Franz Gräffer
Franciscéische Curiosa
Franz Gräffer

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Eine Erklärung des Kaisers Franz

(22. July 1818),

und »viel Kopfbrechens um einen Titel

Eine Erklärung des Kaisers Franz von Österreich vom 22. July 1818, regelte die persönlichen Verhältnisse, den Titel, den Rang und den Wappenschild »seines geliebten Enkels des Prinzen Franz Joseph Carl« (der Hauptnahme Napoleons war in die Brüche gefallen,) »des Sohnes Allerhöchstdessen geliebtester Frau Tochter, Maria Louise, Erzherzoginn von Österreich, Herzoginn von Parma, des durch den Senatusconsult vom 17. Febr. 1810 zum »König von Rom,« durch den Abdankungsvertrag seines Vaters vom 11. April 1814 zum »Prinzen von Parma, Piacenza und Guastalla,« ernannte hors d'oeuvre d'Autriche, (wie die zürnenden Britten ihn nannten). Er hieß nun schlechtweg: »Herzog von Reichstadt« und statt der Majestät und der Kaiserlichen Hoheit: Durchlauchtigster Herzog und Durchlaucht, – mit dem Rang nach den Prinzen des kaiserlichen Hauses und mit dem Wappen der alten österreichischen Babenberger, Herzoge von Mödling, den zwey übereinander schreitenden Löwen.

Als dieses am 22. July 1832 dahin geschiedene Kind der größten Hoffnungen, überraschenden, ungeheuren Glückes und Unglückes, in eben dem Schönbrunn dahin gewelkt war, wo Napoleon zweymahl sein weltherrschendes Siegeslager aufgeschlagen, wo er Marien Louisens Bildniß zuerst erblickt hatte, als diese wichtige Geißel, Österreich entrückt war, mochte man sich nicht ohne großes Interesse der Beratungen erinnern, welche der Bestimmung seiner Stellung vorangegangen waren? – Ein damahls abgegebenes Gutachten sagte unumwunden:

»Es handelt sich darum, dem ehemaligen Könige von Rom, nachherigen Prinzen von Parma, einen Titel beyzulegen, da seine Zukunft zu gleicher Zeit auf die ehemahls zweybrückischen, darauf würzburg toscanischen Herrschaften in Böhmen gegründet werden soll, die 1668 der letzte Herzog von Sachsen-Lauenburg-Reichstadt von seiner Mutter Magdalene Lobkowitz, Wittwe Kollowrat ererbt und die seine Tochter, die Großherzoginn von Toscana, Wittwe des letzten Medicis, ihren Nachkommen erster Ehe von Pfalz-Neuburg und durch diese dem Hause Zweybrücken hinterließ. – Um die Wahl der verschiedenen möglichen Titel zu erleichtern und sie gehörig zu motiviren, dürften einige allgemeine Sätze vorausgeschickt werden:

Obgleich dieses Kind unter dem rapidesten Wechsel des Glückes und der Ereignisse, wie es, bey der dermahligen Gestaltung der Dinge in Europa durchaus nicht vorherzusehen ist, schwerlich das traurige Schicksal haben kann, welches durch Tod oder Staatsgefangenschaft viele unschuldige Kinder, nicht nur im Serail, Ispahan und in Rußland fanden, sondern auch im Internectionskrieg der rothen und weißen Rose, – in Schweden – in Frankreichs großem Zwiespalt zwischen Orleans und Burgund, welches die castilianische Bertrandilla und alle die kindlichen und jugendlichen Pseudos betraf, unter denen ganz gewiß viele echte unterdrückt und ermordet wurden, bleibt es doch eine ausgemachte Wahrheit, daß dieses Prinzen Ruhe und Wohlfahrt, um so ungetrübter und gesicherter seyn werde, je unschuldiger, ja unbedeutender sein Daseyn ist.

Der Prinz soll kein Prinz vom Geblüte, sondern Particulier, er soll nach den Prinzen des Hauses der erste Privatmann seyn, daher wohl von allen altfürstlichen, nur der herzogliche Titel für ihn zu passen scheint. Der landgräfliche ist im Hause Hessen und im uralten (Habsburg gleichen, und doch neufürstlichen Haus) Fürstenberg, – der Markgräfliche ist seinem Ursprung und Wortlaute nach, zu sehr Amtstitel und erinnert zu ausschließend an den ehemaligen deutschen Reichsverband.

Der zu wählende Titel soll zuförderst den Bourbons keine Apprehension geben, daher kein Titel einer Seitenlinie des herzoglich lothringischen Hauses zu brauchen ist, – der französischen von Mercoeur, Commercy, Vauvillars, Joinville, Chasteler &c. gar nicht zu erwähnen, wäre auch von den deutschen lothringischen Nebenlinien, Graf von Egisheim, Dachsburg, Falkenstein, Bolanden &c. schlechterdings verwerflich. – Die Lothringer waren, als angebliche Carolinger, französische Kronprätendenten. Wie viel Blut floß nicht über diese Prätension, als die Guisen ihren Ehrgeiz unter dem Mantel der Religion und der Adelsrechte, mit aller Kraft der Ligue verfochten? – Kein noch so veralteter oder ohnmächtiger Anspruch ist unbedeutend, sobald die Macht hinzutritt und die günstige Stunde. – Auch wäre es unklug, an die alte Abhängigkeit der Lothringer als Hausofficiere der Krone Frankreichs zu erinnern, wie Napoleon es that in seiner größten Wuth zwischen den beyden Schlachten von Regensburg und von Aspern. – Geben die Bourbons einmahl Ursache zum Mißvergnügen, etwa wegen italienischer Differenzen, oder durch eine noch weiter gehende Hinneigung zu Rußland, so ist es immer Zeit ihnen mit dieser Ruthe zu drohen und den Prinzen etwa zum Erzherzog Rainer nach Mailand zu schicken zur Ausbildung für die Verwaltung und den Kriegsstand.

Ein genealogischer Titel ist, wie wohl er seiner Natur nach dauernder ist, ein fast noch bestimmterer Anspruch, als die unmittelbaren Länder Titel. – Philipp III. büßte seine Sorglosigkeit gegen den Nahmen Braganza, durch den Verlust Portugals in einer einzigen Stunde. – Als das Haus Hannover ein halbes Jahrhundert auf dem englischen Throne saß, war der Titel Jacob III. König von Großbrittanien fast eben so lächerlich, wie der Titel »Ludwig XVIII. König von Frankreich und Navarra« (1795–1814) es durch volle achtzehn Jahre war, aber der Nahme Stuart zeigte seine Bedeutendheit noch in den letzten irländischen Unruhen. – Der Prinz kann also keinen Titel erhalten, welcher der habsburgischen oder lothringischen Abstammung approximirt, da beyde dem bourbonischen Blut allzunahe verschwistert sind, beyde den Anschein hervorbringen könnten, als wolle ein illegitimer Anspruch, durch einen Schein von Legitimität im Stillen bekräftiget und für gewisse, politische Conjuncturen vorbehalten werden. – Auch in das Wappen des Prinzen dürfte nichts von dem Habsburg-Lothringischen aufgenommen werden, sondern selbes hätte wohl nur aus dem Wappenschilde zu bestehen, welcher dem, dem Prinzen neu zu verleihenden Titel und seinen Besitzthümern anklebt, oder längst erloschenen Häusern zugestanden hat.

Im Erzhause existirten sehr viele unehliche oder natürliche Kinder schon von Rudolph von Habsburg, die von Schenkenberg, Grafen von Löwenstein, – von Friedrich dem Schönen, die im geistlichen Stande starben, eine große Zahl von Erzherzog Sigmund, die bloß verschiedene adelige Nahmen und Titel führten, von Greiffenstein, von Fernstein &c. Von Max I. natürlichen Kindern führte Georg, Erzbischof von Valenzia, der Allererste den Nahmen ab Austria, den nachher die in der spanisch-österreichischen Linie außerehelichen Descendenten bekamen. Doch diesem Prinzen einen ähnlichen Titel beylegen, hieße die Legitimität seiner Geburt und der Ehe zwischen Napoleon und Louisen nach römischen und bourbonischen Grundsätzen, die selbe stets verwarfen, selbst in Zweifel ziehen??

Das einzige Beyspiel einer ungleichen Ehe oder Mißheirath im Kaiserhause, ist jenes des Erzherzogs Ferdinand mit Philippinen Welser. Die daraus hervorgegangenen Söhne hießen Markgrafen von Burgau, aber auch dieser Fall ist unendlich verschieden, selbst im Ausgange, denn Beyde, Carl und Andreas erhielten durch die Acte von 1561 gewissermassen ein Nachfolgerecht in die deutschen Kreis- und Reichslande, nach dem Abgange des gesammten österreichischen Mannsstammes, welches hier wieder nicht der Fall ist.

Wären die Schicksalswürfel ganz anders gefallen, so hätte vielleicht die Verbindung des Hauses Habsburg mit den nagelneuen Geschlechtern Medicis und Sforza, am ehesten einige Analogie mit dem vorliegenden Falle nach sich ziehen können, allein die Folgereihe der Umstände hat es nicht also gefügt.

Es handelte sich also um eine ganz neue Schöpfung, Diese dürfte folgende Erfordernisse haben:

a) Der neue Titel müßte des Prinzen Eigenschaft als Unterthan, mit Ausschluß jeglicher Souveränitätsrechte bezeichnen.

b) Keinem der oben angeführten genealogischen oder publicistischen Bedenken mehr oder weniger unterliegen.

c) Von keinem Gebiethe hergenommen sein, welches einst Napoleon gehörte.

d) Füglich auch nicht aus Ungarn oder aus dessen Nebenreichen, weil dieses wiederum anderweitige Verwickelungen mit sich bringen könnte.

e) Keinerley ungegründete Vermuthungen oder Hoffnungen erregen.

f) Den neuen Titel auf des Prinzen böhmische Herrschaften zu übertragen, z. B. Herzog von Reichstadt &c. könnten den Schein mit sich bringen, als wären sie gewissermassen zu einem Herzogthum für ihn excindirt. Doch ist dieses Bedenken wohl allzuweit hergehohlt und überstudirt. Auch der Herzog von Sachsen-Lauenburg, der bis an seinen Tod 1689 in Reichstadt wohnte, nannte sich von demselben. Es wurden nun mehrere Titel zur Auswahl vorgeschlagen, mit Anführung der Gründe dafür und dawider.

1) Herzog von Troppau und Ratibor.

Diesen Titel führte eine von dem großen Ottokar abstammende, durch päbstliche Bullen legitimirte Seitenlinie, der eingebornen slavisch-przemyslichen Dynastie Böhmens, die mehrere Jahrhunderte fortdauerte. – Dieses dürfte nur das nicht sehr erhebliche Bedenken gegen sich haben, daß der regierende Fürst von Liechtenstein, sich Herzog zu Troppau und Jägerndorf nennt.

2) Herzog von Podiebrad.

Erinnerung an einen heldenherrlichen König von Böhmen, dessen Nachkommen als Herzoge von Münsterberg und Oels erloschen. – Diese Nahmen gehören jetzt Preußen an, aber der Nahme Podiebrad ist zu freier Schaltung und ist fürwahr ein illustrer Nahme, ohne alle widrige Nebenbezeichnung.

Seitenlinien der Przemysliden, der einheimischen Dynastie der Czechen, nannten sich auch: »Herzoge von Ollmütz, Brünn, Znaym,« aber die Nahmen solcher Städte scheinen im gegebenen Falle unschicklich.

3) Herzog von Meran.

Der Titel des 1248 erloschenen, in Burgund, in Bayern, in Franken und Tyrol mächtigen Hauses Andechs. – Eine treffliche Benennung, wenn Meran nicht die alte Hauptstadt Tyrols wäre und die Tyroler nicht darin die Morgenröthe eines eigenen Bestandes, wenigstens eines abgeordneten Generalgouvernements erblicken würden, die man ihnen leider noch immer nicht geben will.

4) Herzog von Gradisca.

Anton Ulrich von Eggenberg, einer von Ferdinand II. drey Bergen und drey Steinen, (Eggenberg, Werdenberg, Questenberg, Liechtenstein, Dietrichstein, Wallenstein) ward Reichsfürst mit Sitz und Stimme, Herzog von Krumau, gefürsteter Graf zu Gradisca. 1718 erlosch sein Geschlecht. Das Wappen ist schön. Gegen den Titel wäre auch wenig einzuwenden.

5) Herzog zu Schaumburg.

Die Grafen zu Schaumburg, reichs- und kreisständisch, mit den Herzogen von Österreich in öfterem Krieg und nur mit Mühe gebändigt, den Grafen von Cilly und Öttingen, den Burggrafen zu Nürnberg, jetzigen Königen von Preußen verwandt, 1559 erloschen, besaßen fast das ganze Land ob der Enns.

6) Herzog von Pütten.

Pütten, bey Neustadt, berühmtes Bollwerk und Vormauer gegen die heidnischen Hungarn, mater et metropolis civitatum Norici, gab einem eigenen Heldengeschlechte den Nahmen, das 1158 mit Ekbert unter dem Barbarossa von Mayland erlosch und den Grund zur Größe der steyrischen Ottokare legte. – Ein arges Bedenken scheint zu seyn, daß gerade Pütten und Froschdorf jetzt der Schlupfwinkel der ganzen bonapartischen Familie ist.

7) Herzog zu Eppan.

Piano, in einer Seitenlinie auch de Ultimis und von Greifenstein, im tyrolischen Etschthale, ein unächter, aber mächtiger Nebenzweig, der jetzt in London und in Braunschweig herrschenden Welfen, 1273 mit Bischof Egno von Trient erloschen.

8) Herzog von Cilly.

Dieses 1456 in dem, von Ladislaus Huniady, Sohn des großen Gubernators und Bruders Königs Mathias Corvin, ermordeten Ulrich ausgestorbene Geschlecht, zählt eine Kaiserinn, es war Despote Rasciens, beherrschte mit statthalterischer Gewalt Hungarn, Böhmen und Österreich unter Ladislav Posthumus. – Cilly's Nahme reicht an die Römerherrschaft hinauf und ist viel genannt in der Christianisirung Noricums. – Ob aber dieses an Gräueln aller Art reiche deutsche Ateidengeschlecht, nicht gar zu homogen dem bonapartischen Stammbaum erscheint?

9) Herzog von Mödling.

Zweymahl führte diesen Titel mit einem einfachen schönen Wappenschild eine Seitenlinie der Babenberger. – Er dürfte auch keinem erheblichen Bedenken unterliegen und ist ein vertrauter, angenehmer Laut im Ohr des Österreichers. Die Herzoge von Mödling waren Unterthanen jener in den Landen ob und unter der Enns und in Steyermark herrschenden Heidendynastie der Babenberger; die freylich selbst wieder Unterthanen und Beamte Kaisers und Reichs gewesen sind: denn schon seit dem großen Friedericianischen Privigelium von 1156, war Österreich ein geschlossenes Gebieth. (Das Mödlinger Wappen wurde für den Sohn Bonapartes wirklich gewählt.)

10) Herzog von Reichstadt.

Über diesen unbedenklichen und mehrfach angemessenen Titel, wurde schon oben das Nähere erwähnt. – (Er ist auch beschlossen und von dem Prinzen 1818–1832 geführt worden.) –

(Hormayr's Taschenbuch 1841. Berlin).


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