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VII. Pelopidas und Epaminondas.

 

1. Pelopidas.

Seit dem Falle Athens kannte der Uebermuth der Spartaner keine Grenzen mehr. Mitten im Frieden überfiel ihr Feldherr Phöbidas mit seinem Heere Theben, wo innere Zwietracht zwischen den Aristokraten und Demokraten ausgebrochen war, und besetzte die Burg Kadmea. Jedoch dieses Raubes sollten sich die Spartaner nicht lange erfreuen. Unter den Vertriebenen, die sich nach Athen wandten, war auch Pelopidas, ein edler thebanischer Jüngling. Er hatte keine Ruhe mehr, so lange seine Vaterstadt in den Händen der Feinde war, und leitete eine Verschwörung ein. In der Nacht sollten alle Anführer der Spartaner ermordet, die Besatzung verjagt werden; Alles war hierzu genau mit den Freunden in Theben verabredet. Als der zur Ausführung bestimmte Tag erschien, machte sich Pelopidas mit eilf Gefährten des Morgens in aller Frühe auf den Weg. Sie waren als Jäger verkleidet, mit Hunden und Jagdgeräthen versehen, um kein Aufsehen zu erregen. Abends spät kamen sie vor Theben an und gingen durch verschiedene Thore der Stadt. In dem Hause des Charon, eines Mitverschworenen, kamen sie nach der Verabredung zusammen. Alle Genossen waren hier versammelt, die Waffen lagen bereit, Alle rüsteten sich zur blutigen That.

Unterdessen schmauseten Archias und Philippus, die beiden vornehmsten Spartaner, bei Phyllidas, einem der Mitverschworenen. Auch dieses war so verabredet. Phyllidas nöthigte fleißig zum Trinken und erwartete seine Gehülfen. Plötzlich trat ein Bote herein und überreichte vom Oberpriester zu Athen einen Brief, der die ganze Verschwörung entdeckte. Der trunkene Archias lächelte und nickte mit dem Kopfe, als ihm der Bote den Brief gab »Es sind Sachen von Wichtigkeit« – sagte der Bote – »du möchtest den Brief sogleich lesen!« »Sachen von Wichtigkeit aus morgen!« schmunzelte Archias und legte den Brief bei Seite. – »So recht« – schrie Phyllidas – »jetzt ist es Zeit zu trinken und fröhlich zu sein; ich habe auch Tänzerinnen bestellt, die werden sogleich erscheinen!« Sie erschienen nur zu bald. Es waren Verschworene, die unter ihren Weiberkleidern die Dolche verborgen hatten. Sie näherten sich den beiden jubelnden Spartanern, zogen ihre Dolche und stießen sie nieder. Zu gleicher Zeit wurden auch die übrigen Anführer der Spartaner ermordet.

Ueber diesen Tumult erwachten die Bürger. Jeder zündete in seinem Hause Licht an, hielt aber die Thür dicht verschlossen. Alle erwarteten ängstlich den Anbruch des Tages. Da erschienen die Befreier, feierlich von den Priestern geleitet, welche Friedenskränze in die Höhe hoben, auf dem Marktplatze, wohin das ganze Volk zusammengeströmt war. Epaminondas trat auf und schilderte der versammelten Menge in einer ergreifenden Rede die glorreiche That des Pelopidas. »Wer noch ein Herz hat,« sprach er, »für sein Vaterland, der ergreife die Waffen zur Verteidigung der Freiheit!« Freudig folgte das Volk diesem Rufe. Auch die Athener, welche keine Gelegenheit vorbeigehen ließen, wo sie ihren Erbfeinden schaden konnten, schickten Hülfstruppen. Die Burg wurde hart belagert und schon nach einigen Tagen mußte sich die spartanische Besatzung ergeben. So wurde Theben wieder frei.

 

2. Epaminondas.

Es war aber vorauszusehen, daß die stolzen Spartaner es nicht geduldig ertragen würden, daß man ihnen die köstliche Beute so aus den Händen gerissen hatte. Sie rüsteten ein furchtbares Heer und zogen gegen Theben. Jeder, der den drohenden Zug ansah, hielt die arme Stadt für verloren. Die Thebaner jedoch, durch die gelungene That des Pelopidas ermuthigt, rüsteten sich zur tapferen Vertheidigung ihrer wieder errungenen Freiheit und stellten zwei treffliche Männer an die Spitze ihres Heeres, Pelopidas und Epaminondas. An diesem herrlichen Freundespaar ist es recht offenbar geworden, wie einzelne große Männer die Kraft und der Segen eines ganzen Volkes sind; mit Pelopidas und Epaminondas sank auch Thebens Ruhm und Größe.

Epaminondas stammte aus einer edeln, aber verarmten Familie, die jedoch seine Erziehung nicht vernachlässigt hatte. In den Wissenschaften hatte der Jüngling solche Fortschritte gemacht, daß er bald mit den berühmtesten Männern Griechenlands wetteifern konnte. Dazu erwarb ihm sein gerades, biederes, liebevolles Wesen viele Freunde, unter andern auch den Pelopidas. Dieser hätte gern seinen Reichthum mit ihm getheilt; aber nie war er zu bewegen, auch das Geringste anzunehmen, so drückend auch oft seine Lage war. Er hatte nur ein einziges Oberkleid und konnte einst mehrere Tage hindurch gar nicht aus dem Hause gehen, weil dieses gerade in der Wäsche war. Ehrenstellen suchte er nie; sobald aber das Vaterland seine Dienste verlangte, war er bereit. Man mochte ihm einen hohen oder niederen Posten anweisen, er verwaltete ihn stets mit der größten Gewissenhaftigkeit. Sein Grundsatz war, der Mann müsse seinem Amte Ehre machen, nicht aber das Amt dem Manne. Einem persischen Gesandten, der mit Säcken Goldes zu ihm kam, um ihn zu bestechen, gab er zur Antwort: »Mein Freund, wenn die Absichten deines Königs dem Vaterlande vortheilhaft sind, bedarf es deines Goldes nicht; sind sie ihm aber schädlich, so wird dein Gold mich nicht zum Verräther meines Vaterlandes machen. Du aber verlaß sogleich die Stadt, damit du nicht Andere verführst.« Als er in der Folge das Heer anführte, erfuhr er, daß sein Waffenträger einem Gefangenen für Geld die Freiheit gegeben habe. »Gib mir meinen Schild zurück,« sagte er unwillig zu diesem. »Seitdem Geld deine Hände befleckt hat, kannst du nicht länger in Gefahren mein Begleiter sein!«

Dieser biedere Mann stand jetzt an der Spitze des thebanischen Heeres und rückte den Spartanern kühn entgegen. Sein Freund Pelopidas befehligte eine besondere Abtheilung thebanischer Jünglinge, die heilige Schaar genannt; diese hatten sich durch einen feierlichen Eid verbunden, zu siegen oder zu sterben. Bei dem Städtchen Leuktra, wenige Meilen von Theben, stießen beide Heere auf einander. Mustervoll stellte Epaminondas sein Häuflein gegen die überlegenen Feinde auf. Um nicht von der größeren Anzahl überflügelt zu werden, ließ er es in einer schrägen keilförmigen Richtung vorrücken. Durch diese schräge Schlachtordnung (Phalanx) wird der Feind auf einem Punkte mit aller Gewalt angegriffen und doch kann er keine großen Heermassen wirken lassen. So durchbrach der thebanische Keil die spartanischen Schlachtreihen; der königliche Feldherr der Spartaner wurde niedergehauen und mit ihm die Schaaren seiner Getreuen. Da wichen die Feinde bestürzt zurück und suchten ihr Heil in der Flucht. Durch diesen herrlichen Sieg, den die Thebaner im Jahre 371 v. Chr. erfochten, wurden sie auf einmal das größte und angesehenste Volk in Griechenland. Als solches ordneten sie sogar die Königswahl in Macedonien.

Als die Nachricht dieser Niederlage nach Sparta kam, wurden die Mütter derjenigen Söhne, die sich durch die Flucht gerettet hatten, äußerst traurig; vor Scham ließen sie sich gar nicht sehen. Diejenigen Frauen aber, deren Söhne gefallen waren, erschienen fröhlich, mit Blumenkränzen geschmückt, auf dem Marktplatze, umarmten sich und wünschten sich Glück, dem Vaterlande so tapfere Söhne geboren zu haben. Man war jetzt in großer Verlegenheit, wie man mit den Flüchtlingen verfahren solle, denn das Gesetz des Lykurgos verurtheilte sie zu den härtesten Strafen. Aber in dieser Zeit der Noth bedurfte man zu sehr der Krieger, deshalb sagte der eine König: »O lasset das Gesetz für heute schlafen; möge es morgen mit aller Strenge wieder erwachen!« Hiermit hatte es sein Bewenden und die Flüchtlinge wurden begnadigt.

 

3. Das Ende der Helden.

Der kühne Epaminondas suchte bald darauf die Spartaner in ihrem eigenen Lande auf. Er fiel in den Peloponnes ein und nahm ihnen hier eine Stadt nach der andern weg. Auch die Messenier rief er zum Freiheitskampfe auf und freudig erhob sich das gedrückte Volk. Die Spartaner geriethen in die höchste Noth und sprachen sogar ihre alten Feinde, die Athener, um Hülfe an. Und diese verbanden sich wirklich mit ihnen, aus Neid über die wachsende Größe Thebens. Doch Epaminondas verlor nicht den Muth, er unternahm vielmehr ein noch kühneres Wagstück und griff Sparta selber an. Schon war er bis auf den Marktplatz vorgedrungen; aber der verzweifelten Gegenwehr des spartanischen Volkes gelang es, ihn wieder zurückzutreiben, und Epaminondas zog sich bis Mantinea zurück. Bei dieser Stadt kam es im Jahre 362 zu einer blutigen Schlacht. Die Spartaner fochten wie Verzweifelte, dessen ungeachtet mußten sie weichen. Die Thebaner, von ihrem Helden Epaminondas geführt, drangen mit Ungestüm in ihre Reihen und warfen Alles über den Haufen. Da traf den Feldherrn ein feindlicher Wurfspieß, dessen eiserne Spitze in seiner Brust stecken blieb. Ein blutiges Gefecht erfolgte nun um den Verwundeten, aber die Seinigen retteten ihn aus dem Gedränge der Feinde.

Die Nachricht von der Verwundung des Epaminondas verbreitete Schrecken und Schmerz im thebanischen Heere; die Schlacht wurde abgebrochen und der Sieg nicht verfolgt. Aber den Ruhm des Sieges nahm der Held mit in's Jenseits. Die Aerzte hatten erklärt, daß er sterben würde, sobald man das Eisen aus der Wunde ziehe. Epaminondas ließ es so lange stecken, bis man ihm meldete, der Sieg sei gewonnen und sein Schild gerettet. Man reichte ihm den Schild und er küßte ihn. Dann sprach er: »Ich habe genug gelebt, denn ich sterbe unbesiegt.« Und als seine Freunde weinten und klagten, daß er dem Staate keinen Sohn hinterlasse, erwiederte Epaminondas: »Ich hinterlasse euch zwei unsterbliche Töchter, die Schlachten bei Leuktra und Mantinea!« Darauf ließ er das Eisen aus der Wunde ziehen und hauchte seine Heldenseele aus.

Während Epaminondas gegen die Lacedämonier gekämpft, hatte Pelopidas in Thessalien Krieg geführt gegen Alexander, den Tyrannen von Pherä, welcher sich ganz Thessalien zu unterwerfen suchte. Hinterlistiger Weise wurde er von diesem gefangen genommen. Da ihn Jeder im Gefängniß sprechen durfte, sprach er frei und offen gegen den Tyrannen und ließ dem Alexander sagen: »Ich wundere mich, daß du mich so lange leben lässest! Denn wenn ich entkomme, werde ich sofort Rache an dir nehmen.« Alexander fragte: »Warum eilt denn Pelopidas zum Tode?« – »Damit du,« antwortete Pelopidas, »den Göttern desto verhaßter werdest!« Bald aber kam Epaminondas an der Spitze eines thebanischen Heeres und befreite seinen Freund. Nicht lange darauf wurde Pelopidas abermals gegen Alexander nach Thessalien berufen. Der schlaue Mann hatte sogar die Athener mit seinem Gelde gewonnen und drohte Theben gefährlich zu werden. Als Pelopidas mit seinen Thebanern auszog, trat plötzlich eine Sonnenfinsterniß ein. Darüber wurde das thebanische Heer stutzig und weigerte sich, weiter vorzurücken. Da warb Pelopidas auf eigene Hand dreihundert Reiter und zog mit diesen vorwärts. Nun verstärkte er wohl unterwegs sein Häuflein, aber nur wenige Thebaner waren mit ihm. Das machte dem Tyrannen Muth und dieser ging dem Pelopidas mit einem starken Heere entgegen. Doch Pelopidas machte aus seiner zusammengerafften Mannschaft Helden und schlug den Alexander, der sich während der Schlacht hinter einem seiner Trabanten verkroch. Als Pelopidas ganz allein in seinem Siegesmuth unter die Feinde gedrungen war, ward er von den Seinigen abgeschnitten und niedergemacht. Es entstand darüber solche Trauer im Heere, als wenn es die größte Niederlage erlitten hätte. Nicht bloß die Menschen schnitten ihre Haare ab, auch die Pferde wurden geschoren.


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