Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
1. Buch 3. Kapitel
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

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Das zwölfte Kapitel

Der Courasche
wird ihr treffliche Courage auch trefflich eingetränkt.

Als nun die Unserigen das Schloß aus Forcht, es möchte einfallen und uns alle bedecken, dem König übergaben und herauszogen, ich auch also ganz betrübt und weinend mit marschierte, sah mich zu allem Unglück derjenige Major, den ich hiebevor von den Braunschweigischen bei dem Mainstrom gefangen bekommen. Er erkundiget alsobalden die Gewißheit meiner Person von den Unserigen, und als er auch meinen damaligen Stand erfuhr, daß ich nämlich allererst zu einer Wittib worden wäre, da nahme er die Gelegenheit in Acht und zwackte mich ohnversehens von den Truppen hinweg.

»Du Bluthex,« sagte er, »jetzt will ich dir den Spott wieder vergelten, den du mir vor Jahren bei Höchst bewiesen hast, und dich lehren, daß du hinfort weder Wehr noch Waffen mehr führen, noch dich weiters unterstehen sollest, einen Cavalier gefangen zu nehmen!«

Er sah so gräßlich aus, daß ich mich auch nur vor seinem Anblick entsetzte. Wäre ich aber auf meinem Rappen gesessen und hätte ihn allein vor mir im Feld gehabt, so hätte ich getraut, ihn eine andere Sprache reden zu lernen. Indessen führte er mich mitten unter eine Truppe Reuter und gab mich dem Fahnenjunker in Verwahrung, welcher alles, was ich mit dem Obristleutenant (denn er hatte seither diese Stell bekommen) zu tun hatte, von mir erkundigte. Der erzählte mir hingegen, daß er damals, als ich ihn gefangen bekommen, schier den Kopf oder wenigst beinahe seine Majorstell verloren hätte, um daß er sich von einem Weibsbild vor der Brigade hinweg fangen lassen und dardurch der Truppe eine Unordnung und gänzliche Zertrennung verursacht, wofern er sich nicht damit ausgeredet, daß ihn diejenige, so ihn hinweg genommen, durch Zauberei verblendet; zuletzt hätte er doch aus Scham resignirt und dänische Dienst angenommen.

Die folgende Nacht logirten wir in einem Quartier, darin wenig zum besten war, allwo mich der Obristleutenant zwang, zu Revanche seiner Schmach, wie ers nennete, seine viehischen Begierden zu vollbringen, worbei doch (pfui der schändlichen Torheit) weder Lust noch Freud sein konnte, indem er mir anstatt der Küß, ob ich mich gleich nit sonderlich sperret, nur dichte Ohrfeigen gab. Den andern Tag rissen sie unversehens aus wie die flüchtigen Hasen, hinter denen die Windhund herstreichen, also daß ich mir nichts anders einbilden konnte, als daß sie der Tilly jagte, wiewohl sie nur flohen aus Forcht gejagt zu werden. Die zweite Nacht fanden sie Quartier, da der Bauer den Tisch deckte. Da lud mein tapferer Held Officiere seines Gelichters zu Gast, die sich durch mich mit ihm verschwägern mußten, also daß meine sonst ohnersättlichen fleischlichen Begierden dermalen genugsam contentirt wurden.

Die dritte Nacht, als sie den ganzen Tag abermal geloffen waren, als wann der Teufel selbst sie gejagt, ging es mir gar nit besser, sondern viel ärger; denn nachdem ich dieselbe kümmerlich überstanden und alle diese Hengste sich müd gerammelt hatten (pfui, ich schämte michs beinahe zu sagen, wann ichs dir, Simplicissime, nit zu Ehren und Gefallen täte), mußte ich vor der Herren Angesicht mich auch von den Knechten treffen lassen. Ich hatte bisher alles mit Geduld gelitten und gedacht, ich hätte es hiebevor verschuldet; aber da es hierzu kam, war mirs ein abscheulicher Greuel, also daß ich anfing zu lamentiren, zu schmälen und Gott um Hülf und Rach anzurufen. Aber ich fand keine Barmherzigkeit bei diesen viehischen Unmenschen, welche, aller Scham und christlichen Ehrbarkeit vergessen, mich zuerst nackend auszogen, wie ich auf diese Welt kommen, und ein paar Handvoll Erbsen auf die Erden schütteten, die ich auflesen mußte, worzu sie mich dann mit Spießruten nötigten. Ja sie würzten mich mit Salz und Pfeffer, daß ich gumpen und plützen mußte wie ein Esel, dem man eine Handvoll Dorn oder Nesseln unter den Schweif gebunden; und ich glaube, wann es nicht Winterszeit gewesen wäre, daß sie mich auch mit Brennesseln gegeißelt hätten.

Hierauf hielten sie Rat, ob sie mich den Jungen preis geben, oder mir als einer Zauberin den Proceß durch den Henker machen lassen wollten. Das letzte, bedunkte sie, gereiche ihnen allen zu schlechter Ehr, weil sie sich meines Leibs teilhaftig gemacht. Zudem sagten die Verständigsten (wann anders diese Bestien auch noch ein Fünklein des menschlichen Verstands gehabt haben), wenn man ein solche Procedur mit mir hätte vornehmen wollen, so sollte mich der Oberstleutenant gleich anfangs unberührt gelassen und in die Hände der Justitz geliefert haben. Also kam das Urteil heraus, daß man mich den Nachmittag (dann sie lagen denselben Tag in ihrer Sicherheit still) den Reuterjungens preisgeben solle. Als sie sich nun des elenden Spectaculs des Erbsenauflesens satt gesehen, dorfte ich meine Kleider wieder anziehen, und da ich allerdings damit fertig, begehrte ein Cavalier mit dem Obristleutenant zu sprechen, und das war eben derjenige Rittmeister, den ich vor Lutter gefangen bekommen; der hatte von meiner Gefangenschaft gehört. Als dieser den Obristleutenant nach mich fragte und zugleich sagte, er verlange mich zu sehen, weil ich ihn vor Lutter gefangen, führete ihn der Obristleutenant gleich bei der Hand in das Zimmer und sagte: »Da sitzt die Carania; ich will sie jetzt strack den Jungen preisgeben.« Dann er vermeinte nicht anders, als der Rittmeister würde sowohl als er grausame Rach an mir üben wollen. Aber der ehrliche Cavalier war ganz anders gesinnet. Er sah mich kaum so kläglich dort sitzen, als er anfing mit einem Seufzen den Kopf zu schütteln. Ich merkte gleich sein Mitleiden, fiel derowegen auf die Knie nieder und bat ihn um aller seiner adeligen Tugenden willen, daß er sich über mich elende Dame erbarmen und mich vor mehrer Schand beschirmen wolle. Er hub mich bei der Hand auf und sagte zu dem Oberstenleutenant und seinen Cameraden: »Ach, ihr rechtschaffenen Brüder, was habt ihr mit dieser Damen angefangen?«

Der Obersteleutenant, so sich bereits halber bierschellig gesoffen, fiel ihm in die Red und sagte: »Was, sie ist eine Zauberin!« – »Ach mein Herr verzeihe mir,« antwortet der Rittmeister; »so viel ich von ihr weiß, so bedunkt mich, sie sei des tapferen alten Grafen von T. leibliche Frau Tochter, welcher rechtschaffene Held bei dem gemeinen Wesen Leib und Leben, ja Land und Leut aufgesetzt hat, also daß mein gnädigster König nicht gut heißen wird, wann man dessen Kinder so traktirt, ob sie gleich ein paar Officier von uns auf die kaiserliche Seiten gefangen bekommen. Ja ich dörfte glauben, ihr Herr Vatter richtet auf diese Stunde in Ungarn noch mehr wider den Kaiser aus, als mancher tun mag, der eine fliegende Armada gegen ihn zu Felde führet.« »Ha,« antwortet der flegelhaftige Oberstleutenant, »was hab ich gewußt? Warum hat sie das Maul nicht aufgetan?«

Die andern Officier, welche den Rittmeister wohl kannten und wußten, daß er nicht allein von einem hohen dänischen Geschlecht, sondern auch bei dem König in höchsten Gnaden war, baten gar demütig, der Rittmeister wolle dies übersehen, als eine geschehene Sach zu besten richten und vermittlen, daß sie hierdurch in keine Ungelegenheit kämen; dahingegen obligirten sie sich, ihm auf alle begebende Gelegenheit mit Darsetzung Guts und Bluts bedient zu sein. Sie baten mich auch alle auf den Knien um Verzeihung; ich konnte ihnen aber nur mit Weinen vergeben. Und also kam ich, zwar übel geschändt, aus dieser Bestien Gewalt in des Rittmeisters Hände, welcher mich weit höflicher zu tractiren wußte; denn er schickte mich alsobalden, ohne daß er mich einmal berührt hatte, durch einen Diener und einen Reuter von seiner Compagnia nach Dänemark auf ein adelig Haus, das ihm kürzlich von seiner Mutter Schwester erblich zugefallen war, allwo ich wie eine Prinzessin unterhalten wurde; welche unversehene Erlösung ich meiner Schönheit und meiner Säugamme zu danken habe, als die ohne mein Wissen und Willen dem Rittmeister mein Herkommen verträulich erzählt hatte.


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