Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
1. Buch 3. Kapitel
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

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Das einundzwanzigste Kapitel

Erzählung eines Treffens, welches im Schlaf vergangen.

Kurz zuvor, ehe Mantua von den Unserigen eingenommen wurde, mußte unser Regiment von Casal hinweg und auch in die Mantuanische Belägerung. Daselbsten lief mir mehr Wasser auf meine Mühl als in dem vorigen Läger; denn gleich wie alldorten mehr Volk war, sonderlich Teutsche, also bekam ich auch mehr Kunden und Kundenarbeit, davon sich mein Geldhaufen wieder ein merkliches geschwinder vergrößerte, so daß ich etlichmal Wechsel nach Prag und anderswohin in die teutschen Reichsstädte übermachte; bei solcher glücklichen Prosperität, großem täglichen Gewinn und genugsamem Überfluß, dessen ich und mein Gesinde genossen, da sonst mancher Hunger und Mangel leiden mußte, finge mein Springinsfeld allerdings an, das Junkernhandwerk zu treiben. Er wollte eine tägliche Gewohnheit daraus machen, nur zu fressen und zu saufen, zu spielen und spazieren zu gehen und zu faulenzen, und ließ allerdings die Handelschaft der Marquetenterei und die Gelegenheiten, sonsten irgend etwas zu erschnappen, ein gut Jahr haben. Über das hatte er auch etliche ungeratene und verschwenderische Cameraden an sich gehenkt, die ihn verführten und zu allem demjenigen untüchtig machten, worzu ich ihn zu mir genommen und auf allerlei Art und Weise angeführet hatte. »Ha«, sagten sie, »bist du ein Mann, und läßt deine Hur über dich und das Deinige Meister sein? Es wäre noch genug, wann du ein böses Eheweib hättest, von der du dergleichen leiden müßtest. Wann ich in deinem Hemd verborgen stäke, so schlüg ich sie, bis sie mir parirte, oder jagte sie vor alle Teufel hinweg.«

Solches alles vernahm ich bei Zeiten mit großem Unwillen und Verdruß und gedacht auf Mittel und Weg, wie ich meinen Springinsfeld möchte ins Feld springen machen, ohne daß ich mich im geringsten etwas dergleichen gegen ihm oder seinem Anhang hätte vermerken lassen. Mein Gesind, darunter ich auch vier starke Tremel zu Knechten hatte, war mir getreu und auf meiner Seiten; alle Officierer des Regiments waren mir nicht übel gewogen; der Obrist selbst wollte mir wohl und die Obristin noch viel besser, und ich verband mir alle noch mehrers mit Verehrungen, wo ich vermeinte, daß ich Hülf zu meinem künftigen Hauskrieg zu hoffen hätte, dessen Ankündigung ich stündlich von meinem Springinsfeld gewärtig war. Ich wußte wol, daß der Mann, welchen mir Springinsfeld aber nur pro forma repräsentiren mußte, das Haupt meiner Marquetenterei darstellte, und daß ich unter dem Schatten seiner Person in meiner Handelschaft agirte, auch daß ich bald ausgemarquetentert haben würde, wann ein solches Haupt mir mangelte. Derohalben ging ich gar behutsam; ich gab ihm täglich Geld, zu spielen und zu banquetieren, nicht daß ich die Beständigkeit seiner vorigen Verhaltung hätte bestätigen wollen, sondern um ihn desto kirrer, verwegener und ausgelassener gegen mich zu machen, damit er sich dardurch verplumpen und durch ein rechtschaffenes grobianisches Stückel sich dem Besitz meiner und des Meinigen unwürdig machen, mit einem Wort, daß er mir Ursach geben solle, mich von ihm zu scheiden; denn ich hatte allbereit schon so viel zusammen geschunden und verdienet, zumalen auch anderwärtshin in Sicherheit gebracht, daß ich mich weder um ihn noch die Marquetenterei, ja um den ganzen Krieg, und was ich noch darin kriegen und hinweg nehmen konnte, wenig mehr bekümmerte. Aber ich weiß nicht, ob Springinsfeld das Herz nicht hatte, seinen Cameraden zu folgen, um die Oberherrschaft öffentlich von mir zu begehren, oder ob er sonst in erzähltem seinem liederlichen Leben unachtsamer Weis fortfuhr; denn er stellte sich gar freundlich und demütig und gab mir niemalen kein sauern Blick, geschweige ein böses Wort. Ich wußte sein Anliegen wohl, worzu ihn seine Cameraden verhetzt hatten; ich konnte aber aus seinen Werken nicht spüren, daß er etwas dergleichen wider mich zu unterstehen bedacht gewesen wäre. Doch schickte sichs endlich wunderbarlich, daß er mich offendirte, wessentwegen wir dann, es sei ihm nun gleich lieb oder leid gewesen, von einander kamen.

Ich lag einsmals neben ihm und schlief ohne alle Sorg, als er eben mit einem Rausch heimkommen war. Siehe, da schlug er mich mit der Faust von allen Kräften ins Angesicht, daß ich nicht allein darvon erwachte, sondern das Blut lief mir auch häufig zum Maul und der Nasen heraus, und wurde mir von selbigem Streich so törmisch im Kopf, daß mich noch Wunder gibt, daß er mir nit alle Zähn in Hals geschlagen. Da kann man nun wohl erachten und abnehmen, was ich ihm für eine andächtige Litanei vorbetete. Ich hieß ihn einen Mörder und was mir sonst noch mehr von dergleichen ehrbaren Tituln ins Maul kommen sind. Er hingegen sagte: »Du Hundsfutt, warum läßest du mir mein Geld nicht? Ich habe es ja redlich gewonnen!«

Und wollte noch immer mehr Stöße hergeben, also daß ich zu schaffen hatte, mich deren zu erwehren, maßen wir beide im Bette aufrecht zu sitzen kamen und gleichsam anfingen mit einander zu ringen. Und weil er noch fort und fort Geld von mir haben wollte, gabe ich ihm eine kräftige Ohrfeigen, die ihn wieder niederlegte; ich aber wischt zum Zelt hinaus und hatte ein solches Lamentiren, daß nit nur meine Mutter und übriges Gesind, sondern auch unsere Nachbaren davon erwachten und aus ihren Hütten und Gezelten hervorkrochen, um zu sehen, was da zu tun oder sonst vergangen wäre. Dasselbe waren lauter Personen vom Stab, als welche gemeiniglich hinter die Regimenter zu den Marquetentern logirt werden, nämlich der Caplan Regimentsschultheiß Regimentsquartiermeister Proviantmeister Profos Henker Hurenwaibel und dergleichen; denen erzählet ich ein langs und ein breits, und der Augenschein gab auch, wie mich mein schöner Mann ohne eigene Schuld und Ursach tractirt. Mein angehender milchweißen Busen war überall mit Blut besprengt, und des Springinsfelds unbarmherzige Faust hatte mein Angesicht, welches man sonst niemalen ohne lustreizende Lieblichkeiten gesehen, mit einem einzigen Streich so abscheulich zugerichtet, daß man die Courasche sonst nirgends bei als an ihrer erbärmlichen Stimme kennete, ohnangesehen niemand vorhanden war, der sie anderwärts jemalen hätte klagen hören.

Man fragte mich um die Ursach unserer Uneinigkeit und daraus erfolgten Schlacht. Weil ich nun allen Verlauf erzählte, vermeinte der ganze Umstand, Springinsfeld müsse unsinnig worden sein; ich aber glaubte, er habe dieses Spiel aus Anstiftung seiner Cameraden und Saufbrüder angefangen, um mir erstlich hinter die Hosen, zweitens hinter die Oberherrlichkeit und letztlich hinter mein vieles Geld zu kommen.

Indem wir nun so miteinander pappelten, und etliche Weiber umgingen, mir das Blut zu stillen, krabbelte Springinsfeld auch aus unserem Zelt. Er kam zu uns zum Wachtfeuer, das bei des Oberisten Bagage brannte, und wußte beinahe nicht Wort genug zu ersinnen und vorzubringen, mich und jedermann wegen seines begangenen Fehlers um Verzeihung zu bitten. Es mangelte wenig, daß er nicht vor mir auf die Knie niederfiel, um Vergebung und die vorige Huld und Gnad wieder von mir zu erlangen; aber ich verstopfte die Ohren und wollte ihn weder wissen noch hören, bis endlich unser Obristleutenant von der Rund darzu kam, gegen welchen er sich erbot, einen leiblichen Eid zu schwören, daß ihm geträumt hätte, er wäre auf dem Spielplatz gesessen, allwo ihm einer um eine ziemliche Schanz auf dem Spiel gestandenen Gelds unrecht tun wollen, gegen welchem er deswegen geschlagen und wider seinen Willen und Meinung seine liebe unschuldige Frau im Schlaf getroffen. Der Obristleutenant war ein Cavalier, der mich und alle Huren wie die Pest haßte, hingegen aber meinem Springinsfeld nit ohngewogen war; derowegen sagte er zu mir, ich solle mich wieder mit ihm alsobald in die Zelt packen und das Maul halten, oder er wolle mich zum Profosen setzen und wohl gar, wie ich vorlängsten verdient, mit Ruten aushauen lassen.

Potz Blech, das ist ein herber Sentenz, dieser Richter fackelt nicht viel! gedachte ich bei mir selber; aber es schadet nichts; bist du gleich Obristleutenant und vor meiner Schönheit und meinen Verehrungen schulfrei, so seind doch andere, und zwar deren mehr als einer, die sich gar gern dadurch berücken lassen, mir recht zu geben.

Ich schwieg so still wie ein Mäusel; mein Springinsfeld aber auch, als dem er sagte, wann er noch mehrmal so kommen würde, so wolle er ihn bei Tag auf einmal dergestalt strafen um das, was er bei Nacht zu zweien malen gegen mir gesündigt, daß er gewißlich das dritte mal nicht wieder kommen würde; uns beiden zugleich aber sagte er, wir sollten den Frieden machen, ehe die Sonne aufging, damit er den künftigen Morgen kein Ursach hätte, uns einen Tädigsmann zu geben, über dessen Procedere wir uns hinter den Ohren zu kratzen würden Ursachen haben.

Also gingen wir wieder mit einander zu Bette und hatten beiderseits unsere Stöße, maßen ich dem Springinsfeld so wenig gefeiret als er mir. Er bekräftigt nochmals seinen gehabten Traum mit großen Schwüren, ich aber behauptete, daß alle Träume falsch wären, derentwegen ich aber nichtsdestoweniger keine falsche Maulschelle bekommen. Er wollte seine Liebe mit den Werken bezeugen, aber der empfangene Streich, oder vielmehr daß ich seiner gern los gewest wäre, entzogen ihm bei mir alle Willfährigkeit. Ja ich gab ihm auch den andern Tag nicht allein kein Geld mehr zum Spielen, sondern auch zum Saufen, und sonst wenig guter Wort; und damit er mir nicht hinter die Batzen käme, die ich noch bei mir behalten, unsere Handelschaft damit zu treiben, verbarg ich solche hinter meine Mutter, welche solche so Tags so Nachts wohl eingenähet auf ihrem bloßen Leib tragen mußte.


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