Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
1. Buch 3. Kapitel
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

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Das achte Kapitel

Courasche hält sich in einer Occasion trefflich frisch,
haut einem Soldaten den Kopf ab,
bekommt einen Major gefangen und erfährt,
daß ihr Leutenant als ein meineidiger Überläufer
gefangen und gehenket worden.

Also wurde ich nun zu einer Halbwittib, welcher Stand viel elender ist, als wann eine gar keinen Mann hat. Etliche argwohneten, ich würde ihm folgen und wir hätten unsere Flucht also mit einander angelegt. Da ich aber den Obristen um Rat und Befelch fragte, wie ich mich verhalten solle, sagte er, ich möchte bei dem Regiment verbleiben, so wolle er mich, so lang ich mich ehrlich hielte, wie andere Witweiber verpflegen lassen. Und damit benahm ich jedermann den gedachten Argwohn. Ich mußte mich ziemlich schmal behelfen, weil mein Barschaft ausgeflogen und meine stattlichen Soldatenpferd fort waren, auf denen ich auch manche stattliche Beut gemacht; doch ließ ich meine Armut nicht merken, damit mir keine Verachtung zuwüchse. Meine beiden Knechte, die Herrndienste versahen, hatte ich noch samt einem Jungen und noch etliche Schindmähren oder Bagagepferden; davon und von meiner Männerbagage versilberte ich, was Geld galt, und machte mich wieder trefflich beritten. Ich dorfte zwar als ein Weib auf keine Partei reiten, aber unter den Fouragierern fand sich nicht Meinesgleichen. Ich wünschte mir oft wieder eine Battalia wie vor Wimpfen, aber was halfs? Ich mußte der Zeit erwarten, weil man mir zu Gefallen doch keine Schlacht gehalten, wann ichs gleich begehrt hätte. Damit ich aber gleichwohl auch wiederum zu Geld kommen möchte, dessen es auf dem Fouragieren selten setzte, ließ ich, um solches zu verdienen und meinen Ausreißer um seine Untreu zu bezahlen, mich von denen treffen, die spendierten; und also brachte ich mich durch und dingte mir noch einen starken Jungen zum Knecht, der mir mußte helfen stehlen, wann die andern beiden mußten wachen.

Das trieb ich so fort, bis wir den Braunschweiger über den Mayn jagten und viel der Seinigen darin ersäuften, in welchem Treffen ich mich unter die Unserigen mischte und in meines Obristen Gegenwart mich dergestalt erzeigte, daß er solche Tapferkeit von keinem Mannsbild geglaubt hätte; denn ich nahm in der Caracole einen Major vom Gegenteil vor seinen Truppen hinweg, als er die Charge redupliren wollte, und als ihn einer von den Seinigen zu erretten gedachte und mir zu solchem Ende eine Pistol an den Kopf losbrennete, daß mir Hut und Federn darvon stoben, bezahlte ich ihn dergestalt mit meinem Säbel, daß er noch etliche Schritte ohne Kopf mit mir ritt, welches verwunderlich und abscheulich anzusehen war. Nachdem nun dieselbe Esquadron getrennet und in die Flucht gewendet worden, mir auch der Major einen ziemlichen Stumpen Goldsorten samt einer güldenen Ketten und kostbarlichen Ring für sein Leben gegeben hatte, ließ ich meinen Jungen das Pferd mit ihm vertauschen und lieferte ihn den Unserigen in Sicherheit, begab mich darauf an die zerbrochne Brucken, allwo es in dem Wasser an ein erbärmlichs Ersaufen und auf dem Land an ein grausames Niedermachen ging; und alldieweil noch ein jeder bei seiner Truppe bleiben mußte, so viel immer möglich, packte ich eine Gutsche mit sechs schönen Bräunen an, auf welcher weder Geld noch lebendige Personen, aber wohl zwei Kisten mit kostbaren Kleidern und weißem Zeug sich befanden. Ich brachte sie mit meines Knechts oder Jungen Hülf dahin, wo ich den Major gelassen hatte, welcher sich schier zu Tod kränkte, daß er von einem solchen jungen Weib gefangen worden. Da er aber sah, daß sowohl in meinen Hosensäcken als in den Halftern Pistolen staken, die ich samt meinem Carbiner dort wieder lud und fertig machte, auch hörete, was ich hiebevor bei Wimpfen ausgerichtet, gab er sich wiederum etwas zufrieden und sagte, der Teufel möchte mit so einer Hexen etwas zu schaffen haben!

Ich ging mit meinem Jungen, den ich ebenso fest als mich und mein Pferd gemacht hatte, hin, noch mehr Beuten zu erschnappen, fand aber den Obristleutenant von unserem Regiment dort unter seinem Pferde liegen, der mich kannte und um Hülf anschrie. Ich packte ihn auf meines Jungen Pferd und führte ihn zu den Unserigen in meine erst eroberte Gutsche, allda er meinem gefangnen Major Gesellschaft leisten mußte. Es ist nicht zu glauben, wie ich nach dieser Schlacht sowohl von meinen Neidern als meinen Gönnern gelobt wurde. Beide Teil sagten, ich wäre der Teufel selber; und eben damals war mein höchster Wunsch, daß ich nur kein Weibsbild wäre. Aber was wars drum? Es war null und verhümpelt. Ich gedachte oft, mich für einen Hermaphroditen auszugeben, ob ich vielleicht dardurch erlangen möchte, öffentlich Hosen zu tragen und für einen jungen Kerl zu passirn; hergegen hatte ich aber durch meine unmäßigen Begierden so viel Kerl empfinden lassen, wer ich wäre, daß ich das Herz nicht hatte, ins Werk zu setzen, was ich gerne gewollt; denn so viel Zeugen würden sonst ein anders von mir gesagt und verursacht haben, daß es dahin kommen wäre, daß mich beides Medici und Hebammen beschauen müßten. Behalf mich derowegen, wie ich konnte, und wann man mir viel verweisen wollte, antwortet ich, es wären wohl ehe Amazonen gewesen, die so ritterlich als die Männer gegen ihre Feinde gefochten hätten. Damit ich nun des Obristen Gnad erhalten und von ihm wider meine Mißgönstigen beschützt werden möchte, präsentirte ich ihm neben dem Gefangenen auch meine Gutsche mit samt den Pferden, dafür er mir 200 Reichsthaler verehrete, welches Geld ich samt dem, was ich sonst auf ein neues erschnappt und sonst verdienst hatte, abermal in einer namhaften Stadt verwahrte.

Indem wir nun Mannheim eingenommen und Frankenthal noch belagert hielten, und also den Meister in der Pfalz spielten, siehe, da schlugen Corduba und der von Anhalt abermal den Braunschweiger und Mansfelder bei Fleury, in welchem Treffen mein ausgerissener Mann (der Leutenant) gefangen, von den Unserigen erkannt und als ein meineidiger Überläufer mit seinem allerbesten Hals an einen Baum geknüpft worden ist, wordurch ich wieder von meinem Mann erlöst und zu einer Wittib ward. Ich bekam aber so ein Haufen Feinde, die da sagten, die Strahlhex hat den armen Teufel ums Leben gebracht, daß ich ihm das Leben gern länger hätte gönnen und mich noch ein Weil mit ihm gedulden mögen, bis er gleichwohl anderwärts in Gras gebissen und einen ehrlichem Tod genommen, wann es nur hätte sein können.


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