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III. Xerxes und Leonidas. Themistokles.

 

Xerxes' Heerfahrt nach Europa. Nach Ferd. Bäßler.

Als die Nachricht von der Niederlage bei Marathon an den König Darius kam, da entbrannte sein Zorn noch heftiger gegen die Athener und er rüstete sich zu einem neuen Feldzuge gegen Hellas vier ganze Jahre lang. Aber er starb, ehe er ausführen konnte, was er im Sinne hatte, und sein Sohn Xerxes übernahm mit dem Throne zugleich den Racheplan des Vaters. Hierin bestärkte ihn sowohl Mardonius, welcher bei den Persern am meisten in Ansehen stand, als auch ein Traumgesicht. Es däuchte ihm nämlich, er wäre mit einem Oelsprößling bekränzt und die Zweige desselben reichten über die ganze Erde und nach diesem verschwände der Kranz, der ihm auf dem Haupte gelegen. Das legten ihm die Magier so aus: Dieser weitreichende Kranz bedeute, daß er durch den Feldzug, den er vorhabe, die Herrschaft gewinnen werde über die ganze Erde. Und Xerxes hatte wirklich im Sinn, nach Unterwerfung Griechenlands ganz Europa sich eigen zu machen, bis daß der Himmel selbst die alleinige Grenze des Perserreichs wäre. Hätten aber jene Weisen darauf achten wollen, daß der Kranz nachher vom Haupte des Königs entschwunden war, so hätten sie wohl dem Traume eine richtigere Deutung gegeben.

Xerxes indeß glaubte den Worten seines Rathgebers und seiner Traumdeuter, und nachdem er noch vier Jahre lang die Kriegsrüstung fortgesetzt hatte, zog er im Frühling des Jahres 480 v. Chr. mit einer fast zahllosen Menge Volks wider die Griechen zu Felde. Das Vorgebirge Athos, wo die Perser vormals Schiffbruch gelitten, ließ er mit ungeheurer Arbeit vom Festlande durch einen breiten und tiefen Graben trennen, in welchem nun die persische Flotte ungehindert durchfuhr. Um aber das Landheer von Asien nach Europa hinüberzubringen, ließ Xerxes über den Hellespont Brücken schlagen. Doch ein Sturm zertrümmerte die Brücken. Als der König solches erfuhr, ließ er den Baumeistern die Köpfe abschneiden und das widerspenstige Meer mit Ruthen peitschen.

Nun wurden zwei andere Brücken, stärker als die ersten, hergestellt und das ganze Heer bereitete sich zum feierlichen Uebergange vor. Der Weg war mit Myrthenzweigen bestreuet und auf den Brücken dampfte der Weihrauch. Es war in der Morgendämmerung. In dem Augenblick, wo die still und andächtig erwartete Sonne am Osthimmel herrlich über den Völkern emporstieg, goß Xerxes aus einer goldenen Schale ein Trankopfer in das Meer und betete zur Sonne, daß sie ihm eine sieghafte Bahn beleuchten möge bis an das Ende Europa's. Darnach warf er die Schale sammt einem goldenen Becher und einem persischen Krummschwerte in die See und als das geschehen, setzte sich das Heer in Bewegung und ging über von Asien nach Europa. Dieser Zug über die Brücke währte ununterbrochen sieben Tage und sieben Nächte, und wer das mit ansah, achtete den König an Macht gleich einem Gotte.

Als sie nun nach Thracien in die Ebene von Doriskos kamen, hielt Xerxes Heerschau und veranstaltete eine Zählung seines Kriegsvolkes in folgender Art. Man stellte 10,000 Mann auf einen Ort dicht zusammen und zog alsdann einen Zaun um sie; darnach ließ man sie herausgehen und trieb Andere hinein, bis die Umzäunung abermals gefüllt war. Solchergestalt wurde das persische Heer gezählt oder vielmehr wie Getreide gemessen. Die Gesammtmenge streitbarer Männer wurde bei dritthalb Millionen befunden; der Troß der Diener, Köche, Weiber u. dgl. betrug mindestens ebensoviel, so daß dieser ungeheure Zug von mehr als fünf Millionen Menschen eher einer Völkerwanderung, als einer Heerfahrt glich. Da war kein Volk zwischen dem indischen und mittelländischen Meere, das nicht zu dieser Armee seine Heerschaar gestellt hätte! Welch' ein buntes Gewimmel der verschiedenartigsten Gestalten, Trachten und Waffenarten! Den Kern dieser Kriegsmacht bildeten die Perser. Kleidung und Rüstung derselben war von den Medern entlehnt: sogenannte Tiaren oder ungefilzte Hüte, bunte Aermelröcke mit eisernen Schuppen belegt, Hosen um die Beine, statt des Schildes ein Geflecht, kurze Speere, große Bogen, im Köcher Pfeile von Rohr und einen Dolch im Gürtel. Die Assyrier hatten eherne, geflochtene Helme auf und linnene Panzer an; ihre Hauptwaffe war eine mit Eisen beschlagene Keule. Die Saken, ein scythisches Volk, gingen mit hohen Turbanen einher, welche oben spitz zuliefen; im Kampfe führten sie eine Streitaxt. Die Indier trugen Kleidung von Baumwolle, die Kaspier von Pelz. Die Araber waren mit weiten Oberkleidern umgürtet und führten lange Bogen, die man nach Belieben auf beiden Seiten spannen konnte. Die afrikanischen Aethiopier hatten Panther- und Löwenfelle um, ihre Bogen waren aus dem Blüthenstiele eines Palmbaums gefertigt, ihre Pfeile waren von Rohr und vorn war ein spitziger Stein von großer Härte befestigt; die Spitze ihres Speeres aber bildete ein Antilopenhorn, und wenn sie in die Schlacht zogen, hatten sie ihren Leib gar seltsam halb mit Kreide, halb mit Mennige (roth) gefärbt. Die asiatischen Aethiopier hatten sich das Haupt mit abgezogenen Stirnhäuten der Pferde bedeckt, an denen noch die Ohren gerade in die Höhe standen und die Mähne hinten wallend hinunterging. An Glanz zeichneten sich vor Allen die Perser aus, welche auch die Tapfersten waren. Ihre Rüstungen strahlten von der Menge Goldes. Auch führten sie eine zahlreiche, schön geschmückte Dienerschaft auf Wagen mit sich. Unter der Reiterei that sich das persische Hirtenvolk der Sagartier hervor. Diese hatten 8000 Reiter gestellt und führten keine anderen Waffen mit sich, als einen kurzen Dolch und eine aus Riemen geflochtene Schlinge, womit sie im Gefecht den Gegner fingen und hinter sich fortschleifend tödteten. Die Indier kamen theils zu Roß, theils zu Wagen, theils zu Fuß; die arabische Reiterei ritt auf raschen Kameelen und mußte zu hinterst bleiben, da die Pferde vor den Kameelen sich scheuen.

Mehr als 50 Völkerschaften aus allen drei Welttheilen waren auf das Geheiß eines einzigen Gewaltherrn unter die Waffen getreten. Nachdem das Heer gezählt und geordnet war, bestieg Xerxes einen Wagen und fuhr von einem Volke zum andern. Er fragte jedwedes nach seinem Namen, nach Zahl, Führer und was sonst wissenswerth schien; seine Schreiber zeichneten es auf. Nach der Musterung des Landheeres besichtigte der König auch die Flotte. Die Schiffe lagen nahe am Ufer in einer Linie, die Schnäbel dem Lande zugekehrt, vor Anker und die Besatzung derselben hatte sich gewaffnet wie zur Schlacht. Der König bestieg ein sidonisches Schiff und saß auf dem Verdeck unter einem goldenen Zelte. Dann fuhr er an den Schiffen entlang, befragte sie alle und ließ Alles aufschreiben. Es waren außer den 3000 Lastschiffen 1200 Kriegsschiffe, wovon 300 von den Phöniciern, 200 von den Aegyptern, 150 von den Cypriern, 100 von den Ciliciern, ebensoviel von den Ioniern (den kleinasiatischen Griechen) und 50 von den Lyciern gestellt waren. Die besten Segler gehörten den ältesten Seefahrern, den Phöniciern, an. Nächst diesen zeichneten sich vor allen die fünf herrlichen Galeeren aus, welche die Königin Artemisia führte, die tapferste unter den Heerführern und die weiseste unter den Rathgebern des Königs.

So groß war die Heeresmacht, die gegen das kleine Griechenland auszog.

 

Leonidas im Paß von Thermopylä.

 

1.

Schwer und langsam kam die Persermacht herangezogen, ohne Widerstand zu finden, bis zum Engpasse von Thermopylä, der in das Herz von Griechenland führt. Hier, wo das Meer von der einen und das steile Oetagebirge von der andern Seite nur einen schmalen Steg gelassen hat, hielt der spartanische König Leonidas mit 300 Spartanern und einigen verbündeten Truppen, Xerxes lachte überlaut, als er hörte, daß dieses Häuflein seine Millionen aufzuhalten gedenke und sich zu dem Kampfe wie zu einem Feste schmücke. Er schickte Boten hin, mit dem Befehl, ihm sofort die Waffen auszuliefern. »Komm' und hole sie!« war die Antwort. Und als den Griechen gesagt wurde, der Feinde seien so viel, daß ihre Pfeile die Sonne verfinstern würden, erwiderte ein Spartaner kalt: »Desto besser, so werden wir im Schatten fechten.«

Noch zögerte Xerxes mit dem Angriff. Er konnte es sich nicht möglich denken, daß diese handvoll Menschen wirklich Widerstand leisten würde; so ließ er ihnen denn vier Tage Zeit zur Besinnung; vielleicht – so meinte er – würden sie von selber umkehren und abziehen. Dann aber ließ er seine Asiaten gegen den Hohlweg losstürmen. Hier standen die Griechen, dicht geschlossen, Mann an Mann, in der Linken den Schild, der sich wie eine eherne Mauer vor der Reihe herzog, von welcher die Pfeile der Barbaren klirrend zurückflogen; mit der Rechten streckten sie einen Wald langer Lanzen vor sich hin. Schaar auf Schaar stürmte heran und suchte den Wald zu durchbrechen, aber immer wurden sie über die Leichen der Ihrigen zurückgeworfen. Xerxes ließ jetzt die Tapfersten seines Heeres, die »unsterbliche Schaar« genannt, vorrücken. Auch sie fielen. Kein Perser mochte mehr den Angriff wagen. Zuweilen gebrauchten die Spartaner ihre Kriegslist und flohen; die persischen Reiter hintendrein, aber plötzlich wandten sich die Tapfern und stachen Roß und Mann nieder. Xerxes sprang oft von seinem Sitze auf, wenn er seine besten Krieger fallen sah, er wüthete und tobte und ließ seine Schaaren mit Geißeln in den Hohlweg peitschen, wo ihr sicheres Grab bereitet war. Hier wäre vielleicht schon die ganze persische Macht an der Tapferkeit von ein paar hundert heldenmüthigen Griechen gescheitert, wäre nicht ein Verräther gewesen – Ephialtes ist sein Name – der dem persischen Feldherrn einen geheimen Fußpfad über das Gebirge entdeckte.

Nun schlichen sich die Perser in aller Stille an dem Berge hinauf, überstiegen die abschüssigen Höhen und fielen den verrathenen Griechen in den Rücken. Diese sahen nun ihren unvermeidlichen Tod vor Augen, aber sie wollten das Leben auch theuer verkaufen. Wüthend stürzten sie sich in die Feinde, die wie Gras unter der Sense des Schnitters unter ihren Streichen fielen. Als die Lanzen der tapferen Spartaner zerbrochen waren, gingen sie mit ihren kurzen Schwertern den Feinden zu Leibe. Da fiel Leonidas in diesem Handgemenge, nachdem er heldenmäßig gekämpft, und mit ihm viele tüchtige Spartaner; über seinem Leichnam entstand ein großes Gedränge der Perser und Lacedämonier, bis daß die Griechen ihn durch ihre Tapferkeit fortbrachten und dreimal die Perser in die Flucht schlugen. Aber nun drangen von allen Seiten die Feinde auf das immer kleiner werdende Griechenheer ein und die Tapferen mußten der Uebermacht erliegen.

 

2.

Von jenen 300 Spartanern starben alle den Heldentod, bis auf einen, Aristodemus. Dieser war bei einem andern Spartaner, Namens Eurytos, der wegen einer schlimmen Augenkrankheit von Leonidas fortgeschickt war. Als sie nun hörten, daß die Perser über den Berg gegangen seien, forderte Eurytos seine Rüstung, legte sie an und befahl seinem Diener, ihn nach dem Kampfplatze zu führen. Hier angekommen, stürzte er sich in den feindlichen Haufen und ward erschlagen; Aristodemus aber rettete sein Leben durch die Flucht. Doch in Sparta erklärten ihn alle Bürger für ehrlos, Keiner sprach mehr mit ihm, Keiner durfte ihm ein Feuer anzünden. Die Kinder nannten ihn den »Ausreißer Aristodemus«. Solche Schmach vermochte er nicht zu ertragen; er zog nachher in die Schlacht von Platää und hielt sich da so tapfer, daß er seine Schmach löschte.

Solchergestalt war der Kampf der Griechen bei Thermopylä im Juli 480 v. Chr. Nach der Schlacht besuchte Xerxes die Leichname, und als man den Leichnam des Leonidas gefunden, ließ er demselben den Kopf abschneiden und ihn schmachvoll an's Kreuz schlagen wider Sitte und Recht. Die Griechen aber ließen nachher an der Stelle, wo Leonidas gefallen war, einen steinernen Löwen und eine Denksäule errichten mit der Inschrift:

»Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest
Uns hier liegen geseh'n, wie das Gesetz es befahl.«

 

Themistokles. Nach L. Stacke.

Alle Tapferkeit zu Lande wäre zuletzt gegen die zahllosen Schaaren des Xerxes fruchtlos geblieben, wenn nicht der Muth und die hochherzige Aufopferung der Athener alle Griechen zum gemeinsamen Kampfe zur See verbunden hätte. Unter den Athenern war nur ein Mann, der mit richtiger Einsicht erkannte, daß nur zur See den Persern erfolgreicher Widerstand geleistet werden könnte. Diesem Manne gebührt vor Allen der Ruhm, Griechenlands Retter gewesen zu sein. Sein Name ist Themistokles.

Schon als Knabe war Themistokles lebhaften Geistes und voll kühner Entwürfe; die kindischen Spiele verschmähete er, dagegen beschäftigte er sich eifrig mit Anfertigung gerichtlicher Reden, indem er Fälle erdichtete, wo er andere Knaben anklagte und vertheidigte. Daher sagte einst sein Lehrer zu ihm: »Aus dir, o Knabe, wird einst nichts Geringes werden, sondern etwas recht Gutes oder etwas recht Schlechtes.« Zu den Künsten und Wissenschaften, die nur zum Vergnügen oder zur feineren Bildung dienen, zeigte er keine Lust, namentlich war er der Musik ganz unkundig. Als er sich später in einer Gesellschaft befand und ihm eine Lyra oder Cither gereicht wurde, damit er, wie die Anderen, etwas darauf vorspielen sollte, schob er das Instrument zurück und sagte: »Die Lyra spielen habe ich nicht gelernt, aber einen Staat groß und berühmt zu machen, diese Kunst glaube ich zu verstehen.« Sein ganzes Dichten und Trachten war auf das Kriegswesen und die Verwaltung des Staates gerichtet, und nur was hierauf Bezug hatte, betrieb er mit Nachdruck. Begierde nach Ruhm brannte in des Jünglings Herzen; als des Miltiades Name in aller Munde war, sah man ihn in Gedanken vertieft umhergehen; er mied die fröhlichen Gesellschaften seiner Freunde und sah ganz leidend aus. Als man ihn um die Ursache dieser plötzlichen Veränderung befragte, antwortete er: »Das Siegesdenkmal des Miltiades läßt mich nicht schlafen.«

Das Volk glaubte, daß die Niederlage der Barbaren bei Marathon das Ende des Krieges sei; aber Themistokles war anderer Meinung; ihm war dieser Sieg der Athener nur der Anfang zu neuen Kämpfen. Mit großem Scharfblick erkannte er, wie nothwendig eine Flotte für die Athener sei. Die Athener pflegten die Einkünfte eines Bergwerks unter die einzelnen Bürger zu vertheilen. Themistokles beredete sie, diese Einkünfte zum Bau von 300 Ruderschiffen zu verwenden, indem er den Krieg gegen die Einwohner von Aegina, einer benachbarten Insel, zum Vorwand nahm. So wurde auf seinen Rath die Flotte gebaut, die Griechenlands Freiheit rettete.

Als nun Xerxes mit seiner gewaltigen Flotte und dem zahllosen Heere gegen Griechenland anzog, schickten die Athener Boten nach Delphi, den Gott um Rath zu fragen. Der aber gebot ihnen, sich hinter hölzernen Mauern zu vertheidigen. Es erhob sich unter den Athenern großer Streit über den Sinn dieser Worte, doch der scharfsinnige Themistokles überzeugte seine Mitbürger, daß unter den hölzernen Mauern die Schiffe zu verstehen seien und daß der Wille des Orakels sei, den Persern zur See Widerstand zu leisten.

Die Griechen sandten nun Boten an die Städte und forderten sie zu gemeinsamer Hülfe auf, doch nicht alle zeigten sich dazu bereit. Die Argiver versagten die Theilnahme aus Haß gegen Sparta. Andere Gesandte reisten nach Sicilien, um mit Gelon, König von Syrakus, zu unterhandeln. Gelon war bereit, die Griechen mit einer Flotte von 200 Kriegsschiffen, mit einem Heere von 28,000 Mann und mit Korn für das ganze verbündete Heer zu unterstützen, dieß Alles aber nur unter der Bedingung, daß die Griechen ihm den Oberbefehl gegen die Perser übertrügen. Als einer der Gesandten, ein Lacedämonier, diese Bedingung hörte, hielt er sich nicht länger, sondern sagte: »Wie würde es den Pelopiden Agamemnon schmerzen, wenn er hörte, daß den Lacedämoniern durch den Gelon und die Syrakuser der Oberbefehl entrissen worden sei! Daran denke nicht weiter! Wenn du den Griechen helfen willst, so mußt du unter dem Befehl der Lacedämonier stehen; willst du dir aber nicht befehlen lassen, so brauchst du uns auch nicht zu helfen.« Da mäßigte Gelon seine Forderung und verlangte nur noch den Oberbefehl über die Flotte. Dem aber widersprach der athenische Gesandte: »Nicht um einen Obersten zu bitten« – sprach er – »hat uns Griechenland hergesandt, sondern um ein Heer!« Also zerschlugen sich die Unterhandlungen mit Gelon und dieser entließ die Gesandten mit den Worten: »Ihr habt den Frühling aus dem Jahre genommen!«

Dieselben Boten ersuchten auch die Bewohner der Insel Korcyra (Korfu) um Hülfe. Die Korcyräer bemannten zwar 60 Schiffe und segelten nach dem Peloponnes, dort aber hielten sie auf hoher See vor Anker, um erst den Ausgang des Kampfes abzuwarten und im Falle, daß die Perser siegten, sich die Gunst des Xerxes zu verschaffen. Die Kreter versagten einem Orakelspruche zufolge allen Beistand.

So waren es denn außer Athen noch die Insel Aegina, Korinth, Epidaurus, Lacedämon und einige andere Staaten, welche Schiffe lieferten. Die Flotte belief sich auf 271 Schiffe, von denen die Athener allein 127 gestellt hatten. Ihnen hätte daher die Anführung der Flotte gebührt, da aber die Lacedämonier vor allen Griechen den Vorrang behaupteten, so gaben die Athener, denen die Rettung des Vaterlandes am Herzen lag, nach und der Spartaner Eurybiades ward Oberbefehlshaber der Flotte, die vorerst nach dem Vorgebirge Artemisium bei Euböa segelte.

Jetzt nahete die persische Flotte. Als die Griechen die Menge der feindlichen Schiffe sahen und wie Alles vom Volke wimmelte, beschlossen sie, sich zurückzuziehen. Da bewogen die Euböer, welche den Zorn des Perserkönigs fürchteten, den Anführer der Athener, Themistokles, durch ein Geschenk von 30 Talenten, Stand zu halten und bei Euböa eine Schlacht zu liefern. Themistokles gab von diesem Gelde dem Eurybiades fünf und dem korinthischen Anführer zwei Talente und gewann durch diese Geschenke Beide, daß sie vor Euböa stehen blieben.

Als die Feinde die wenigen Schiffe bei Artemisium sahen, beschlossen sie einen Angriff und dachten, es sollte auch keine Maus davon kommen. Sie schickten daher 200 Schiffe ab, die auf einem Umwege Euböa umsegeln und den Griechen den Rückzug abschneiden sollten, während die Hauptmacht der Perser von vorn angreifen würde. Doch die Griechen erhielten von diesem Plane Kunde und beschlossen, den umsegelnden Schiffen nach Mitternacht entgegen zu fahren. Zuvor aber machten sie einen Angriff auf die persische Flotte, um die Art ihres Kampfes zu erfahren. Die Perser meinten, die Griechen seien rasend geworden, als sie so wenige Schiffe auf sich zukommen sahen. Aber bald wurden sie andern Sinnes, als sie sahen, wie die griechischen Schiffe tapfer Stand hielten und, ohne besiegt zu werden, bis zum Einbruch der Nacht fortkämpften. Nach dem Treffen zogen sich beide Theile auf ihren Standort zurück; die 200 umsegelnden Schiffe aber wurden theils verschlagen, theils zerschellt, denn in der Nacht tobte ein heftiger Sturm.

 

Schlacht bei Salamis. 480 v. Chr. Nach Bredow.

Da die Griechen durch einen Boten erfuhren, daß Leonidas mit seinen Spartanern gefallen sei, schoben sie den Rückzug nicht länger auf. Die persischen Schaaren aber überschwemmten die Insel Euböa und das griechische Festland, brannten die Städte nieder und machten die Einwohner zu Sklaven. Die Athener erkannten, daß sie in ihrer Stadt sich nicht würden halten können, zumal da alle übrigen Griechen sie verließen und sich in die südliche Halbinsel des Peloponnes zurückzogen, die nur durch eine schmale Landenge, den Isthmus von Korinth, mit dem übrigen Griechenland zusammenhing. Diesen Isthmus befestigten sie, zogen querüber eine starke Mauer und überließen Athen seinem Schicksal.

Themistokles brachte es durch seine Beredtsamkeit dahin, daß alle waffenfähigen Bürger die Schiffe besteigen, die Wehrlosen aber auf benachbarte Inseln sich flüchten mußten. Das Volk gehorchte mit schwerem Herzen, denn es glaubte kein Glück mehr zu haben, wenn es die Heiligthümer der Götter und die Gräber der Vorfahren den Barbaren preisgegeben hätte. Doch ein Anzeichen ermunterte sie zum Abzuge. Die Schlange, welche auf der Burg im Tempel der Minerva gehalten wurde, hatte den Honigkuchen, den man ihr sonst alle Monate vorsetzte, nicht verzehrt. Daraus schlossen die Athener, die Göttin selbst habe die Stadt verlassen. Als nun so viele Menschen ihrer Vaterstadt Lebewohl sagten, erregte ein solcher Anblick großes Mitleid, aber auch hohe Bewunderung; denn die Männer blieben fest bei den Thränen und der Umarmung ihrer Frauen und Kinder und setzten nach der Insel Salamis über. Die treuen Haushunde folgten bis an den Hafen und erhoben ein jämmerliches Geheul, als sie zurück bleiben mußten und ihre Herren davon rudern sahen. Ein treuer Pudel stürzte sich nach in's Meer und folgte mit aller Anstrengung dem Schiffe seines Herrn: aber die große Entfernung überstieg die Kräfte des treuen Thieres, und als er das Ufer der Insel Salamis erreicht hatte, sah er sich noch einmal nach seinem Herrn um und starb.

Kaum hatten die Athener ihre Stadt verlassen, so folgte Xerxes, bedeckte das ganze Land mit seinen Schaaren, plünderte die Stadt und zündete sie dann an. Die Athener sahen von Salamis aus die Rauchsäulen und Feuerflammen. Zu gleicher Zeit erschien die persische Flotte an der Küste von Athen. Die übrigen Griechen, welche schon höchst ungern ihre Schiffe bei den athenischen gelassen hatten, wollten jetzt fliehen, als sie das ganze Meer mit persischen Segeln bedeckt sahen; und selbst die kriegerischen Spartaner, welche einen feigen Anführer hatten, wollten die Athener verlassen. Man müsse – so meinten fast Alle – im Peloponnes Sicherheit suchen. Themistokles sprach heftig gegen ein solches Beginnen und drohete dem Eurybiades, er würde mit seinen Athenern nach Italien segeln, um sich dort ein neues Vaterland zu suchen, wenn die Spartaner nicht blieben. Doch Alles vergeblich. Man wollte in der Nacht ganz still nach dem Peloponnes entfliehen.

Da kam Themistokles auf eine kühne List. Er schickte einen treuen Sklaven an den König der Perser und ließ ihm sagen: »Ich meine es gut mit dir, o König! In der nächsten Nacht wollen die Griechen aus der Bucht bei Salamis entfliehen, um ihre Schiffe und sich vor dem gewissen Untergange zu retten. Jetzt hast du noch alle beisammen; umringe die Bucht und es wird dir ein Leichtes sein, alle zu fangen!«

Xerxes folgte diesem Rathe, umschloß noch am selben Abend die Bucht, und die Griechen, welche entfliehen wollten, sahen sich nun gezwungen, zu fechten. Schon hatte aber Themistokles die ganze athenische Flotte zum Empfange der Feinde gerüstet; diese griff tapfer an und das machte den Uebrigen Muth. Die persischen Schiffe liefen in der Dunkelheit der Nacht nur in Gewässern, die sie nicht kannten, häufig gegen Klippen; von der großen Anzahl konnten die Perser gar keinen Gebrauch machen und in der engen Bucht kamen immer nur wenige zum Gefecht. Die persischen Schiffe waren auch viel schwerfälliger als die griechischen, und wenn eins von den Griechen zurückgedrängt wurde, brachte es zwei, drei andere mit in Verwirrung. Die Griechen thaten Wunder der Tapferkeit und bald war das Wasser mit Leichen übersäet, die zwischen zerbrochenen Rudern und zertrümmerten Schiffsschnäbeln schwammen. Da gingen auch noch die kleinasiatischen Griechen, die zur See den persischen Kriegszug hatten mitmachen müssen, zu ihren europäischen Brüdern über und nun wandte sich die ganze persische Flotte zur Flucht. Xerxes, der, auf einem hohen Throne sitzend, vom Lande aus der Seeschlacht zugeschaut hatte, floh, als er die Zerstreuung und Flucht seiner Schiffe sah, mit solcher Eile, daß er an sein Landheer gar nicht mehr dachte, alle Kostbarkeiten zurückließ und nicht ruhete noch rastete, bis er an den Hellespont kam. Seine Schiffbrücke war vom Sturm zertrümmert worden; die Angst vor den nachsetzenden Griechen machte ihn kühn, er bestieg einen kleinen Fischerkahn und setzte mit Lebensgefahr nach Asien über. Sein großes Heer folgte ihm; aber Krankheit und Hungersnoth rafften viele Tausende dahin und es blieben nur noch 300,000 Mann übrig, die nordwärts an der Grenze von Griechenland stehen blieben. Diese brachen im nächsten Jahre abermals über Griechenland herein und verwüsteten, was sie im letzten Feldzuge noch übrig gelassen hatten. Auch die Kriegsflotte der Perser hatte sich wieder gesammelt und bedrohete das Griechenvolk auf's Neue. Beide Feinde wurden aber jetzt zu Land und zu Wasser so entscheidend geschlagen, daß der stolze Perserkönig es nie wieder wagte, die Griechen in Griechenland anzugreifen.

Griechenland erkannte, daß es seine Rettung einzig den Athenern verdankte und unter den Athenern vor Allem dem Themistokles. Die Spartaner führten ihn im Triumph nach ihrer Hauptstadt, gaben ihm einen Olivenkranz als Preis der Weisheit, schenkten ihm den schönsten Wagen, der in ihrer Stadt zu finden war, und ließen ihn feierlich durch 300 Jünglinge bis an die Grenze geleiten. Als darauf fast ganz Griechenland zu den olympischen Spielen versammelt war, um nach alter Sitte Wettkämpfe im Ringen und Rennen zu feiern, und auch Themistokles dabei erschien, erregte er so sehr die Aufmerksamkeit des ganzen Volkes, daß alle Zuschauer die Kämpfenden vergaßen und den ganzen Tag nur auf Ihn die Augen richteten. Einer zeigte ihn dem Andern; der Name »Themistokles« tönte von Aller Lippen und innig gerührt gestand der Held seinen Freunden, daß dieser Tag der schönste seines Lebens sei.

 

Fernere Schicksale des Themistokles.

Auch nach dem Perserkriege gab sich Themistokles nicht der Ruhe hin, sondern er war unablässig bemüht, seine Vaterstadt Athen zum ersten Staate Griechenlands zu machen. Da er erkannt hatte, daß Athen durch seine Lage am Meere auf die Herrschaft zur See hingewiesen sei, so wurde auf seinen Rath der geräumige Hafen Piräeus, der damals noch nicht gebraucht ward, erweitert und mit Mauern umgeben. Auch sorgte er stets für Vermehrung der Flotte. Noch größer aber ward sein Verdienst, daß er den Wiederaufbau der Mauern Athens betrieb und ihn trotz der Hindernisse, welche die Spartaner ihm in den Weg legten, zu Stande brachte. Die Spartaner verboten den Athenern geradezu die Errichtung von Mauern, damit, wie sie sagten, die Perser bei einem neuen Angriff keinen festen Haltpunkt gewännen; in Wahrheit aber wollten sie die aufblühende Macht der Athener, auf deren Ruhm sie eifersüchtig waren, unterdrücken. Sie schickten daher Gesandte nach Athen, welche feierlich gegen den Aufbau der Mauern protestirten. Themistokles gab den Athenern den Rath, die Gesandten so lange mit Gewalt zurückzuhalten, bis die Mauern eine gewisse Höhe erreicht hätten; unter der Zeit reiste er selbst als Abgeordneter nach Sparta und zog hier die Unterhandlungen so viel als möglich in die Länge. Inzwischen mußten zu Athen alle Einwohner ohne Unterschied, Männer, Weiber und Kinder, an dem Mauerbau arbeiten, weder eigene noch öffentliche Gebäude schonen, sondern Alles abtragen, was man an Steinen und sonstigem Material für die Mauern brauchen konnte; Säulen und Heiligthümer, rohe Steine und schöne Denkmäler – Alles wurde in der Eile mit in die Stadtmauer hinein gebaut. Das Werk ward vollendet und die Spartaner durften dem Themistokles nicht an's Leben, weil die Athener die spartanischen Gesandten in ihrer Gewalt hatten.

Ein Mann, wie Themistokles, der sich vor seinen Mitbürgern so glänzend auszeichnete, konnte dem Neide und der Feindschaft eines Volkes nicht entgehen, das immer vor der Alleinherrschaft eines seiner Mitbürger in Angst lebte. So ward auch Themistokles angeklagt, daß er dem Staate gefährlich sei, und in einer Volksversammlung durch das Scherbengericht verbannt. Er ging nach Argos, wo ihn die Griechen achteten und ehrten. Doch hier war er nicht lange sicher, denn die Lacedämonier schickten wieder Gesandte nach Athen, welche ihn des Verrathes an Griechenland und des geheimen Einverständnisses mit dem Perserkönig anklagten. Themistokles rechtfertigte sich zwar freimüthig mit den Worten: »Zu herrschen habe ich zwar immer gestrebt; aber mich beherrschen zu lassen und die Griechen an die Barbaren hinzugeben, dazu bin ich weder fähig noch geneigt.« Dennoch ließen sich die Athener von seinen Anklägern bereden, Leute auszuschicken, die ihn greifen sollten, wo sie ihn fänden. Themistokles, der hiervon Kunde erhielt, floh nach Korcyra, und da er hier nicht sicher war, zum Admet, König der Molosser. Dieser war gerade nicht zu Hause. Da trat Themistokles als Flehender vor seine Gemahlin und bat sie um Schutz. Auf ihren Rath setzte sich Themistokles mit dem kleinen Sohne des Admet am Heerde nieder. Der König, welcher keineswegs des Themistokles Freund war, behielt ihn großmüthig bei sich und verlieh ihm seinen Schutz trotz der Vorstellungen der Lacedämonier, die seine Auslieferung verlangten. Die Griechen verfolgten aber ihren Wohlthäter so lange, bis dieser gezwungen war, zum Perserkönig zu entfliehen. Admet entsandte ihn nach der makedonischen Stadt Pydna, wo er ein Schiff bestieg. Beinahe wäre er, durch einen Sturm unter das athenische Geschwader getrieben, den Athenern in die Hände gefallen, wenn er sich nicht dem Schiffsherrn entdeckt und ihn durch das Versprechen einer Belohnung vermocht hätte, einen Tag und eine Nacht aus offener See zu halten. Dadurch wurde er gerettet und kam glücklich nach Asien; an den König Artaxerxes, den Nachfolger des Xerxes, hatte er schon folgendes Schreiben gesandt:

»Ich, Themistokles, komme zu dir, der ich, so lange ich mich gegen deines Vaters Angriff zu vertheidigen genöthigt war, deinem Hause am meisten von allen Griechen Schaden zugefügt, aber auch noch weit mehr Gutes erwiesen habe, nachdem ich wieder in Sicherheit war, er aber unter Gefahren sich zurückzog. Denn ich habe ihn benachrichtigt, daß man damit umging, die Brücken über den Hellespont zu zerstören. Man ist mir daher Dank schuldig für meine Wohlthat; ich bin auch jetzt noch im Stande, dir wichtige Dienste zu leisten, da mich die Griechen wegen meiner Freundschaft gegen dich verfolgen. Ich will aber nach Jahresfrist dir selbst eröffnen, warum ich hierher gekommen bin.«

Der König bewunderte den Verstand des Themistokles und billigte seinen Plan. Themistokles machte sich in Jahresfrist mit der Sprache und den Sitten der Perser bekannt und erschien dann vor dem König. Er gelangte bei diesem zu großem Ansehen, besonders weil er ihm Hoffnung machte zur Unterwerfung Griechenlands und sich überhaupt als einen sehr einsichtsvollen Mann bewies. Der König beschenkte ihn reichlich und gab ihm drei Städte zu seinem Unterhalt: Magnesia sollte ihm das Brod, Lampsakus den Wein, und Myus die Zukost liefern. Ueber seinen Tod sind die Nachrichten verschieden; die Meisten glauben, er habe Gift genommen, als der Perserkönig in ihn gedrungen habe, gegen die eigenen Landsleute, die Griechen zu Felde zu ziehen. Er ward in Magnesia begraben, seine Gebeine sollen aber heimlich nach Attika gebracht und dort beigesetzt worden sein.


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