Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
1. Buch 3. Kapitel
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

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Das vierte Kapitel

Courasche wird darum eine Ehefrau und Rittmeisterin,
weil sie gleich darauf wieder zu einer Wittib werden mußte,
nachdem sie vorher den Ehestand
eine Weile lediger Weise getrieben hatte.

Also lebte ich nun mit meinem Rittmeister in heimlicher Liebe und versah ihm beides, die Stelle eines Kammerdieners und seines Eheweibs. Ich quälte ihn oft, daß er dermaleins sein Versprechen halten und mich zur Kirchen führen solle; aber er hatte allzeit eine Ausrede, vermittelst deren er die Sach auf die lange Bank schieben konnte. Niemalen konnte ich ihn besser zu Chor treiben, als wenn ich eine gleichsam unsinnige Liebe gegen ihn bezeugte und darneben meine Jungfrauschaft wie des Jephtha Tochter beweinte, welchen Verlust ich doch nicht dreier Heller wert schätzte. Ja ich war froh, daß mir solche als eine schwere unträgliche Last entnommen war, weil mich nunmehr der Fürwitz verlassen. Doch brachte ich mit meiner liebreizenden Importunität so viel zuwegen, daß er mir zu Wien ein toll Kleid machen ließ auf die neue Mode, wie es damalen das adeliche Frauenzimmer in Italia trug, (so daß mir nichts anders manglete als die Copulation, und daß man mich einmal Frau Rittmeisterin nennete) wormit er mir eine große Hoffnung machte und mich willig behielt. Ich dorfte aber drum dasselbig Kleid nicht tragen, noch mich für ein Weibsbild, viel weniger aber für seine Gespons ausgeben. Und was mich zum allermeisten verdrosse, war dies, daß er mich nicht mehr Janco, auch nicht Libuschka, sondern Courasche nannte. Denselben Namen ahmten andere nach, ohne daß sie dessen Ursprung wußten, sondern vermeinten, mein Herr hieße mich dessentwegen also, weil ich mit einer sonderbaren Resolution und unvergleichlichen Courage in die allerärgste Feindsgefahren zu gehen pflegte. Und also mußte ich schlucken, was schwer zu verdauen war.

Darum, o ihr lieben Mägdchen, die ihr noch euer Ehr und Jungfrauschaft unversehrt erhalten habt, seid gewarnet und lasset euch solche so liederlich nicht hinrauben, denn mit derselbigen gehet zugleich euere Freiheit in Duckas und ihr geratet in ein solche Marter und Sclaverei, die schwerer zu erdulden ist als der Tod selbsten. Ich habs erfahren und kann wohl ein Liedlein darvon singen. Der Verlust meines Kränzleins tät mir zwar nicht wehe, dann ich hab niemal kein Schloß darum zu kaufen begehrt; aber dieses ging mir zu Herzen, daß ich mich noch deswegen foppen lassen und noch gute Wort darzu geben mußte, wollte ich nicht in Sorgen leben, daß mein Rittmeister aus der Schul schwatzen und mich aller Welt zu Spott und Schand darstellen möchte.

Auch ihr Kerl, die ihr mit solcher betrüglichen Schnapphahnerei umgehet, sehet euch vor, daß ihr nicht den Lohn euerer Leichtfertigkeit von denen empfahet, die ihr zu billiger Rach beweget, wie man ein Exempel zu Paris hat, allwo ein Cavalier, nachdem er eine Dame betrogen und sich folgends an ein andere verheuraten wollte, wiederum zum Beischlaf gelockt, des Nacht aber ermordet, elend zerstümmelt und zum Fenster hinaus auf die offene Straß geworfen wurde. Ich muß von mir selbst bekennen, wann mich mein Rittmeister nicht mit allerhand herzlichen Liebesbezeugungen unterhalten und mir nicht stetig Hoffnung gemacht hätte, mich noch endlich ohne allen Zweifel zu ehelichen, daß ich ihm einmal unversehens in einer Occasion ein Kugel geschenkt hätte.

Indessen marschierten wir unter des Buquoy Commando in Ungarn und nahmen zum ersten Preßburg ein, allwo wir auch unsere meiste Bagage und besten Sachen hinterlegeten, weil sich mein Rittmeister versah, wir würden mit dem Bethlen Gabor eine Feldschlacht wagen müssen. Von dannen gingen wir nach S. Georgi, Possing, Moder und andere Ort, welche erstlich geplündert und hernach verbrennt wurden. Tyrnau, Altenburg und fast die ganze Insul nahmen wir ein, und vor Neusohl kriegten wir einige Stöße, allwo nicht allein mein Rittmeister tödlich verwundet, sondern auch unser General, der Graf Buquoy, selbsten niedergemacht wurde, welcher Tod dann verursachte, daß wir anfingen zu fliehen, und nicht aufhöreten, bis wir nach Preßburg kamen. Daselbst pflegte ich meinen Rittmeister mit ganzem Fleiß, aber die Wundärzte prophezeiten ihm den gewissen Tod, weil ihm die Lung verwundet war. Derowegen wurde er auch durch gute Leute erinnert und dahin bewegt, daß er sich mit Gott versöhnet; denn unser Regimentscaplan war ein solch eifriger Seelensorger, daß er ihm keine Ruhe ließ, bis er beichtet und communicierte. Nach solchem wurde er durch seinen Beichtvatter und sein eigen Gewissen angespornt und getrieben, daß er mich im Bette mit sich copuliren ließ, welches nicht seinem Leib, sondern seiner Seelen zum besten angesehen war. Und solches ging desto ehender, weil ich ihn überredet, daß ich mich von ihm schwanger befände. So verkehrt nun gehets in der Welt her; andere nehmen Weiber, mit ihnen ehelich zu leben; dieser aber ehelichte mich, weil er wußte, daß er sollte sterben. Aus diesem Verlauf mußten die Leute nun glauben, daß ich ihn nicht als ein getreuer Diener, sondern als seine Mätreß bedient und sein Unglück beweinet hatte. Das Kleid kam mir zu der Hochzeitceremonien wohl zu Paß, welches er mir hiebevor machen lassen; ich dorfte es aber nicht lang tragen, sondern mußte ein schwarzes haben, weil er nach wenig Tagen mich zur Wittib machte. Und damals ging mirs allerdings wie jenem Weib, die bei ihres Manns Begräbnis einem ihrer Befreundten, der ihr Leid beklagte, zur Antwort gab: Was einer zum liebsten hat, führt einem der Teufel zum ersten hin.

Ich ließ ihn seinem Stand gemäß prächtig genug begraben, da er mir nicht allein schöne Pferd Gewehr und Kleider, sondern auch ein schön Stück Geld hinterlassen; und um alle diese Begebenheit ließ ich mir von dem Geistlichen schriftliche Urkund geben, der Hoffnung, dardurch von seiner Eltern Verlassenschaft noch etwas zu erhaschen. Ich konnte aber auf fleißiges Nachforschen nichts anders erfahren, als daß er zwar gut edel von Geburt, aber hingegen so blutarm gewesen, daß er sich elend hätt behelfen müssen, wann ihm die Böhmen keinen Krieg geschickt oder zugericht hätten. Ich verlor aber zu Preßburg nicht allein diesen meinen Liebsten, sondern wurde auch in selbiger Stadt vom Bethlen Gabor belägert. Dieweil aber zehen Compagnien Reuter und zwei Regiment zu Fuß aus Mähren durch ein Strategema die Stadt entsetzet, Bethlen an der Eroberung verzweifelt und die Belägerung aufgehoben, habe ich mich mit einer guten Gelegenheit samt meinen Pferden Dienern und ganzer Bagage nach Wien begeben, um von dannen wiederum in Böhmen zu kommen, zu sehen, ob ich vielleicht meine Kostfrau zu Bragoditz noch lebendig finden und von ihr erkundigen möchte, wer doch meine Eltern gewesen. Ich kützelte mich damals mit keinen geringen Gedanken, was ich nämlich für Ehr und Ansehens haben würde, wann ich wieder nach Haus käme und so viel Pferd und Diener mitbrachte, das ich alles laut meiner Urkund im Krieg redlich und ehrlich gewonnen.


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