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B. Rom ein Freistaat.

(510-30 v. Chr.)

I. Hohe Vaterlandsliebe.

 

Horatius Kokles, Mucius Scävola, Klölia.

 

1. Horatius Kokles.

Nördlich von Rom lag das fruchtbare Land der Etrusker; ein mächtiger etruskischer König, Porsena, war von Tarquinius zu einem Kriegszuge gegen Rom beredet worden. Dieser drang mit einem großen Heere siegreich vor und es gelang ihm, die Stadt einzuschließen. Nur der Fluß Tiber trennte ihn noch von Rom; mit seinen kriegslustigen Schaaren rückte er an die Brücke, welche die beiden Ufer des Flusses verband. Eine kleine Schaar von Römern, die auf der Brücke Wache hielt, floh. Bloß ein Mann, Horatius Kokles mit Namen, blieb am Eingange der Brücke stehen; zwei Andere, durch das Beispiel des Tapfern ermuntert, gesellten sich zu ihm, und diese drei Männer sperrten das Brückenthor und hielten mit ihren Schilden und Schwertern den Feind zurück. Unterdessen wird hinter ihnen die hölzerne Brücke abgebrochen; als man an das letzte Brett kommt, rufen die Römer den Ihrigen zu, nun möchten sie sich retten. Die Zwei gehen zurück, Horatius aber bleibt allein und kämpft so lange, bis die Brücke hinter ihm einstürzt. So fällt er mit seiner ganzen Rüstung in den Strom hinab. Aber muthig schwimmt er zu den Seinen hinüber, die ihn frohlockend empfangen. Die feindlichen Wurfspieße hatten ihn nicht verletzt.

 

2. Mucius Scävola.

Konnte nun auch der feindliche König nicht in die Stadt selber kommen, so hielt er doch alle Zugänge besetzt und drohete das geängstigte Rom auszuhungern. Da entschloß sich ein edler Jüngling, Mucius, zu einer kühnen That, um die Feinde in Schrecken zu setzen. Er ging allein in das Lager der Feinde, mit einem Dolche unter dem Mantel. Unangefochten kam er vor das königliche Zelt, wo eben den Kriegsleuten der Sold ausgezahlt wurde. Mucius, welcher den König nicht kannte, stürzte auf den los, an welchen sich die meisten Soldaten wandten, und erdolchte den Schreiber des Königs. Sogleich ergriffen die Soldaten den Unbekannten, entwaffneten ihn und führten ihn vor den König Porsena. Furchtlos sprach der kühne Jüngling: »Mein Name ist Mucius, ich bin ein römischer Bürger und wollte den Feind meines Vaterlandes ermorden. Da ich mich getäuscht habe, will ich dir gestehen, daß ich nicht der Einzige bin, welcher dir nach dem Leben strebt.« Der König erschrak und drohete ihn verbrennen zu lassen, wenn er nicht die ganze Verschwörung entdecken würde. Der römische Jüngling aber sprach kein Wort mehr sondern entblößte seinen rechten Arm, ging an ein dastehendes Kohlenbecken und hielt mit unverändertem Angesichte seine Hand in die Gluth und ließ sie darin langsam verbrennen. Da ergriff Staunen und Entsetzen die Umstehenden und der König rief: »Geh', geh' ungestraft! Du hast feindlicher an dir, als an mir gehandelt. Ich wollte, daß solche Tapferkeit auch für mich stritte!«

Es war dem Könige angst geworden vor solchen Männern, und er bot nun selber den Römern die Hand zum Frieden. Rom mußte Geiseln stellen und einige früher von den Etruskern eroberte Landstriche zurückgeben.

Horatius Kokles und Mucius wurden vom Volke hochgepriesen und reichlich beschenkt; Mucius erhielt den ehrenvollen Beinamen »Scävola«, d. i. »Linkhand«, und dieser Name erbte auf die Nachkommen fort.

 

3. Klölia.

Unter den römischen Geiseln, die nach dem Etruskerlande abgeführt wurden, befand sich auch eine edle Jungfrau, Klölia mit Namen. Gleich in der ersten Nacht überlistete sie ihre Wächter, entfloh mit den übrigen Mädchen und stürzte sich in die Tiber. Glücklich schwamm sie an das andere Ufer und langte wieder in Rom an. Ihre Gespielinnen waren ihr gefolgt und auch der Gefangenschaft entronnen. Doch die Römer sandten die entflohenen Mädchen sogleich zum Porsena zurück. Dieser lobte und bewunderte die Klölia und schenkte ihr die Freiheit, indem er ihr zugleich erlaubte, sich noch einige von den übrigen Geiseln zu erbitten. Klölia wählte sich die jüngsten unter den Mädchen aus und kehrte mit diesen fröhlich nach Rom zurück.


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