den neuen römischen Feldherrn durch verstellte Flucht in einen Hinterhalt zu locken, und nun begann die Schlacht am Trasimenischen See. 6000 Römer wurden gefangen, 15,000 niedergemacht, der Konsul Flaminius tödtete sich selbst.

Hannibal zog weiter, hinter Rom hinweg, plünderte Alles aus, und machte erst im südlichen Italien Halt. Da wählten die Römer einen alten, äußerst bedächtigen Mann, den Fabius, zum Feldherrn. Dieser ließ sich durch Hannibal's Kriegslisten nicht täuschen; er besetzte sorgfältig alle Anhöhen und suchte seinem Feinde, die Flucht abzuschneiden. Die römischen Soldaten jedoch waren unzufrieden mit diesem trägen Hin- und Herziehen, und nannten den Fabius spottend cunctator oder »Zauderer«, welchen Namen er nachher als Ehrennamen behielt; denn er ließ sich nicht irre machen und blieb seinem Plane getreu. Und beinahe hätte er den schlauen Karthager gefangen. Wegweiser führten den Hannibal irre; dieser sah sich plötzlich in einem ganz von Bergen umringten Thale eingeschlossen und den Fabius auf den Anhöhen. Sorgfältig besetzten die Römer alle Ausgänge der caudinischen Pässe. In der Nacht aber ließ Hannibal 2000 Ochsen Reisbündel an die Hörner binden, das Reisig anzünden und so die Ochsen gegen das Heer der Römer treiben. Diese, welche nicht anders glaubten, als daß das ganze feindliche Heer gegen sie im Anzuge sei, und überall Flammen sahen, wußten nicht, auf welcher Seite sie sich zuerst vertheidigen sollten, und in der allgemeinen Verwirrung hatte Hannibal Zeit, aus der ihm gelegten Schlinge sich zu befreien.

Hierauf zog Hannibal bei des Fabius Landgütern vorbei; er ließ Alles umher verwüsten, verschonte aber sorgfältig die Güter des Fabius. Seine Absicht gelang; die unzufriedenen Soldaten begannen zu argwöhnen, daß Fabius ein geheimes Einverständniß mit dem Feinde habe, und als der kühne Unterbefehlshaber Minucius einen kleinen Vortheil über die Karthager gewann, ward ihm gleicher Antheil an dem Oberbefehl gegeben. Fabius theilte mit ihm das Heer. Kaum sah sich Minucius frei von dem lästigen Zwange, als er sogleich die Höhen verließ, um den Hannibal anzugreifen. Er ward aber, von diesem in einen Hinterhalt gelockt, plötzlich umzingelt und würde mit allen seinen Soldaten nicht davon gekommen sein, hätte ihn Fabius nicht gerettet. Dieser aber hatte die Gefahr gesehen und war schnell dem bedroheten Minucius zu Hülfe gezogen. Als Hannibal ihn kommen sah, zog er sich zurück, indem er sagte: »Ich hab' es immer gesagt, daß die Wolke auf den Bergen uns einmal Ungewitter bringen würde!« Nach der Schlacht berief Minucius seine Soldaten. »Genossen!« sprach er, »derjenige ist der erste Mann, der gut räth; derjenige der zweite, der gutem Rathe folgt; wer aber weder selbst zu rathen, noch dem guten Rathe zu folgen versteht, ist der allgemeinen Verachtung werth. Fabius hat uns errettet. Auf! laßt uns zu ihm und seinen Kriegern gehen, ihn als Vater, sie als unsere Retter zu begrüßen, und so uns wenigstens den Ruhm dankbarer Herzen gewinnen!« Alle gingen zum Heere des Fabius zurück. »Nimm uns gütig wieder auf unter deinen Oberbefehl!« sprach Minucius. Und Alle umarmten sich, Bekannte und Unbekannte bewirtheten einander als Gastfreunde, und ein Tag, der kurz vorher ein Tag der Trauer und der Verwünschungen war, endigte als ein festlicher Tag der Freude.

 

3.

Für das nächste Jahr, 216 v. Chr., hatten die Römer zwei neue Feldherren erwählt, von denen der Eine ein stürmischer, unvorsichtiger Mann war. Hannibal wünschte daher nichts sehnlicher, als eine Schlacht; und der unbedachtsame Römer gewährte ihm diese nur zu bald. Das römische Heer griff die hervorragende Mitte der karthagischen Schlachtreihe an; diese zog sich eiligst zurück, die Römer folgten, aber die beiden Flügel des karthagischen Heeres hielten nicht bloß Stand, sondern drangen vorwärts. So wurde nach und nach fast das ganze römische Heer eingeschlossen und erlitt eine fürchterliche Niederlage. 50,000 Römer lagen todt, unter ihnen der andere Konsul, gegen dessen Rath die Schlacht unternommen worden war. Es waren allein 80 Senatoren umgekommen, und so viele Ritter (von denen jeder als Abzeichen einen Ring am Finger trug), daß Hannibal einen ganzen Scheffel voll Ringe nach Karthago senden konnte. Bei Cannä in Apulien wurde die blutige Schlacht geschlagen; die Kunde davon verbreitete tiefe Trauer in der Hauptstadt, da war fast kein Haus, das nicht einen Vater oder Sohn oder Verwandten zu betrauern hatte. Rom schien verloren, und es wäre verloren gewesen, hätte jetzt Hannibal Unterstützung von Karthago aus erhalten. Denn sein Heer hatte durch die vielen Schlachten sehr gelitten, und in den ausgeplünderten Gegenden konnte er keine Lebensmittel mehr auftreiben. Er war erschöpft; in Karthago aber waren die habsüchtigen Kaufleute unzufrieden, daß er noch immer Geld und Soldaten verlange, und nicht vielmehr Geld schicke. Die Römer aber vertraueten noch in der höchsten Noth auf sich selbst und blieben wie freie Männer fest und ungebeugt. Als der vorsichtige Konsul die Reste des Heeres gesammelt hatte und mit ihnen im geordneten Zuge in Rom anlangte, ging der Senat ihm entgegen und dankte ihm, daß er nicht an der Republik verzweifelt hätte.

 

4.

Die Söldlinge des Hannibal fochten nicht wie die Römer für Freiheit und Vaterland, sondern nur für's Geld; sie waren zusammengelaufenes Gesindel. Hannibal suchte sich daher durch Bündnisse mit Sicilien und Makedonien zu stärken. Allein Marcellus, ein tapferer und kluger Feldherr (die Römer sagten: »Fabius war unser Schild, Marcellus ist unser Schwert«), schlug den Hannibal in mehreren Treffen und eroberte Sicilien. Die Hauptstadt der Insel, Syrakus, hielt sich am längsten gegen die Angriffe der Römer, besonders durch die kunstreichen Erfindungen Eines Mannes, des Archimedes. Der war ein äußerst sinnreicher Kopf, hatte viele wichtige mechanische Werkzeuge erfunden, durch die man mit geringen Kräften die schwersten Lasten hob; er hatte Wurfmaschinen verfertigt, mit denen man Steine und Feuerkugeln auf die Feinde und ihre Schiffe hinabwarf. Ja, man erzählt, er habe mit großen Brennspiegeln von der Mauer herab die römischen Schiffe in Brand gesteckt. Endlich nach zweijähriger Belagerung mußte sich die Stadt ergeben. Marcellus, der römische Feldherr, hatte zwar befohlen, den Archimedes zu schonen. Dieser aber, ohne noch davon gehört zu haben, daß die Stadt eingenommen sei, saß in Nachdenken vertieft vor einer mit Sand bestreuten Tafel und zeichnete Kreise und andere Figuren. Ein römischer Soldat tritt herein, um nach Schätzen zu suchen. Archimedes ruft ihm ängstlich zu: »Verwirre mir meine Zirkel nicht!« Da durchstößt ihn der Soldat, ohne zu ahnen wer er sei, mit seinem Schwert.

 

5.

Endlich hatten die Karthager beschlossen, dem Hannibal Hülfe zu schicken. Sein Bruder Hasdrubal sollte ihm aus Spanien ein neues Heer zuführen, und der war bereits glücklich über die Pyrenäen und Alpen gelangt, als er in Oberitalien von den Römern geschlagen ward. Eines Morgens warfen die Römer den Hannibal über die Wälle seines Lagers einen Kopf, – es war der Kopf seines Bruders. Da verzagte der große Mann. »Jetzt seh' ich Karthago's Schicksal!« rief er.

In Spanien hatte ein ausgezeichneter Feldherr, Publius Cornelius Scipio, ein Jüngling von 24 Jahren, das Glück der Römer wieder hergestellt. Er hatte Neukarthago erobert, das feindliche Heer geschlagen und durch seine Freundlichkeit und Milde sich die Herzen der Spanier gewonnen. Dann faßte er den kühnen Plan, Karthago selbst in Afrika anzugreifen; mit einer großen Flotte fuhr er hinüber. Dort fand er weder ein bedeutendes Heer, noch einen bedeutenden Feldherrn sich gegenüber; ohne Widerstand zu finden, durchzog er das ganze feindliche Land, eroberte eine Stadt nach der andern und nahete den Thoren Karthago's. Da ward Hannibal zurückberufen. Traurig, wie Einer, der vom Vaterlande scheidet, verließ der große Feldherr Italien, das Land seiner Siege, das er erobert hatte und das er jetzt aufgeben mußte, weil ihn seine Mitbürger verlassen hatten.

Er landete in Afrika und ging dem Scipio entgegen. Doch er erkannte bald, daß sein Gegner ihm überlegen sei und daß er mit seinem zusammengerafften Heere den Römern nicht widerstehen könne. In der Ebene bei Zama sollte die verhängnißvolle Schlacht geliefert werden. Hannibal bot Frieden an, und im Angesicht beider Heere traten die zwei größten Feldherren ihrer Zeit zu einer Unterredung zusammen. Scipio, der junge Held, blühend und frisch, sprach mit Hannibal und schauete dessen von Gram und Narben durchfurchtes Antlitz. Doch die Unterredung war vergebens; der Römer verlangte gänzliche Unterwerfung. Nun begann die Schlacht. Hannibal bot die höchste Kraft seiner Klugheit und Geistesgegenwart auf; die Stellung seines Heeres war meisterhaft; aber seine Soldaten waren entnervt, seine alten Krieger in Italien gefallen. An 20,000 wurden gefangen und eben so viel niedergemacht. Da mußten sich die Karthager auf Gnade und Ungnade ergeben, und die Friedensbedingungen waren hart. Sie mußten Alles, was sie außer ihrem Gebiete in Afrika besaßen, den Römern abtreten: Spanien, Sicilien, Sardinien; alle römischen Kriegsgefangenen mußten sie umsonst ausliefern, alle abgerichteten Elephanten herausgeben und versprechen, nie wieder solche Thiere abzurichten; alle Kriegsschiffe bis auf zehn mußten sie verbrennen, den Römern die Kosten des Kriegs bezahlen (über zehn Millionen Thaler!) und endlich geloben, ohne Einwilligung der Römer nie einen Krieg anzufangen.

Als zur Abtragung der ungeheuren Entschädigungssumme eine Kopfsteuer angeordnet wurde, weinte Alles in Karthago; Hannibal aber lachte bitter und rief: »Damals hättet ihr weinen sollen, als ihr vor den Römern flohet, euch die Waffen genommen und die Schiffe verbrannt wurden!«

 

6.

So sehr nun auch Karthago gedemüthigt war, so konnte doch Hannibal nicht in unthätiger Ruhe sein Leben beschließen. In Syrien herrschte damals ein eroberungssüchtiger König, Antiochus. An diesen schickte Hannibal heimlich Gesandte, die ihn aufmuntern sollten, sich mit den unzufriedenen Griechen gegen die Römer zu verbinden und diese in ihrem eigenen Lande, in Italien, anzugreifen. Allein die Unterhandlung ward verrathen, römische Gesandte erschienen in Karthago und verlangten die Auslieferung des Hannibal. Die Karthager hätten sich diesem Verlangen wohl fügen müssen; Hannibal aber entrann in der Nacht, bestieg ein Schiff, das er schon längst für solche Fälle bereit gehalten hatte, und setzte nach der kleinen Insel Cercina über. Hier lagen einige karthagische Kaufmannsschiffe; man empfing ihn mit Jubel, wunderte sich aber, ihn hier zu sehen. Doch er kam jedem Verdachte durch die Erdichtung zuvor, er gehe als Gesandter nach Tyrus, der Mutterstadt Karthago's. Indeß konnte leicht ein Schiff nach Karthago absegeln und Nachricht von dem Aufenthalt Hannibal's bringen. »Hört,« sprach er daher zu den Schiffern, »rückt eure Schiffe zusammen und spannt die Segel aus, damit wir vor der Abendsonne beschirmt im Schatten trinken können!« Der Vorschlag fand Beifall, man veranstaltete ein Mahl, und Hannibal nöthigte fleißig zum Trinken. Als Alle berauscht fest schliefen, lösete er sein Schiff und ruderte mit seinen wenigen Getreuen davon, nach Asien zum Antiochus. Dieser beschloß sogleich Krieg gegen Rom, aber er war wohl ein ruhmsüchtiger, doch kein großer Mann. Als die Römer heranrückten, ward er unschlüssig, achtete nicht auf Hannibal's Rathschläge und ließ die beste Gelegenheit zum Siege ungenützt vorübergehen. Da ward er geschlagen und mußte einen schimpflichen Frieden schließen, worin ihm auch zur Bedingung gemacht wurde, den Hannibal an die Römer auszuliefern. Antiochus willigte ein; aber Hannibal entfloh nach dem nordwestlichen Theil Kleinasiens zum Könige von Bithynien. Auch an diesen schickten die Römer Gesandte und erklärten es für eine Feindseligkeit gegen Rom, wenn er dessen erbittertstem Feinde Schutz gewährte. Der eingeschüchterte König ließ Hannibal's Haus mit Wachen umringen, die Wege der Flucht waren dem Unglücklichen gesperrt; nur ein einziges Mittel blieb ihm, um dem Schicksal zu entgehen, in Rom als Sklave aufgeführt zu werden. Lange schon trug er bei sich ein Fläschchen mit Gift; als die Bewaffneten zu ihm eindrangen, zog er es hervor und trank es aus. So starb der größte Feldherr der alten Welt.

 

3. Der Censor Kato.

Die Römer hatten sich in Asien an die Schwelgerei und Ueppigkeit gewöhnt. Je mehr Schätze die Republik und die einzelnen Bürger gewannen, desto mehr dachte Jeder nur darauf, wie er am besten leben könnte, und nicht, wie er am besten dem Staate diente. Dabei wurden die Reichen immer mächtiger, mit Gold konnte man jetzt mehr ausrichten als sonst, und solche Männer, wie Fabricius und Kurius waren, wurden immer seltener. Ein Mann von altem Schrot und Korn war der Censor Kato, der wollte mit aller Gewalt die früheren einfachen Sitten wiederherstellen. Er fürchtete, daß leicht Einer zum Tyrannen sich aufwerfen könnte, wenn die Bürger einem weichlichen Leben sich ergeben würden, wenn sie schöne Paläste baueten, Kunstwerke aufstellten und den Griechen es nachthun wollten. Auf die Griechen hatte der strenge Mann besonders seinen Haß geworfen, denn von diesen kamen viele nach Rom, um die jungen Römer in griechischer Kunst und Wissenschaft zu unterrichten. Manche jener Griechen waren allerdings Schwätzer und ausschweifende Menschen, welche einem Republikaner wie Kato nicht gefallen konnten. Feinheit und Anmuth und Kunst, meinte dieser, gezieme nur Sklaven, die kein Vaterland hätten. So versuchte er denn, alle griechischen Redner, Lehrer und Künstler aus Rom zu vertreiben, und darin standen ihm auch Manche von den Volkstribunen bei. Scipio, der ruhmgekrönte »Afrikaner«, wie er seit seinem Siege über Hannibal genannt wurde, war diesen Männern auch verhaßt, weil er Gefallen hatte an griechischer Weisheit und Kunst, aber auch, weil sie meinten, es wäre für den Freistaat gefährlich, wenn Einer so viel bedeute. So klagten denn zwei Tribunen den trefflichen Mann unter dem Vorwande an, er habe auf seinen Feldzügen Gelder, die dem Staate gehörten, veruntreut und für sich behalten.

An dem Tage, wo die Sache verhandelt werden sollte, kam Scipio auf das Forum, mit einem Lorbeerkranz um die Stirn. Er sprach: »Heute, ihr Römer, ist der Tag, wo ich einst über Hannibal in Afrika einen herrlichen Sieg erfochten habe. Kommt, laßt uns auf das Kapitol gehen und den Göttern dafür danken!« Da jubelte das Volk und folgte ihm nach; von der Anklage war nun nicht mehr die Rede. Scipio aber mochte seit dieser Zeit nicht mehr in Rom bleiben; er ging auf sein Landgut und lebte dort in stiller Zurückgezogenheit bis an seinen Tod, der in demselben Jahre erfolgte, in welchem Hannibal sich selber das Leben nahm.

Der Censor Kato fuhr indessen fort, die Prunksüchtigen zu strafen und gegen die Erpressungen der Reichen und Mächtigen zu eifern; doch konnte er der zunehmenden Zügellosigkeit keinen Damm mehr entgegensetzen. Aber jedes Mal, so oft Kato im Senate eine Rede gehalten hatte, fügte er regelmäßig die Worte bei: »Uebrigens bin ich der Ansicht, daß Karthago zerstört werden muß!« » Ceterum censeo, Carthaginem esse delendam!«

 

4. Die Zerstörung Karthago's.

Der Wunsch des Kato war auch der Wille des römischen Volks; dieses wartete nur auf eine Gelegenheit, um abermals über die Karthager herfallen zu können. Da geschah es, daß ein benachbarter König den Karthagern ein Stück Land wegnahm. Sie durften aber ohne Einwilligung der Römer keinen Krieg anfangen, darum schickten sie Gesandte nach Rom und baten um Hülfe. Doch die Gesandten fanden kein Gehör. Die Karthager erneuerten ihre Klagen und Bitten und endlich wurden Römer abgesandt, die Sache zu untersuchen. Diese entschieden gegen Karthago. Der König ward nun übermüthiger, und die Karthager ergriffen die Waffen, sich selbst zu wehren. Dies erklärten die Römer für einen Friedensbruch und schickten ein Heer nach Sicilien, Karthago erschrickt, sendet Abgeordnete und unterwirft unbedingt Land und Leute. »So schickt uns 300 Geiseln als Zeichen eurer Unterwerfung!« 300 Jünglinge werden ihren Eltern entrissen und nach Rom geschickt. Dennoch setzt ein römisches Heer unter Scipio dem Jüngern nach Afrika über, und den Karthagern wird besohlen, alle Waffen und Kriegsvorräthe auszuliefern. Sie thun es. Als nun aber der Befehl kommt, Karthago zu schleifen und sich irgendwo im Lande, drei Meilen von der Küste entfernt, anzubauen: da werden die Karthager zur Verzweiflung gebracht. Sie bieten ihre letzte Kraft auf, um wenigstens nicht ehrlos unterzugehen.

Karthago hatte eine vortreffliche Lage auf einer Halbinsel und war stark befestigt. Der Eingang in den Hafen konnte den römischen Schiffen durch eine Kette gesperrt werden, und ein Landheer war so gestellt, daß die Stadt ununterbrochen mit Lebensmitteln versehen werden konnte. Jung und alt arbeitete nun, Vertheidigungsmittel zu bereiten. Man trug die Häuser ab, um Schiffsbalken zu gewinnen; alles Metall, alle Kostbarkeiten von Gold und Silber wurden zusammengebracht, um Waffen daraus zu schmieden; auf den Straßen, in den Tempeln sogar sah man hämmern, schmelzen, hobeln und zimmern. Es fehlte an Sehnen für die Bogen; die Weiber schnitten ihr langes Haar dazu ab. So wehrten sich die Karthager mit der äußersten Verzweiflung zwei Jahre lang gegen die Römer. Im dritten Jahre endlich, 146 v. Chr., erstürmten die römischen Soldaten die Mauern. Doch mußten sie auch jetzt noch straßenweise die Stadt den Karthagern abringen und das wüthendste Morden in den Straßen und Häusern währte sechs Tage. Von 700,000 Einwohnern blieben nur 59,000 am Leben, die als Sklaven verkauft wurden. Die Stadt war an mehreren Orten in Brand gesteckt worden und brannte siebenzehn Tage lang.

 

5. Die Eroberung von Korinth.

Die Griechen hatten von ihrer früheren Geschichte nichts gelernt; um der Uneinigkeit willen waren sie früher eine Beute Philipp's von Macedonien geworden, und um der Uneinigkeit willen wurden sie nun eine Beute der Römer. Sparta stand in Fehde mit Korinth, Korinth wiegelte wieder andere Städte gegen Sparta auf. Es waren viele Verräther unter den Griechen, die hielten es mit den Römern und lockten viele in's Land. Da zog der Konsul Mummius gegen die Korinther und ihre Verbündeten, schlug sie und eroberte Korinth in demselben Jahre, in welchem Karthago zerstört ward. Nachdem die Soldaten die reiche Stadt geplündert hatten, steckten sie dieselbe in Brand. Die herrlichsten Paläste gingen in Rauch auf, eine Menge werthvoller Bildsäulen und Gemälde schickte der rohe Eroberer nach Rom; er war aber in Kunstsachen so unwissend, daß er den Schiffsleuten sagte, sie möchten diese Statuen nicht entzwei brechen, sonst müßten sie dieselben wieder machen lassen. Er hielt die Kunst für ein bloßes Handwerk.

Die Einwohner Korinths und viele andere Griechen wurden als Sklaven fortgeführt; durch sie kam griechische Weisheit und Kunst nach Rom und verbreitete sich von dort über alle Länder der Erde. So haben die Griechen noch lange für die Bildung der Menschheit gewirkt, obwohl ihr Staat zertrümmert und ihre Kraft gebrochen war.

 

6. Roms Weltmacht.

Als die Römer auch die Karthager vernichtet hatten, betrachteten sie sich als die Herren der Welt, und Furcht und Schrecken kam über die Völker, wenn sie nur die Römer nennen hörten. Antiochus von Syrien wollte einen Krieg gegen die Aegypter führen; der Senat schickte einen Gesandten und verbot es ihm; Antiochus gehorchte. Als der König Prusias von Bithynien einen Besuch in Rom machte, zog er Sklavenkleider an und küßte die Thürschwelle, ehe er in den Senat trat. Der König Masinissa von Numidien, von welchem die Römer Korn gekauft hatten, schickte seinen Sohn zum Senat und ließ sagen: »Er wäre ganz beschämt, daß die Römer ihm Geld dafür gegeben hätten, da er ja selbst, sein Land und Alles darin den Römern gehöre.«

Nachdem die Römer fast zu gleicher Zeit in Spanien, in Griechenland, in Macedonien und in Afrika Krieg geführt und überall gesiegt hatten, rührte sich Niemand gegen sie. Der König Attalus in Kleinasien vermachte ihnen, als er starb, sein ganzes Reich und alle seine Schätze. So schienen die Römer die sicherste Macht und das größte Glück auf Erden zu haben. Beides, ihre Macht und ihr Reichthum, wurden mit jedem Tage unermeßlicher; davon sprachen sie auch gern und rühmten ihre Größe mit römischem Stolze.


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