Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
1. Buch 3. Kapitel
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

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Das dritte Kapitel

Janco vertauschet
sein edles Jungferkränzlein bei einem resoluten Rittmeister
um den Namen Courasche.

Mein Rittmeister war, wie hieroben gemeldet, ein schöner junger Cavalier, ein guter Reuter, ein guter Fechter, ein guter Tänzer, ein reuterischer Soldat und überaus sehr auf das Jagen verpicht; sonderlich mit Windhunden die Hasen zu hetzen, was sein größter Spaß. Er hatte so viel Bart ums Maul als ich, und wann er Frauenzimmerkleider angehabt hätte, so hätte ihn der Tausendste für eine schöne Jungfrau gehalten. Aber wo komm ich hin? Ich muß meine Histori erzählen. Als Budweis und Bragoditz über, gingen beide Armeen vor Pilsen, welches sich zwar tapfer wehrete, aber hernach auch mit jämmerlichem Würgen und Aufhenken seine Straf empfing. Von dannen ruckten sie auf Rakonitz, allwo es die ersten Stöß im Feld setzte, die ich sah. Und damals wünschte ich ein Mann zu sein, um dem Krieg meine Tage nachzuhängen; denn es ging so lustig her, daß mir das Herz im Leib lachte. Und solche Begierde vermehrte mir die Schlacht auf dem Weißen Berg bei Prag, weil die Unseren einen großen Sieg erhielten und wenig Volk einbüßten. Damals machte mein Rittmeister treffliche Beuten; ich aber ließ mich nicht wie ein Page oder Kämmerling, vielweniger als ein Mägdchen, sondern wie ein Soldat gebrauchen, der an den Feind zu gehen geschworen und darvon seine Besoldung hat.

Nach diesem Treffen marschiert der Herzog von Baiern nach Österreich, der sächsische Churfürst in die Lausnitz, und unser General Buquoy in Mähren, des Kaisers Rebellen wiederum in Gehorsam zu bringen. Und indem sich dieser letztere an seiner bei Rakonitz empfangenen Beschädigung curiren ließ, siehe, da bekam ich mitten in derselbigen Ruhe, so wir seinethalben genossen, eine Wunde in mein Herz, welche mir meines Rittmeisters Liebwürdigkeit hinein druckte; denn ich betrachtete nur diejenigen Qualitäten, die ich oben von ihm erzählet, und achtete gar nicht, daß er weder lesen noch schreiben konnte und im übrigen so ein roher Mensch war, daß ich bei meiner Treu schwören kann, ich hätte ihn niemalen hören oder sehen beten. Und wann ihn gleich der weise König Alphonsus selbst eine schöne Bestia genannt hätte, so wäre mein Liebesfeur, das ich hegte, doch nicht darvon verloschen, welches ich aber heimlich zu halten gedachte, weil mirs meine wenig übrighabende jungfräuliche Schamhaftigkeit also riet. Es geschahe aber mit solcher Ungeduld, daß ich, unangesehen meiner Jugend, die noch keines Manns wert war, mir oft wünschte, derjenigen Stelle zu vertreten, die ich und andere Leute ihm zu Zeiten zukuppelten. So hemmte anfänglich auch nicht wenig den ungestümen und gefährlichen Ausbruch meiner Liebe, daß mein Liebster von einem edlen und namhaften Geschlecht geboren war, von dem ich mir einbilden mußte, daß er keine, die ihre Eltern nicht kennete, ehelichen würde; und seine Mätresse zu sein, konnte ich mich nicht entschließen, weil ich täglich bei der Armee so viel Huren sah preismachen.

Ob nun gleich dieser Krieg und Streit, den ich mit mir selber führte, mich greulich quälte, so war ich doch geil und ausgelassen darbei, ja von einer solchen Natur, daß mir weder mein innerliches Anliegen noch die äußerliche Arbeit und Kriegsunruhe etwas zu schaffen gab. Ich hatte zwar nichts zu tun, als einzig meinem Rittmeister aufzuwarten; aber solches lernete mich die Liebe mit solchem Fleiß und Eifer verrichten, daß mein Herr tausend Eid für einen geschworen hätte, es lebte kein treuerer Diener auf dem Erdboden. In allen Occasionen, sie wären auch so scharf gewesen, als sie immer wollten, kam ich ihme niemalen vom Rucken oder der Seiten, wiewohl ichs gar nicht zu tun schuldig war; und überdas war ich allzeit willig, wo ich nur etwas zu tun wußte, das ihm gefiel. So hätte er auch gar wohl aus meinem Angesicht lesen können, wann ihn nur meine Kleider nicht betrogen, daß ich ihn weit mit einer anderen als eines gemeinen Dieners Andacht geehrt und angebetet. Indessen wuchs mir mein Busen je länger und größer, und druckte mich der Schuh je länger je heftiger, dergestalt, daß ich weder von außen meine Brüste noch den innerlichen Brand im Herzen länger zu verbergen getraute.

Als wir Iglau bestürmet, Trebitz bezwungen, Znaim zum Accord gebracht, Brünn und Olmütz unter das Joch geworfen und meistenteils alle anderen Städte zum Gehorsam getrieben, seind mir gute Beuten zugestanden, welche mir mein Rittmeister meiner getreuen Dienste wegen alle schenkte, wormit ich mich trefflich montirte und selbst zum allerbesten beritten machte, meinen eignen Beutel spickte und zu Zeiten bei den Marquetentern mit den Kerln ein Maß Wein trank.

Einsmals machte ich mich mit etlichen lustig, die mir aus Neid empfindliche Worte gaben, und sonderlich war ein Feindseliger darunter, der die böhmische Nation gar zu sehr schmähete und verachtete. Der Narr hielt mir vor, daß die Böhmen einen faulen Hund voller Maden für einen stinkenden Käs gefressen hätten, und foppte mich allerdings, als wann ich persönlich darbei gewesen wäre. Derowegen kamen wir beiderseits zu Scheltworten, von den Worten zu Nasenstübern, und von den Stößen zum Rupfen und Ringen, unter welcher Arbeit mir mein Gegenteil mit der Hand in Schlitz wischte, mich bei demjenigen Geschirr zu ertappen, das ich doch nicht hatte; welcher zwar vergebliche, doch mörderische Griff mich viel mehr verdrossen als wann er nicht leer abgegangen wäre. Und eben darum wurde ich desto verbitterter, ja gleichsam halber unsinnig, also daß ich all meine Stärk und Geschwindigkeit zusammengebot und mich mit Kratzen Beißen Schlagen und Treten dergestalt wehrete, daß ich meinen Feind hinunter brachte und ihn im Angesicht also zurichtete, daß er mehr einer Teufelslarven als einem Menschen gleich sah. Ich hätte ihn auch gar erwürgt, wann mich die andere Gesellschaft nicht von ihm gerissen und Fried gemacht hätte. Ich kam mit einem blauen Aug darvon und konnte mir wohl einbilden, daß der schlimme Kunde gewahr worden, wes Geschlechts ich gewesen; und ich glaub auch, daß ers offenbart hätte, wann er nicht gefürchtet, daß er entweder mehr Stöße bekommen oder zu denen, die er allbereit empfangen, ausgelacht worden wäre, um daß er sich von einem Mägdchen schlagen lassen. Und weil ich sorgte, er möchte noch endlich schnellen, siehe, so drehete ich mich aus.

Mein Rittmeister war nicht zu Haus, als ich in unser Quartier kam, sondern bei einer Gesellschaft anderer Officier, mit denen er sich lustig machte, allwo er auch erfuhr, was ich for eine Schlacht gehalten, ehe ich zu ihm kam. Er liebte mich als ein resolutes junges Bürschel, und eben darum war mein Filz desto geringer; doch unterließ er nicht, mir dessentwegen einen Verweis zu geben.

Als aber die Predigt am allerbesten war und er mich fragte, warum ich meinen Gegenteil so gar abscheulich zugerichtet hätte, antwortete ich: »Darum, daß er mir nach der Courasche gegriffen hat, wohin sonst noch keines Mannsmenschen Händen kommen sein.«

Denn ich wollte es verzwicken und nicht so grob nennen wie die Schwaben ihre zusammengelegten Messer, welche man, wann ich Meister wäre, auch nicht mehr so unhöflich, sondern unzüchtige Messer heißen müßte. Und weil meine Jungfrauschaft ohnedas sich in letzten Zügen befand, zumalen ich wagen mußte, mein Gegenteil würde mich doch verraten, siehe, so entblößte ich meinen schneeweißen Busen und zeigte dem Rittmeister meine anziehenden harten Brüste.

»Sehet, Herr,« sagte ich, »hie sehet ihr ein Jungfrau, welche sich zu Bragoditz verkleidet hat, ihre Ehr vor den Soldaten zu erretten; und demnach Gott und das Glück sie in eure Hände verfügt, so bittet sie und hofft, ihr werdet sie auch als ein ehrlicher Cavalier bei solcher ihrer hergebrachten Ehr beschützen.«

Und als ich solches vorgebracht hatte, fing ich so erbärmlich an zu weinen, daß einer drauf gestorben wäre, es sei mein gründlicher Ernst gewesen.

Der Rittmeister erstaunete zwar vor Verwunderung und mußte doch lachen, daß ich mit einem neuen Namen viel Farben beschrieben hatte, die mein Schild und Helm führte. Er tröstete mich gar freundlich und versprach mit gelehrten Worten, meine Ehre wie sein eigen Leben zu beschützen; mit den Werken aber bezeugte er alsobalden, daß er der erste wäre, der meinem Kränzlein nachstellte, und sein unzüchtig Gegrabel gefiel mir auch viel besser als sein ehrlichs Versprechen. Doch wehrete ich mich ritterlich, nicht zwar ihm zu entgehen oder seinen Begierden zu entrinnen, sondern ihn recht zu hetzen und noch begieriger zu machen, allermaßen mir der Poß so artlich anging, daß ich nichts geschehen ließ, bis er mir zuvor bei Teufelholen versprach, mich zu ehelichen, unangesehen ich mir wohl einbilden konnte, er würde solches so wenig im Sinn haben zu halten, als den Hals abzufallen.

Und nun schaue, du guter Simplex, du dörftest dir hiebevor im Sauerbrunnen vielleicht eingebildet haben, du seiest der erste gewesen, der den süßen Milchrahm abgehoben! Ach nein, du Tropf, du bist betrogen; er war hin, ehe du vielleicht bist geboren worden, darum dir dann billich, weil du zu spat aufgestanden, nur der Ziger gebührt und vorbehalten worden. Aber dies ist nur Puppenwerk gegen dem zu rechnen, wie ich dich sonst angeseilt und betrogen habe, welches du an seinem Ort auch gar ordentlich von mir vernehmen sollt.


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