Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
1. Buch 3. Kapitel
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

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Das achtzehnte Kapitel

Gar zu übermachte Gottlosigkeit der gewissenlosen Courasche
(und Erwerb eines Spiritus familiaris).

Der Gewinn, der mir in so mancherlei Hantierungen zuging, tät mir so sanft, daß ich dessen je länger je mehr begehrte; und gleichwie es mir allbereit eines Dings war, ob es mit Ehren oder Unehren geschähe, also fing ichs auch an nicht zu achten, ob es mit Gottes oder des Mammons Hülf besser prosequirt werden möchte. Einmal es galt mir endlich gleich, mit was für Vörteilen, mit was für Griffen, mit was für einem Gewissen und mit was für Hantierungen ich prosperirte, wann ich nur reich werden möchte. Mein Springinsfeld mußte einen Roßtäuscher abgeben, und was er nit wußte, das mußt er von mir lernen, in welcher Profession ich tausenderlei Schelmstücke Diebsgriffe und Betrüge gebrauchte. Keine Waar, weder von Gold Silber Edelgesteinen, geschweige des Zinns Kupfers Getüchs, der Kleidung und was es sonst sein mögen, es wäre gleich rechtmäßig erbeutet, geraubet oder gar gestohlen gewesen, war mir zu köstlich oder zu gering, daß ich nicht daran stund, solches zu erhandeln. Und wann einer nicht wußte, wohin mit demjenigen, das er zu versilbern, er hätte es gewonnen, wie er wollte, so hatte er einen sichern Zutritt zu mir wie zu einem Juden, die den Dieben getreuer sein, sie zu conservirn, als ihrer Obrigkeit, selbige zu strafen. Dannenhero waren meine beiden Wägen mehr einem Materialistenkram gleich, als daß man nur kostbare Victualia bei mir hätte finden sollen, und eben deswegen konnte ich hinwiederum auch einem jedwedern Soldaten, er wäre gleich hoch oder nieder gewest, mit demjenigen ums Geld helfen, dessen er benötigt war. Hingegen mußte ich auch spendiren und schmieren, um mich und meine Hantierungen zu beschützen.

Der Profoß war mein Vatter, seine alte Mähr (seine alte Frau, wolt ich sagen) meine Mutter, die Obristin meine gnädige Frau und der Obrist selbst mein gnädiger Herr, welche mich alle vor allem demjenigen sicherten, dardurch ich und mein Anhang oder auch meine Handelschaft hätten einbüßen mögen. Einsmals brachte mir ein alter Hühnerfänger, ich wollte sagen, so ein alter Soldat, der lang vor dem böhmischen Unwesen eine Musquet getragen hatte, so etwas in einem verschlossenen Gläslein, welches nicht recht einer Spinnen und auch nicht recht einem Scorpion gleich sah. Ich hielt es für kein Insect oder lebendige Creatur, weil das Glas keinen Luft hat, dardurch das beschlossene Ding sein Leben hätte erhalten mögen, sondern vermeinte, es wäre irgends ein Kunststuck eines vortrefflichen Meisters, der solches zugerichtet, um dardurch ein Gleichnus, ich weiß nit von was für einer ewigwährenden Bewegung vorzustellen, weil sich dasselbe ohn Unterlaß im Glas regte und herum grabelte. Ich schätzte es hoch, und weil mirs der Alte zu verkaufen anbot, fragte ich: »Wie teuer?«

Er bot mir den Bettel um zwo Kronen, die ich ihm auch alsobalden darzahlte, und wollte ihm noch ein Feldmaß Wein darzu schenken. Er aber sagte, die Bezahlung sei allbereit zu Genügen geschehen, welches mich an einen solchen alten Weinheißer verwunderte und verursachte, ihn zu fragen, warum er einen Trunk ausschlage, den ich doch einem jeden in Kauf zu geben pflegte, der mir nur das Geringste verhandelte. »Ach, Frau Courasche,« antwortet er, »es ist hiermit nicht wie mit anderer Waar beschaffen. Sie hat ihren gewissen Kauf und Verkauf, vermög dessen die Frau zusehen mag, wann sie dies Kleinod wieder hingibt, gibt, daß sie es nämliche wohlfeiler verkaufe, als sie es selbsten erkauft hat.«

Ich sagte: »So würde ich auf solche Weis wenig daran gewinnen.«

Er antwortet: »Darum lasse ich sie sorgen. Was mich anbelangt, so hab ichs allbereit bei 30 oder mehr Jahren in Händen und noch keinen Verlust dabei gehabt, wiewohl ichs um drei Kronen kauft und um zwei wieder hingeben.«

Dies Ding war mir ein Gesäg, darein ich mich nicht richten konnte oder vielleicht auch nicht richten wollte; denn weil ich ein satten Rausch und zu gewarten hatte, ich würde etliche Abgesandte der Venus abzufertigen kriegen, war mirs eine desto geringere Bekümmernus, oder (lieber Leser, sag mir selbst, was ich sagen soll!) ich wußte nit, was ich mit dem alten Kracher machen solle. Er däuchte mich nicht Manns genug zu sein, die Courasche zu betrügen, und die Gewohnheit, daß mir andere, die ein besser Ansehen als dieser hatten, oft etwas um ein Ducaten hingaben, das deren hundert wert war, machte mich so sicher, daß ich meinen erkauften Schatz einsteckte.

Des Morgens, da ich meinen Rausch verschlafen, fand ich meinen Kaufmannschatz in meinem Hosensack, denn man muß wissen, daß ich allzeit Hosen und meinen Rock trug. Ich erinnerte mich gleich, welchergestalt ich das Ding kauft hatte, legte es derowegen zu andern meinen raren und lieben Sachen, als Ringen Kleinodien und dergleichen, um solches aufzuheben, bis mir etwan ein Kunstverständiger an die Hand käme, der mich um seine Beschaffenheit berichtete. Als ich aber ungefähr unter Tags wieder in meinen Sack griff, fand ich dasselbe nicht, wohin ichs aufgehoben, sondern wieder in meinem Hosensack, welches mich mehr verwunderte als erschreckte, und mein Fürwitz, zu wissen was es doch eigentlich wäre, machte, daß ich mich fleißig nach dessen Verkäufer umsah; und als derselbe mir aufstieß, fragte ich ihn, was er mir zu kaufen gegeben hätte; erzählte ihm darneben, was für ein Wunderwerk sich damit zugetragen, und bat ihn, er wolle mir doch desselben Wesen Kraft Würkung Künste, und wie es umständlich damit beschaffen, nicht verhalten. Er antwortet: »Frau Courasche, es ist ein dienender Geist, welcher demjenigen Menschen, der ihn erkauft und bei sich hat, groß Glück zuwegen bringt. Er gibt zu erkennen, wo verborgene Sachen liegen, er verschafft zu jedwederer Handelschaft genugsame Kaufleute und vermehret die Prosperität. Er macht, daß sein Besitzer von seinen Freunden geliebt und von seinen Feinden geförchtet werde. Ein jeder, der ihn hat und sich auf ihn verläßt, den macht er so fest als Stahl und behütet ihn vor Gefängnis. Er gibt Glück Sieg und Überwindung wider die Feinde und bringt zuwegen, daß seinen Besitzer fast alle Welt lieben muß.« In Summa der alte Lauer schnitt mir so einen Haufen daher, daß ich mich glückseliger zu sein dauchte als Fortunatus mit seinem Seckel und Wünschhütel. Weil ich mir aber wohl einbilden können, daß der sogenannte dienende Geist diese Gaben mit umsonst geben würde, so fragte ich den Alten, was ich hingegen dem Ding zu Gefallen tun müsse, denn ich hätte gehöret, daß diejenigen Zauberer, welche andere Leute in Gestalt eines Galgenmännels bestehlen, das sogenannte Galgenmännel mit wöchentlicher gewisser Badordnung und anderer Pfleg verehren müßten. Der Alte antwortet: es dörfte des Dings hier gar nicht; es sei viel ein anders mit einem solchen Männel als mit einem solchen Ding, das ich von ihm gekauft hätte. Ich sagte: Es wird ohne Zweifel mein Diener und Narr nicht umsonst sein wollen; er solle mir nur kecklich und vertraulich offenbaren, ob ichs so gar ohne Gefahr und auch so gar ohne Belohnung haben und solcher seiner ansehnlichen Dienste ohne andere Verbindung und Gegendienste genießen könnte. »Frau Courasche,« antwortet der Alte, »ihr wüßt bereits genug, daß ihrs nämlich um geringern Preis hingeben sollt, wann ihr dessen Diensten müd seid, als ihrs selbsten erkauft habt, welches ich euch gleich damals, als ihr mirs abgehandelt, nicht verhalten habe. Die Ursach zwar, warum, mag die Frau von andern erfahren.« Und damit ging der Alte seines Wegs.

Meine böhmische Mutter war damals mein innerster Rat, mein Beichtvatter, mein Favorit, mein bester Freund und mein Sabud Salomonis; ihr vertrauet ich alles, und also auch was mir mit dem erkauften Marktschatz begegnet wäre. »He,« antwortet sie, »es ist ein Stirpitus flammiliarum, der alles dasjenige leistet, was euch der Verkaufer von ihm erzählet; allein wer ihn hat, bis er stirbt, der muß, wie mir gesagt worden, mit ihm in die ander Welt reisen, welches ohne Zweifel seinem Namen nach die Höll sein wird, allwo es voller Feuer und Flammen sein soll. Und eben deswegen läßt er sich nicht anderst als je länger je wohlfeiler verkaufen, damit ihm endlich der letzte Käufer zuteil werden müsse. Und ihr, liebe Tochter, stehet in großer Gefahr, weil ihr ihn zum allerletzten zu verkaufen habt; denn welcher Narr wird ihn von euch kaufen, wann er ihn nit mehr verkaufen darf, sondern eigentlich weiß, daß er seine Verdammnus von euch erhandelt?«

Ich konnte leichtlich erachten, daß mein Handel schlimm genug bestellt war; doch machte mein leichter Sinn, meine blühende Jugend, die Hoffnung eines langen Lebens und die gemeine Gottlosigkeit der Welt, daß ich alles auf die leichte Achsel nahm. Ich gedachte: du willst dieser Hülfe, dieses Beistands und dieser glückseligen Avantage genießen, so lang du kannst; indessen findest du wohl einen leichtfertigen Gesellen in der Welt, der entweder beim schweren Trunk oder aus Armut Desperation, blinder Hoffnung großen Glückes, oder aus Geiz Unkeuschheit Zorn Neid Rachgier oder etwas dergleichen diesen Gast wieder von dir um die Gebühr annimmt.

Diesem nach gebrauchte ich dessen Hülf in aller Maß und Form, wie es mir beides von dem alten Verkäufer als auch meiner Kostfrauen oder angenommenen böhmischen Mutter beschrieben worden. Ich verspürte auch seine Würkung täglich; denn wo ein Marquetenter ein Faß Wein auszapfte, vertrieb ich deren drei oder vier. Wo ein Gast einmal meinen Trank oder meine Speis kostete, so blieb er das andermal nit aus. Welchen ich ansah und wünschte seiner zu genießen, derselbe war gleich fix und fertig, mir in der alleruntertänigsten Andacht aufzuwarten, ja mich fast wie eine Göttin zu ehren. Kam ich in ein Quartier, da der Hauswirt entflohen, oder daß es sonsten ein Herberg oder verlassene Wohnung war, darin sonst niemand wohnen konnte (maßen man die Marquetenter und Commißmetzger in keinem Palast zu logieren pfleget), so fand ich gleich, wo das Messer steckte, und wußte, weiß nit durch was für ein innerliches Einsprechen, solche Schätze zu finden, die in vielen, vielleicht hundert Jahren keine Sonne beschienen etc. Hingegen kann ich nicht leugnen, daß auch etliche waren, die der Courasche nichts nachfragten, sondern sie viel mehr verachteten, ja verfolgten als ehreten, ohne Zweifel darum, weil sie von einem größeren lumen erleuchtet, als ich von meinem flamine betört gewesen. Solches machte mich zwar witzig und lernete mich durch allerhand Nachdenken philosophiren und betrachten, wie, was und dergleichen. Ich war aber allbereit in der Gewinnsüchtigkeit und allen ihren nachgehenden Lastern dermaßen ertränkt, daß ichs bleiben ließ, wie es war, und nichts zum Fundament zu raumen gedachte, darauf meine Seligkeit bestund, wie auch noch. Dies, Simplice, sage ich dir zum Überfluß, dein Lob zu bekrönen, weil du dich in deiner Lebensbeschreibung gerühmt hast, einer Damen im Saurbrunnen genossen zu haben, die du doch noch nicht einmal kanntest. Indessen wurde mein Geldhaufen je länger je größer, ja so groß, daß ich mich auch bei meinem Vermögen fürchtete. Höre, Simplice, ich muß dich wieder etwas erinnern. Wärest du etwas nutz gewest, als wir mit einander im Saurbrunnen das Verkehren spielten, so wärest du mir weniger ins Netz geraten als diejenigen, die im Schutz Gottes waren, da ich den Spiritum familiarem hatte.


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