Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
1. Buch 3. Kapitel
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

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Das neunzehnte Kapitel

Was Springinsfeld für einen Lehrmeister gehabt,
bis er zu seiner Perfektion kommen.

Und noch ein anders mußt du auch wissen, Simplice. Nicht nur ich ging den obenerzählten Weg; sondern auch mein Springinsfeld, den du allerdings für deinen besten Cameraden und für einen braven Kerl in deiner Lebensbeschreibung gerühmt hast, mußte mir auch folgen. Und was wollts gehindert haben oder für ein großes Meerwunder gewesen sein, sintemal andere meinesgleichen lose Weiber ihre liederlichen Männer (wann ich anders Männer sagen darf, ich hätte aber schier fromme Männer gesagt) eben zu dergleichen losen Stücken vermögen, ich will nicht sagen, zwingen, ob sie gleich bei ihrer Vermählung keinen solchen Accord eingegangen, wie Springinsfeld getan? Höre die Histori!

Als wir vor dem berühmten Casal lagen, fuhren ich und Springinsfeld in eine benachbarte Grenzstadt, die neutral war, Victualia einzukaufen und in unser Läger zu bringen. Gleichwie nun aber ich in dergleichen Fällen nicht allein ausging, als ein Nachkömmling der hierosolymitanischen Bürger zu schachern, sondern auch, als ein cyprianische Jungfrau meinen Gewinn zu suchen, also hatte ich mich auch wie eine Jesebel herausgeputzt, und galt mir gleich, ob ich einen Ahab oder Jehu verführen möchte. Zu solchem Ende ging ich in eine Kirche, weil ich mir sagen lassen, die meisten Buhlschaften würden in Italia an solchen heiligen Örtern gestiftet und zu Faden geschlagen, aus Ursach, daß man daselbsten die schönen Weiber, so liebenswürdig zu sein scheinen, sonst nirgends hinkommen lasse. Ich kam neben eine junge Dame zu stehen, mit deren Schönheit und Schmuck ich sogleich eiferte, weil mich derjenige nicht ansah, der ihr so manchen liebreichen Blick schenkte. Ich gestehe es, daß mich im Herzen verdroß, daß sie mir vorgezogen und ich von einem Leimstängler gegen ihr, wie ich mir einbildete, verachtet werden sollte. Solcher Verdruß und daß ich mich zugleich auf eine Rache bedacht', war meine größte Andacht unter dem ganzen Gottesdienst. Ehe nun solcher gar geendigt war, stellte sich mein Springinsfeld auch ein; ich weiß aber darum nit warum, kann auch schwerlich glauben, daß ihn die Gottesfurcht dahin getrieben, denn ich hatte ihn nicht darzu gewöhnet; so wars ihm auch weder angeborn noch aus Lesung der heiligen Schriften oder Hörung der Predigten eingepflanzt. Nichtsdestoweniger stellte er sich neben mich und kriegte den Befehl von mir in ein Ohr, daß er Achtung geben solle, wo gemeldte Dame ihre Wohnung hätte, damit ich des überaus schönen Smaragds, den sie am Hals hatte, habhaft werden möchte.

Er tät seinem schuldigen Gehorsam gemäß wie ein treuer Diener und hinterbrachte mir, daß sie die vornehme Frau eines reichen Herrn wäre, der sein Palatium an dem Markt stehen hätte; ich hingegen sagte ihm ausdrücklich, daß er fürderhin weder meiner Huld länger genießen noch meinen Leib einigmal mehr berühren solle, es wäre denn Sach, daß er mir zuvor ihren Smaragd einhändigte, worzu ich ihm aber sichere Anschläg Mittel und Gelegenheit an die Hand geben wolle. Er kratzte sich zwar hinter den Ohren und entsetzte sich vor meinem Zumuten als wie vor einer unmöglichen Sach; aber da es lang herum ging, erklärt er sich, meinetwegen in Tod zu gehen.

Solchergestalt, Simplice, habe ich deinen Springinsfeld gleichsam wie einen jungen Wachtelhund abgerichtet. Er hatte auch die Art darzu, und vielleicht besser als du, wäre aber nimmermehr von sich selbsten zu einem solchen Ausbund worden, wenn ich ihn nicht in meiner Schul gehabt hätte.

Eben damals mußte ich mir wieder einen neuen Stiel in meinen Fausthammer machen lassen, welchen ich für ein Gewehr und einen Schlüssel brauchte, der Bauren Trög oder Kästen zu öffnen, wo ich zukommen konnte. Ich ließ denselben Stiel inwendig hohl drehen in gemessener Weite, daß ich entweder Ducaten oder eine Scheidmünz in selbiger Größe hinein packen möchte; denn weil ich selbigen Hammer jederzeit bei mir zu haben pflegte, indem ich weder ein Degen dorfte, oder ein Paar Pistolen mehr führen wollte, so gedachte ich ihn inwendig mit Ducaten zu spicken, die ich auf alle Glücks- oder Unglücksfäll, deren es unterschiedliche im Krieg abgibt, bei der Hand hätte. Da er fertig, probierte ich seine Weite mit etlichen Lutzern, die ich zu mir genommen, solche um ander Geld zu veralieniren. Die Hohle meines Stabs hatte eben die Weite ihres Bezirks, doch also eng und beschnitten, daß ich sie, die Lutzer, um etwas hinein nötigen mußte, doch bei weitem nicht so stark, als wann man eine halbe Kartaunen laden tut. Ich konnte aber den Stiel nicht damit ausfüllen, weil ihrer zu wenig waren; dahero kams gar artlich, daß wann die Lutzer gegen dem Hammer lagen und ich das Eisen in der Hand hatte, mich des Stiels anstatt eines Steckens zu gebrauchen, daß zuweilen, wann ich mich darauf steuerte, etlich Lutzer herunter gegen der Handhaben klunkerten und ein düsteres Geklingel machten, welches seltsam und verwunderlich genug lautete, weil niemand wußte, woher das Getön rührete. Was darfs vieler weitläufigen Beschreibung? Ich gab meinem Springinsfeld den Fausthammer mit einer richtigen Instruction, welchergestalt er mir den Smaragd damit erhandeln solle.

Darauf verkleidete sich mein Springinsfeld, setzt eine Parücke auf, wickelt sich in einen entlehnten schwarzen Mantel und tät zween ganzer Tag nichts anders, als daß er gegen der Damen Palatio hinüber stund und das Haus vom Fundament an bis übers Dach hinaus beschauete, gleichsam als ob ers hätte kaufen wollen. So hatte ich auch einen Tambour im Taglohn bestellt, welcher ein solcher Erzessig war, mit dem man andere Essig hätte sauer machen können, der dorfte auch sonst im geringsten nichts tun, als auf dem Platz herum vagiren und auf meinen Springinsfeld Achtung geben, wann er etwan seiner notwendig bedörfte, denn der Vogel redete so gut italienisch als teutsch, welches aber jener nicht konnte. Ich selbsten aber hatte ein Wasser (hier ohnnötig zu nennen) durch einen Alchimisten zuwegen gebracht, das in wenig Stunden alle Metalle durchfrißt und mürb macht oder wohl gar auch zu Wasser resolvirt; mit demselben bestrich ich ein stark Gegitter vor einem Kellerloch.

Als nun den dritten Tag Springinsfeld noch nicht abließ, das Haus anzugaffen wie die Katz ein neu Scheuertor, siehe, da schickte angeregte Dame hin und ließ fragen um die Ursach seines continuirlichen Dastehens, und was er an ihrem Haus auszukundschaften hätte. Springinsfeld hingegen ließ bemeldten Tambour kommen und dolmetschen, daß ein solcher Schatz im Hause verborgen läge, den er nicht allein zu erheben, sondern auch eine ganze Stadt damit reich zu machen getrauete. Hierauf ließ die Dame beide den Springinsfeld und den Tambour zu sich ins Haus kommen, und nachdem sie wieder von dem verborgenen Schatz Springinsfelds Lügen angehört und große Begierden geschöpft, solchen zu holen, fragte sie den Tambour, was dieser für einer wäre, ob er ein Soldat sei, und dergleichen. »Nein,« antwortet der Tausendschelm, »er ist ein halber Schwarzkünstler, wie man sagt, und hält sich nur zu dem Ende bei der Armee auf, damit er verborgne Sachen finde, hat auch, wie ich gehöret, in Deutschland auf alten Schlössern ganze eiserne Trög und Kästen voll Gold gefunden und zuwegen gebracht.« Im übrigen aber sei er, Springinsfeld, ihme, Tambour, gar nicht bekannt.

In Summa nach langem Discurs wurde die Glock gegossen, und beschlossen, daß Springinsfeld den Schatz suchen solle. Er begehrte zwei geweihte Wachslichter, er selbst aber zündete das dritte an, welches er bei sich hatte und vermittelst eines messingenen Drahts, der durch die Kerze ging, auslöschen konnte, wann er wollte. Mit diesen dreien Lichtern gingen die Dame, zween ihrer Diener, Springinsfeld und der Tambour im Haus herum zu leuchten, weil eben der Herr nicht zu Haus war, denn Springinsfeld hatte sie überredet, wo der Schatz läge, da würde seine Kerze von sich selbst ausgehen. Da sie nun viel Winkel also processionsweis durchstrichen und Springinsfeld an allen Orten, da sie hingeleuchtet, wunderbarliche Wörter gebrummelt, kamen sie endlich in den Keller, allwo ich das eiserne Gegitter mit meinem A. R. befeuchtet hatte. Da stund Springinsfeld vor einer Mauer, und indem er seine gewöhnliche Ceremonien machte, zuckte er sein Licht aus.

»Da, da,« ließ er durch den Tambour sagen, »liegt der Schatz eingemauret.«

Brummelte darauf noch etliche närrische Wörter und schlug etlichmal mit meinem Fausthammer an die Mauer, davon die Lutzer nach und nach, so manchen Streich er an die Mauer tät, herunter rollten und ihr gewöhnliches Getön machten.

»Höret ihr?« sagte er darauf, »der Schatz hat aber mal verblühet, welches alle sieben Jahr einmal geschiehet. Er ist zeitig und muß ausgenommen werden, dieweil die Sonne noch im Igel gehet, sonst wirds künftig vor Verfließung anderer sieben Jahr umsonst sein.«

Weil nun die Dame und ihre beiden Diener tausend Eid geschworen hätten, das Geklingel wäre in der Mauer gewesen, stellten sie meinem Springinsfeld völligen Glauben zu; und die Dame begehrte an ihn, er wolle um die Gebühr den Schatz erheben, wollte auch gleich um ein Gewisses mit ihm accordirn. Als er sich aber hören ließ, er pflege in dergleichen Fällen nichts zu heischen noch zu nehmen, als was man ihm mit gutem Willen gebe, ließ es die Dame auch dabei bewenden mit Versicherung, daß sie ihn dergestalt contentirn wolle, daß er damit zufrieden sein würde.

Demnach begehrte er siebenzehn erlesene Körner Weihrauch, vier geweihte Wachskerzen, acht Ellen vom besten Scharlach, einen Diamant, einen Smaragd, einen Rubin und einen Saphir, welche Kleinodien ein Weibsbild in ihrem jungfräulichen und fraulichen Stand am Halse getragen hätte; zweitens solle er alleinig in den Keller geschlossen oder versperrt, und von der Damen selbst der Schlüssel zur Hand genommen werden, damit sie sowohl um ihre Edelgestein und den Scharlach versichert sein, als auch er unverhindert und ohnbeschrien verbleiben möchte, bis er den Schatz glücklich zur Hand gebracht. Hierauf gab man ihm und dem Tambour eine Collation und ihme, Tambour, wegen seines Dolmetschens ein Trinkgeld. Indessen wurden die begehrten Zugehörungen herbeigeschafft, nach solchen Springinsfeld in Keller verschlossen, woraus einem Kerl unmöglich schien, zu entrinnen, denn das Fenster oder Tagelicht, so auf die Gasse oder den Platz ging, war hoch und noch darzu mit gedachtem eisernen Gegitter wohl verwahret. Der Dolmetsch aber ward fortgelassen, welcher gleich zu mir kam und allen Verlauf berichtete.

Weder ich noch Springinsfeld verschliefen die rechte Zeit, darin die Leute am härtesten zu schlafen pflegen, sondern nachdem ich das Gegitter so leicht als einen Rübschnitz hinweg gebrochen, ließ ich ein Seil hinunter zu meinem Springinsfeld in Keller und zog ihn daran samt aller Zugehör zu mir herauf, da ich dann auch den verlangten schönen Smaragd fand.

Die Beut erfreuete mich bei weitem nicht so sehr als das Schelmstück, welches mir so wohl abgangen war. Der Tambour hatte sich bereits den Abend zuvor schon aus der Stadt gemacht, mein Springinsfeld aber spazierte den Tag nach vollbrachter Schatzerhebung mit andern in der Stadt herum, die sich über den listigen Dieb verwunderten, eben als man unter den Toren Anstalt machte, solchen zu erhaschen.

Und nun siehe, Simplice, solchergestalt ist deines Springinsfeld Dexterität durch mich zuwegen gebracht und ausgeübet worden. Ich erzähle dir auch dieses nur zum Exempel; denn wann ich dir alle Buben- und Schelmenstück sagen sollte, die er mir zu Gefallen werkstellig hat machen müssen, so dorfte ich wetten, es würde mir und dir, wiewohl es lustige Schosen seind, die Zeit zu lang werden; ja wann man alles beschreiben sollte, wie du deine Narrenpossen beschrieben hast, so würde es ein größer und lustiger Buch abgeben als deine ganze Lebensbeschreibung. Doch will ich dich noch ein kleines lassen hören.


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