Franz Gräffer
Franciscéische Curiosa
Franz Gräffer

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Das Monument des bürgerlichen Gesetzbuches.

Mit dem bürgerlichen Gesetzbuch hat sich Kaiser Franz in der That ein unvergängliches Denkmahl gestiftet; das Werk ist ein hohes Vorbild von Weisheit und Humanität; und es ist nicht etwa der Fall, daß Kaiser Franz nur so obenhin den Befehl gegeben hätte, es zu bearbeiten, sondern er war selbstthätig dabey; er ordnete die Grundsätze und Verfahrungsweise der Bearbeitung an, überwachte und betrieb Alles mit wahrhaft menschenfreundlichem Eifer. Der Gehalt und die Vorzüge des bürgerlichen Gesetzbuches wurden und werden auch von der ganzen civilisirten Welt anerkannt und gepriesen, wie sich denn erst neuerlich ein hochschätzbarer auswärtiger Schriftsteller, auch in Ansehung der Betheiligung Franzens selbst, auf folgende Weise ausgesprochen hat: »Das Beste, was in dieser Periode der Regierung Kaisers Franz II. geschah, ist der Entwurf eines neuen bürgerlichen Gesetzbuches, da das josephinische höchst unvollständig, unbestimmt, mit einem Worte äußerst fehlerhaft war. Hier befolgte Franz unstreitig einen zweckmäßigeren Plan als Joseph, welcher seine Gesetze von einem einzigen Manne, dem Hofrathe Keeß, machen ließ. Diesem Rechtsgelehrten konnte man zwar viele Kenntnisse, Geschicklichkeit, Thätigkeit und Geschäftsgewandtheit nicht absprechen, aber seine Kräfte reichten, als die eines Einzelnen, zu einem solchen Werke doch nicht hin. Franz hingegen ernannte sehr weislich eine eigene Commission, welche die bestehenden Gesetze untersuchen, das Fehlerhafte daran verbessern, das Mangelnde ergänzen sollte. Sobald das Gesetzbuch entworfen war, mußte es an alle Gerichtsstellen zur Einsicht geschickt werden, welche ihre Bemerkungen über selbes schriftlich mitzutheilen hatten, hauptsächlich aber anzeigen mußten, ob die Gesetze auf alle ihnen vorgekommenen Fälle paßten. Es ließ sich erwarten, daß dieser neue Kodex die alten von Maria Theresia und Joseph herrührenden Gesetzbücher an Vollkommenheit sehr weit übertreffen würde. Wenn er nicht den ersten Platz unter den besten behauptete, so war dieß vielleicht dem Umstande zuzuschreiben, daß die Mitglieder der Commission, welche die Gesetze entwarf, mehr Rechtsgelehrte als Philosophen waren. Indessen sah man doch aus diesen legislatorischen Anordnungen, wie geneigt Franz war, wirklich gute Rathschläge zu befolgen; man sah daraus, daß er recht gerne das Wohl seiner Staaten befördern mochte, und daß Österreich bey dem vortrefflichen Herzen, das er von der Natur erhielt, unter seiner Regierung sehr glücklich werden konnte, wenn ihm lauter rechtschaffene und weise Rathgeber zur Seite standen.«

Zur Geschichte und Characteristik des bürgerlichen Gesetzbuches dienen folgende, einem größern Werke entnommene Nachweisungen: »Das bürgerliche Gesetzbuch verdanken wir der Sorgfalt des Kaisers Franz I. für das Wohl seiner Völker. Es zeichnet sich durch Klarheit und Gemeinfaßlichkeit aus. Vertraute Bekanntschaft mit der Theorie des Civilrechtes ist die nothwendige Vorbedingung, um sich zu einem, der Absicht des Gesetzgebers entsprechenden österreichischen Rechtsgelehrten zu bilden. Da das Studium des römischen Rechtes, wodurch jeder Rechtsgelehrte seine Bildung vorzugsweise erreicht, an unsern Universitäten auf eine würdige Weise gepflegt, und das österreichische bürgerliche Gesetzbuch gleichermaßen als Wissenschaft behandelt, folglich jeder Satz kritisch untersucht und die, dem ganzen System zum Grunde liegende Theorie aufgestellt wird, so werden auch die österreichischen Gerichtshöfe hoffentlich fortwährend mit Männern ausgestattet seyn, welche das bürgerliche Gesetzbuch in seinem wahren Geiste anwenden. In Folge des Kundmachungs-Patentes vom 1. Juny 1811, ist das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch mit dem 1. Jänner 1812 in Ausübung gekommen, nachdem der von der Hofcommission in Gesetzsachen zu Stande gebrachte Entwurf, durch gediegene Meinungen der vorzüglichsten österreichischen Rechtsgelehrten und so vieler Sachverständigen bey den eigens aufgestellten Provinzial-Commissionen vollends geläutert, inzwischen aber schon in Galizien der erste Entwurf 1797 (prüfungsweise) als Gesetz kundgemacht und die aus der Anwendung eingeholte Erfahrung benützt worden war. Somit wurde das, bisher angenommene gemeine Recht, der am 1. November 1786 kundgemachte 1. Theil des unvollendet gebliebenen bürgerlichen Gesetzes Josephs II., das für Galizien, wie erwähnt, gegebene bürgerliche Gesetzbuch, sammt allen bezüglichen Gesetzen und Gewohnheiten, außer Wirksamkeit gesetzt. Die Vorschriften des gegenwärtigen bürgerlichen Gesetzbuches sind zwar allgemein verbindlich, doch bestehen für das Militär besondere privatrechtliche Vorschriften. Handels- und Wechselgeschäfte werden nach den hierüber bestehenden Gesetzen, insofern sie von den Vorschriften des bürgerlichen Gesetzes abweichen, beurtheilt. Auch ist sich in politischen, Cameral- und Finanzgegenständen nur an die, die Privatrechte beschränkenden oder näher bestimmenden Verordnungen, wenn sie auch in dem bürgerlichen Gesetzbuche nicht ausdrücklich bezogen sind, zu halten. Der deutsche Text des bürgerlichen Gesetzes ist der Urtext, wornach alle Übersetzungen in Landessprachen der verschiedenen Provinzen zu beurtheilen sind. Von dem, aus der k. k. Hof- und Staatsdruckerey 1811 in 3 Theilen erschienenen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuche für die gesammten deutschen Erbländer der österreichischen Monarchie, wovon 1814 in der nähmlichen Druckerey eine Ausgabe in 3 Theilen, mit dem Porträt des Kaisers Franz I., veranstaltet wurde, ist 1811 ebendaselbst eine durch den, in der Nationalsprache tief bewanderten und auch in deutschen Ausarbeitungen, wegen seiner seltenen, den Gegenstand zugleich erschöpfenden Präcision, sehr schätzbaren k. k. Hofrath der obersten Justizstelle und Kämmerer, Mich. v. Stojovskj, besorgte polnische Übersetzung, in Druck herausgekommen. Der k. k. Rath, Dr. der Rechte und Landesadvocat in Böhmen, wie auch Professor der böhmischen Sprache und Literatur, Joh. Negedly, lieferte 1812 eine böhmische Übersetzung, welche zu Prag bey Casp. Widtmann erschien. Italienische Übersetzungen erschienen zu Wien aus der Hof- und Staatsdruckerey 1815; zu Venedig bey Pinelli und Andreola 1815; bey Parolari 1816; letztere colle citazioni delle leggi romane, was eine Privatarbeit ist, obschon beyde letztern Ausgaben auf dem Titel als ämtliche ausgedrückt sind. Eine Privatübersetzung des bürgerlichen Gesetzes in die italienische Sprache ging bereits zu Venedig 1814 aus der Druckerey Fracasso hervor, und eine 2. durchgesehene und verbesserte Auflage hiervon zu Venedig 1815, bey Santini. Diese Übersetzung wurde von mehreren italienischen Gelehrten unternommen, noch ehe das bürgerliche Gesetzbuch im lombardisch-venetianischen Königreiche kundgemacht wurde. Allein die officielle, durch eine eigene ämtliche Commission zu Stande gebrachte italienische Übersetzung hat vor dieser Privatarbeit einen entschiedenen Vorzug. Eine lateinische Übersetzung kam endlich auch in der k. k. Hof- und Staatsdruckerey 1817 heraus. Schon 1812 unternahm aber auch der damahlige Professor des österreichischen bürgerlichen Rechts zu Lemberg, nachmahlen zu Wien, Dr. und k. k. Rath Jos. Winiwarter, eine lateinische Übersetzung des neuen bürgerlichen Gesetzes, vorzüglich für Galizien, wo sowohl in der Schule, als im Gerichtshofe der Gebrauch der lateinischen Sprache herrschend ist. Zugleich muß hier Zeiller's Commentar über das bürgerliche Gesetzbuch (4 Bde. in 7 Theilen, m.  Register, Wien 1811–13) erwähnt werden. Gleich bey dem Erscheinen dieses Commentars erscholl im In- und Auslande nur eine Stimme über die Gründlichkeit und den Scharfsinn des gelehrten Verfassers. Als das österreichische bürgerliche Gesetzbuch auch für das lombardisch-venetianische Königreich kundgemacht war, sind mehrere Übersetzer des Zeiller'schen Commentars aufgetreten, nähmlich der Advocat Jos. Carozzi in Mailand (Commentar 7 Bde., Register 2 Bde. Mailand, 1815–16, aus der Druckerey des J. J. Destefanis); Franz von Calderoni (diese Arbeit zerfällt in 4 Bde. in 6 Theilen, Triest, 1815–16); Benedict Bertolini (zugleich mit latein. Text, 4 Bde., Venedig 1815–16); der Advocat Onuphrius Taglioni zu Mailand lieferte einen eigenen Commentar über das bürgerliche Gesetzbuch, in 8 Bden., 1816–22, unter dem Titel: Commentario al codice civile universale austriaco (Mailand, Placido Maria Visal). Der Verfasser, als juristischer Schriftsteller in Italien ehrenvoll bekannt, strebt überall nach Selbstständigkeit in seinen Ansichten; darum ist er eifriger Gegner vieler, in Zeiller's Commentar aufgestellten Behauptungen. Nach dem Tode Taglioni's setzte Carozzi sein Werk 1825 bey R. Fanfani fort. Noch ist zu erwähnen ein weitläufiges Werk von mehr als 16 Bden.: Giurisprudenza del codice universale della monarchia austriaca, divisa in diversi trattati esposti secondo l'ordine delle materio in esso contenute. Mailand, Visconti und Martinelli, 1818–23. Man kann nicht unbemerkt lassen, daß in diesem Werke nicht immer der wahre Sinn der österr. Gesetze aufgefaßt ist. Der theoretisch-practische Commentar endlich, über das bürgerliche Gesetzbuch, von dem k. k. Rathe, und Professor des österreichischen bürgerlichen Rechtes an der Prager Universität, Dr. Mich. Schuster, Prag, 1818, ist ein pandectenartiges Werk über die österr. Civil-Jurisprudenz. Einen Ergänzungsband hierzu erhielten wir durch seine Abhandlung: Über das Baurecht, Verbiethungsrecht, den Gebrauch und Nichtgebrauch der Dienstbarkeiten, dann über die einzelnen Gattungen, Ersitzung und Verjährung derselben, Prag, 1819.« – Hochschätzbar ist des nunmehrigen k. k. Appellationsraths Nippel Erläuterung des bürgerlichen Gesetzbuches in 8 Bden. Über die Literatur des österr. bürgerlichen Gesetzes besitzen wir in der »Darstellung« derselben von Dr. Joh. Ritter Vesque v. Püttlingen, Wien, 1827, ein sehr achtbares Werk.


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