Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
1. Buch 3. Kapitel
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

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Das zweiundzwanzigste Kapitel

Aus was Ursachen Springinsfeld und Courasche sich
gescheiden, und wormit sie ihn zur Letze begabt.

Gleich nach dieser unserer nächtlichen Schlacht stund es wenig Zeit an, daß Mantua mit einem Kriegspossen eingenommen wurde; ja der Fried selbst zwischen den Römisch-Kaiserlichen und Franzosen, zwischen den Herzogen von Savoja und Nivers folgte ohnlängst hernach, gleichsam als wann der welsche Krieg mit unserm Treffen hätte geendigt werden müssen. Und eben deswegen gingen die Franzosen aus Savoya und stürmeten wieder nach Frankreich, die kaiserliche Völker aber nach Teutschland, zu sehen, was der Schwed machte, mit denen ich dann so wohl fortschlendern mußte, als wann ich auch ein Soldat gewesen wäre. Wir wurden, uns entweder zu erfrischen, oder weil die rote Ruhr und die Pest selbst unter uns regierte, an einem Ort in den kaiserlichen Erblanden etliche Wochen an die Donau ins freie Feld mit unserem Regiment logirt, da es mir bei weitem nicht solche Bequemlichkeiten setzte wie in dem edlen Italia. Doch behalf ich mich, so gut als ich konnte, und hatte mit meinem Springinsfeld, weil er mehr als eine Hundsdemut gegen mich verspüren ließe, den Frieden wiederum, doch nur proforma, geschlossen; dann ich laurete täglich auf Gelegenheit, vermittelst deren ich seiner los werden möchte. Solcher mein inniglicher Wunsch widerfuhr mir folgendergestalt, welche Begebenheit genugsam bezeuget, daß ein vorsichtiger verständiger, ja unschuldiger Mann, dem wachend und nüchtern weder Weib Welt noch der Teufel selbst nicht zukommen kann, gar leichtlich durch seine eigene blöde Gebrechlichkeit schlaf- und weintrunkenerweis in alles Unheil und Unglück gestürzt und also um alles sein Glück und Wohlfahrt gebracht werden mag.

Gleichwie nun aber ich in meinem Gemüt auch um die allergeringste Schmach und vermeinte zugefügte Unbilligkeit ganz rachgierig und unversönlich war, also erzeigte sich auch mein Leib, wann er im geringsten verletzt wurde, gleichsam ganz unheilsam. Nicht weiß ich, ob derselbe dem Gemüt nachahmte, oder ob die Zärte meiner Haut und sonderbaren Complexion so grobe Stöße wie ein Salzburger Holzbauer nicht ertragen konnte. Einmal, ich hatte meine blauen Fenster und von Springinsfelds Faust die Wahrzeichen noch in meinem sonst zarten Angesicht, die er mir im Lager von Mantua eingetränkt, da er mich in obbemeldtem Lager an der Donau, als ich abermal im besten Schlaf lag, bei der Mitten kriegte, auf die Achsel nahm, mit mir also im Hemd, wie er mich ertappt gehabt, gegen des Obristen Wachtfeuer zulief und mich allem Ansehen nach hinweg werfen wollte. Ich wußte, nachdem ich erwachte, zwar nicht, wie mir geschah, aber gleichwohl merkte ich meine Gefahr, da ich mich ganz nackend befand und den Springinsfeld mit mir so schnell gegen dem Feuer zueilen sah. Derowegen fing ich an zu schreien, als wenn ich mitten unter die Mörder gefallen wäre. Davon erwachte alles im Läger, ja der Obrist selbst sprang mit seiner Partisan aus seinem Zelt, und andere Officier mehr, welche kamen der Meinung, einen entstandenen großen Lärmen zu stillen; denn wir hatten damals ganz keine Feindsgefahr, sondern nichts anders als ein schönes lächerliches Einsehen und närrisches Spectacul. Ich glaube auch, daß es recht artlich und kurzweilig anzuschauen gewesen sein muß. Die Wacht empfinge den Springinsfeld mit seiner unwilligen und schreienden Last, ehe er dieselbe ins Feuer werfen konnte; und als sie solche nackend sahen und als seine Courasche erkannten, war der Corporal so ehrliebend, mir einen Mantel um den Leib zu werfen. Indessen kriegten wir einen Umstand von allerhand hohen und niedern Officiern, der sich schier zu Tod lachen wollte und welchem nicht allein der Obrist selbst sondern auch der Obristleutenant gegenwärtig war, der allererst neulich den Frieden zwischen mir und dem Springinsfeld durch Drohung gestiftet hatte.

Als indessen Springinsfeld sich wieder witzig stellte, oder, ich weiß selbst schier nit, wie es ihm ums Herz war, als er wieder zu seinen sieben Sinnen kommen, fragte ihn der Obriste, was er mit dieser Gugelfuhr gemeint hätte. Da antwortet er, ihm hätte geträumt, seine Courasche wäre überall mit giftigen Schlangen umgeben gewesen, derowegen er sie seinem Einfall nach, sie zu erretten und davon zu befreien, entweder in ein Feuer oder Wasser zu tragen fürs Beste gehalten, hätte sie auch zu solchem Ende aufgepackt und wäre, wie sie alle vor andern sehen, also mit ihr daher kommen, welches ihm mehr als von Grund seines Herzens leid sei. Aber beide der Obrist selbst und der Obristleutenant, der ihm vor Mantua beigestanden, schüttelten die Köpfe darüber und ließen ihn, weil sich schon jedermann satt genug gelacht hatte, für die lange Weil zum Profosen führen, mich aber in mein Gezelt gehen, vollends auszuschlafen.

Den folgenden Morgen ging unser Proceß an und sollte auch gleich ausgehen, weil sie im Krieg nicht so lang zu währen pflegen als an einigen Orten im Frieden. Jedermann wußte zuvor wohl, daß ich Springinsfelds Ehefrau nicht wahr, sondern nur seine Matreß, und dessentwegen bedorften wir auch vor kein Consistorium zu kommen, um uns scheiden zu lassen, welches ich begehrte, weil ich im Bette meines Lebens bei ihm nicht sicher war; und eben dessentwegen hatte ich einen Beifall schier von allen Assessoribus, die dafor hielten, daß ein solche Ursach auch eine rechte Ehe scheiden könnte. Der Obristleutenant, so vor Mantua ganz auf Springinsfelds Seiten gewesen, war jetzt ganz wider ihn, und die übrigen vom Regiment schier alle auf meiner Seiten. Demnach ich aber mit meinem Contract schriftlich hervorkam, wasgestalt wir beisammen zu wohnen einander versprachen bis zur ehelichen Copulation, zumalen meine Lebensgefahr, die ich künftig bei einem solchen Ehegatten zu sorgen hätte, trefflich aufzumutzen und vorzuschützen wußte, fiel endlich der Bescheid, daß wir bei gewisser Strafe von einander geschieden und doch verbunden sein sollten, uns um dasjenig zu vergleichen, so wir miteinander errungen und gewonnen. Ich replicirte hingegen, daß solches Letzte wider den Accord unserer ersten Zusammenfügung laufe, und daß Springinsfeld, seit er mich bei sich hätte, oder, teutscher zu reden, seit ich ihn zu mir genommen und die Marquetenterei angefangen, mehr vertan als gewonnen hätte, welches ich dann mit dem ganzen Regiment beweisen und dartun könne. Endlich hieß es, wann der Vergleich nach Billigkeit solcher Umstände zwischen uns beeden selbst nicht gütlich getroffen werden könnte, daß alsdann nach befindenden Dingen von dem Regiment ein Urteil gesprochen werden sollte.

Ich ließ mich mit diesem Bescheid mehr als gern genügen, und Springinsfeld ließ sich auch gern mit einem Geringen beschlagen; denn weil ich ihn und mein Gesind nach dem eingehenden Gewinn und also nit mehr wie in Italia tractirte, also daß es schien, als ob der Schmalhans bei uns anklopfen wolle, vermeinte der Geck, es wäre mit meinem Geld auf der Neige und bei weitem nicht mehr so viel vorhanden, als ich noch hatte und er nicht wußte. Und es war billig, daß ers nicht wußte, denn er wußte ja auch nicht, warum ich damit so halsstarrig zurück hielt.

Eben damals, Simplice, wurde das Regiment Dragoner, darunter du etwan zu Soest dein A-b-c gelernet hast, durch allerhand junge Bursch verstärkt, die sich hin und wieder bei den Officiern der Regimenter zu Fuß befanden und nun erwachsen waren, aber keine Musquetierer werden wollten, welches eine Gelegenheit für den Springinsfeld war, wessentwegen er sich auch mit mir in einen desto leidenlichern Accord einließ, den wir auch allein miteinander getroffen, solchergestalt: Ich gab ihm das beste Pferd, das ich hatte, samt Sattel und Zeug, item einhundert Ducaten baar Geld und das Dutzet Reuterkoller, so er in Italia durch meine Anstalt gestohlen; denn wir hatten uns bisher damit nicht dörfen sehen lassen. Damit wurde auch eingedingt, daß er mir zugleich meinen Spiritus familiaris um eine Kron abkaufen solle, welches auch geschah. Und in solcher Maß habe. ich den Springinsfeld abgeschafft und ausgesteuert. Jetzt wirst du auch bald hören, mit was für einer feinen Gab ich dich selbst beseligt und deine Torheit im Sauerbrunnen belohnet hab. Habe nur eine kleine Geduld und vernimm zuvor, wie es dem Springinsfeld mit seinem Ding im Glas gangen.

Sobald er solches hatte, bekam er Würm über Würm im Kopf. Wann er nur einen Kerl ansah, der ihm sein Tage niemals nichts Leids getan, so hätte er ihn gleich an Hals schlagen mögen; und er spielte auch in allen seinen Duellen den Meister. Er wußte alle verborgenen Schätze zu finden und andere Heimlichkeiten mehr, hier ohnnötig zu melden. Demnach er aber erfuhr, was für einen gefährlichen Gast er beherbergte, trachtete er, seiner los zu werden. Er konnte ihn aber drum nicht wieder verkaufen, weil der Satz oder der Schlag seines Kaufschillings aufs Ende kommen war. Ehe er nun selbst Haar lassen wollte, gedachte er mir denselbigen wieder anzuhenken und zurück zu geben, wie er mir ihn dann auch auf dem General-Rendezvous, als wir vor Regenspurg ziehen wollten, vor die Füße warf. Ich aber lachte ihn nur aus, und zwar nicht vergebens, dann ich hub ihn nicht allein nicht auf, sondern da Springinsfeld wieder in sein Quartier kam, da fand er ihn wieder in seinem Schuhsack. Ich hab mir sagen lassen, er habe den Bettel etlichmal in die Donau geworfen, ihn aber alleweg wieder in seinem Sack gefunden, bis er endlich denselbigen in einen Backofen geworfen und also seiner los worden. Indessen er sich nun so hiermit schleppte, wurde mir ganz ungeheuer bei der Sach; derowegen versilberte ich, was ich hatte, schaffte mein Gesind ab und setzte mich mit meiner böhmischen Mutter nach Passau, vermittelst meines vielen Gelds des Kriegs Ausgang zu erwarten, sintemal ich zu sorgen hatte, wann Springinsfeld solches Kaufs und Verkaufs halber über mich klagen würde, daß mir alsdann als einer Zauberin der Prozeß gemacht werden dörfte.


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