Franz Gräffer
Franciscéische Curiosa
Franz Gräffer

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Beschreibung der Appartements des Kaisers Franz in der Wiener-Hofburg.

Die nähere Kenntniß der Örtlichkeit und innern Einrichtung der Wohngemächer historischer Personen ist stets ein Gegenstand der Neugier, und übt daher eine ganz eigene Anziehungskraft aus. Diese Kenntniß gewährt unter Andern manche Einblicke in den Privatcharacter des Helden, in dessen häusliche Verhältnisse und Gewohnheiten; und ist derselbe ein Herrscher, ein mächtiger Herrscher, der uns eigentlich nur aus seinen öffentlichen Erscheinungen und Functionen bekannt ist, so wird ein solcher Reiz um so begreiflicher. Die Appartements des Kaisers Franz mit Musse zu betrachten mit der Bewilligung, selbe für die Publicirung durch den Druck förmlich zu beschreiben, ist vor etwa 18 Jahren, also wenige Jahre vor des Kaisers Hinscheiden, von Seiner Majestät selbst dem Verfasser der »Darstellung der k. k. Haupt- und Residenzstadt Wien« (3 Bände mit vielen Kupfern, Wien 1832) vergönnt worden. In diesem Werke hat derselbe diese Schilderung niedergelegt; und sie ist es, aus welcher wir uns erlauben nachstehenden Auszug zu geben.

Der Herr Verfasser sagt: »Es ist uns durch die besondere Huld und Gnade des gütigen Kaisers gestattet worden, auch die innere Ausschmückung der kaiserlichen Gemächer beschreiben zu dürfen, so wollen wir denn die Reihe derselben anführen, und bey jenen Appartements, die Seine Majestät im Schweizerhofe bewohnen, den Anfang machen.

Diese befinden sich im zweyten Stocke, und es führt dazu als Haupteingang die Säulenstiege links zunächst dem Brunnen. Hier öffnen sich zur linken und rechten Hand zwey Vorzimmer (Antichambren), in welchen die Trabanten-Garde die Wache hält. Durch diese rechter Hand gelangt man zu dem Saale, in welchem der Kaiser die gewöhnliche Audienz ertheilt; vor diesem im dritten Zimmer steht gewöhnlich ein Officier der deutschen Arcieren- und ein solcher von der ungarischen adeligen Leibgarde mit gezogenem Säbel. Gleich von diesem Zimmer gegen das National Theater zu ist das Gemach, einen Theil der kaiserl. Garderobe enthaltend, welches ehedem die sogenannte St. Nicolaus-Capelle war und unter Kaiser Ferdinand II. bestand, nachgehends wurde sie als Kammer-Capelle gebraucht und ging im J. 1786 ein, so daß keine Spur mehr übrig ist.

Der Audienzsaal ist von mittlerer Größe mit einem rothsammtenen Baldachin versehen und mit Gobelin-Tapeten aus der merkwürdigen Pariser Manufactur geziert, die mythologische Geschichten enthalten. Wir brauchen wohl kaum zu erwähnen, daß solche unter die künstlichst gearbeiteten gehören, deren Zeichnung und Farbenschmelz bey näherer Beschauung Jedermann in Erstaunen setzen. – An diesen reiht sich das geheime Audienz-Cabinet; dahin haben die Minister, adelige, und andere Personen Zutritt, worin meist die Audienz am Mittwoch statt findet. Schöne grüne Seidentapeten mit gleichen Meubeln und Fenster-Draperien, dann eine prächtige und wahrhaft kunstvoll gearbeitete Uhr, die einen Monath lang geht, von Ignaz Berlinger aus Wien, und zwey Pracht-Porzellanvasen zieren dieses niedliche Gemach. Das daranstoßende Zimmer ist die eigentliche Kammer des Kaisers, in welcher sich der Kammerdiener, Kammerheizer &c. befinden. Wir bemerken darin einen großen Barometer aus den Zeiten Kaiser Josephs. Im Rücken der Kammer ziehen sich zwey Vorzimmer hin, durch welche der Eingang von außen links zum Kaiser und auch zur Kaiserinn hergestellt ist.. An jenes der Kammer grenzt das Sitzzimmer; es ist mit gewirkten rothen niederländischen Tapeten, in der Mitte einer jeden Wand mit herrlichen Figuren, Basreliefs und Blumengewinden, äußerst kunstvoll gearbeitet und von großem Werth, ausgeschmückt, und mit weiß und vergoldeten Meubeln eingerichtet. Die Wachsbüste Ihrer Majestät der Frau Erzherzoginn Marie Louise, Herzoginn von Parma, aus ihrer Jugendzeit, und die lebensgroße Wachsfigur der kleinen Erzherzoginn von der ersten Gemahlinn Sr. Majestät, Elisabeth, Herzoginn von Würtemberg, sind auf den Kästen aufgestellt. Außerdem sind hier noch mehrere Miniaturgemählde von der hohen kaiserlichen Familie vorhanden. Ein Bruststück von weißem Marmor, der sterbende Heiland mit der Dornenkrone, und ein Crucifix aus Elfenbein gearbeitet; sind besondere Meisterstücke. In diesem Sitzzimmer speisen oft die Majestäten, wenn nicht Familien- oder sonst eine größere Tafel ist. Sowohl im Schreibcabinet als auch in diesem Sitzzimmer und Cabinette sind die Fenstertafeln aus einem Stück in sehr schmale, das ganze Fenster umspannende Fensterrahmen eingepaßt. Auch sind die Tafeln so genau in die Rahmen gefaßt und von einer solchen eigentümlichen Dichtigkeit, daß man keinen Wagen in der Burg fahren hört, welches, wenn man auf den Platz hinuntersieht, wie alles von Menschen wimmelt, und viele Wagen beständig hin und wieder fahren, eine wirklich höchst sonderbare Wirkung im Menschen hervorbringt, da man glaubt, Alles müsse gleichsam in der Luft schweben. – Von diesem gelangt man in das Schreibcabinet Sr. Majestät, welches mit vielen Kästen zum Aufbewahren der Schriften und mit dem Schreibtische des Kaisers versehen ist. Eine kleine aber sehr gut getroffene Gypsbüste des Kaisers Alexander von Rußland mag dem hohen Fürsten oftmahls zur Erinnerung an seinen erhabenen Freund und Bundesgenossen dienen, nicht minder zwey lebende sehr kleine brasilianische Luftschwärmer, Vögelchen, deren Gefieder kupferroth punctirt glänzend, und noch in keiner zoologischen Sammlung so schön vorgekommen ist. – An dieses Cabinet reiht sich wieder ein kleines Gemach, schön gemahlt und mit den Bildnissen Ihrer Majestät der gegenwärtigen Kaiserinn, der zweytverstorbenen Kaiserinn Maria Theresia und des Kaisers Leopold geschmückt. Hier bilden sich zwey Durchgänge, nähmlich links in das blaue Prachtzimmer zu Ihrer Majestät der Kaiserinn, und rechts in den Leopoldinischen Trakt, dessen ersteres daranstoßendes Zimmer gelb mit Seide meublirt, zugleich als Billardzimmer dient; das zweyte ist das sogenannte Familienzimmer, in welchem die menschenfreundliche hohe Kaiserinn verschiedene Gerätschaften in Kästen aufbewahrt, die sie an Arme spendet. – In diesem Zimmer, von wo aus reichliche Gaben den verschämten Armen zufließen, gewahrten wir auch an den Wänden, in Medaillon-Form grau gemahlt, die Porträte sämmtlicher jugendlichen Sprößlinge des Kaisers. Von diesem gelangt man noch in zwey Zimmer, die den Durchgang für den Kaiser bilden, zu der Stiege, genannt die »Kaiserschnecke,« welche rückwärts zu dem Controlorgang und zum Rittersaale führt.

Das zweyte Appartement ist jenes Ihrer Majestät der Kaiserinn, welches sehr natürlich mit dem des Kaisers in Verbindung steht, wie wir so eben gezeigt haben. Der Hauptaufgang ist aber auf der Säulenstiege und der Eingang links durch die zwey Vorzimmer des Kaisers, ein zweyter über die Bothschafterstiege, und vom ersten Stock an über die Seitenstiege bey der Burgcapelle, wo sich ebenfalls auch eine Antechambre befindet, von dieser links führt eine mit grünem Tuch belegten Treppe in das k. Oratorium der Capelle, aus dem zweyten ebenfalls links in die Privatbibliothek des Kaisers, gleich daneben auf die Terrasse, auf welcher sich der Wintergarten des Kaisers befindet, rechter Hand aber in die Gemächer Ihrer Majestät der Kaiserinn. Das erste Zimmer davon bildet die Garderobe Ihrer Majestät, an dieses stößt das Toiletten-Cabinet, welches ausgezeichnet geschmackvoll mit weißem Mousselin drapirt und mit vergoldeten Verzierungen sehr schön geschmückt ist. An das Garderobezimmer reiht sich sogleich das Arbeitszimmer Ihrer Majestät, es enthält durchaus gespannte schöne grünseidene Tapeten. In diesem prangen die Bildnisse der Frau Herzoginn von Leuchtenberg, der Frau Erzherzoginn Sophie und deren Schwester Prinzessinn Louise, dann jenes des Kaisers. Zwey kunstvoll aus weißem Marmor gearbeitete Säulenstühle, mit prachtvollen Verzierungen dienen als Standpuncte, auf welchem jeden eine große Porzellan-Vase steht, die überaus reich mit Gold und gemahlten Blumen sind, zwischen diesen befindet sich die aus weißem Marmor gearbeitete, sehr gut getroffene Büste des Kaisers Franz I. Als vorzügliche Kunststücke können wir zwey bey den Fenstern in der Ecke dieses Zimmers auf runden Postamenten von grau geflecktem Marmor stehende weiße Marmor-Vasen anführen, die alles übertreffen, was man bisher von erhabener Arbeit in diesem edlen Gestein gesehen hat; unsers Erachtens dürften solche Erzeugnisse des großen, bereits verblichenen Meisters Canova seyn. Ein viereckiger Tisch, dessen Platte von lauter kleinen Quadratblättern von überaus zahlreichen Steinarten kunstsinnig eingelegt ist, gilt von hohem Werthe, von noch höherem aber ein zweyter Tisch, in Venedig verfertigt, dessen zierliche Vase in der Mitte des dreyfüssigen Gestelles, von puren blauen venetianischen Glasperlen dicht überzogen ist, und auf dessen Platte in wunderlieblichen Gewinden, Zierrathen und Verzierungen aller Sorten, edler Gesteine, manche von bedeutender Größe, worunter vorzüglich die Türkisse zu zählen sind, enthalten. Der zierlich verschlungene Nahmenszug Ihrer Majestät besteht in prachtvoller Fassung aus puren Granaten. Diese kostbare runde Tischplatte ist mit einer Glasdecke verwahrt.

Von diesem Zimmer gelangt man in das Schlafgemach der beyden Majestäten, es ist von bedeutender Größe und ebenfalls mit grünseidenen Tapeten überspannt, nur von etwas lichterer Farbe, als das vorige mit zartem Blätter-Dessin. Unter einer zierlichen Draperie von gleichem Stoffe, die am Plafond eine Krone formirt, stehen die Betten, an der Seite weiter rechts zwey Claviere von Fladerholz, das übrige Meublement von Mahagonyholz ist schön, und die Sessel von gleichem Seidenzeuge überzogen. Viele schöne und wohlgetroffene Porträte zieren dieses kaiserliche Schlafgemach. Wir bemerken darunter jene des Max Joseph, verstorbenen Königs von Bayern, der Erzherzoginn Sophie, der an den Prinzen Johann von Sachsen verehelichten Prinzessinn Amalie, der Prinzessinn Marie und Prinz Carl von Bayern, der Schwester des letztverstorbenen bayerischen Königs, der gegenwärtigen Gemahlinn Theresia des jetztregierenden Königs sammt ihrem Gemahl Ludwig, der hochseligen Mutter unserer Kaiserinn, des Kaisers in ungarischer Marschalls-Uniform, der Gräfinn Mühlfeld. Erzieherinn der Kaiserinn und alle durchlauchtigsten Brüder Sr. Majestät des Kaisers in kleineren Porträten, vier Stück Gemählde, Ansichten von Venedig (große Meisterstücke), drey vorzüglich schöne Blumengemählde auf Porzellantafeln u. a. m. Eine vorzügliche Aufmerksamkeit zieht auch ein kunstvoll gearbeiteter Ofenschirm im feinsten Teppichstich, einen galoppirenden arabischen Krieger vorstellend, auf sich, welchen Graf Lichtenberg, Kammerherr weil. Sr. kais. Hoheit und Eminenz E. H. Rudolphs, Cardinals von Ollmütz, verfertigte. – Auch steht hier jene Schatulle, die Ihrer Majestät bey der Krönung als Königinn von Ungarn mit 50,000 Stück Ducaten von den Magnaten des ungarischen Reiches zum Geschenke gemacht wurde. Solche ist von Ebenholz mit geschmackvollen emaillirten Goldverzierungen, auf dem Deckel mit dem ungarischen Wappen geziert, und mit sehr massiven goldenen Handhaben versehen. Der Plafond ist schön gemahlt und ober den zwey Thüren prangen schöne Gemählde, die Ansichten der Städte Linz und Laibach enthaltend. Dieses Gemach führt in das anstoßende Empfangszimmer (oder Paradezimmer), welches einen wahrhaft majestätischen Anblick gewährt; dasselbe umläuft ein mit reichen Vergoldungen verziertes Gesimse von schwarzem Holze, von welchem bis zum Sockel Draperien von schwerem weißen Atlas in schönem Faltenwurf reichen, über die von obenher Umschläge von Scharlachsammt, welche reiche Goldstickereien enthalten, herabwallen; alle Sessel und Fauteuils sind von gleichem Sammt überzogen, und alle Gestelle ganz vergoldet, das ganze reiche Meublement aber mit grauen Taffetkappen überzogen. Acht aus purer Bronce künstlich gearbeitete Candelaber, derley Luster, Girandolleuchter und eine künstlich verfertigte Bronceuhr, dann ein dergleichen Tisch mit einer von Mosaik eingelegten Platte, die Entführung der Prinzessinn Europa darstellend, ein Geschenk des Pabstes Leo X.; endlich der schöne Plafond mit Goldverzierungen geben ein überraschend großartiges Bild von diesem kaiserlichen Prachtzimmer. zunächst diesem ist das Familien-Tafelzimmer mit blauen Seidentapeten und derley sehr schönen Meubeln. Auch Candelaber prangen hier um die Wette mit den Prachtwänden und schönem Plafond mit Gold, dann in den drey Superporten ober den Thüren die mit Kunst gemahlten Ansichten, die Städte Prag, Ollmütz, Brünn, Ofen und Pesth vorstellend. Anstatt zwey Öfen (solche existiren hier nicht, da Meißnerische Heitzung eingeführt ist) stehen auf gipsmarmornen Postamenten Statuen aus carrarischem Marmor gearbeitet, nähmlich der Centaur Chiron und der junge Achilles, dann der Vater mit dem jungen Helden Hannibal. Zwey große Öhlgemählde von dem Künstler Peter erheben die Schönheit dieses Zimmers. – Von hier aus führt noch ein Zimmer, in welchem der Secretär der Kaiserinn arbeitet, und welches mit lichten Meubeln von Eschenholz eingerichtet ist, zum Ausgange gegen die schon erwähnten Vorzimmer des Kaisers; ein anderes Seitenzimmer unterhält die Communication mit den Gemächern des Kaisers. Zwischen dem Secretariatszimmer und im Rücken des Prachtgemaches der Kaiserinn, gegen den Schweizerhof, ist die Bibliothek Ihrer Majestät angelegt, die auch zugleich als Lesezimmer dient. Die schönen Einrichtungen sind von schwarzem Holze sehr geschmackvoll, die Bücherkästen ganz vorzüglich zweckmäßig und die Wände mit blauen Seidenstoff überzogen.

Wir bemerken hierbey, daß das ganze Apartement Ihrer Majestät die Fronte im Schweizerhof im zweyten Stocke gegen das neue Burgthor zu einnimmt, eine herrliche Aussicht gegen die kaiserlichen Stallungen und die dortigen Vorstädte biethet, und auch von innen im Schweizerhofe den Theil ober der Bothschafterstiege umfaßt. Im zweyten Stock zunächst dem Eingange zu Sr. Majestät links an der Stiege befindet sich das geheime Cabinet des Kaisers; auf der andern Seite im zweyten Stocke im Schweizerhof, wozu der Aufgang über eine schmale Stiege führt, ist ein kleines Apartement der Obersthofmeisterinn und unter derselben im ersten Stock dem Obersthofmeister der Kaiserinn bestimmt.

Die Querfronte des ersten Stockwerkes im Schweizerhof mit der Aussicht gegen den Burgplatz, welche vormahls von Sr. kais. Hoheit dem Kronprinzen bewohnt wurde, gehört gegenwärtig für fremde Gäste. Sie besteht aus 7 Gemächern, wovon das erste noch die Bibliothek des jüngern Königs in schwarz polirten Kästen enthält, ohne kostbare Einrichtung und zwey Zimmer für die Dienerschaft.

Das sogenannte Halbgeschoß (dieß ist das niedere Stockwerk zwischen ebener Erde und dem eigentlichen ersten Stocke) wird zunächst dem Thore vom Burg-Inspector und die andern derley Zimmer von verschiedenen andern Hofpartheyen bewohnt. An diese stößt die kaiserliche Schatzkammer mit dem Ausgange auf der Säulenstiege.


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