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[Vorworte]

 

Einleitende Vorrede.

Daß der erste Geschichtsunterricht nichts Anderes geben könne, als »Geschichten aus der Geschichte«, darüber sind wir wohl einig; und daß die ersten Kurse im Geschichtsunterricht möglichst biographisch gehalten werden müssen, ist wenigstens von allen tüchtigen Methodikern anerkannt. Schon der alte wackere Bredow hat uns mit seinem, aus ächt pädagogischem Geiste entsprungenen Buche: »Umständlichere Erzählung der merkwürdigen Begebenheiten aus der allgemeinen Weltgeschichte« auf die rechte Bahn gewiesen. Seitdem wird die biographische Richtung in manchen Schulbüchern mit Glück und Geschick verfolgt und unter den neuern methodisch bedeutsamen Werken nenne ich, als ausgezeichnet, die Weltgeschichte von Th. Welter (in 3 Theilen) und die Weltgeschichte von Th. Althaus (1ster Theil). Aber selbst Bücher, wie die genannten, genügen doch nicht für einen propädeutischen Geschichtsunterricht, und ich will gleich sagen, warum?

»Weltgeschichten für Kinder« sind zwei sich schnurstracks widersprechende Begriffe. Man merkt es aber unsern besten Schulbüchern an, daß sie sich von dem Gedanken, der Jugend eine zusammenhängende Weltgeschichte zu liefern, nicht ganz haben befreien können. Weil sie nun einen Pragmatismus, eine äußere Vollständigkeit und Ganzheit anstreben, geben sie auf der einen Seite zu viel, nämlich zu viel Stoffliches von Notizen, Namen und Jahreszahlen, das der Anfänger als rohen Ballast aufnehmen muß und nicht in Fleisch und Blut verwandeln kann; – und auf der andern Seite geben sie zu wenig, nämlich zu wenig in sich vollendete Einzelbilder, zu wenig individuelle charakteristische Züge, welche das geschichtliche Objekt vor die innere Anschauung des Schülers bringen und in seine Empfindung überleiten.

Alles Interesse, welches der Geschichtsunterricht in dem Herzen der Jugend zu erregen vermag, haftet nicht an der Begebenheit als solcher, sondern an der Person, von der die Begebenheit ihren Ursprung erhält. Die Person ist der lebendige Mittelpunkt, von dem alle Geschichte ausgeht und in den sie wieder zurückkehrt. Vor Allem muß der Held dem Schüler menschlich nahe treten und zu seinem Herzen sprechen, dann wird auch der Verstand des Schülers gern und leicht die Thatsachen anschauen, welche der Held vollbracht hat. Auch Beschreibungen von Bildungszuständen müssen als Erzählungen auftreten, denn die junge Seele faßt gern und leicht das Nacheinander, ungern und schwer das Nebeneinander. Für den Anfänger sind »Bildungsstufen«, »Volkszustände« u. dergl. sehr abstrakte Dinge, die erst konkret und anschaulich werden durch Persönlichkeiten, in und an denen sie sich offenbaren. Für das Alter, das ein propädeutischer Geschichtsunterricht in Anspruch nimmt, sind die Völker nur in den Helden der Völker vorhanden. Das Charakterbild des fränkischen Volksstammes würde in Nebel zerfließen, wenn es nicht in einem Karl dem Großen plastisch vor die Anschauung träte, und in dem Sachsenhelden Wittekind – so wenig wir auch von ihm wissen – stellt sich die Religiosität und zähe Anhänglichkeit an die heimische Sitte, die Offenheit, der Freimuth und die Biederkeit des ganzen Sachsenstammes verkörpert dar. Späterhin soll und muß der Schüler allerdings zu der Erkenntniß geführt werden, daß die hervorragenden Heldenpersönlichkeiten eines Volkes nur die Darstellung des Geistes, der in dem Volke lebte und wirkte, nur das Ergebniß einer ganzen Zeit, die ihnen die Bahn bereitete, sind. Und dann mag die Geschichte auch »Zustände« erzählen, dann mag sich zu der Erzählung auch die Beschreibung gesellen. Wer aber das Umgekehrte verlangt, der versteht sich wenig auf die Psychologie. Ich weiß aus Erfahrung, daß selbst die sehr anziehend geschriebenen Kapitel in Welter's Weltgeschichte »von den Kulturstufen des Nomadenlebens, des Ackerbaues, vom Handel etc.« die Schüler sehr kalt ließen, weil es an persönlicher Handlung fehlte. Jugendgeschichten müssen dramatisches Leben haben! Macht immerhin ein Kapitel »über das Ritterthum im Mittelalter«, aber unterlaßt nicht, die lebendigen Gestalten eines du Guesclin, Bayard und Götz von Berlichingen in lebendiger Handlung vorzuführen. Wenn ihr blos von der »Hansa« sprecht, so bleiben das trockene Notizen, aber diese werden lebendig, wenn sie sich an die Anschauung eines Wullenweber knüpfen.

Ferner: Unsere Lehr- und Lernbücher für den ersten Geschichtsunterricht erzählen wohl von der Gesetzgebung des Lykurg, aber sie haben keinen Raum für die Scene, wo die über Lykurg's Neuerungen aufgebrachten Spartaner mit Steinen auf ihren Gesetzgeber werfen und der leidenschaftliche Jüngling Alkandros den großen Mann blutig schlägt. Und doch ist gerade dieser Zug so höchst charakteristisch und das Gemüth ergreifend; die Sanftmuth und Liebe, welche hier der Schwergekränkte offenbart, wie ist sie doch geeignet, den strengen Gesetzgeber dem Herzen des Schülers nahe zu bringen, ihn – ich möchte sagen – von einer christlichen Seite zu zeigen und die Hochachtung in Verehrung zu wandeln! Oder – um ein anderes Beispiel anzuführen – ist es nicht zweckmäßiger, anstatt den ganzen siebenjährigen Krieg in trockener Skizze abzuhandeln, lieber einige charakteristische und bedeutsame Scenen lebendig darzustellen? Da ist z. B. die Schlacht bei Torgau ein ergreifendes Gemälde. Der schwergeprüfte Held sitzt in dunkler Nacht vor dem Altar der Dorfkirche, mit Sehnsucht den Morgen erwartend, Boten über Boten an Ziethen sendend. Ungeduldig reitet er in die Dämmerung hinaus, da erscheint plötzlich, wie ein Engel vom Himmel, der treue Ziethen und bringt die frohe Botschaft und ruft den Husaren zu: »Unser König hat gesiegt, unser König soll leben!« Die braven Soldaten stimmen ein, rufen aber auch: »Unser Ziethen, unser Husarenkönig auch!« Solche ganz individuelle Züge sind von der tiefsten sittlichen Wirkung.

Es wäre jedoch ein anderes Extrem, wenn man es darauf anlegte, lauter vollständig ausgeführte Biographieen geben zu wollen; man würde dann wieder in eine Systematik fallen, die man vermeiden wollte, und das Kind würde erdrückt von der Menge des Individuellen, wie früher von der Menge des Generellen. Darum möglichst einfache, wenige Pinselstriche, diese aber mit den hellsten, lebhaftesten Farben! Der Anfänger verlangt Einzelbilder; werden aber diese zu lang ausgesponnen, so hören sie auf, Einzelbilder zu sein. Aus diesem Grunde habe ich längere Biographieen wieder in einzelne Nummern zerlegt, die für sich ein abgerundetes Bild darbieten. Zuweilen habe ich die kleinen Abschnitte mit Ueberschriften versehen, zuweilen auch nicht, damit der Schüler dann Gelegenheit bekomme für eine sehr bildende Uebung, selber die Ueberschrift zu finden.

Wenn es einem Historiker darauf ankommt, gute Quellen zu finden, aus welchen die geschichtliche Thatsache möglichst rein geschöpft werden kann, so muß es dem Pädagogen, der ein Geschichtsbuch für den ersten Geschichtsunterricht herausgibt, daran gelegen sein, pädagogische Quellen zu finden, d. h. Darstellungen, die sich durch die Einfachheit, Klarheit, Lebendigkeit, charakteristische Anschaulichkeit, kurz durch ihren methodischen Werth auszeichnen. Da ist manches Geschichtsbüchlein, das ein Historiker von Fach verächtlich über die Achsel ansehen würde, für den Methodiker von Fach ein wahrhaft klassisches Werk. Wer seine Geschichtsbilder für den propädeutischen Unterricht aus Raumer oder Ranke, oder aus Bötticher's Weltgeschichte in Biographieen entnehmen wollte, würde sehr unpädagogisch verfahren. Manches habe ich, wenn es vollendet war und dem Zwecke des Buches vollkommen entsprach, ganz wörtlich mitgetheilt; Manches, wenn es der Darstellung an Lebendigkeit und Abrundung fehlte, auch geändert und selbst bearbeitet. Im Ganzen bin ich aber von dem Grundsätze ausgegangen, daß es bei Büchern, wie das vorliegende, besser sei, wenn der Verfasser unter dem bereits vorhandenen Guten das Beste auswählt, als wenn er Alles nur als seine Arbeit mittheilen will. Eine gewisse Einseitigkeit und Einförmigkeit ist dann schwer zu vermeiden.

So viel über das Wie? der Darstellung; nun einige Worte über das Was? – Hellas, Rom und das deutsche Vaterland sind die drei Sonnen, die im propädeutischen Geschichtsunterricht, wie im Geschichtsunterricht auf Schulen überhaupt, hell leuchten müssen, damit sich der nationale Sinn daran erwärme und erfrische. Wer da meint, gleich mit der deutschen Geschichte beginnen zu müssen und die Griechen und Römer auf eine spätere Zeit verschiebt, handelt eben so sehr gegen das pädagogische, wie das nationale Interesse, denn an Griechenland und Rom lernt die Jugend die eigene Nationalität verstehen. Ferner: Für einen propädeutischen Geschichtsunterricht ist es vor allen Dingen erforderlich, daß die Sage eine größere Berücksichtigung finde, als solches bisher der Fall war. Mit der Sage beginnt die Geschichte, mit der Sage muß auch der Geschichtsunterricht beginnen. In der Sage lebt und webt der Volksgeist in seiner kindlichen Unmittelbarkeit, in der Sage spiegelt sich die Geschichte, wie sie dem Volksgemüthe, der noch bloß empfindenden Volksanschauung sich darstellt; darum prägt hier das Volk sein eigenstes, innerstes Wesen, seinen nationalen Kern selber aus. Soll der Geschichtsunterricht seine Aufgabe, den nationalen Sinn, das Volksgemüth im Schüler anzuregen und zu entwickeln, sicher lösen, so müssen auch die Sagen, vor Allem die griechischen und deutschen, viel mehr in den Vordergrund treten, als solches bisher geschehen ist. In einem Geschichtsbuche für den propädeutischen Unterricht muß ein Siegfried und Roland, ein Herkules und Theseus eben so viel Geltung haben, als ein Alexander oder Karl der Große. Ja, schauen wir näher zu, so findet sich, daß in der Geschichte aller großen Helden, daß in der römischen Geschichte bis zu den punischen Kriegen herab noch sehr energisch die Sage waltet, daß sie in unserer Geschichte nicht bloß einen Carolus Magnus und Friedrich Barbarossa verklärt, sondern bis zum Wilhelm Tell hinaufreicht, ja in jedes Heldenleben hineinspielt. Denn alle großen Männer, welche in's Volksbewußtsein eindringen, werden alsbald auch ergriffen vom Volksgemüthe, das sie in ein ideales Reich der Anschauung versetzt, damit sie nicht bloß mit den Augen des Verstandes, sondern mit den Augen des Herzens betrachtet und genossen werden. Die Sagenwelt muß die Pforte sein, durch welche der Schüler in die Geschichtswelt eintritt; die Sagengeschichte muß die Ouvertüre, das erste Konzert spielen, dessen Töne mächtig das Gemüth ergreifen und es mit Lust und Liebe zur Geschichte erfüllen. Solches muß aber zur rechten Zeit geschehen und diese Zeit ist das Alter von 9 bis 12 Jahren, wo der Verstand noch eingehüllt ist von der Phantasie, aber auf dem Punkte, seine Knospe zu durchbrechen.

Für den propädeutischen Geschichtsunterricht gehören alle Anfänge großer Geschichtsepochen, die Heroen und gewaltigen Kriegshelden, die großen Könige und Gesetzgeber, die Reformatoren und Staatsmänner in großem Styl, die als Sterne erster Größe auch der Volksanschauung zugänglich geworden sind; auch ein Albrecht Dürer, ein Haydn und Gellert, als Anfänge deutscher Malerei, Musik und Dichtkunst, die eben als Anfänge noch ein naives, einfaches Wesen offenbaren, dessen Bild sich in leicht faßlichen Umrissen darstellen läßt. Es sind die ersten Grundstriche und Konturen, die vom eigentlichen Geschichtsunterricht dann verbunden und ausgefüllt werden. Je einfacher und derber die ersten Striche sind, desto klarer und anschaulicher werden sich späterhin vollendete Gemälde der Seele einprägen. Darum hüte man sich vor den Massen und gebe Charakterbilder, welche äußerlichen Reichthum mit innerer Fülle ersetzen.

Ein Fehler unserer gangbaren Geschichtsbücher ist, daß sie neun Zehntel ihres Inhalts mit Schlachten, Erbfolgestreitigkeiten und Dynastiengeschichten anfüllen. Ist es aber nicht besser, wenn der Schüler einige tüchtige deutsche Kaiser von Angesicht zu Angesicht kennen und lieben lernt, als wenn er die ganze Sippschaft mittelmäßiger Fürsten lernen muß, die sich gleichen, wie ein Ei dem andern? Und wird nicht durch die ewigen Kriege und das fortwährende Blutvergießen die Empfindung des Schülers von vornherein und systematisch abgestumpft? Ich verkenne es nicht, daß gerade die Kriege es sind, deren heroisches Moment für die Jugend so viel Anziehendes hat, weil hier alles Große und wahrhaft Menschliche, weil hier Tugend und Laster besonders anschaulich hervortreten; aber es bleibt ja, wenn man die Hälfte abschneidet, immer noch genug übrig und dies ist dann von größerer Wirkung. Ich verkenne auch nicht, daß die Kulturgeschichte in einem propädeutischen Kurse weder herrschen kann noch herrschen soll, aber sie darf auch nicht ganz zurücktreten. Die biblische Geschichte aber soll man weglassen, denn es thut nicht gut, sie mit der Profangeschichte zu vermengen. Man sollte aber in gehobenen Volks-, wie in Realschulen und Gymnasien die biblische Geschichte in die Kirchengeschichte in größerer Ausdehnung überleiten, als bisher geschehen ist; die Kirchengeschichte liegt noch sehr brach, und gute Bearbeitungen derselben fehlen.

Ich habe die Geschichtsbilder zu einzelnen Gruppen vereinigt und so viel als möglich Parallelen und Gegensätze zusammengestellt, am liebsten aber so, wie es die Geschichte selber gethan hat. Wohl hätte ich einen Alexander mit einem Karl dem Großen, die Zerstörung von Troja mit der Zerstörung von Karthago zusammenstellen können, aber es wäre das wieder nicht methodisch gewesen. Wenn der erste Unterricht auch nur Einzelnes, Abgerissenes bietet, so können und sollen doch bereits diese Theile in einem innern Zusammenhänge stehen; der Schüler soll heimisch werden auf griechischem, römischem, deutschem Boden, der eigenthümliche Geist des Volkes soll ihn anwehen, ihm vertraut werden. Das ist aber nicht möglich, wenn man den Anfänger beim Schopf nimmt und ihn durch die Lüfte entführt von Asien nach Europa, von Hellas nach Altgermanien, ohne daß er Zeit gewann, in Einem Lande erst heimisch zu werden. Vergleichende Geschichte können wir erst dann treiben, wenn wir die anschauende Geschichtskenntniß sicher gepflanzt haben. Es bleibt ja dem Lehrer unbenommen, bei der Eroberung von Karthago den Blick des Schülers auf die Zerstörung von Troja zurückzuwenden, oder Karl den Großen mit Alexander dem Großen zu vergleichen, ohne daß diese Helden im Buche neben einander stehen müßten. Die Geschichte bietet aber selber auf gleichem Boden und in gleicher Zeit der Parallelen und Gegensätze so viele dar, daß der Methodiker ihr nur zu folgen braucht. Steht nicht ein König Xerxes neben einem König Leonidas, ein Cäsar und Pompejus, ein Gregor VII. und Heinrich IV. zusammen? Man wird füglich die englische und französische Revolution zusammenstellen können, nicht aber nach den Perserkriegen gleich den siebenjährigen Krieg abhandeln.

In der Weise, wie ich die Gegensätze zusammengestellt habe, wird der Schüler mit der Eigenthümlichkeit jedes einzelnen Objektes um so besser vertraut dadurch, daß ich ihm Zeit lasse, in einer Zeitepoche, oder in einem Lande oder unter ähnlichen Verhältnissen mit seinem Blicke zu verweilen. So stehen z. B. im ersten Abschnitte drei Völker zusammen: die Aegypter, Assyrer, Phönicier. Bei allen dreien erblicken wir das Volk als Ein Ganzes wirkend, ohne daß einzelne Helden aus dem Volke in ihrer Persönlichkeit hervortreten, wie es im zweiten oder dritten Abschnitte der Fall ist. Aber innerhalb des ersten Abschnittes ergibt sich bald ein bedeutender Gegensatz. Unter den Phöniciern ist jeder Einzelne ein Herr und König, während bei den Assyrern absolute Monarchie (Despotie) und bei den Aegyptern ein durch Priester beschränktes Königthum herrscht. Bei den Assyrern und Aegyptern ist aber das Volk willenlose Masse, das Werkzeug, um die Gedanken und Befehle eines Alleinherrschers auszuführen: daher die großartigen Bauten und Heerzüge, während umgekehrt bei den Phöniciern großartige Handelsunternehmungen erscheinen, die unbeschränkte Freiheit des Einzelnen zur Voraussetzung haben. Im zweiten und dritten Abschnitte stellen sich die Helden in ihrer Einzelpersönlichkeit dar; aber im zweiten Abschnitte ist Ein Heros der Handelnde, während im dritten sich mehrere – a. Individuen, b. Volksstämme – zu gemeinsamem Handeln vereinigen. Der trojanische Krieg war die erste nationale That der Hellenen, die erst dann erfolgen konnte, nachdem die inneren Gährungen und Kämpfe des Heroenthums sich abgeklärt und befriedigt hatten. Der Inhalt des vierten Abschnitts verhält sich zu dem des fünften, wie asiatischer Despotismus zu europäischem Volksthum, wie prunkvolle Barbarei zu edler freier Menschlichkeit. Alexander bringt das Griechenthum zum Abschluß, das in Achill, dem Helden des trojanischen Krieges, so herrlich begonnen hatte; er selbst betrachtete sich als den wiedergeborenen Achill, der die Arbeit seines edlen Vorbilds zu vollenden habe. Der fünfte Abschnitt stellt wieder im Verhältniß zum sechsten ein Volk dar, das in Vielstaaterei untergeht, während Rom durch die Einheit seines Staatswesens die Welt erobert; bei den Griechen die höchste ästhetisch-humane, bei den Römern die höchste politisch -nationale Bildung. Diese Verhältnisse werden dem Schüler nicht in ihrer abstrakten Allgemeinheit, sondern in ihrer konkreten Anschaulichkeit durch bestimmte Fragen nach Thatsachen zum Bewußtsein gebracht. So stehen im zweiten Theile die Römer in ihrer Auflösung und Zerrüttung und die Germanen in ihrer Jugendfrische sich gegenüber, ferner das deutsche Reich in der Einheit des Kaiserthums und in der Zerrissenheit souveräner Fürstengewalt, die bereits in der Eifersucht zwischen Franken und Sachsen ihren Anfang nimmt, durch den Zwiespalt zwischen Kaiser und Papst begünstigt und endlich durch den religiösen Gegensatz (Reformation, dreißigjähriger Krieg) vollendet wird. Die Entdeckung von Amerika und die Erfindung der Buchdruckerkunst leiten eine Entwickelung ein, die sich wesentlich vom Mittelalter unterscheidet und die in der Reformation wie in der englischen, amerikanischen und französischen Revolution ihre Knotenpunkte hat. Mit den Kämpfen des freien Geistes, des freien Staates, der freien Gesellschaft, wie sie in Hauptpersönlichkeiten charakteristisch sich darstellen, hat es der dritte Theil zu thun. Das Christenthum aber ist überall der Sauerteig, der die Welt durchdringt und vor Fäulniß bewahrt, und Jesus Christus ist auch in der weltlichen Geschichte der Mittelpunkt und der Wendepunkt zwischen alter und neuer Zeit. So sind die Grundlinien gezogen, nicht willkürlich, sondern in festbestimmtem Zusammenhange.

In jedem einzelnen Abschnitte sind wieder Parallelen und Gegensätze zu finden, welche die Anschauung zur Beobachtung überleiten. So sind z. B. Attila, Alarich und Theodorich der Große zu einer Gruppe vereinigt. In Attila stellt sich, gegenüber der verweichlichten und versumpften Römerkraft, die frische, aber noch ganz rohe Naturkraft dar, unbildsam und vom Christenthum unbezwungen; die frische bildsame Naturkraft des Germanen äußerlich vom Christenthum berührt, gezügelt und gemildert in Alarich; bereits innerlich ergriffen und den Ansatz zu einem christlichen Staate bildend, in welchem »Gerechtigkeit wohnt«, in Theodorich d. Gr. So wird der Schüler in Bonifacius und Ansgar leicht zwei christliche Charaktere, den stürmenden Petrus und den sanften Johannes erkennen. So ist Friedrich der Große groß durch überwiegende Macht seines Verstandes, Joseph II. groß durch die überwiegende Macht seines Herzens. Bei letzterem sind gerade die einzelnen Anekdoten so recht am Platze, damit der Schüler den Menschen im Kaiser achten und lieben lerne, während er von den gescheiterten Plänen des Fürsten noch nicht viel zu fassen vermag. Der auf den Vorbereitungs-Kursus folgende Geschichtsunterricht, welcher auf den inneren, festgegliederten, übersichtlichen Zusammenhang der geschichtlichen Thatsachen hinarbeitet, würde nicht mehr Zeit haben für die Einzelnheiten; darum müssen sie vorher abgethan werden, denn sie sind nöthig.

Durch eine Gruppirung wie die vorliegende wird nicht blos das freie Nacherzählen, sondern auch das Bilden von Aufsätzen bedeutend erleichtert. Ich verstehe aber unter diesen Aufsätzen keine »Abhandlungen«, sondern ausführliche Antworten aus bestimmte Fragen, deren Ausgangspunkt die Vergleichung der ähnlichen oder im Gegensatz stehenden Persönlichkeiten ist. Diese Vergleichung gewinnt im Fortgange des Unterrichts ein immer größeres Feld. »Worin stimmt der Lebensgang des Lykurg mit dem des Solon überein? Was haben sie in ihrer Gesetzgebung gemeinsam, was nicht?« Kommt dann Numa Pompilius und Servius Tullius an die Reihe, so werden diese Römer mit jenen Griechen in Parallele gesetzt, und so die behandelten Stoffe immer im Kurs erhalten. In seiner schriftlichen Arbeit fixirt der Schüler die Resultate, die er aus der mündlichen Unterredung mit dem Lehrer gewonnen hat. Auch muß er sich die Geschichtstafeln und Uebersichten selber anfertigen. Das bloße Nacherzählen der Geschichten genügt keineswegs, um den Schüler des Stoffes Herr werden zu lassen; er soll sie geistig durchdringen, indem er sie beobachten lernt.

Wer den Sinn des propädeutischen Geschichtskurses recht versteht, wird denselben nicht auf ein Jahr beschränken, sondern zwei bis drei Jahre ihm widmen. Mit zehn bis zwölf Biographieen ist die Sache nicht abgethan. Dr. G. Weber fordert drei Jahre, und ich stimme ihm bei Ein vortreffliches Referat über die neuesten methodischen Strebungen auf dem Gebiete des Geschichtsunterrichts hat W. Prange geliefert im 5. Jahrgang des Päd. Jahresberichts von Nacke.. Ein Schüler, der auch nur den propädeutischen Kurs durchgemacht hätte, würde doch bereits ein relativ Ganzes und Vollständiges gewonnen haben, er hätte bereits aus den »Geschichten« Geschichte gelernt.

Ist einmal ein solcher äußerlich vereinfachter und innerlich bereicherter Lehrgang hergestellt, dann können auch historische Gedichte ihre volle Wirksamkeit entfalten und Viel dazu beitragen, jene Bildung des Gemüthes zu erzeugen, die zugleich sittliche Kräftigung ist Ich empfehle: » Allgemeine Geschichte in Sprüchen und Gedichten« von K. Th. Kriebitzsch (Erfurt 1850), und ferner: » Deutsche Geschichten in deutschen Gedichten« von A. W. Grube (Leipzig 1851), worin das nationale sammt dem ästhetischen und sittlichen Interesse möglichst kräftig wahrgenommen ist.. Desgleichen wird nun auch die Wirkung eines historischen Bilderbuchs (dessen Mangel bei den jetzigen Mitteln unverzeihlich ist) bedeutend sein, weil sie mit dem Streben des Unterrichts, der auf das individuelle Bild gerichtet ist, sich vereinigt. Das Ausmalen von Scenen, die im Buche nur angedeutet, oder auf dem Bilde dargestellt sind, bietet eine sehr geeignete Uebung für schriftliche Arbeiten. Man sollte weder von ägyptischer, noch griechischer, noch deutscher Baukunst den Schülern erzählen, wenn man ihnen nicht die entsprechenden Abbildungen vorzeigen kann, gleichwie es rathsam ist, wenn der »Guttenberg« an die Reihe kommt, die Schüler zuvor in eine Buchdruckerei zu führen. Wenig extensiv, viel intensiv! Vertiefung in das Individuelle und lebendige Anschauung der Person! Dieser Grundsatz gilt besonders auch für den Geschichtsunterricht, und nur in dem Maße, als wir ihn zur Geltung bringen, wird die Geschichte ein wirksames Moment werden für die sittliche Bildung des Schülers, nur dann wird derselbe an den Charakteren der Geschichte den eigenen Charakter entwickeln und stärken, nur dann wird er sich begeistern zu dem Entschlusse, Theil zu nehmen an dem Kampfe für die höchsten Güter des Menschenlebens, für Wahrheit, Freiheit und Recht, und nur dann wird er Liebe und Vertrauen gewinnen zu Dem, dessen starke Hand die Geschicke der Menschheit führt und lenkt, damit mehr und mehr das Reich Gottes auf Erden wachse und blühe.

Möge für solch' einen Zweck dieses Buch ein brauchbares Mittel sein! Es bietet sich zunächst den unteren Klassen der Gymnasien und Realschulen dar, möchte aber auch für gehobene Volksschulen willkommen geheißen werden.

In der Volksschule wird zwar immer auf die biblische Geschichte und auf die Geschichte der Ausbreitung des Christenthums in ihren Hauptmomenten der Hauptakzent fallen, aber ganz weglassen wollen wir die Profangeschichte keineswegs, wir wollen nicht das schöne Ziel aus dem Auge verlieren, gerade dadurch die Volksschule zu heben, daß wir die Geschichte in ihren Lektionsplan aufnehmen. Denn fordert nicht auch der christlich-kirchliche Zweck, eines Augustus und Nero, eines Konstantin und Julian Erwähnung zu thun wie eines Karl und Bonifacius? Und ist es nicht gerade dem patriotischen Zwecke förderlich und ganz entsprechend, von der Schlacht bei Marathon und Salamis zu reden, wie von der Leipziger Völkerschlacht? Ein systematischer Geschichtsunterricht gehört allerdings nicht in die Volksschule, wohl aber ein propädeutischer, der dann in der Fortbildungsschule – die nothwendig die Volksschule ergänzen muß, wenn sie nicht ein Anfang ohne Ende bleiben soll – seinen Abschluß findet und entschiedener als bisher auf eine christlich-nationale Bildung hinarbeitet. Von dem unfruchtbaren Notizenkram müssen die Volksschullehrer sich los machen, und zur lebendigen Quelle der Geschichte, zur Vertiefung in die Persönlichkeit zurückkehren, dann können sie auch mit Wenigem Viel ausrichten. »Theile und herrsche!« – so heißt es auch hier.

Hard am Bodensee, im März 1852.
A. W. Grube.

 

Vorwort zur dritten Auflage.

Plan und Ausführung des Werkes hat, so weit dem Verfasser davon Kunde geworden ist, Beifall gefunden, und die Brauchbarkeit sich auf erfreuliche Weise praktisch erprobt; es lag also kein Bedürfniß vor, irgendwie Aenderungen vorzunehmen. Möge das Buch denn fortfahren, sich Freunde zu erwerben, denen es darum zu thun ist, den historischen Unterricht auf eine tüchtige Grundlage zu stellen.

Leipzig, den 15. November 1853.
A. W. Grube.

 

Vorwort zur vierten Auflage.

Mit Ausnahme einiger kleiner Zusätze ist auch in dieser Auflage nichts geändert worden.

Hard am Bodensee, im November 1855.
A. W. Grube.

 

Vorwort zur sechsten Auflage.

Die innere Ausstattung dieser neuen Auflage ist die gleiche geblieben, die äußere hat aber dadurch gewonnen, daß der Herr Verleger das Opfer nicht scheuete, den Druck ganz den Geographischen Charakterbildern konform zu machen, ohne den Preis des Buches zu erhöhen.

Hard am Bodensee.
A. W. Grube.

 

Vorwort zur siebenten Auflage.

Seit dem Erscheinen dieses Werkes sind mehrere ähnliche an's Licht getreten, auf welche ich hier prüfend und vergleichend näher eingegangen sein würde, wenn sie nicht – bei allen Variationen und Abweichungen im Einzelnen – ganz den Grundsätzen folgten, wie ich sie im Vorwort zur ersten Auflage dieses Buches entwickelt habe.

Auf Einen Punkt muß ich aber hier aufmerksam machen, da man von diesem aus den ganzen Elementarunterricht in der Geschichte radikal umgestalten möchte. Durch den begründeten Gedanken, die Kulturgeschichte auch für den Anfang des Geschichtsunterrichtes nicht zu sehr vor den Kriegs- und Königsgeschichten zu vernachlässigen, haben sich nicht bloß die Verfasser ähnlicher Chrestomathieen verleiten lassen, griechisches und römisches, indisches und chinesisches Kulturleben behandeln zu wollen, ohne biographische Vermittelung, auch bewährte Kulturhistoriker, wie Prof. Biedermann, sind mit Vorschlägen zu einer Reform des Geschichtsunterrichts hervorgetreten, die darauf ausgehen, mit Kulturgeschichte zu beginnen, die dem Anfänger zumuthen, politische Verfassungen und Kulturverhältnisse zu studiren, welche ein Sekundaner und Primaner nur mit Anstrengung sich klar macht, die aber durchaus über dem Horizonte eines zehn- oder elfjährigen Knaben liegen. Schon dieser soll (vergl. die Broschüre von K. Biedermann »der Geschichtsunterricht in der Schule« S. 17) sich darüber Rechenschaft geben, ob die heutige Denk- und Lebensweise, die heutigen Gewohnheiten und Sitten besser seien, als die unserer Vorfahren, oder nicht? Ist nicht – so fragt man – die Chronik des Dorfes oder der Stadt, worin der Schüler lebt, das Nächstliegende, das er zuerst kennen lernen muß? »Hier gilt es«, sagt Biedermann a. a. O. S. 15, »den Schüler theils zur Erfassung der kulturgeschichtlichen Eigenthümlichkeiten des gegebenen Ortes, im Vergleich oder Gegensatz mit anderen Orten (gleichsam der kulturgeschichtlichen Physiognomie desselben) anzuleiten, theils ihn mit den Veränderungen bekannt, zu machen, welche diese Physiognomie nach den wichtigsten kulturgeschichtlichen Beziehungen im Laufe der Zeit erfahren hat!«

Es ist aber nicht Alles, was uns räumlich oder zeitlich am nächsten liegt, für den Unterricht und im psychologisch-pädagogischen Sinne das Nächstliegende, und der natürliche Uebergang vom Wohnort zum Bezirk, von diesem zur Provinz u. s. f. als Lehrgang für den Geschichtsunterricht ist Seitens der Methodik ein sehr unnatürlicher, weil er nicht mit dem Einfacheren, sondern mit dem Zusammengesetzten, nicht mit dem Ursprünglichen, sondern mit dem Abgeleiteten, mit den komplizirtesten Kulturverhältnissen beginnt.

Die Geschichte ist kein Kartenspiel, das man beliebig mischen kann, um bald dieses bald jenes Blatt zuerst auszuspielen.

Diese psychologisch und pädagogisch – wie mir scheint – wohlbegründeten Ansichten und Grundsätze glaubte ich gewissen übertriebenen Forderungen gegenüber, die an den ersten Geschichtsunterricht gestellt werden, hier nochmals kurz hervorheben zu müssen.

Vorliegende neue Auflage ist eine sorgfältig durchgesehene und in manchen Punkten berichtigte; daß sie es sein konnte, verdanke ich besonders der gütigen Unterstützung des Herrn Rektor Dr. Köstlin in Nürtingen, welcher seit Langem das Buch in seiner Schule mit Nutzen gebraucht. Auf seinen Rath habe ich dem dritten Theile auch noch die Skizze: »Schlacht bei Waterloo und Napoleon's Ende« hinzugefügt. Ihm auch an diesem Orte für seine freundliche Bemühung besten Dank zu sagen ist mir eine sehr angenehme Pflicht, die ich um so lieber erfülle, als solche Recensenten, die nicht mit einigen oberflächlichen Phrasen über ein Werk aburtheilen, sondern gründlich und liebevoll aus den Inhalt desselben eingehen, um eine positive Kritik zu geben, sehr selten geworden sind.

Hard bei Bregenz im Sommer 1861.
A. W. Grube.

 

Vorwort zur zehnten Auflage.

Daß ungeachtet der Stärke der bisherigen Auflagen doch schon in Jahresfrist wieder eine neue Auflage der Geschichtsbilder nöthig wurde, ist mir ein erfreulicher Beweis, daß dies Buch in den Schulen und der Jugendlektüre immer mehr Boden gewinnt und mit Nutzen gebraucht wird. Es ist mir aber auch ein Sporn gewesen, diese zehnte Auflage so korrekt als möglich auszustatten (wobei mein verehrter Freund, Herr Rektor Köstlin in Nürtingen, mir wieder sehr behülflich war), und wo es nöthig schien, auch Verbesserungen eintreten zu lassen.

Das in diesem Jahre erschienene »Wiederholungsbuch« wird, da es für eine gründliche Repetition Seitens der Schüler sichere Handhaben bietet, den Freunden dieses Werkes, wie ich hoffe, eine willkommene Zugabe sein.

Am 15. Juli 1865.
A. W. Grube.


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