Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen
1. Buch 3. Kapitel
Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

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Das zwanzigste Kapitel

Welchergestalt Springinsfeld und Courasche
zween Italiäner bestohlen.

Als wir uns versahen, wir würden noch lang vor Casal liegen bleiben müssen, lagen wir nit nur in Zelten, sondern ihrer viel baueten sich auch Hütten aus andern Materialien, sich desto besser in die Länge zu behelfen. Unter anderen Schacherern befanden sich zween Mailänder im Lager, die hatten sich eine Hütte von Brettern zugerichtet, ihre Kaufmannsware desto sicherer darin zu verwahren, welche da bestund in Schuhen Stiefeln Kollern Hemdern und sonst allerhand Kleidungen, beides für Officierer und gemeine Soldaten zu Roß und Fuß. Diese täten mir meines Bedunkens viel Abtrag und Schaden, indem sie nämlich von den Kriegsleuten allerhand Beuten von Silbergeschmeid und Juweln um den halben, ja den vierten Teil ihres Werts erhandelten, welcher Gewinn mir zum Teil zukommen wäre, wann sie nit vorhanden gewesen. Solches nun gedachte ich an ihnen aufs wenigst zu wuchern, weil in meiner Macht nit stunde, ihnen das Handwerk gar niederzulegen.

Unten in der Hütten war die Behaltnus ihrer Waar, und dasselbige war auch zugleich ihr Gaden; oben auf dem Boden aber unter dem Dach war ihr Liegerstatt, allwo sie schliefen. wohinauf ungefähr sieben oder acht Staffeln gingen; und durch den Boden hatten sie ein offenes Loch gelassen, um dadurch nicht allein desto besser zu hören, wann etwan Mauser einbrächen, sie zu bestehlen, sondern auch solche Diebe mit Pistolen zu bewillkommen, mit welchen sie trefflich versehen waren. Als ich nun selbst wahrgenommen, wie die Tür ohne sonderlichen Rumor aufzumachen wäre, machte ich meinen Anschlag gar gering. Mein Springinsfeld mußte mir eine Welle scharfer Dörner in Mannslänge zuwegen bringen, woran auch beinahe ein Mann zu tragen hatte, und ich füllete eine messingene Spritze mit scharfen Essig. Also versehen, gingen wir beide an die gedachte Hütte, als jedermann im besten Schlaf war. Die Tür in der Stille zu öffnen, war mir gar keine Kunst, weil ich zuvor alles fleißig abgesehen; und da solches vollbracht und geschehen, stackte Springinsfeld die Dornwell vor die Stiegen, als welche selbst keine Tür hatte, von welchem Geräusch beide Italiäner erwachten und zu rumpeln anfingen. Wir konnten uns wohl einbilden, daß sie zum ersten zu obigem Loch herunter schauen würden, als dann auch geschah; ich aber spritzte dem einen die Augen alsobald so voller Essig, daß ihm seine Vorsichtigkeit in einem Augenblick verging; der ander aber lief im Hemd und Schlafhosen die Stiegen hinunter und wurde von der Dornwell so unfreundlich empfangen, daß er gleichwie auch sein Camerad in solcher unversehenen Begebenheit und großem Schrecken sich nichts anders einbilden konnten, als es wäre eitel Zauberei und Teufelsgespenst vorhanden. Indessen hatte Springinsfeld ein Dutzet zusammengebundene Reuterkoller erwischt und sich damit fort gemacht; ich aber ließ mich mit einem Stück Leinwat genügen, drehete mich damit aus und schlug die Tür hinter mir wieder zu, die beiden Welsche also in ihrer Anfechtung hinterlassend, wovon der eine ohne Zweifel die Augen noch gewischt, der ander aber noch mit seiner Dornwell zu handeln gehabt haben wird.

Schaue, Simplice, so konnte ichs, und also habe ich den Springinsfeld nach und nach abgerichtet. Ich stahl, wie gehöret, nicht aus Not oder Mangel, sondern mehrenteils darum, damit ich mich an meinen Widerwärtigen revangiren möchte. Springinsfeld aber lernete indessen die Kunst und kam so meisterlich in die Griff, daß er sich unterstanden hätte, alles zu mausen, es wäre denn gar mit Ketten an das Firmament geheftet gewesen; und ich ließ ihn solches auch treulich genießen, denn ich gönnete ihm, daß er einen eigenen Säckel haben und mit dem halben gestohlenen Gut (maßen wir solche Eroberungen miteinander teilten) tun und handeln dörfte, was er wollte. Weil er aber trefflich auf das Spielen verpicht war, so kam er selten zu großem Geld; und wann er gleich zu Zeiten den Anfang zu einer ziemlichen Summa zuwegen brachte, so verblieb er jedoch die Länge nicht in Possession, sintemal ihm sein unbeständig Glück das Fundament zum Reichtum durch den unbeständigen Würfel jederzeit wieder hinweg zwackte. Im übrigen verblieb er mir ganz getreu und gehorsam, also daß ich mir auch keinen bessern Sclaven in der ganzen Welt zu finden getrauet hätte. Jetzt höre auch, was er damit verdienet, wie ich ihm gelohnet, und wie ich mich endlich wieder von ihm geschieden.


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