Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
1. Buch 3. Kapitel
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

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Das sechste Kapitel

Courasche kommt durch wunderliche Schickung
in die zweite Ehe und freiet einen Hauptmann,
mit dem sie trefflich glückselig und vergnügt lebte.

Ich hätte zu Prag feine Gelegenheit gehabt, mein Handwerk ferners zu treiben; aber die Begierde, meine Kostfrau zu sehen und meine Eltern zu erkundigen, trieb mich, auf Bragoditz zu reisen, welches ich als in einem befriedeten Land sicher zu tun getraute. Aber potz Herz, da ich an einem Abend allbereit den Ort vor mir liegen sah, da kamen eilf Mansfeldische Reuter, die ich, wie sonst jederman getan hatte, für kaiserisch und gutfreund ansahe, weil sie mit roten Schärpen oder Feldzeichen montirt waren. Diese packten mich an und wanderten mit mir und meiner Kalesch dem Böhmerwald zu, als wann sie der Teufel selbst gejagt hätte. Ich schrie zwar, als wenn ich an einer Folter gehangen wäre, aber sie machten mich bald schweigen. Um Mitternacht kamen sie in eine Meierei, die einzig vorm Wald lag, allwo sie anfingen zu füttern und mit mir umzugehen, wie zu geschehen pflegt, welches mir zwar der schlechteste Kummer war, aber es wurde ihnen gesegnet wie dem Hund das Gras; denn indem sie ihre viehischen Begierden sättigten, wurden sie von einem Hauptmann, der mit dreißig Dragonern eine Convoy nach Pilsen verrichtet hatte, überfallen und, weil sie durch falsche Feldzeichen ihren Herren verläugnet, alle mit einander niedergemacht. Das Meinige hatten die Mansfeldischen noch nicht gepartet, und demnach ich kaiserlichen Paß hatte und noch nicht 24 Stund in Feinds Gewalt gewesen, hielt ich dem Hauptmann vor, daß er mich und das Meinige als keine rechtmäßige Beuten halten und behalten könne. Er mußte es selbst bekennen; aber gleichwohl, sagte er, wäre ich ihm um meiner Erlösung willen obligiert, ihm aber nicht zu verdenken, wenn er einen solchen Schatz, den er vom Feind erobert, nicht mehr aus Händen zu lassen gedächte; seie ich eine verwittibte Rittrneisterin, wie mein Paß auswiesen so sei er ein verwittibter Hauptmann, wenn mein Will darbei wäre, so würde die Beut bald geteilt sein; wo nicht, so werde er mich gleichwohl mitnehmen und hernach erst mit einem jedwedern disputirn, ob die Beute rechtmäßig sei oder nicht. Hiermit ließ er genugsam scheinen, daß er allbereit den Narrn an mir gefressen; und damit er das Wasser auf seine Mühl richtete, sagte er: diesen Vorteil wolle er mir lassen, daß ich erwählen möchte, ob er die Beute unter seine ganze Bursch teilen solle, oder ob ich vermittelst der Ehe samt dem Meinigen allein sein verbleiben wolle, auf welchen Fall er seine Leute schon bereden wollte, daß ich mit dem Meinigen keine rechtmäßige Beute, sonder ihm allein durch die Verehelichung zuständig worden wäre. Ich antwortete, wenn die Wahl bei mir stünde, so begehrte ich deren keins, sondern meine Bitte wäre, sie wollten mich in meine Gewahrsam passieren lassen. Und damit finge ich an zu weinen, als wann mirs gründlicher Ernst gewesen wäre, nach dem alten Reimen:

Die Weiber weinen oft mit Schmerzen,
Aber es geht ihnen nicht von Herzen,
Sie pflegen sich nur so zu stellen;
Sie können weinen, wann sie wöllen.

Aber es war meine Meinung, ihm hierdurch Ursach zu geben, mich zu trösten, sich selbst aber stärker zu verlieben, sintemal mir wohl bewußt, daß sich die Herzen der Mannsbilder am allermeisten gegen dem weinenden und betrübten Frauenzimmer zu öffnen pflegen. Der Poß ging mir auch an; und indem er mir zusprach und mich seiner Liebe mit hohem Beteuern versicherte, gab ich ihm das Jawort, doch mit diesem ausdrücklichen Beding und Vorbehalt, daß er mich vor der Copulation im geringsten nicht berühren solle, welches er beides verheißen und gehalten, bis wir in die Mansfeldischen Befestigungen zu Weidhausen ankamen, welches eben damals dem Herzog aus Baiern vom Mansfelder selbst per Accord übergeben worden. Und demnach meines Serviteurs heftige Liebe wegen unsers Hochzeitfests keinen längern Verzug gedulden mochte, ließ er sich mit mir ehelich zusammen geben, ehe er möchte erfahren, wormit die Courasche ihr Geld verdienet, welches kein geringe Summa war. Ich war aber kaum einen Monat bei der Armee gewesen, als sich etliche hohe Officierer fanden, die mich nicht allein zu Wien gekannt, sondern auch gute Kundschaft mit mir gehabt hatten. Doch waren sie so bescheiden, daß sie weder meine noch ihre Ehr öffentlich ausschrien. Es ging zwar so ein kleines Gemurmel um, darüber ich aber gleichwohl keine sonderliche Beschwerung empfand, außer daß ich den Namen Courasche wiederum gedulden mußte.

Sonst hatte ich einen guten geduldigen Mann, welcher sich ebenso hoch über meine gelben Batzen als wegen meiner Schönheit erfreute. Diese hielt er gesparsamer zusammen, als ich gerne sah. Gleichwie ich aber solches geduldete, also gab er auch zu, daß ich mit Reden und Geberden gegen jedermann desto freigebiger sein dorfte. Wenn ich dann jemand vexierte, daß er mit der Zeit wohl Hörner kriegen dörfte, antwortete er auch im Scherz, es seie sein geringstes Anliegen; denn ob ihm gleich einer über sein Weib komme, so lasse ers jedoch bei dem, was ein solcher ausgerichtet, nicht verbleiben, sondern nehme Zeit, dieselbe fremde Arbeit wieder anders zu machen.

Er hielt mir jederzeit ein trefflich Pferd, mit schönem Sattel und Zeug montirt. Ich ritt nicht wie andere Officiersfrauen in einem Weibersattel, sondern auf einem Mannssattel, und ob ich gleich überzwergs saß, so führte ich doch Pistolen und einen türkischen Säbel unter dem Schenkel, hatte auch jederzeit einen Stegreif auf der andern Seite hangen und war im übrigen mit Hosen und einem dünnen taffeten Röcklein darüber also versehen, daß ich all Augenblick schrittling sitzen und einen jungen Reuterskerl präsentirn konnte. Gab es dann eine Rencontre gegen dem Feind, so war mir unmüglich, apart nicht mit zu machen. Ich sagte vielmalen, eine Dame, die sich gegen einen Mann zu Pferd zu wehren nicht wagen dörfte, solle auch kein Plümage wie ein Mann tragen. Und demnach es mir bei etlichen Betteltänzen glückte, daß ich Gefangne kriegte, die sich keine Bärnhäuter zu sein dunkten, wurde ich so kühn, wann dergleichen Gefecht anging, auch einen Karabiner oder, wie mans nennen will, ein Bandelierrohr an die Seite zu hängen und neben der Troupe auch zweien zu begegnen, und solches desto hartnäckiger, weil ich und mein Pferd vermittelst der Kunst, die ich von vielgedachter meiner Wirtin erlernet, so hart war, daß mich keine Kugel öffnen konnte.

So gings und so stund es damal mit mir; ich machte mehr Beuten als mancher geschworne Soldat, welches auch manchen und manche verdroß; aber da fragte ich wenig nach, dann es gab mir Schmalz auf meine Suppen. Die Verträulichkeit meines sonst (gegen meiner Natur zu rechnen) ganz unvermöglichen Manns verursachte, daß ich ihm gleichwohl Farb hielt, ob sich gleich Höhere als Hauptleute bei mir anmeldeten, die Stelle seines Leutenants zu vertreten, dann er ließ mir durchaus meinen Willen. Hingegen war ich nichtsdestoweniger bei den Gesellschaften lustig, in den Conversationen frech, aber auch gegen dem Feind so heroisch als ein Mann, im Feld so häuslich und zusammenhebig als immer ein Weib, in Beobachtung der Pferde besser als ein guter Stallmeister, und in den Quartieren von solcher Prosperität, daß mich mein Hauptmann nicht besser hätte wünsehen mögen. Und wann er mir zu Zeiten einzureden Ursach hatte, litt er gerne, daß ich ihm Widerpart hielt und auf meinen Kopf hinaus fuhr, weil sich unser Geld so sehr dardurch vermehrte, daß wir einen guten Particul darvon in eine vornehme Stadt zu verwahren geben mußten. Und also lebte ich trefflich glückselig und vergnügt, hätte mir auch meine Tage keinen anderen Handel gewünscht, wenn nur mein Mann etwas besser beritten gewest wäre. Aber das Glück oder mein Fatum ließ mich nicht lang in solchem Stand, denn nachdem mir mein Hauptmann bei Wißloch tot geschossen wurde, siehe, so ward ich wiederum in einer kurzen Zeit zu einer Wittib.


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