Franz Gräffer
Franciscéische Curiosa
Franz Gräffer

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Die Jacobiner-Verschwörung in Oesterreich.

(Materialien zu deren Geschichte.)

1.

Eine mächtige Verschwörung arbeitet von einem Ende Europens bis zum andernAnfangs der neunziger Jahre., nicht allein an Untergrabung der Verfassungen, sondern auch an dem meisten, was bisher unter den Menschen in der physischen und moralischen Welt bestanden hat; und eine mächtige Nation unterstützt diese Verschwörung. Doch minder gefährlich ist diese Nation als jene Verschwornen; diese schleichen im Dunkeln, und können uns von hinten ermorden; das französische Volk aber hat das Schwert in der Hand, hat sich als unser Feind erklärt, und wir haben uns also nach diesem zu richten. Ach minder mächtig als das Heer der Verschwornen, sind die Heere jener Nation; diese werden nie ganz Europa erobern können, jene aber sehr leicht, weil sie nach jedem Siege stärker werden, und ihre Kriegsbedürfnisse, als Schlauheit, Arglist, Egoismus, Herrschsucht und Leidenschaften aller Art, mit geringer Mühe und ohne große Kosten mit sich führen. Fast alle beträchtlichen Städte Europens fühlten mehr oder minder die Erschütterungen, welche die versteckten Feinde in ihrem Innern erregten. Ja, Neapel und Turin standen am Abgrunde des Verderbens, und in der letzten Hauptstadt war der Zwischenraum, der Ruhe von Anarchie, Sicherheit von allgemeinen Mordscenen trennte, nur eine kurze Frist von sechs Stunden. Sechs Stunden später als die Entdeckung, und auch Italiens lächelnde Gefilde wären unter den heiligen Nahmen Freyheit, Vaterland und Tugend, mit Tyranney, Leichnamen und Lastern bezeichnet. Auch selbst das wahrhaft freye London fühlte sich bedroht, und willig entsagte die Nation auf einige Zeit einem ihrer theuersten Vorrechte, der habeas corpus Acte; welche Entsagung kein Minister mit Gelde zu erkaufen im Stande gewesen wäre, wenn man nicht die Nothwendigkeit davon eingesehen hätte. Doch meinen deutschen Mitbürgern, für welche ich jetzt schreibe, wird vor allem das merkwürdig seyn, was seit einiger Zeit in der Residenz unsers Kaisers, in Wien vorgefallen ist. Sonderbar und befremdend war es, daß zu eben der Zeit, als der Staat mit der größten Energie alle seine Kräfte gegen die unglückliche und wüthende Nation aufboth, die in ihrem unseligen Rausche sich und andere zu Grunde richtet; als Oesterreichs zahlreiche Heere mit einer, selbst vom Feinde laut bewunderten Tapferkeit kämpften, und während neun Wochen (vom 16ten April bis zum 26sten Juny vorig. Jahrs) keine Sonne auf- und keine untergehen sahen, die sie nicht im Streite getroffen, die sich nicht in Blut getaucht hätte; zu einer Zeit, wo aus allen Städten, aus allen Provinzen mit einer Art von Wetteifer freywillige Beyträge dargebracht wurden, die nicht viele Tausende, sondern viele Millionen betrugen; daß zu eben der Zeit, in eben den Städten und in eben den Provinzen eine große, weit um sich greifende Rotte Verschwörer entdeckt wird, die selbst die Stufen des Throns erreichte, und deren ganze Ausdehnung man sehr wahrscheinlich noch nicht kennt. Ich bin einigermaßen in den Stand gesetzt, nähere Aufklärung über das meiste, was diese Sache betrifft dem Publicum zu geben. Meine Mitbürger mögen dadurch die Mittel und Wege kennen lernen, deren man sich zur Überredung, zur Überlistung und zu Entflammung des Enthusiasmus bediente, und unsere Fürsten mögen lernen, wie nöthig es ist, Wachsamkeit mit nachdrücklichen Maßregeln zu paaren.

Ich weiß der Verbindung, der Rotte, oder der Verschwörung, von welcher ich reden will, keinen eigentlichen Nahmen zu geben; denn sie war und ist stets bereit, einen jeden, oder auch gar keinen Nahmen anzunehmen, je nachdem sie es für ihre Werke am zuträglichsten hält. So viel ist gewiß, daß sich in Frankreich, Deutschland, und mehreren Ländern durch den alles umfassenden Geist von zwey oder drey Menschen eine Secte bildete, deren Hauptzweck Herrschaft war. Mit Gewalt konnten sie diesen Zweck nicht erreichen, weil sie schwach, weil ihre Anhänge nur sehr klein waren. Sie bedurften also List dazu. Da man aber in unserm Jahrhunderte im Gebiethe des Trugs und der Schlauheit schon gar große Fortschritte machte und mancherley Wege eingeschlagen waren, so blieb es vor allem wichtig, einen ganz neuen Weg zu finden, wie man die so oft und so gern betrogenen Menschen am sichersten hintergehen und zu Werkzeugen der verborgenen Absichten machen könnte. Einige wirklich hervorragende Geister, die ihrem Vaterlande unstreitig viele Dienste hätten leisten können, die aber, von der Idee durchglüht und getrieben, viele tausend Individuen, und durch diese die Fürsten, und dann die Länder und Völker nach ihrer Willkühr am Gängelbande zu leiten, eine andere Richtung nahmen; diese für unser Zeitalter leider aufbewahrten Geister erfanden das neue Trugsystem, das zur Verwirklichung ihrer Absichten am zuträglichsten war. Tugend und Laster, Leidenschaft und Indolenz, schöne und schlechte Thaten, Dummheiten und Spitzfindigkeiten, Alles mußte zu der Erreichung des Zweckes beytragen, den nur sehr wenige durchschauten. Die schlauen Betrüger kannten die Menschen. Sie wußten, daß, eben so, wie sie in der physischen Welt meistens durch äußere Zeichen geleitet werden, auch in der moralischen, der Ton, der Schall gewisser Worte sie leitet, deren eigentlicher Gehalt ihnen ganz unbekannt ist. Deswegen gaben sie ihrem Zwecke die herrlichsten Nahmen, und dieß war ihr Meisterstück; es war die feinste Benutzung der Stimmung unseres Zeitalters. Veredlung des Menschengeschlechts, Zurückführung desselben zu seiner angestammten Würde, zu seinem ihm bisher entrückten Ziele seiner Bestimmung, dieses waren die Nahmen im Allgemeinen.

Es ist von einer That die Rede, die man so gern in der Vergessenheit ewige Nacht hüllen möchte, wenn das empörte Herz so etwas vergessen könnte. Unerträglich und häßlich ist der Gedanke, daß auf Deutschlands Boden eine Abscheulichkeit gediehen haben sollte, von der man selbst in dem stets mordenden Frankreich nichts gehört hat. Colombe, so ist der Name des . . . . ich will ihn nicht ausdenken, den entsetzlichen Gedanken; genug dieser ward in Verhaft genommen, weil der stärkste, gegründetste Verdacht auf ihn fiel. Selbst jetzt erfuhr man noch nichts von der Schlange, die im Busen des Staats verborgen war. Ich gestehe, daß ich auch nicht die Möglichkeit einsehe, wie man etwas hätte erfahren sollen, da die Werkzeuge der heimlichen Verschwörung, stets blind und unbekannt sind mit der Hand, die sie leitet. Dazu kam noch, daß sich diese Menschen in allen Departements, in allen Gerichtsstellen gehörig verschanzt hatten. Wäre man bey mancher großen Unternehmung im Kriege, mit der auf alle möglichen Fälle berechneten Vorsicht, mit der außerordentlichen Schlauheit, wie diese verbündeten Ruhestörer, zu Werke gegangen, man hätte viel ausrichten können.

Uebrigens ließ es die schwarze Verbrüderung an keiner Vorsicht fehlen, um sich auch fernerhin gehörig versteckt zu halten. Sobald sie die gespanntere Aufmerksamkeit derjenigen Mitglieder der Polizey wahrnahmen, die nicht zu ihrer Gesellschaft gehörten, waren sie behutsamer in der Wahl der Aufzunehmenden, und stellten die Zusammenkünfte sämmtlich ein, außer in Ofen, wo dieselben bis zu der Epoche, von welcher wir bald reden werden, fortdauerten, weil die dortige Landesverfassung manche Maßregeln zu ergreifen verbietet, die in unsern Zeiten oft höchst nützlich seyn können.

Doch mit einemmale verbreitete sich ein schreckliches Licht über die Gefahr, in welcher man geschwebt hatte. Die Gefangennehmung von Semonville, der als außerordentlicher Bothschafter der Jacobiner nach Constantinopel gesandt wurde, war für einen großen Theil Europa's wichtiger, als alle Siege und Eroberungen, als irgend ein Vorfall seit der Erscheinung des politischen Fanatismus in Frankreich. Wahrlich etwas viel kostbareres als die Schätze und die sogenannten diamans de la couronne, die dieser saubere Botschafter mit sich führte, ward mit ihm aufgefangen. Denn ihr müßt wissen, daß die Plane dieser Menschen groß und vermessen sind, wie ihre verbrecherischen Leidenschaften.

Nicht allein ein abermahliger orientalischer Krieg, dessen Folgen bey der jetzigen Lage der Angelegenheiten unübersehbar gewesen wären, nein, auch wahrscheinlich der gänzliche Umsturz der österreichischen Monarchie, und mit dieser, mehrerer benachbarter Staaten, ward durch jenen Fang hintertrieben. Wenn ihr diesen Worten, ihr Fürsten, nicht glauben wollt, so seyd so gütig und erkundigt euch an der Quelle. Man wird euch gewiß keine Erläuterung versagen. Dann aber überzeugt euch, wie ihr betrogen werdet, wenn man euch versichert, daß die Gefahr, die euch und – bedenkt es – euern Völkern drohet, eine Erfindung müßiger Köpfe, ein Hirngespinst sey. Die Papiere die jener Semonville bey sich führte, war der kostbare Schatz, den man mit ihm eroberte. Meine Feder ist zu schwach, alles das zu schildern, was man mir von der Verwunderung, von dem Erstaunen, ja von dem Schrecken der Personen erzählt hat, die zuerst jene Papiere erblickten. Man sah sich plötzlich in eine Verrätherwelt versetzt, von der man eine Minute vorher noch gar nichts ahnete. Welch ein Gefühl für einen jungen Monarchen, dessen verdachtloses Herz noch unbekannt war, mit den Meisterstücken der Bosheit und Verstellung, und der neben dem unbeneidenswerthen, unglückseligen Erdenleben, das er zu führen hat, noch solche Kränkungen erfahren muß!

Man fand Nahmen und Briefe von Personen, welchen man eine Minute vorher, das Schicksal des Staats noch anvertraut hätte, und die man jetzt in der innigsten Vertrautheit, und wie in einem Familienbündnisse, mit den ärgsten Feinden des Staats und dessen Bürger erblickte. Und doch hatte man noch nicht den vierten Theil von dem entdeckt, was man heute weiß; es betraf damahls bloß Wien und Triest.

Außer den ganz untersten Bedienungen, waren fast in jedem Range in den verschiedenen Dicasterien Verräther zu finden, besonders aber bey der Hofkriegskanzley und der Hauptmauth. Auch einige schwarze, recht ausgezeichnet undankbare Seelen entdeckte man unter ihnen; Menschen, die dem Monarchen nicht allein Alles zu danken hatten, sondern auch mit Wohlthaten und beynahe freundschaftlichem Wohlwollen von ihm überhäuft wurden.

Als man dem Kaiser den Nahmen eines gewissen Secretärs nannte, der mit der Verräthergesellschaft entdeckt war, ließ er sich denselben drey oder viermahl wiederholen und sagte stets die Worte dabey: »Nein, der kann es nicht seyn.« Endlich verlangte er ihn zu sehen. So wie der Mensch ins Zimmer trat, sank Franz beynahe ohnmächtig und mit dem Ausrufe auf einen Stuhl: »Auch der? Abscheulich!« – – Undankbarkeit muß wirklich einer der häßlichsten Züge seyn, die im Herzen des Menschen anzutreffen sind, weil in dem andern Herzen, das dadurch gekränkt ist, eine so schmerzliche Empfindung erregt wird.

Es dringt sich mir die Bemerkung hier auf, daß in diesen Zeiten, meistens die mit Wohlthaten überhäuften Lieblinge, oft auch die Vertrauten der Fürsten, die ersten Verräther wurden; hingegen der ungekannte, oder verkannte, oder gar verstossene Diener, als der treueste Biedermann, rechtschaffenste Beamte, und als der unerschütterlichste Patriot in den entscheidenden Augenblicken sich zeigte, wo die wahre Feuerprobe abzulegen war.

Mainz ist unter vielen Beyspielen das auffallendste. Dieß könnte wohl beweisen, daß die Fürsten gleiche Vorsicht, bey Auswahlen sowohl, als bey Ächtungen bedürften.

Man überzeugte sich jetzt, daß die Gefahr, in der man schwebte, nicht allein groß, sondern schrecklich war, daß keine Zeit zu verlieren sey, und daß auch selbst diese Entdeckung nicht gemacht worden wäre, wenn man zufälliger Weise gewissen andern Personen die Untersuchung jener Papiere anvertraut hätte, welches sehr leicht geschehen konnte, indem man alle für gleich treue Diener des Staats hielt. So vie1 man erfahren, hatten die geheimen Unterhandlungen und Geschäfte von Semonville, Lieferungen von Ochsen und Getreide, Bestellungen in Triest, andere Verabredungen, und – Erkundigungen aus gewissen Dicasterien zum Gegenstande.

Alle als Verräther erkannte Personen, wurden augenblicklich in Verhaft genommen und ihre Papiere durchsucht. Bis jetzt glaubte man immer noch, es sey eine glücklich entdeckte, große und gefährliche Verrätherey; doch nun sah man endlich, daß es eine Verschwörung, eine nach Planen handelnde Rotte, eine förmliche Verbindung zur Umstürzung des Staates war.

Ein jeder Tag gab mehr Aufklärung, ein jedes Blatt Papier unter den schlau versteckten und glücklich gefundenen Schriften gewisser Verhafteten, zeigte einen neuen Bösewicht. Man hatte doch jetzt wenigstens einen Faden, um tiefer in das Verrätherlabyrinth zu dringen. Doch dann ward es ganz Licht, als man bey einigen zwanzig Eingezogenen, Schriften, Verhandlungen und Nahmen vergangener und gegenwärtiger Machthaber in Frankreich, und eines gewissen andern Landes fand.

Nun sah man, daß nicht allein in Wien und Triest, sondern fast in allen Städten der Monarchie, Mitverschworne zu finden waren. Aus Böhmen, Mähren, Steyermark, Galizien und Ungarn brachte man die entlarvten Verräther zusammen, und um den Rechten des letzten dieser Länder nicht nahe zu treten, ward von der in Wien befindlichen ungarischen Hofkanzley eine eigene Commission ernannt, jener Hauptuntersuchungs-Commission beyzusitzen.

Ungefähr vor einigen Monathen wurde wiederum eine große Anzahl mit einemmahle entdeckt, und vor einigen Wochen ward der Hauptmann und Professor Billeck an der Cadeten-Schule in Wienerisch-Neustadt gefänglich eingebracht. Man hält ihn für einen der ersten im Range der alles verheerenden Verbindung, und hat bey ihm ein förmliches Archiv gefunden. Dennoch zweifle ich daran, daß man schon zu Ende ist mit der gemachten Entdeckung, denn jeden Tag beynahe finden sich neue Verschworne.

Von den Verhandlungen und den Fortschritten der Untersuchungs-Commission kommt natürlich nichts an den Tag, bis man einmahl sagen kann: Das vielköpfige Ungeheuer ist nicht mehr! Über vier Verbrecher ist aber bereits das Urtheil gesprochen. Man hat es in den öffentlichen Blättern gelesen. Gilloffsky, der sich selbst erhenkte, war bey der Feldkriegskanzley angestellt; seine Verbrechen sind sehr groß. Er theilte den Feinden mit, was er erfahren konnte. Nun wundere man sich noch über manche Vorfälle und Ereignisse in diesem Kriege!

Prandtstätter war eine Magistratsperson und Beysitzer bey dem Departement der gemeinschaftlichen Militär- und Civilcommission. Hackel der Besitzer eines sogenannten Glückshafens, und Jutz, Doktor der Rechte. (Geheime Geschichte der Verschwörung der Jacobiner in den österreichischen Staaten. London 1795, Octav.)Anderes aus dieser Schrift, die frühere Periode (unter Jos. II.) betreffend, im 3. Bändchen des Buches: »Josephinische Curiosa.« (Wien 1848.)

2.

Im Monath November wurde auf der hiesigen Universität ein neuer Lehrstuhl der italienischen Sprache und Literatur errichtet, wo der dazu bestimmte außerordentliche Lehrer Sarchi aus Gradisca am 11. dieses Monaths die Vorlesungen anfing. Um eben diese Zeit ward in Wien ein staatsverrätherisches Complott entdecket, welches aus verschiedenen ansehnlichen Civil- und Militärpersonen bestand, die nichts geringeres zur Absicht hatten, als damahlig französisch-demokratische Grundsätze unter das Volk auszustreuen, dasselbe zur Verbreitung aufrührerischer Schriften gegen ihren besten Landesfürsten aufzuwiegeln, und eine Staatsrevolution zu bewirken. Einer dieser Nichtswürdigen, Nahmens Gilloffsky, erdrosselte sich selbst im Arreste, um sich der öffentlichen Schande zu entziehen, allein sein entseelter Körper wurde dessen ungeachtet dem Gesetze gemäß, noch in diesem 1794. Jahr, außer dem Stubenthore auf dem Glacis nächst des Wienflußes an einen in die Erde gegrabenen Pfahl mit einer an der Brust hängenden Tafel mit der Aufschrift: Staatsverräther, aufgehangen. Mit den übrigen ward die Untersuchung durch eine von Sr. Majestät dem Kaiser eigens hierzu ernannte gemischte Civil- und Militär-Commission fortgesetzet.

Am 8. Jänner dieses 1795. Jahres ward der Staatsverräther Franz v. Hebenstreit, Platz-Oberlieutenant in Wien, 46 Jahre alt, von Wien (?) gebürtig, wegen Ausstreuung französisch-demokratischer Grundsätze, Ansteckung und Aufwiegelung des Volkes, Verfassung aufrührerischer Schriften, wegen Beleidigung Seiner Majestät selbst, wegen anbefohlenem Aufruhr und Aufruf an das Volk, die Ruhe und Ordnung des Staates zu stören, wegen Verfassung eines aufrührerischen Volksliedes, wegen neu erfundener Streitmaschinen, die er nach Frankreich und Pohlen befördert hatte, nebst Confiscirung seines Vermögens, seines Adels, seiner Charge ehrlos entsetzet und zum Strang verurtheilt; auf dem Glacis zwischen dem Schotten- und Burgthor an einen neu errichteten Galgen aufgehangen, mit einer an einer Kette abhangenden Tafel mit der Aufschrift: Franz Hebenstreit wegen Staats- und Landesverrätherey. Bald darnach ward der in der wienerisch-Neustädter k. k. Militär-Cadetten-Academie angestellt gewesene Professor und Hauptmann Billeck v. Billenberg wegen gleichmäßigen Verbrechens, jedoch mildernden Umständen, seines Adels und seiner Charge infam entsetzet, und nebst Confiscirung seines Vermögens zur 10jährigen Schanzarbeit in Eisen verurtheilt.

Am 12. März hernach wurden drey Civilpersonen dieses Complots, nähmlich der Titularregierungsrath Franz Gotthardi, der Lemberger Polizeyobercommissär Franz Xaver v. Troll, und der gew. bürgerl. Handelsmann Johann HackelWar auch Inhaber eines sogenannten Glückshafens auf dem Graben, nächst der Hirschapotheke; eine hölzerne Bude, wie die Markthütten. Seine Frau war die Geliebte des Dichters Blumauer; dieser starb bey ihr in ihrer Wohnung in der Kärnthnerstraße, beym eisernen Mann. Frau Hackel war Inhaberinn des Badhauses zur scharfen Ecke in der Leopoldstadt. Der geniale Schauspieler Heurteur, jetzt (1849) Inhaber dieses Badehauses ist ihr Schwiegersohn. – Anm. d. Herausg. wegen gleichmäßigen Verbrechens des Landesverrats öffentlich auf dem hohen Markte auf die Schandbühne gestellet, der erste des Regierungsrathstitels und seiner Pension, der zweyte seines Dienstes und Adels, und der dritte seines Vermögens verlustig erkläret, und auf 30 Jahre zum schweren Gefängniß auf einer Festung verurtheilt. Die Confiscation des Vermögens haben aber Se. Majestät der Kaiser nachher aus angeborner Milde in Gnaden nachzusehen geruhet. Späterhin standen noch drey andere Staatsverräther öffentlich auf einer zwischen dem Schotten- und Burgthore am Glacis errichteten Schandbühne, wohin sie durch die Polizeywache durch drey nach einander folgende Tage geführet wurden; hernach lieferte man sie laut des Urtheils auf 30 Jahre in Festungen ab. Zwey andere Mitschuldige vom Militärstande wurden ihrer Chargen entsetzet, der eine zur 10- der andere wegen mildernden Umständen zur 4jährigen Schanzarbeit in Eisen abgegeben; einige minderschuldige Theilnehmer aber zur Zuchthaus- und Arreststrafe verurtheilt. (Geusau Geschichte Wien's 5. Band).

3.

»Urtheil über den Martin Joseph Prandstätter und Heinrich Jeline.«

Wien, den 3. August 1795. 8 Seiten in Octav.

Martin Joseph Prandstätter, Magistratsrath, hatte, geleitet von Schwärmerey und Eigendünkel, schon vorhin bey mehreren Gelegenheiten, seine Vorliebe für das unselige Freyheitssystem laut zu erkennen gegeben; er wurde dieserwegen von derjenigen Stelle, welche auf die Ruhe und Sicherheit der Staatsbewohner zu wachen hat, und lieber Verbrechen zu hindern, als wirkliche Verbrecher der strafenden Gerechtigkeit zu überliefern, liebevoll zu rechte gewiesen und für die Zukunft gewarnt; allein diese menschenfreundliche Behandlung blieb bey ihm ohne Wirkung, statt in die Schranken der Bescheidenheit zurückzutreten, und das Glück einer sanften Regierung zu erkennen, gesellte er sich vielmehr zu Menschen, welche boshafte Pläne zum Umsturze der gegenwärtigen Staatsverfassung entwarfen, zu dem Ende geheime Verbindungszeichen in Vorschlag brachten, aufrührerische Schriften verfaßten, und in Umlauf setzten, und selbst dem Feinde des Vaterlandes eine Kriegsmaschine in verräterischer Absicht überschickten; er hatte von allen diesen bösen schändlichen Unternehmungen nicht allein volle Wissenschaft, sondern nahm durch Übersetzung und Verbreitung aufrührerischer Schriften auch werkthätig Theil daran.

So wie nun diese Theilnahme schon an und für sich strafenswürdig ist, so wird der Grad der Sträflichkeit noch dadurch erhöhet, daß derselbe in der Eigenschaft eines Magistratsraths dem Bürger des Staats ein Beyspiel unverbrüchlicher Treue gegen Monarchen und Staat zu geben, und jede, selbst die entfernteste Gefahr, wodurch das Wohl vieler Tausende bedrohet wurde, der aufgestellten Obrigkeit anzuzeigen verpflichtet war.

Nachdem sich derselbe nun einer wirklichen Theilnahme an dem Verbrechen des Landesverrates schuldig gemacht hat, so ist folgendes gesetzmäßiges Urtheil über ihn gefällt: worden:

Derselbe soll nach vorläufiger Entsetzung von seinem Amte, und Einziehung seines Vermögens, durch drey aufeinander folgende Tage, jedesmahl eine Stunde lang mit einer ihm vor der Brust hangenden, und sein Verbrechen durch die Worte:

Theilnahme
am
Landesverrath

anzeigenden Tafel auf der Schandbühne öffentlich ausgestellt, sohin durch 30 Jahre zum langwierigen schwersten Gefängnisse zweyten Grades auf einer Festung angehalten, und demselben dieses Urtheil öffentlich angekündigt werden.

Heinrich Jeline, gewesener Privatlehrer, hatte schon durch längere Zeit einen vertrauten Umgang mit Leuten gepflogen, welche in Geheim auf den Umsturz der gegenwärtigen Staatsverfassung mit allen ihren Kräften arbeiteten; er war von allen ihren staatswidrigen Gesinnungen und Handlungen vollkommen unterrichtet, machte hievon der Obrigkeit, wie es doch Pflicht von jedem fordert, nicht nur keine Anzeige, sondern er verbreitete vielmehr selbst, so viel an ihm lag, die verderblichsten Gesinnungen und Grundsätze, warb Anhänger für dieselbe an, theilte ihnen die verabredeten Zeichen mit, woran sich ähnlich Gesinnte erkennen könnten, vermehrte aufrührerische von andern verfaßte Schriften mit noch boshaftere Zusätze, entwarf einen Plan, wie das Bemühen der Obrigkeit, dem im Finstern schleichenden Laster auf die Spur zu kommen, zu vereiteln sey, und zeigte sich in allen seinen Reden und Handlungen als einen erhitzten Feind der guten Ordnung, der Gesetze und des Wohles seiner Mitbürger.

Nachdem diese seine Vergehen durch die gerichtliche Untersuchung in volles Licht gestellt worden sind, fiel der richterliche Spruch über diesen Staatsverbrecher dahin aus:

Heinrich Jeline soll nach vorläufiger Einziehung seines Vermögens durch drey aufeinander folgende Tage, jedesmahl eine Stunde lang, mit einer ihm vor der Brust hangenden, und sein Verbrechen durch die Worte:

Theilnehmer
am
Landesverrath

anzeigenden Tafel auf der Schandbühne öffentlich ausgestellt; sohin auf dreyßig Jahre zum langwierigen Gefängnisse zweyten Grades in eine Festung verschafft, dieses Urtheil aber demselben öffentlich angekündigt werden.

»Urtheil über den Landesverräther und Verführer Andreas Riedl.«

Wien, den 29. Julius 1795. 8 Seiten in Octav.

Andreas Freyherr von Riedel hatte vorhin das Glück, dem Monarchen selbst nahe zu seyn, er war Zeuge von dessen unausgesetztem Bemühen, seine ihm von Gott anvertrauten Völker durch Milde, Biederheit und Gesetze glücklich zu machen, wurde mit Gnaden und Wohlthaten überhäuft, und sogar in den Freyherrnstand erhoben – aber alles dieses vergaß der Undankbare – zu eben der Zeit, als er sich mit heuchlerischer Ehrfurcht dem Throne näherte, um Vertrauen zu erschleichen, schmiedete er meuchelmörderisch Plane, eben denselben zu untergraben; in eben dem Augenblicke, wo er die Vorzüge des Adelstandes genoß, und stolz auf andere herabsah, sann er unaufhörlich darauf, die Abstufungen der verschiedenen Stände zu zerrütten, alle Verhältnisse zu zerreissen, und die bürgerliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit, die so süßen Früchte einer weisen und sanften Regierung, seinem Aberwitze und seiner boshaften Gemüthsart aufzuopfern; er ließ zu dem Ende kein Mittel unversucht, was nur immer in seiner Gewalt lag; mit schwarzer Tücke entwarf er wirklich einen Plan zum Umsturz des gegenwärtigen Staatssystemes, verfaßte und verbreitete Schriften, welche die Absicht hatten, schwache Gemüther irre zu führen, und boshafte Seelen zu gewaltsamen Auftritten vorzubereiten. Da er wohl einsah, daß ein einzelner Mensch zu so riesenmäßigen ungeheuren Schandthaten nicht zureichend sey, so suchte er Mitgehülfen des Lasters und fand sie; einige waren noch unbefangen, diese wußte er durch Schmeicheley und alle Verführungskünste für sich und seine Entwürfe zu gewinnen, und solchen nach und nach das Gift der Neuerung einzuimpfen; andere waren schon mit allen Fähigkeiten zu schwarzen Unternehmungen ausgerüstet und hielten schon den Dolch in der Hand, um ihm jeden ihrer Mitbürger ins Herz zu stossen, die nicht dachten wie sie, oder sich nicht gutwillig seines Eigenthums begeben wollte; diese umfaßte er brüderlich, lachte ihren Grundsätzen und Vorarbeiten Beyfall zu, und eiferte sie an, dem Revolutionsgeschäfte ihre ganze Thätigkeit zu schenken. Damit er aber auch diejenigen unter seine Fahne vereinigen konnte, welche mit ähnlichen Gesinnungen vielleicht hie und da zerstreut sich befänden, brachte er gewisse Handzeichen in Vorschlag, an welchen sich die Mordgesellen einander erkennen und auf den ersten Wink zusammenrotten könnten. Auch hatte er Wissenschaft von einer dem Feinde überschickten Kriegsmaschine, welche dazu erfunden war, um den Truppen seines Landesfürsten Abbruch zu thun.

Nach Maaße dieser abscheulichen, auf die Sicherheit des Thrones und das Glück aller guten Bürger so nahen Bezug habenden Verbrechen, hat die strafende Gerechtigkeit folgendes gesetzmäßiges Urtheil am 22. Julius gegenwärtigen Jahres über ihn gefällt:

Derselbe soll seines Adels entsetzt, durch drey aufeinander folgende Tage, jedesmahl eine Stunde lang mit einer ihm vor der Brust hangenden, die Aufschrift:

Landesverräther
am
Verführer

enthaltenen Tafel auf der Schandbühne ausgestellt, sohin durch sechzig Jahre in dem langwierigsten schwersten Gefängnisse zweyten Grades auf einer Festung angehalten, der Pension und des Vermögens verlustig erkennet, und demselben dieses Urtheil öffentlich angekündigt werdenAuf sechzig Jahre! Entsetzlich! Der Mann mochte damahls schon seine guten 40 gezählt haben. Wäre es erlaubt, bey solchem Anlaß zu scherzen, so könnte man (was bey einer ähnlichen Gelegenheit in unbegreiflicher Verlorenheit oder Naivetät wirklich geschehen) ausrufen: »Ja, das hält der Mann gar nicht aus!« – Der Sammler und Herausgeber dieser Materialien sah Riedeln, der von einer mächtigen Truppe Polizeysoldaten umgeben war, über die hohe Brücke, die Schwertgasse vorüber escortiren. Das Volk sagte, man führe den Delinquenten aus Grausamkeit diese Gasse vorbey, in der er gewohnt habe, um ihn durch deren Anblick »noch extra« zu strafen. – Als Hackel und Prandstätter auf der Schandbühne standen, witzelte und verselte dasselbe Volk: Mein lieber Hackel, das ist ein Spektakel; mein lieber Prandstätter, das ist ein Wetter! –.

4.
Neuere Ansichten und Nachrichten.

Diejenige Wendung der französischen Revolution, welche man gewöhnlich die Schreckenszeit nennt, hatte in den meisten Gemüthern außerhalb Frankreich den Enthusiasmus für sie sehr abgekühlt, einige sogar ganz umgestimmt, und nachdem sie früher die neue Morgenröthe der Freyheit mit lautem Jubel begrüßt, wieder zu den hartnäckigsten Anhängern des Alten gemacht. In Österreich zählte sie nie viele Anhänger; der Adel mußte ihr, einige wenige vereinzelte Glieder desselben vielleicht ausgenommen, seiner Natur nach entgegen sein; der Bürger war mit Erwerb und mit Genuß des Erworbenen beschäftigt; der Bauer entweder ohne das Gefühl seiner Lage oder resignirt, und wenn er auch trotzig war, unmächtig. Die keimenden Saaten Luthers waren von den Ferdinanden im Blut ertränkt, der widerspänstige Adel dezimirt, der aufrührerische Bürger der althergebrachten Freyheiten beraubt, in Fesseln geschlagen und den Jesuiten zur Zucht überliefert worden. Seit den Tagen dieser frommen Kaiser versank in Österreich Alles in dumpfe Erstarrung an der nur manchmahl die Türken, dann Friedrich der Große, zuletzt Joseph II. rüttelten – Joseph der Zweyte, in dessen Adern das Blut der Habsburger ganz umgeschlagen und zum brausenden Gährungsstoffe der Aufklärung geworden war.

Unter die geringe Zahl derjenigen, welche in Österreich noch für das Ideal der Freyheit begeistert waren, gehörte Hebenstreit. War er doch ein Böhme, ein Sohn jenes Landes, das am meisten unter dem Drucke der privilegirten Stände litt, und ein Soldat dazu, ein täglicher Zeuge aristocratischen Übermuthes, brutaler Mißhandlungen, gegen Menschen geübt, die zu willenlosen Werkzeugen jedweder Tyranney herabgewürdigt waren. Ihm selbst gelang es freylich durch die angestrengteste Thätigkeit, die weite Kluft zu überspringen, die den Gemeinen vom Officiere trennte, aber was gewann er dadurch anders, als daß er die Rolle des Gepeinigten, mit der des Peinigers vertauschte? Seine Compagnie war es gewesen, in die man unter Leopold den Bürgermeister einer kleinen böhmischen Stadt, einen wohlhabenden, rechtschaffenen Mann, eingereiht hatte, der zur Strafe dafür, daß er an der wegen der Aufhebung der josephinischen Steuerregulirung entstandenen Unruhen Antheil genommen, als Gemeiner unter die Soldaten gesteckt war.

Aus seinen Überzeugungen machte Hebenstreit kein Geheimniß; wenigstens äußerte er sie ohne Scheu gegen diejenigen, welche er für seine Freunde hielt, oder denen er ähnliche zutraute. Im nähmlichen Sinne leitete er auch die Thätigkeit der Loge, solange er ihr als Meister vom Stuhle vorstand. Einen Umsturz, der in Österreich bestehenden Verfassung, durch eine Revolution, wie die in Frankreich, oder durch noch gewaltsamere Mittel hielt er für unmöglich und wünschte ihn auch nicht mehr, aber er hoffte von der Bewegung, welche die Welt ergriffen hatte, sie werde der Mittelclasse zum Bewußtseyn ihrer Macht und dadurch zum Siege verhelfen. Zu diesem Resultate sollte auch die geheime Verbindung beytragen, die unter dem Nahmen der Resurrectionisten im Jahre 1789 gestiftet worden war und eifrige Anhänger des josephinischen Regierungssystemes unter ihren Mitgliedern zählte. Nach dem Tode dieses Kaisers trennte sie sich in zwey Abtheilungen, von denen sich die eine bald mit den Freymaurern vereinigte, die andere aber, mit einem dirigirenden Comité an der Spitze, in dem sich auch Hebenstreit befand, den reactionären Maßregeln Leopolds und seines Nachfolgers Franz entgegenzuwirken suchte, freylich nur mit geringem Erfolge, da sie beynahe darauf beschränkt war, in den ihren Eingeweihten zugänglichen Kreisen die Ideen zu verbreiten, welche eine Auferstehung und Wiedergeburt der Völker herbeyführen sollten.

An einem Augustabende des Jahres 1794 begab sich Hebenstreit von dem Gebäude, in dem sich die Kanzley des Platzcommandos der Stadt Wien befand, bey dem er als Platzlieutenant fungirte, nach der Wohnung des Generals Grafen Harrach, dem er als Adjutant beygegeben war. Auf seinem Wege durch eine abgelegene Gasse, in der Nähe des hohen Marktes, trat ein alter anständig gekleideter Mann auf ihn zu, reichte ihm mit geheimnißvoller Miene ein zusammengefaltetes Papier und flüsterte: »Lesen Sie schnell und folgen Sie mir.« In dem Aussehen des Mannes lag durchaus nichts Verdächtiges, auch schien er keiner jener verschämten Bettler zu seyn, die ihre Anliegen schriftlich anzubringen pflegen – und da er, während ihn Hebenstreit überrascht und ungewiß musterte, sein Begehren noch einmahl und dringend wiederholte, trat der Officier in den Thorweg eines der nächsten Häuser, entfaltete das Papier und las, was folgt:

»Ihnen und« – (hier war das Bundeszeichen der Loge angebracht) »droht nahe und große Gefahr. Folgen Sie dem Überbringer, wenn Sie das Nähere erfahren wollen.« Keine Zeile weiter, nichts, was andeuten konnte, von wem die Warnung herrühre. Nach kurzem Bedenken entschloß sich Hebenstreit zu dem, was man von ihm verlangte. Der Alte ging voraus, machte, wie es schien, absichtlich einige Umwege, und hielt endlich vor einem kleinen Pförtchen, das an der Hinterwand eines zu einem palastähnlichen Hause gehörenden Nebengebäudes angebracht war. Hebenstreits Führer schloß es, geleitete ihn noch über ein paar schmale Treppen und Gänge, und ließ ihn dann in ein Vorzimmer eintreten. Dort lud er ihn ein, ein paar Augenblicke zu warten, bis er den Damen, die ihn erwarteten, seine Ankunft gemeldet habe. Nach einigen Minuten erschien er wieder und öffnete die Flügelthüren eines kleinen Salons.

(Den Text unterbrechend, oder vielmehr zusammenziehend, führen wir bloß an, daß Hebenstreit eine Dame aus früherer sehr vorübergehender Bekanntschaft fand, die ihm ein anderes Liebesverhältniß vergegenwärtigte, dessen Heldinn ihn aufforderte, mit ihm zu fliehen und zwar auf der Stelle, sonst sey er verloren; es seyen Actenstücke entdeckt, die ihn und die Eingeweihten gefährlich compromittirten u. s. w. Hebenstreit entschließt sich aber nicht dazu. Der Herr Verfasser fährt nun fort:)

Noch in der nähmlichen Nacht wurden Hebenstreit und die vorzüglichsten Mitglieder der Loge, deren man habhaft werden konnte, nebst einigen andern compromittirten Personen verhaftet und in das Polizeyhaus geführt. Da man nicht bloß die Absicht hatte, diese angeblichen Jacobiner einzukerkern und unschädlich zumachen, sondern sich das Verdienst, große Gefahren abgewendet zu haben und dafür den Lohn zuzueignen gedachte und wohl wußte, daß beyde desto größer ausfallen mußten, je größer die Gefahren erschienen, so war es nothwendig, der Sache den Anstrich der größten Wichtigkeit zu geben. Man zog daher einen mystischen Schleier über das Ganze, um das Publikum glauben zu machen, es stäken große Dinge dahinter.

Für den kalten, unbefangenen Beobachter mußte es lächerlich seyn, alle die Anstalten zu sehen, welche getroffen wurden, einem Übel vorzubeugen, das nicht einmahl als wirklich in dem Gehirne derjenigen Leute existirte, die den guten Kaiser damit zu schrecken suchten. Es konnten einem Don Quixote's Windmühlen einfallen, nur mit dem Unterschiede, daß der arme, irrende Ritter die Riesen, Cobolde und Zauberer, mit denen er zu kämpfen glaubte, doch in seiner Einbildung sah, Thugut, Graf Pergen und Saurau aber die innere Überzeugung hatten, daß Alles– ein paar Scenen ausgenommen– nur eine von ihnen selbst componirte Tragicomödie war.

Das Militär erhielt Befehl, alle Posten, welche vorher, wegen der schwachen Besatzung unbesetzt waren, sogleich wieder zu beziehen. Die Stadtthore wurden, was vielleicht seit einem Jahrhunderte nicht mehr der Fall war, ausgebessert, und zum Verschließen eingerichtet; mit einem Worte, man betrug sich so, als wenn eine feindliche Armee vor den Thoren stände, oder hunderttausend Aufrührer wirklich schon im Anmarsche gegen die Stadt wären.

Die guten Wiener sahen einander erstaunt an. Jeder fragte, was wohl dies alles zu bedeuten habe, und keiner wußte diese Frage zu beantworten. Endlich brachten nach einigen Tagen Emissäre der geheimen Polizey das Gerücht in's Publicum, die eingezogenen Verbrecher wären lauter Jacobiner, welche eine Revolution hätten veranlassen wollen, die schon auf dem Puncte stand, auszubrechen, wenn nicht die Vorsehung, welche über ihre Gesalbten wacht (in Frankreich fand sie dies nicht für gut), den Grafen Pergen und Saurau (ob durch einen Engel oder im Traume, wurde nicht hinzugefügt) die Verschwörung noch zeitig genug entdeckt haben würde.

Dies erste Gerücht gab Stoff zu allerley Bemerkungen, und sollte zugleich der Probierstein seyn, um zu erfahren, wie das Publicum das Gaukelspiel aufzunehmen geneigt sey. Nun wollte Dieser und Jener gefährliche Gesinnungen bey Diesem und Jenem entdeckt haben. Man erinnerte sich an Einige, die sich über den französischen Krieg frey geäußert, und der große Haufe zweifelte nicht mehr, daß alle Eingezogenen Erzjacobiner seyen. Da die Polizey die Bereitwilligkeit sah, mit der man dem zuerst ausgestreuten Gerüchte glaubte, so mußten andere Agenten die Sagen verbreiten, die Jacobiner hätten die Schlagbrücke durch in die Pfosten eingelassenes Pulver in die Luft sprengen wollen, um die Verbindung der Leopoldstadt mit der Stadt zu hemmen; das Holz auf den Holzstätten hätte an verschiedenen Orten zugleich angezündet werden und bey der daraus entstehenden Verwirrung die Revolution unter dem Geschrey: »es lebe die Freyheit!« ausbrechen, die kaiserliche Familie ermordet, der Adel und die begüterten Bürger, welche aristocratisch gesinnt wären, ausgeplündert werden sollen. Die guten Wiener kreuzten sich vor all' den Gräuelthaten; indessen schien es Einigen doch etwas unbegreiflich, wie und durch wen diese Revolution eigentlich zu Stande gebracht werden sollen, da sie selbst bisher nicht das Geringste davon gehört hatten, auch von Niemanden auch nur auf die entfernteste Weise aufgefordert worden waren, dazu auf irgend eine Art mitzuwirken, während doch, wie sie glaubten, ohne Beyhülfe des größten Theils der Einwohner ein so großes Werk auszuführen unmöglich war.

Der vernünftigere Theil des Publicums, freylich der kleinste, zweifelte an der Wahrheit aller der ausgestreuten Gerüchte und durchschaute das Gewebe, allein es war gefährlich, davon zu sprechen, und jeder schwieg. Indessen verfolgte die politische Inquisition ihre Wege. Es war nicht rathsam, bey den wenigen Schlachtopfern, welche in den ersten Tagen eingekerkert wurden, stehen zu bleiben. Man begriff sehr wohl, daß das Publicum, wenn es sich von der Überraschung, in die es durch die plötzliche Nachricht von einer so nahe bevorstehenden Revolution versetzt worden war, erhohlt hätte, anfangen würde, mit kälterem Blute darüber nachzudenken, daß es dann bey reiferer Erwägung aller Umstände leicht zu der Einsicht gelangen könne, es sey ja unmöglich, daß diese wenigen Menschen, die man des Verbrechens beschuldigte, eine so große Umwälzung hätten in's Werk setzen sollen, und daß endlich aus dieser Einsicht leicht gefährliche Folgen für die Urheber der als grundlos erkannten Gerüchte entstehen könnten. Um also wahrscheinlich zu machen, daß eine Verschwörung von großer Ausdehnung und bedeutender Wichtigkeit existirt habe, wurden in Ungarn, Galizien, Steyermark, Kärnthen und Krain eine Menge Leute, welche durch freye Reden den Argwohn gegen sich erregt hatten, daß sie revolutionäre Grundsätze hegten, eingezogen, und im Publicum vorgegeben, daß sie mit den zu Wien verhafteten Jacobinern in genauer Verbindung gestanden, und von ihnen beauftragt gewesen seyen, in ihren Provinzen das Feuer des Aufruhrs anzufachen. In Wien selbst wurden noch weitere Verhaftungen vorgenommen, und dadurch so viel Schrecken verbreitet, daß viele wohlgesinnte Männer, welche sich bewußt waren, über verschiedene politische und religiöse Gegenstände der Regierung nicht zu Dank gesprochen zu haben, fürchteten, es stehe ihnen ein gleiches Schicksal bevor.

Während man im Publicum noch nicht recht darüber einig werden konnte, was denn all' die Verhafteten wirklich verbrochen, wie sie die Verbrechen, deren man sie beschuldigte, hätten ausführen wollen, welche Strafe ihnen zuerkannt werden würde, und über mehres dergleichen, wurden die Untersuchungen gegen die angebliche Verschwörung eingeleitet. Es ist möglich, daß die Pläne Einiger derselben weiter gingen, als blos auf eine allmählige, auf friedlichem Wege zu bewirkende Umgestaltung des politischen Zustandes der österreichischen Monarchie, auf welche die Thätigkeit Hebenstreits und seiner Loge gerichtet war; allein die Weise, in der Untersuchung gegen sie geführt wurde, das geheimnißvolle Dunkel, in welches man den ganzen Verlauf derselben zu hüllen bemüht war, läßt eher vermuthen, daß sie den verborgenen Absichten der geheimen Polizey, d. h. der Staatsmänner, unter deren Leitung diese stand, zum Opfer fielen. Ist dieses so wahr, als es wahrscheinlich ist, so kann man nicht ohne Abscheu an das Daseyn und das Wirken dieser politischen Inquisition denken, die mit kaltem Blute mehr als dreyßig Menschen vernichtete, um den Kaiser zu überreden, daß die unumschränkte, tyrannische Macht, welche sie im ganzen Umfange der österreichischen Monarchie ausübte, für die Sicherheit seines Thrones nothwendig sey – und an die Vorgesetzten dieser scheußlichen Anstalt, welche sich aus der Erhaltung der Ruhe, die man dem Anscheine nach ihnen zu danken hatte, ein Verdienst machten, das ihnen den Weg zu den höchsten Ehrenstellen des Reiches bahnte.

Graf Saurau hat sich durch sein Betragen in dieser Angelegenheit geschändet. Wenige Tage, bevor der Magistratsrath Prandstätter eingezogen wurde, versicherte ihn der Graf, er habe nichts zu fürchten. Unmöglich konnte Saurau damahls noch nicht gewußt haben, daß Prandstätter einer der Compromittirten sey, da ja damahls schon die ganze angebliche Verschwörung entdeckt, alle Theilnehmer schon verrathen waren. Entweder wollte er ihn nur sicher machen, damit er nicht entweiche und bediente sich einer Unwahrheit gegen einen Verbrecher, den er ja kraft seiner Pflicht hätte alsogleich festhalten sollen, und vermöge seiner Gewalt als Vice-Präsident der obersten Polizeybehörde auch hätte festhalten können; oder es war bey ihm noch nicht entschieden, ob er seinen Schulcameraden, seinen Jugendfreund, seinen Bruder als Freymaurer, auch seinen Absichten aufopfern sollte.

Der strengste Richter, wenn er auch unerbitterlich gegen das Verbrechen ist, empfindet doch, ist sein Herz nur ein wenig menschlich, Mitleiden für den Verbrecher, um so mehr noch für dessen schuldlose Angehörige. Graf Saurau kannte dieses Gefühl nicht. Als die Gattinn eines der Gefangenen zu ihm kam, ihn bath, ihren Mann frey zu lassen, und hinzufügte: »Wenn Euer Excellenz meinen Gatten auch noch ein Jahr sitzen lassen, so wird man ihm doch nichts beweisen können; denn ich bin überzeugt, daß er unschuldig ist,« – erwiderte Graf Saurau, anstatt die Unglückliche zu trösten, sie zu versichern, daß es ihn freuen würde, ihren Mann unschuldig zu wissen, in beißendem Tone: »Wenn Sie von der Unschuld ihres Mannes gar so sehr überzeugt sind, warum kommen Sie dann zu mir?« Auch ließ er die arme Frau, welche Kummer und schlaflose Nächte entkräftet hatten, beständig vor sich stehen, da man doch in Wien einem Weibe, das nicht zu der gemeinsten Classe gehört, stets einen Stuhl anzubiethen pflegt.

Den meisten der als Jacobiner Eingekerkerten und Verurtheilten, konnten höchstens allzufreye, unbedachtsame Reden zur Last gelegt werden. Und wer wird zweyfeln, daß man sie ein so geringes Vergehen so strenge büßen ließ, wenn er erfährt, daß ein würdiger Mann, der dem Staate durch mehr als dreyßig Jahre die wesentlichsten Dienste geleistet und die Achtung Maria Theresias, Josephs und Leopolds besessen hatte, der stets ruhigen, stillen und so furchtsamen Characters war, daß er sich nicht einmahl getraute in seinem Hause eine Hauptveränderung vorzunehmen, daß dieser Mann bloß deswegen, weil er ein gegen die Machthaber gerichtetes, in einem comischen Style abgefaßtes Lied, welches in einem fröhlichen Cirkel bey Tische abgesungen wurde, angehört, über ein halbes Jahr im Gefängnisse schmachten mußte, dann seines Amtes entsetzt und aus den österreichischen Staaten verbannt wurde? Wer wird noch zweifeln, wenn er erfährt, daß dieses nähmliche Lied seinen Verfasser zum Galgen führte, ohne daß irgend ein damahls rechtskräftiges Gesetz eine solche Strafe für ein solches Vergehen festsetzte?

So fielen also die Unglücklichen als Opfer einer despotischen und grausamen Oligarchie, oder vielmehr einer ehrgeizigen gewissenlosen Coterie, welche die Leiter auf der sie zum Gipfel der Macht emporklimmen wollte, auf Leichname stützte, damit sie nicht wanke. Und der Monarch, unter dem dieses politische Auto-da-fé statt fand, war der gutmüthige Franz – was konnte mehr geschehen, wenn er ein Tyrann gewesen wäre? – (Die Jacobiner in Wien; Zürich 1842, und zwei spätere Auflagen. Der betreffende Artikel hier auszugsweise. Verfasser der gediegene Gelehrte und Schriftsteller, Prof. Piepitz.)

Die Gräuel der Revolution erregten im Volke den tiefsten Abscheu. Je länger sie währten, je gefährlicher sie wurden, desto gesteigerter zeigte sich der Haß und die Erbitterung gegen die Jacobiner. Man war nicht ohne Besorgniß, daß das democratische Princip gleich einer ansteckenden Krankheit sich dem Volke mittheile; allein dieses bewies eine Moralität der Gesinnung, welche alle Besorgniß grundlos machte. Um so überraschender war die 1794 in Wien und Ungarn gemachte Entdeckung einer Verschwörung zum Umsturze der bestehenden Ordnung. Einige politische Fanatiker, die mit den Jacobinern in Paris im Bunde standen, hatten sich vorgesetzt, Wien zu revoltiren, das Rathhaus in Brand zu stecken, die großen Holzmassen auf den Legstätten anzuzünden, der Waffendepots sich zu bemächtigen, u. s. w. Dieser tollkühne Anschlag erscheint um so unsinniger, als die Meuterer das ganze Volk gegen sich hatten. Dieses war bey der Kunde von einem hochverrätherischen Unternehmen völlig verblüfft, und konnte ihm Anfangs kaum einen Glauben beymessenEs hat sich die Sage erhalten, daß einer jener Rasenden, welcher im Complott mit den Verschwornen stand, bey Kaiser Franz sich eine Audienz in der Absicht erbath, ihn zu ermorden. Im Verhör soll er gestanden haben, daß die ausnehmende Güte und das sichtliche Wohlwollen, womit der Kaiser ihn empfing und sich mit ihm unterredete, auf sein Gemüth einen dergestalt erschütternden Eindruck gemacht habe, daß er dadurch die Kraft gebrochen fühlte, sein Vorhaben auszuführen. (Anmerk. des Herrn Koch).. Die französischen Neuerungen widerstrebten zu sehr dem deutschen Character und der loyalen Sinnesart der Österreicher, um einen Anklang zu finden; doch darf nicht übersehen werden, daß kein Stoff zur Unzufriedenheit vorhanden war. – (Matth. Koch: Wien und die Wiener. Carlsr. 1844).


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