Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
1. Buch 3. Kapitel
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Das siebzehnte Kapitel

Was der Courasche für ein lächerlicher Poß wiederfuhr,
und wie sie sich deswegen wieder rächete.

Schaue, mein Simplice, also war ich bereits deines Cameraden Springinsfeld Mätresse und Lehrmeisterin, da du vielleicht deinem Knan noch die Schwein hütetest und ehe du geschickt genug warest, anderer Leute Narr zu sein, und hast dir doch einbilden dörfen, du habest mich im Saurbrunnen betrogen! Nach der ersten Mantuanischen Belägerung bekamen wir unser Winterquartier in einem lustigen Städtlein, allwo es bei mir anfing ziemlich Kundenarbeit zu geben. Da verging kein Gasterei oder Schmaus, dabei sich nicht die Courasche fand, und wo sie sich einstellete, da galten die italienischen Putani wohl nichts; denn bei den Italiänern war ich Wildpret und etwas Fremds, bei den Teutschen konnte ich die Sprach, und gegen beide Nationen war ich viel zu freundlich, darneben noch trefflich schön; so war ich auch nicht gar hoffärtig und teuer, und hatte sich niemand keines Betrugs von mir zu besorgen, von dem aber die Italiänerinnen dichte voll staken. Solche meine Beschaffenheiten verursachten, daß ich den welschen Huren viel gute Kerl abspannete, die jene verließen und mich hingegen besuchten, welches bei ihnen kein gut Geblüt gegen mir setzte. Einsmals lud mich ein vornehmer Herr zum Nachtessen, der zuvor die berühmteste Putana bedient, sie aber auch meinetwegen verlassen hatte. Solches Fleisch gedachte mir jene wiederum zu entziehen und brachte mir derowegen durch eine Kürschnerin bei demselben Nachtimbiß etwas bei, davon sich mein Bauch blähete, als ob er hätte zerspringen wollen; ja die Leibsdünste drängten mich dergestalt, daß sie endlich den Ausgang mit Gewalt öffneten und eine solche liebliche Stimm über Tafel hören ließen, daß ich mich deren schämen mußte. Und sobald sie die Tür einmal gefunden, passierten sie mit einem solchen Ungestüm nach einander heraus, daß es daher donnerte, als ob etliche Regimenter eine Salve geben hätten. Als ich nun dessentwegen vom Tisch aufstund, um hinweg zu laufen, ging es bei solcher Leibsbewegung allererst rechtschaffen an. Alle Tritt entwischten mir aufs wenigst einer oder zehen, wiewohl sie so geschwind auf einander folgten, daß niemand sie zählen konnte. Und ich glaube, wann ich sie alle wohl anlegen oder der Gebühr nach fein ordentlich hätt austeilen können, daß ich zwo ganzer geschlagener Glockenstund trutz dem besten Tambour den Zapfenstreich darmit hätte verrichten mögen. Es währete aber ungefähr nur eine halbe Stund, in welcher Zeit Gäst und Aufwarter mehr Qual von dem Lachen, als ich von dem continuirlichen Trompeten erlitten. Diesen Possen rechnete ich mir für einen großen Schimpf und wollte vor Scham und Unmut ausreißen; eben also tät auch mein Gastherr, als der mich zu etwas anders, als diese schöne Musik zu halten, zu sich kommen lassen, hoch und teuer schwörend, daß er diesen Affront rächen wolle, wann er nur erfahren könnte, durch was für Pfefferkörner- und Ameiseneier-Köch diese Harmonia angestimmt worden wäre. Weil ich aber daran zweifelt, ob nicht er vielleicht selbst den ganzen Handel angestellt, siehe, so daß ich dort zu protzen, als wann ich mit den blitzenden Strahlen meiner zornigen Augen alles hätte töten wollen, bis ich endlich von einem Beisitzenden erfuhr, daß obengedachte Kürschnerin damit umgehen könnte; und weil er sie unten im Hause gesehen, müsse er gedenken, daß sie irgends von einer eifersüchtigen Dame gedinget worden, mich dem einen oder andern Cavalier durch diesen Possen zu verleiden, maßen man von ihr wüßte, daß sie eben dergleichen einem reichen Kaufherrn getan, der durch eine solche Musik seiner Liebsten Gunst verloren, weil er sie in ihrer und ander ehrlichen Leute Gegenwart hören lassen. Darauf gab ich mich zufrieden und bedachte mich auf eine schleunige Rach, die ich aber weder öffentlich noch grausam ins Werk setzen dorfte, weil wir in den Quartiern (ohnangesehen wir das Land dem Feind abgenommen) gute Ordre halten mußten.

Demnach ich nun die Wahrheit erfahren, daß es nämlich nit anders hergangen, als wie obengedachter Tischgenoß geargwohnet, so erkundigt ich derjenigen Damen, die mir den Possen hatt zugerichtet, Handel und Wandel, Tun und Lassen auf das genauesten als ich immer konnte. Und als mir ein Fenster gewiesen wurde, daraus sie bei Nacht denen, so zu ihr wollten, Audienz zu geben pflegte, offenbart ich meinen auf sie habenden Groll zweien Officiern; die mußten mir, wollten sie anders meiner noch fürderhin genießen, die Rach zu vollziehen versprechen, und zwar auf solche und kein andere Weis, als wie ich ihnen vorschrieb; dann mich däuchte, es wäre billig, weil sie mich nur mit dem Dunst vexirt, daß ich sie mir nichts anders als mit dem Dreck selbst belohnen sollte. Und solches geschah folgender Gestalt. Ich ließ eine rinderne Blasen mit dem ärgsten Unrat füllen, der in den unter sich gehenden Kaminen durch M. Asmussen, deren Säuberer, zu finden war. Solche ward an eine Stange oder Schwinggerten, damit man die Nüß herunter schlägt oder die Rauchkamin zu säubern pflegt, angebunden und von dem einen bei finsterer Nacht, als der ander mit der Putanen löffelte, welche oben, an ihrem gewöhnlichen Audienzfenster lag, ihr mit solcher Gewalt in das Angesicht geschlagen, daß die Blase zersprang und ihr der Speck Nasen Augen Maul und Busen samt allen Zierden und Kleinodien besudelte, nach welchem Streich sowohl der Löffler als Executor darvon liefen und die Hur am Fenster lamentiren ließen, so lang sie wollte.

Die Kürschnerin bezahlte ich also. Ihr Mann war gewohnet, alle Haar, und sollten sie auch von den Katzen gewesen sein, so genau zusammen zu halten, als wann er sie von dem güldenen Widderfell aus der Insul Colchis abgeschoren hätte, so gar daß er auch kein Abschrötlin von dem Pelzflecklin hinwarf oder in den Dung kommen ließ, es wäre gleich vom Biber Hasen oder dem Lamm gewesen, er hätte solches denn zuvor seiner Haar oder Woll blutt beraubt gehabt. Und wenn er dann so ein paar Pfund beisammen hatte, gab ihm der Hutmacher Geld darum, welches ihm auch etwas zu bröslen ins Haus verschaffte; und wann es gleich langsam und gering kam, so kam es doch wohl zu seiner Zeit. Solches wurde ich von einem andern Kürschner innen, der mir denselben Winter einen Pelz fütterte. Derowegen bekam ich von dergleichen Woll und Haaren so viel, als genug war, und macht eitel Schermesser daraus. Als solche fertig oder, besser zu erläutern, als sie mit ihrer Materi (wie der Quacksalber ihre Büchslin) versehen oder besalbet waren, ließ ich sie einen von meinen Jungen dem Kürschner unten um sein Secret herum streuen, als welches ziemlich weit hinauf offen stund. Da nun der erbsenzählerische Haushalter diese Klumpen Haar und Woll sonder liegen sah und sie für die seinigen hielt, konnte er sich nicht anderst einbilden, als sein Weib müsse sie dergestalt verunehrt und zu Schanden gemacht haben; fing derowegen an mit ihr zu kollern, gleichsam als wann sie allbereit Mantua und Casal verwahrloset und verloren hätte, und weil sie ja so beständig als eine Hex leugnete und noch darzu trutzige Wort gab, schlug er sie so lederweich, als gelind er sonst anderer wilder und bissiger Tiere Felle bereiten konnte, der heimischen Katzenbälg zu geschweigen, – welches mich so wohl contentirte, daß ich kein Dutzend Kronen dafür genommen haben wollte.

Nun war der Apotheker noch übrig, der meines Vermutens das Recept verfertigt hatte, dardurch ich aus der Niedere eine so variable Stimme hab erheben müssen; denn er hielt Singvögel, die solche Sachen zur Speise genossen, so die Würkungen haben sollen, einen Lärmen zu erregen, wie ich allererst einen erzählet. Weil er aber bei hohen und niedern Officiern wohl dran war, zumals wir ihn täglich bei unseren Kranken, die den italiänischen Luft nicht wohl vertragen konnten, brauchen mußten, ich auch selbst zu sorgen hatte, ich möchte ihm etwan heut oder morgen in die Kur kommen, so dorfte ich mich nicht kecklich an ihm reiben; gleichwohl wollte und konnte ich so viel Luftkerls, die zwar vorlängst wieder in der Luft zerstoben waren, ohngerochen nicht verdauen, obwohl sie auch andere riechen mußten, da gleichwohl sie selbst schon verdauet waren. Er hatte einen kleinen gewölbten Nebenkeller unter seinem Hause, darin er allerhand Waar enthielte, die zu ihrer Aufenthaltung einen solchen Ort erforderte; dahinein richtete ich das Wasser aus dem Röhrbrunnen, der auf dem Platz zunächst dabei stund, durch einen langen Ochsendarm, den ich am Brunnenröhrn anband, mit dem andern Ende aber zum Kellerloch hinein henken und also das Brunnenwasser die ganze lange Winternacht so ordentlich hineinlaufen ließ, daß der Keller am Morgen geschwappelt voll Wasser war. Da schwammen etliche Fäßlein Malvasier, spanischer Wein und was sonst leicht war; was aber nit schwimmen konnte, lag mannstief unter dem Wasser, zu verderben. Und demnach ich den Darm vor Tags wieder hinweg nehmen ließ, vermeinte jedermann des Morgens, es wäre entweder im Keller eine Quell entsprungen, oder dieser Posse sei dem Apotheker durch Zauberei zugerichtet worden. Ich aber wußte es zum besten, und weil ich alles so wohl ausgerichtet, lachte ich in die Fäuste, als der Apotheker um seine verderbten Materialia lamentirte. Und damals war mirs gesund, daß der Name Courasche bei mir so tief eingewurzelt gewesen, denn sonst hätten mich die unnützen Bursch ohne Zweifel die Generalfarzerin genannt, weil ichs besser als andere gekönnt.


 << zurück weiter >>