Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
1. Buch 3. Kapitel
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

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Das siebente Kapitel

Courasche schreitet zur dritten Ehe
und wird aus einer Hauptmännin eine Leutenantin,
triffts aber nicht so wohl als vorhero,
schlägt sich mit ihrem Leutenant um die Hosen mit Prügeln
und gewinnet solche durch ihre tapfere Resolution
und Courage; darauf sich ihr Mann unsichtbar macht
und sie sitzen läßt.

Mein Mann war kaum kalt und begraben, da hatte ich schon wiederum ein ganz Dutzend Freier und die Wahl darunter, welchen aus ihnen ich nehmen wollte; denn ich war nicht allein schön und jung, sondern hatte auch schöne Pferd und ziemlich viel alt Geld, und ob ich mich gleich vernehmen ließ, daß ich meinem Hauptmann selig zu Ehren noch ein halb Jahr trauren wolle, so konnte ich jedoch die importunen Hummeln, die um mich wie um einen fetten Honighafen, der keinen Deckel hat, herum schwärmten, nicht abtreiben. Der Obriste versprach mir bei dem Regiment Unterhalt und Quartier, bis ich meine Gelegenheit anders anstellte; hingegen ließ ich zween von meinen Knechten Herrendienste versehen, und wann es Gelegenheit gab, bei der ich für meine Person vom Feind etwas zu erschnappen getraute, so sparte ich meine Haut so wenig als ein Soldat, allermaßen ich in dem anmutigen und fast lustigen Treffen bei Wimpfen einen Leutenant und im Nachhauen unweit Heilbronn einen Cornet samt seiner Standart gefangen bekommen. Meine beiden Knechte aber haben bei Plünderung der Wägen ziemliche Beuten an barem Geld gemacht, welche sie unserem Accord gemäß mit mir teilen mußten. Nach dieser Schlacht bekam ich mehr Liebhaber als zuvor, und demnach ich bei meinem vorigen Mann mehr gute Täge als gute Nächte gehabt, zumalen wider meinen Willen seit seinem Tod gefastet, siehe, so gedachte ich, durch meine Wahl alle solche Versäumnus wieder einzubringen, und versprach mich einem Leutenant, der meinem Bedunken nach alle seine Mitbuhler an Schönheit, Jugend, Verstand und Tapferkeit übertraf. Dieser war von Geburt ein Italianer und zwar schwarz von Haaren, aber weiß von Haut und in meinen Augen so schön, daß ihn kein Maler hätte schöner malen können. Er bewies gegen mich fast eine Hundsdemut, bis er mich erlöffelt, und da er das Jawort hinweg hatte, stellte er sich so freudenvoll, als wann Gott die ganze Welt beraubt und ihn allein beseligt hätte. Wir wurden in der Pfalz copuliert und hatten die Ehre, daß der Obriste selbst neben den meisten hohen Officieren des Regiments bei der Hochzeit erschienen, die uns alle vorgeblich viel Glück in eine langwürige Ehe wünschten.

Dann nachdem wir nach der ersten Nacht bei Aufgang der Sonnen beisammen lagen, zu faulenzen, und uns mit allerhand liebreichem und freundlichem Gespräch unterhielten, ich auch eben aufzustehen vermeinte, da rufte mein Leutenant seinen Jungen zu sich vors Bette und befahl ihm, daß er zween starke Prügel herbei bringen solle. Er war gehorsam, und ich bildete mir ein, der arme Schelm würde dieselben am allerersten versuchen müssen, unterließ derowegen nicht, for den Jungen zu bitten, bis er beide Prügel brachte und auf empfangenen Befelch auf den Tisch zum Nachtzeug legte. Als nun der Jung wieder hinweg war, sagte mein Hochzeiter zu mir: »Ja, Liebste, ihr wißt, daß jedermann davor gehalten und geglaubt hat, ihr hättet bei euers vorigen Manns Lebzeiten die Hosen getragen, welches ihm dann bei ehrlichen Gesellschaften zu nicht geringer Beschimpfung nachgeredet worden ist. Weil ich denn nicht unbillig zu besorgen habe, ihr möchtet in solcher Gewohnheit verharren und auch die meinigen tragen wollen, welches mir aber zu leiden unmöglich oder doch sonst schwer fallen würde, sehet, so liegen sie dorten auf dem Tische und jene zween Prügel zu dem Ende darbei, damit wir beide uns zuvor darum schlagen können, wann ihr sie etwan wie vor diesem euch zuschreiben und behaupten wollt; sintemal mein Schatz selbst erachten kann, daß es besser getan ist, sie fallen gleich jetzt im Anfang dem einen oder andern Teil zu, als wann wir hernach in stehender Ehe täglich darum kriegen.« Ich antwortete: »Mein Liebster!« – und damit gab ich ihm gar einen herzlichen Kuß – »ich hätte vermeint gehabt, die Schlacht, so wir einander für diesmal zu liefern, sei allbereit gehalten. So hab ich auch niemalen in Sinn genommen, euere Hosen zu prätendirn; sondern, gleichwie ich wohl weiß, daß das Weib nicht aus des Manns Haupt, aber wohl aus seiner Seiten genommen worden, also habe ich gehofft, meinem Herzliebsten werde solches auch bekannt sein, und er werde derowegen sich meines Herkommens erinnern und mich nicht, als wann ich von seinen Fußsohlen genommen worden wäre, für sein Fußtuch, sondern für sein Ehegemahl halten, vornehmlich, wann ich mich auch nicht unterstünde, ihm auf den Kopf zu sitzen, sondern mich an seiner Seiten behülfe, mit demütiger Bitte, er wolle diese abenteuerliche Fechtschul einstellen.«

»Ha, ha,« sagte er, »das sein die rechte Weibergriffe, die Herrschaft zu sich zu reißen, ehe mans gewahr wird. Aber es muß zuvor darum gefochten sein, damit ich wisse, wer dem anderen künftig zu gehorsamen schuldig ist.« Und damit warf er sich aus meinen Armen wie ein Narr. Ich aber sprang aus dem Bette und legte mein Hemd und Schlafhosen an, erwischte den kürzsten, aber doch den stärksten Prügel und sagte: »Weil ihr mir je zu fechten befehlet und dem obsiegenden Teil die Oberherrlichkeit, an die ich doch keinen Anspruch zu haben begehrt, über den Überwundenen zusprecht, so wäre ich wohl närrisch, wann ich eine Gelegenheit aus Händen ließe, etwas zu erhalten, daran ich sonst nicht gedenken dörfte.«

Er hingegen war auch nicht faul; denn nachdem ich also seiner wartete und er sein Hosen auch angelegt, ertappte er den andern Prügel und gedachte mich beim Kopf zu fassen, um mir alsdann den Buckel fein mit guter Muße abzuraumen. Aber ich war ihm viel zu geschwind, denn ehe er sichs versahe, hatte er eins am Kopf, davon er hinaus dürmelte wie ein Ochs, dem ein Streich worden. Ich raffte die zween Stecken zusammen, sie zur Tür hinaus zu werfen, und da ich solche öffnete, stunden etliche Officier darvor, die unserem Handel zugehöret und zum Teil durch einen Spalt zugesehen hatten. Diese ließ ich lachen, so lang sie mochten, schlug die Tür vor ihnen wieder zu, warf meinen Rock um mich und brachte meinen Tropf, meinen Hochzeiter wollte ich sagen, mit Wasser aus einem Lavor wieder zu sich selbst. Und da ich ihn zum Tische gesetzt und mich ein wenig angekleidet hatte, ließ ich die Officier vor der Tür auch zu uns ins Zimmer kommen. Wie wir einander allerseits angesehen, mag jeder bei sich selbst erachten. Ich merkte wohl, daß mein Hochzeiter diese Officier veranlaßt, daß sie sich um diese Zeit vorm Zimmer einstellen und seiner Torheit Zeugen sein sollten; denn als sie den Hegel gefoppet, er würde mir die Hosen lassen müssen, hatte er sich gegen ihnen gerühmet, daß er einen sonderbaren Vorteil wisse, welchen er den ersten Morgen ins Werk setzen und mich dadurch so geschmeidig machen wolle, daß ich zittern würde, wann er mich nur schel ansehe. Aber der gute Mensch hätte es gegen einer anderen als der Courasche probirn mögen; gegen mir hat er so viel ausgerichtet, daß er jedermanns Gespött worden, und ich hätte nicht mit ihm gehauset, wann mirs nicht von Höheren befohlen und auferlegt worden wäre. Wie wir aber miteinander gelebet, kann sich jeder leicht einbilden, nämlich wie Hund und Katzen. Als er sich nun anderer Gestalt an mir nicht revanchirn und auch das Gespött der Leute nicht mehr gedulden konnte, rappelte er einsmals alle meine Barschaft zusammen und ging mit den drei besten Pferden und einem Knecht zum Gegenteil.


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