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II. Tullus Hostilius und Ankus Martins.

 

Tullus Hostilius.

 

1. Die Horatier und Kuriatier.

Die Wahl der Kurien fiel nach Numa's Tode auf Tullus Hostilius, der in der Sinnesart wieder dem Romulus glich und große Lust am Kriege fand. Er unternahm wieder Streifzüge in die Umgegend und reizte Roms Mutterstadt, Albalonga, zum Kriege gegen die Römer. Die Albaner unter ihrem Feldherrn Mettus Fuffetius zogen mit einem wohlgerüsteten Heere heran. Schon standen beide Völker in Schlachtordnung einander gegenüber, als Mettus in die Mitte der beiden Schlachtreihen trat und den Tullus zu einer Unterredung einlud. »Ist es nicht thöricht« – so sprach der albanische Feldherr, »daß sich zwei verwandte Völker anfeinden und schwächen wollen aus bloßer Eifersucht? Werden nicht beide dann eine Beute ihrer Feinde werden? Ehe wir so viel Blut vergießen, mag lieber ein Zweikampf Weniger die Sache entscheiden!«

Der Vorschlag ward angenommen und das Schicksal selbst schien ihn zu begünstigen; denn im römischen Heere dienten drei Söhne des Horatius, nach diesem die »Horatier« genannt, und im albanischen Heere drei Brüder, die »Kuriatier« genannt. Diese wurden von beiden Seiten zum Zweikampf auserlesen, die Fetialen bekräftigten mit ihren Opfern die Gültigkeit des Vertrags und beide Heere stellten sich erwartungsvoll zuschauend um die Kämpfenden her.

Das Zeichen ward gegeben, und mit gezückten Waffen stürzten die Jünglinge auf einander. Nach langem wüthendem Kampfe stürzte endlich ein Römer, dann noch ein Römer zu Boden. Die drei Albaner waren auch schwer verwundet, doch standen nun Drei gegen Einen. Ein Jubelgeschrei ertönte aus dem albanischen Lager und der tiefgebeugte römische Stolz wagte nicht mehr zu hoffen. Da plötzlich floh der Horatier, noch durch keine Wunde entkräftet, und nöthigte die drei Kuriatier, ihn zu verfolgen. So trennte er die dreifache Gewalt, wohl voraussehend, daß die drei verwundeten Feinde ihm nur ungleich, nach Verhältniß ihrer leichteren oder schwereren Wunden, würden folgen können. Nach kurzer Flucht blieb er stehen, blickte zurück und sah die drei Albaner weit von einander getrennt. Nur einer war nahe hinter ihm; auf diesen stürzte er mit gewaltiger Wuth, durchbohrte ihn und rannte dann auf den zweiten los. Durch alle Lüfte schallte der Zuruf der wieder hoffenden Römer; auch der zweite Kuriatier fiel. Das Geschrei der Römer verdoppelte sich, als der dritte, am schwersten verwundete, athemlos herankeuchte. Mit leichter Mühe streckte diesen der tapfere Römer nieder; da liefen alle seine Kampfgenossen und Kriegsobersten auf ihn zu, umarmten ihn und begrüßten ihn als Sieger. Die Albaner aber unterwarfen sich der römischen Herrschaft.

Stolz ging der Sieger Horatius, triumphirend die Rüstungen der drei Kuriatier tragend, an der Spitze des römischen Heeres nach Rom zurück. Am Thore begegnete ihm seine Schwester; sie war mit einem der Kuriatier verlobt, und da sie nun dessen Gewand, von ihr selbst gewirkt, unter den Siegeszeichen ihres Bruders erblickte, fing sie laut an zu jammern; sie rang die Hände, lösete ihr Haar und rief einmal um das andere den Namen ihres Geliebten. Das empörte den wilden Sinn des Bruders; solches Wehklagen unter den Tönen der Freude und des Sieges schien ihm ein Verbrechen zu sein. Wild fuhr er die Schwester an und mit seinem noch blutigen Schwerte stieß er sie nieder. »Fahre hin zu deinem Buhlen« – so sprach er, – »mit deiner unzeitigen Liebe, du Unwürdige, weil du der todten Brüder und des lebenden und des Vaterlandes vergessen kannst! Und so fahre künftig jede Römerin hin, die einem Feind betrauern wird!«

Dieser Schwestermord stimmte den allgemeinen Jubel herab, und so verdient sich auch Horatius um sein Vaterland gemacht hatte, er wurde vor Gericht gestellt und zum Tode verurtheilt. Die letzte Entscheidung jedoch blieb dem Volke; und dieses, gerührt durch des Vaters flehende Bitten, man möchte ihn nicht seines letzten Kindes berauben, sprach den Horatius von der Todesstrafe frei. Doch mußten Reinigungsopfer zur Entsündigung dargebracht werden, und der Schuldige ward von den Aktoren unter einem auf zwei Pfählen ruhenden Balken – einer Art von Galgen – mit verhülltem Gesicht durchgeführt.

 

2. Zerstörung von Albalonga.

Die Albaner trugen das römische Joch mit großem Unwillen und Fuffetius, ihr Feldherr, sann auf Mittel, seine Vaterstadt wieder zu befreien. Er hetzte die Fidenater und Vejenter, zwei Nachbarn Roms, zum Krieg gegen dasselbe auf und versprach ihnen, wenn es zur Schlacht käme, mit allen seinen Albanern zu ihnen überzugehen. König Tullus rückte den Feinden entgegen, bot die Albaner auf, ihm Hülfe zu leisten, und stellte sie unter Fuffetius auf den rechten Flügel seines Heeres. Das Treffen begann, Tullus stürzte sich auf die Vejenter, Fuffetius dagegen, anstatt auf die Fidenater einzuhauen, zog seine Albaner allmählig rechts herum, wagte es aber doch nicht, sich öffentlich mit dem Feinde zu vereinigen, denn er wollte erst abwarten, aus welche Seite sich der Sieg neigen würde. Ein Reiter sprengte zum Tullus heran und meldete ihm die Bewegung der Albaner. Tullus erschrak, doch faßte er sich schnell und rief mit scheinbarer Freude so laut, daß die Vejenter es hörten: »Die Albaner umzingeln die Fidenater auf meinen Befehl!« Bei diesen Worten sank den Vejentern der Muth. König Tullus gelobte der Furcht und dem Schrecken Tempel zu erbauen, wenn es ihm gelingen sollte, Furcht und Schrecken unter seinen Feinden zu verbreiten. Das gelang ihm; die Vejenter flohen, die getäuschten und unschlüssigen Fidenater wurden von den Geschlagenen mit fortgerissen, und die Römer erfochten einen glänzenden Sieg.

Nach der Schlacht beeilte sich Fuffetius, dem Tullus seinen Glückwunsch darzubringen, dieser stellte sich freundlich und dankte ihm. Am andern Morgen berief er beide Heere zu einer Versammlung; die Albaner drängten sich neugierig um den König Tullus, die Römer, auf ihres Königs Befehl bewaffnet, umgaben ihn. »Römer,« sprach jetzt Tullus, »gestern in der Schlacht haben uns die Götter sichtbarlich beigestanden, denn – ihr wißt es selbst noch nicht – nicht mit den Feinden allein habt ihr gekämpft, sondern auch mit der Verrätherei unserer Freunde. Nicht auf meinen Befehl zogen die Albaner von unserer Seite fort; es war ihr heimlicher Plan, zu den Feinden überzugehen. Doch nicht auf das Heer schiebe ich die Schuld, es folgte nur dem Befehle seines Führers. Aber ich denke, Niemand soll wieder ein Aehnliches wagen, so wahr ich an Diesem ein schreckliches Beispiel geben will.« Bewaffnete umringten sogleich den Fuffetius, der König aber fuhr fort: »Ich habe beschlossen, das ganze Volk der Albaner nach Rom herüberzuführen, und aus beiden Städten wieder eine zu machen, wie sie ja auch aus einer hervorgegangen sind.« Die Albaner, unbewaffnet und von lauter Bewaffneten umgeben, schwiegen; zum Fuffetius aber sprach Tullus: »So wie du zwischen Römern und Albanern doppelsinnig geschwankt hast, so soll auch dein Körper zwiefach getheilt werden.« Er gab den schrecklichen Wink, und Fuffetius ward von angespannten Pferden lebendig zerrissen. Jedermann wandte von dem unmenschlichen Schauspiel die Augen weg.

Unterdessen war schon Reiterei nach Alba geschickt, um die Menge nach Rom zu führen. Dann rückten römische Legionen heran, die Stadt zu zerstören. Traurig zogen die Einwohner fort, Tullus räumte ihnen einen neuen, bisher unbebauten Hügel, den cölischen, ein und dieser ward dann in die Ringmauer Roms eingeschlossen. So ward die Stadt immer größer und größer.

Noch andere Kriege kämpfte Tullus glücklich aus, aber er versäumte den Dienst der Götter und darob erwachte der Zorn des Himmels, allerlei Wunderzeichen geschahen und Seuchen brachen heran. Erschrocken nahm Tullus zu allerlei abergläubischen Gebräuchen seine Zuflucht, aber mitten in einer Beschwörung fuhr ein Blitzstrahl herab, der ihn mit seinem ganzen Hause verbrannte.

 

Ankus Martius.

Ankus Martins, der nun zum König erwählt wurde, war der Enkel des Numa Pompilius und, wie es schien, der Erbe seiner frommen und friedlichen Gemüthsart. Er stellte den unter Tullus Hostilius sehr in Verfall gerathenen Gottesdienst wieder her und übte die Werke des Friedens. Aber Rom war schon zu sehr in feindliche Verhältnisse verwickelt, als daß die friedliche Sinnesart des Königs hätte vorwalten können. Sabiner, Vejenter, Latiner und andere Nachbarn Roms zwangen den König, die Waffen zu ergreifen und für die Sicherheit seines Staates zu kämpfen. Er that es mit Glück und nach hergebrachter Sitte mußten die überwundenen Völker in Rom sich anbauen und Römer werden. Aus dem aventinischen Hügel entstand ein neues Stadtviertel, das mit Rom verbunden ward.

Damit die immer mehr wachsende Bevölkerung stets sicher mit Lebensmitteln versorgt werden konnte, suchte sich Ankus der Tiber und der Schifffahrt auf derselben zu versichern. Er nahm den Bejentern den Hafen Ostia an der Mündung des Tiberflusses, sammt den dabei gelegenen Salzquellen. Auch befestigte er den jenseits der Tiber gelegenen Berg Janikulus, der nun eine Vormauer bildete, welche Stadt und Fluß gegen die Etrusker schützte. Zu größerer Bequemlichkeit ward der Berg mit der Stadt durch eine hölzerne Brücke verbunden, pons sublicius, welche als eines der ältesten Werke dieser Art bis in die späteste Zeit von den Römern ehrfurchtsvoll betrachtet wurde. So mischte dieser König in seiner 24jährigen Regierung den Ruhm des Krieges und die Wohlthaten des Friedens zur Verherrlichung Roms.


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