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Fünftes Kapitel

Wie eine Hebamme zu Ader läßt, um ein schweres Herz leichter zu machen

Anne Bäbi meinte sich also je länger je mehr mit seinem Söhnisweib; nur eins wünschte es, da Mädi so oft vrblümts darauf rede, wie rahn (schlank und mager) es sei, daß dasselbe zunehmen möchte, und zu dem Ende sollte es toll essen. Aber Meyeli nahm eher ab als zu, sah leid aus, mochte immer weniger essen, klagte fortwährend über Zahnweh und wußte, wenn man von Ausreißen sagte, doch nicht recht, in welchem es sei, indem es ihm von einem in den andern schoß.

Das ganze Haus nahm Anteil an diesem Leiden und ärgerte sich ob Meyelis Abnehmen, nur Mädi machte eine Ausnahme, mit dem Munde wenigstens. Wenn es schon Zahnweh hätte, daß es ihm den Gring obe absprengte und es graduse brülle müßt, daß mes im Weltsche hinge ghörti, es luegti niemere nebe ume, u doch syg es o e Mönsch so gut as es angers. U zletscht sygs de ume nit emal Zahnweh, sondern öppis ganz angers, u die Göhle sinne nit emal dra.

So redete Mädi in seiner eigentümlichen Widerhaarigkeit; es konnte mit Recht sagen, Wüsttun sei sein Gutmeinen, denn was es an Linderungsmitteln kannte, gab es an und suchte es auf, und was es Meyeli zuvortun konnte, unterließ es nicht; denn es hatte Meyeli lieb, aber es wußte es nicht, und sein Maul war so gewohnt ans Widerbelfern und Aufbegehren, daß seine innigste Liebe keine Ausnahme machte. Anne Bäbi wollte nicht glauben, daß bei Meyeli öppis angers sei, und es wisse das doch besser als Mädi, wos nie selber erfahren habe, soviel emel es wüß, sagte Anne Bäbi. «Was erfahre!» sagte dann Mädi, «soll das ghaue oder gstoche sy? Aber wenn is bigehrt hätt z'erfahre, wer weiß, ob ih nit so gut e Büri wär as mängi angeri, o Jere! U de wärs bös, we me dSach geng selber müßt erfahre, für z'wüsse, wies syg. Wenn ih scho nie i dr Höll gsi bi, su weiß ih doch, wies öppe drin isch.» «Das glaube ich wohl, aber das ist drum ganz öppis angers», sagte Anne Bäbi, «u Zahngweh han ih nie kes gha, ds Konträri, es het mr besseret drmit, aber übergä han ih mi müsse e ganze Tag, es het mi duecht, es well nüt meh by mr blybe.»

«Drum hets du on e leyde Bub gä», sagte Mädi. «E leyde Bub, was, e leyde, so chumm mr de notti nit, du – was du bist! Dr Jakobli ist ds schönste King gsi, wo me het welle gseh wyt u breit.» «Ja», sagte Mädi, «won ih ne du zweggfutteret gha ha, aber afangs ist er nit größer gsi as e große Dumefinger; es hat eim duecht, emel dä sött nit fürcho, es hets o ke Mönsch glaubt.» «Jetz schwyg mr de, jetz isch Zyt, sust frage ih de, wer ne sövli vrchaaret heyg, daß er ume eys Aug het, ih weiß, was dr Dokter mängisch gseit het.» «Was het er gseit? Was? Was vrchaare? Sött ih öppe das sy? Säg ume, säg, ih wotts wüsse!» «Frag ne selber!» sagte Anne Bäbi, «er wird drs scho säge.» «U, u, jetzt soll ich noch gar das sein, das Jakobli vrchaaret het, soll dSchuld sy, daß er halbbling isch; jetz bhet mi niemere länger hier e ke Stung!» So heulte Mädi, ging indessen doch nicht fort, sondern ließ sich besänftigen, bald von Meyeli, bald von Jakobli.

Indessen war man durch diese Disputazen doch nicht klar über Meyelis Zustand, und derselbe schien sich noch zu verschlimmern. Zu den Zähnen kamen noch schwere Beine, Müdigkeit in den Gliedern überhaupt, eine gewisse Weichheit oder Wehmut; es duechte ihns, es müßte weinen ob jedem Wort, und wenn es sich nur einmal ausweinen dürfte so recht von Herzen, so wäre es ihm fast gleich, wenn es schon nachher sterben müßte, und doch mußte es wieder weinen, wenn es nur von weitem ans Sterben dachte.

Anne Bäbi focht mit Melissetee, so streng es mochte, aber es half nichts. Hansli mahnte, da Wagensalb hier nicht anzubringen war, an das Elixier. Es war noch ein Rest vorhanden, der ward Meyeli aufgenötigt, aber erst jetzt ward es ihm so recht ums Sterben. Es war ihm, als fahre man ihm mit einem Garbenknebel im Leibe herum, als wollte endlich auch die Seele aus dem Leibe. Darauf ward es grusam schwach und manchmal bloß ab dem Spinnen fast gschmucht. Das könne nicht so gehen, erkannte man im Familienrat und wollte Meyeli zum Doktor schicken, aber es wollte nicht. Doktor kenne es hier keinen, sagte es, und so einem Stockfremden dürfe es nicht sagen, wie ihm sei, und zu einem Gütterler habe es kein Zutrauen mehr, seit jener seiner Base immer Besserung versprochen hätte, bis sie tot gewesen sei. Es sei alles ygricht auf dr Welt für e Bschiß, seufzte es, je eher man hinauskomme, desto wöhler gehe es einem, und begann zu weinen, daß man die Hände unter ihm hätte waschen können.

Anne Bäbi ward nicht wohl bei der Sache, es ging einmal wieder selbst ins Wirtshaus und forderte ein schönes Stück Fleisch. Bratis war ihm recht, wenn sie hätten, sagte es, und eine Maß Wein vom besten. Ob sie Dorf hätten oder neuer kranks, fragte die Wirtin. Da leerte Anne Bäbi sein Herz und jammerte, wie sie doch die ungfelligste Leute seien; kaum hätten sie angefangen, sich aneinander zu gewöhnen, so wolle es schon ga sterbe. «Du bist doch e Göhl!» sagte die Wirtin, «ga sterbe, jawolle! Es wird öppis angers sy.» «Ja, wes das wär», sagte Anne Bäbi, «es wär mr recht, aber es ist das nit, kes einzigs Mal het es si müsse übergä, ih ha gut ufpasset, u wo ih mit em Jakobli gange bi, het kes Brösmeli welle by mr blybe. Es het mi mängist duecht, dr letzt Darm well obsig.» «Das cha wohl sy», sagte die Wirtin, «aber geng ischs nit so. Glaub mr, ih ha sibe King gha, u de wäger bi mängem han ih mi kes einzigs Mal müsse übergä, und ds Esse het mi nie besser duecht als grad z'selbisch, und we me mr es Stoßbocki voll Kaffee gmacht hätt, ih hätt ne ustrauche.»

Und nun erzählte die Wirtin die Geschichte aller ihrer sieben Schwangerschaften und überzeugte Anne Bäbi zuletzt, daß es etwas angers sein könnte. Wenn es dasselbe nur für gwüß wüßt, sagte es, su hätt sy Seel doch o wieder e weneli Ruh; dä Weg könns bald nimme schlafe. «Weißt du was, gang du zur Hebamme, es ist bsungerbar e witzigi Frau, die wird dr scho chönne drushelfe und säge, was es isch.» «Heja, du hast recht», sagte Anne Bäbi, «das wird ds Witzigist sy; daß eim doch das nit selber cha zSinn cho!»

Wenn die Not über das Weib einbricht, welche Eva ihren Töchtern zugezogen, wenn das Weh kömmt, das man nicht näher zu bezeichnen braucht, um verständlich zu werden, da es das Weh aller Wehe ist, so bedarf das Weib einen Beistand, der seiner sich annimmt und zu glücklichem Ende das Weh bringt. Darum nennt der Deutsche das Weib, welches hilfreiche Hand bietet der Armen in ihren Nöten, Wehmutter, nicht weil sie des Wehes Ursache ist, sondern weil sie die Leidende in ihrem Weh pflegt, mit mütterlichem Sinne, wie eine Mutter ihr Kind pflegt. Hebamme nennen wir sie, ein herrlich, bedeutsam Wort.

Unser Kind ist unser Schatz; für seine Kinder warf Winkelried sich in die Speere, für sein Kind tat Tell seinen Schuß, sein Kind ists, für das der Schweizer sein Vaterland wahret; aber auch sein Kind ists, dem er das Vaterland übergibt zur heiligen Hut. Wer das Kind ihm entbindet aus seiner dunkeln Kammer, es ihm darbringt zum ersten Kusse, der hat einen Schatz ihm gehoben, ist ihm hoch und wert; sie ist eine heilige Priesterin im Hause, und ein rauhes Wort wird ihr nie.

Sagefemme nennt sie der Weltsch. Wer stellt sich bei diesem Worte nicht vor eine wunderbare, luftige Gestalt, weiß, schwebend, geisterhaft, die erscheint und verschwindet, im Himmel und auf Erden wohnt, den Sterblichen Himmlisches bringt und Kunde von ihrem Treiben nimmt, Rat gibt, Hülfe leistet, die jenseits menschlicher Kräfte und Einsicht liegen? Weise Frauen waren die Priesterinnen der Alten, welche den Göttern dienten, den Menschen rieten, des heiligen Feuers warteten auf den Altären, das Leben des Menschen pflegten, wenn es verglimmen wollte in seinem schadhaft gewordenen Gehäuse. Und wer sollte wohl würdiger an ihre Stelle treten als die Sagefemmes, welche himmlische Gaben bringen den sterblichen Menschen, Kinder aus Gottes Schoß, ohne welche das Leben nichts, die Erde bald ein großer Kirchhof wäre, welche das glimmende Leben pflegen mit kundiger Hand, daß es aufflammt und zu stätiger Flamme kömmt? Und stehn sie nicht an den Pforten, welche das Sichtbare trennen vom Unsichtbaren, auf der Schwelle, welche zwischen Gottes unendlichem Schoße und unsrer endlichen kleinen Wohnung liegt, über die er seine Kindlein sendet, welche er für diese Wohnung bestimmt hat? An diesen Schwellen stehen sie, die Sagefemmes, und empfangen in kundige Hände Gottes heilige Gaben, heben über die Schwelle sie, geleiten sie ins Leben ein. Wer wollte diesen Dienst nicht einen heiligen nennen, und wen, der ihm sich weiht, sollte er nicht heiligen?

In alten Zeiten verrichtete diesen Dienst, wen Gott dazu berief, wer der Not am nächsten war, wer das meiste Vertrauen der gesegneten Schwestern sich erworben hatte. Fürstinnen leisteten ihn ihren Dienerinnen, königliche Hände glaubten sich dazu nicht zu königlich, und lange ward er bei uns kein Gewerbe, kein Beruf, er blieb ein Freundesdienst, und noch jetzt wird bei uns manche Dorfschaft sein, wo der Dienst ein freiwilliger Dienst, wo die vornehmste Frau der Berufung sich nicht weigert, im allgemeinen Vertrauen eine Ehre findet und hohen Stolz darein setzt. Und allerdings ist es des Stolzes wert, wenn einmal, wenn der Vater sie heimrufet, alle Weiber weinen, alle Weiber fragen: «Wer wird jetzt unsere Mutter sein in unsern Wehen?»

Indessen fehlte an manchem Orte die weise Frau und die kundige Hand, die über die Schwelle dem Kinde half, und die kluge Sorgfalt, welche das glimmende Leben zu wahren und anzufachen, der Mutter das ihre zu erhalten verstand. Oh, es ist eine schwere Stunde, wenn im Tode ein Leben vom andern scheidet, und manche Mutter möchte dem sterbenden Kinde nach in den dunkeln Schoß der Erde, aber die Stunde ist noch viel schwerer, wo Leben vom Leben sich scheidet, aber nicht zum Tode, sondern zum Leben; und wie des Kindes Leben auflodert, glimmt der Mutter Lebensflamme schwächer und schwächer, kömmt so gerne dem Erlöschen nahe, es ist, als wenn sie ihr Leben hingegeben, damit ein Kind lebe und Gottes Wunderwelt sich freue. Daher bedarf ihr Leben kundige Sorge so gut als des Kindes Leben; diese aber fehlt so oft, und rauhe Windzüge, die durchs Leben fahren und durch so viele Häuser, löschen so manches Leben aus.

Kinder sind des Staates größte Schätze, wie sie des Hauses reichste Gaben sind, aus den Kindern blühen die Kräfte auf, welche bessere Zeiten schaffen sollen, sie sind jedes Gemeindewesens höchster Zweck, und in welcher Kinderseele die größte, reinigendste Kraft verborgen sei, weiß der klügste Staatsmann nicht. Darum ist ein jedes Kinderleben von heiliger Bedeutsamkeit und eines jeden Kindes Tod ein schmerzlicher Verlust, dessen Größe niemand zu ermessen vermag. Sind dem Staate die Kinder so bedeutsam, so sind es ihm auch in ebendem Grade die geheimnisreichen Schatzkammern, in welche Gott seine Gaben niederlegt, der Mutter Leben ihm kostbarer als funkelndes Gesteine, als gelbes Gold. Darum begann er für kundige Hände zu sorgen, die Schätze zu heben, die Leben zu wahren, damit aus Mangel an menschlicher Hülfe oder durch unverständigen Beistand nicht Leben verloren gingen; er sorgte dafür, daß, was Menschen dabei tun können, gelehrt werde verständigen Weibern und Mädchen, er sorgte, daß Hebammen so wenig als möglich irgendwo fehlen möchten im Lande, Wehmütter, weise Frauen allenthalben seien. So ward dieser Dienst mehr und mehr zum eigentlichen Beruf, und zwar zu einem der höchsten und bedeutsamsten, der, wenn er auch nicht hoch emporragend im Staatsdienste, desto tiefer seine Wurzeln ins häusliche Leben schlägt, der, wenn er auch mit fremden Mächten nicht im Verkehr steht, weder Frieden schließt noch Krieg ankündet, desto mächtiger wirket in des Hauses innigsten Verhältnissen.

Wie in Waldesdunkel, wenn Blitze leuchten, Bäume brechen, der Pfad verloren ist, einem bebenden Wanderer wird, wenn eine Fee erscheinet, ihn schirmet und aus dem Dunkel führt, wie geheimnisvolle Schauer ihn durchrieseln und doch wieder Sicherheit und Ruhe ihm ins Herz zurückkehren, die Fee eine freudige Erscheinung ihm ist, an deren Hand er getrost durch das Dunkel geht, so etwas Ähnliches geht auch im Weibe vor, wenn die Hebamme ihm erscheinet. Wie manches «Gottlob!» hat sie empfangen, wenn sie eintrat zu einer Türe, und es war fast in der angstvollen Stube, als wie es war auf dem See Genezareth, als im Sturme der Herr sich erhob und auf seinen Wink Wind und Wellen sich legten. Wenn die rettende Fee später erscheinet und nicht in Stunden der Angst, so bringt sie Freude, es ist, als ob ein heller Schein über des Menschen Wesen fahre, als ob dessen Herz ihr entgegenspringen wolle; so haben es so viele Weiber mit ihren Hebammen und selbst sehr vornehme Weiber.

Ist eigentlich ein Weib vom andern unterschieden in den Stunden ihrer Angst, und ist die Hebamme dem reichen oder dem ärmsten von mehr oder minderem Werte? Die Königin ist so hülflos, so hülfsbedürftig, so zagend, so unendlich froh über eine Mutter in der Not als das ärmste Taunerweib.

Aber je einsamer ein Weibchen ist in seinen Lebensnöten, je ärmer in seinen Umständen, desto weiter wird der Kreis, in welchem die Hebamme hülfreich wirket. Sie sorget für seinen Bedarf, für Hüllen, das Kind zu empfangen, sie läßt es erwarmen im Leben, sie sorget für eine Suppe, daß die Mutter wieder erwarme zum Leben, sie gibt ihm ihre Räte, sie gewährt ihm Trost, zeigt ihm, wie an andern Orten noch viel größer das Elend sei, sie ist seine Fürsprecherin, und mit dem Schlüssel zu so viel Herzen in der Hand öffnet sie ihm die, welche sie milde erfunden hat für fremde Not.

Aber auch wo keine Leibesnot vorhanden ist, ist sie Freundin als weise Frau, und wenn sie erscheint, glänzen der Bäurin Augen, als wenn Gabriel der Erzengel erschienen wäre in eigener Person, der beste Kaffee wird gemacht, und dazu, was das Haus vermag, und dann im Hinterstübchen ein vertrautes Wort gesprochen. Was es niemand sagt, was der Mann, die Schwester nicht vernehmen, die geheimsten Dinge der Ehe oder des Herzens, vernimmt die Hebamme, auf ihren Rat kömmt das Wichtigste an. Es kömmt der Bäurin hinter dem trauten Kaffee vor, als sei die Hebamme für sie allein in der Welt, und als liege sie, die Bäurin, ihr alleine am Herzen, und als könne sie ihr deretwegen alles sagen, was in ihrem Herzen sei, noch viel besser als dem lieben Gott. Und je mehr zum Trost und zum Vergessen ihr die Hebamme von hieher und von dorther zu sagen weiß, und wie es in dieser Haushaltung und wie in jener zugehe, desto weniger denkt sie daran, daß die Hebamme auch noch eine andere Freundin haben und auch in einem anderen Hinterstübli sitzen und ihre gegenwärtigen Mitteilungen dort zum Trost und Vergessen auftischen könnte, sie vertraut ihr unbeschränkt.

Und wenn etwas zwischen ihr und ihrem Manne ist, so ists die Hebamme, welche es vernimmt; sie ist die natürliche Mittlerin in gar vielen Dingen zwischen Mann und Weib. Wie manchen Mann hat nicht schon die Hebamme nebenaus genommen und ihm gesagt: «Los, bis doch nit son e Uflat, los, du mußt doch o Vrstang ha; sinnist dann gar nichts? Denk o a dyni arme King, u we d scho e Hübscheri, un e Rychi wieder überchämist, was hättisch drvo, we de dr dyr Lebtig es Gwüsse mache müßtist? U de ist de scho Mänge gsi, die Zweuti het ihm die Ersti wieder gutgmacht, u scho Mänge het by mr pläret u het gseit, wenn er die Ersti wieder lebig mache chönnt, es duech ne, es reuti ne kes Geld nüt, er wett alles gä, was er hätt. Aber so gangs em Mönsch: we me nie zfriede syg, su werds eim ytribe; mi wüß, was me heyg, aber nit, was me überchömm.»

So lesen die Hebammen den Männern die Kapitel, wie sie ihnen niemand liest, und sie alleine können es, denn selten hat je eine ein rauhes Wort von einem Manne erhalten; eine Art von Zauberschild schützt sie, und wenn je ein Wort, so wird das ihre respektiert. Darum empfangen sie aber auch Opfer, Priesterinnen gleich; leer gehen sie nicht oft aus einem Hause, es müßte denn wirklich nichts in selbigem vorhanden sein; sonst wandert etwas unter das Fürtuch oder ins Körbchen, und manches fliegt noch ins Haus, sie wissen kaum woher.

So ist ihre Stelle, sobald sie nur wollen, sobald sie Wehmütter, Hebammen bleiben, als weise Frauen sich bescheiden wollen mit dem, was ihnen zugewiesen ist, mit dem, was sie verstehen, mit dem, was an sich so hoch und herrlich ist. Aber, wie gesagt, wo etwas Herrliches ist, da legt der Teufel seine Eier hinein, und die Zeit brütet sie aus, und was so Vielen ein Stein des Anstoßes ist, warum sollten die Hebammen, die am Ende doch wieder nur Menschen sind, sich nicht daran stoßen? Und das ist der Mißbrauch ihrer Stellung, und das ist der Hochmut.

Davon will ich nicht reden, daß es welche gibt, die dem Tode die Hand bieten, nicht dem Leben, welche aus dem Dienste Gottes in des Teufels Sold hinübertreten, Sünde und Frevel sündiger Menschen decken oder fördern. Dunkler Macht sind die verfallen; ihre Hände verdienen zu verdorren und ihre Seelen den ewigen Brand, ihre Nächte sollten füllen sterbender Kinder Todesseufzer und des Tages sie verfolgen die Angst vor dem eigenen Schatten, dem sie nicht zu entrinnen vermögen so lange es Tag ist, so wenig als ihre Seele dem Teufel so lange eine Hölle ist. Es ist aber auch nichts grauenvoller als so ein Untier von Weib, das schon von Natur von Gott zum Schutz hülfloser Wesen bestimmt ist, das nun noch vom Staat dazu privilegiert ist und seine lästerliche Hand an Kinderleben legt, Kunst und Vertrauen dem Morde weiht; für ein solches Untier ist keine Strafe zu hart, kein Fluch zu fürchterlich und keine Verdammnis zu schauerlich.

Ich will hier auch nicht reden von denen, welche das Vertrauen mißbrauchen, Weiblein verraten oder verführen, den Frieden zwischen Männern und Weibern, zwischen Nachbaren und Nachbaren stören, die bösen Geister spielen in ihrem Bereiche und Gift ausspritzen auf den Wegen, die sie wandeln. Es geschieht natürlich hier auch wie in allen andern Berufen, daß um des Vorteils willen, oder weil ihr Verstand diese Richtung hat, Menschen einen Beruf wählen, zu dem sie gemütlich durchaus unfähig sind; Kenntnisse halber muß ihnen das Recht, ihn auszuüben, erteilt werden, ja in mannigfacher Kunde und Fertigkeit mögen sie hervorragen unter ihren Berufsgenossen, und dennoch wird das Recht, das sie erhalten, der Beruf, der zum Schutz oder Heil der Menschheit geordnet und geschützt wird, zum zweischneidenden Dolch, mit welchem sie in den Herzen der Menschen wühlen.

Dies geschieht im Hebammenstand nicht mehr als in allen andern Berufen; aber eines ist, das bei ihnen mehr geschieht als anderswo, allfällig die Apotheker ausgenommen, welche in diesem Punkt auch Vögel sind. Apropos von Vögeln: wie doch die Apotheker schreien wie Elstern, wenn sie nesten, sobald in ihrer Nähe eine Apotheke errichtet, in ihre Rechte soll gegriffen werden! Und wenn einer aus ihnen dem Doktor ins Handwerk pfuschet und die Herrn Provisors unter der Hand mit Salben und Tränkern fechten wie Ketzer, was sagen sie da?

Gar vielen Hebammen bleiben nicht mehr Sagefemmes, sondern überschreiten die Schranken, welche ihnen gezogen sind, wagen sich in Gebiete, die ihnen durchaus unbekannt sind, wo sie nichts sehen und nichts als tappen, ungefähr wie die Kühe werden getappet haben während der ägyptischen Finsternis.

Der Hebamme ist ihr Gebiet und die Zeit ihres Wirkens durch Gesetz und Natur ziemlich scharf begrenzt; wenn sie will und bescheiden bleibt, sie kann nicht irren.

Ehe die schwere Stunde kömmt, ist die Hebamme nichts als eine weise Frau; mit guten Räten kann sie beistehen, unerfahrnen Weibern sagen, was andere von Mutter und Großmutter vernommen, vor Unbesonnenheiten warnen, zur Vorsicht mahnen und zum Arzte schicken. Kömmt ihre Zeit des Wirkens, so schreibt die Kunst ihr Tun ihr vor und bezeichnet genau wieder die Umstände, wo sie nicht mehr genügt, ein Kundigerer zur Stelle muß. Ist das Kind geboren, sind die Umstände, wie sie sein sollen, so hat sie mit Sorgfalt und Treue beide Leben zu wahren und besonders darauf zu achten, ob keine Störungen eintreten, Gefahr verkündigende Zeichen sichtbar werden. Und wo sie solche Zeichen sieht, da hat sie dem Arzt sie zu zeigen, denn sie selbst ist weder unterrichtet in der Heilkraft der Mittel, noch vermag sie zu beurteilen die Bedeutsamkeit der Gefahr selbst, noch ihre eigentümliche Gestaltung in der Natur der Kranken, deren Kraft und Schwäche, deren Eigentümlichkeit überhaupt. Es hat keine Hebamme zu mitteln und zu doktern, sonst wird sie zur unweisen Frau und weiß nicht, wie schwer sie sich versündigen kann.

Nun gibt es aber eben viele Hebammen, sie bannen sich in diese Grenzen nicht, halten sich nicht in ihrem Gebiete, überheben sich, fallen in Dünkel und Sünde, ja es gibt deren, sie heben sich über den Arzt, urteilen über ihn, als wenn sie sein Professor und er ihr Zögling gewesen wäre, suchen das Zutrauen zu ihm zu schwächen und dasselbe sich selbst zuzuwenden, und auch die besten können sich selten enthalten, wenigstens zu Ader zu lassen oder zu schräpfen nach Lust und Belieben, und wann und wo es sie ankömmt. Es mag zuweilen sein, daß eine ältere Hebamme in einzelnen Hand- und Kunstgriffen erfahrner ist als ein junger Arzt; das macht sie aber nicht zum Doktor, so wenig Einer ein Gelehrter ist, wenn er Bücher binden oder abstäuben kann.

Es soll in der Medizin gehen wie in der Theologie. Was eine Zeitlang die Gelehrtesten trieben, das soll ihnen erleiden und dann nach und nach runterkommen von den Gelehrtesten zu den Gelehrten, von den Gelehrten zu den Halbgelehrten und endlich von den Halbgelehrten unter das Volk, unter den Pöbel, zu den Quacksalbern und Hebammen und da hängen bleiben. So geht es ja auch mit den Moden: von der Hofdame gehen sie zur Edeldame, von der Edeldame zur Madam, von der Madam zur Mamsell und von der Mamsell zur Jumpfer, an der Jumpfer bleiben sie teilweise hängen, teilweise schleppen sie sich noch bis aufs Gassengesindel herab und zu den Kellermägden.

So soll zum Beispiel unter den größern Medizinern einst das Blutlassen Mode gewesen sein und für alles gut und das Blut herumgesprützt haben, als ob in jedem Hause ein halbes Dutzend Sprützbrunnen wären, und ein andermal soll es Mode gewesen sein, die Leute alle Fingers lang zu purgieren und zu laxieren, daß ein Krachen und ein Bühren gewesen sei, daß man auf der Welt sein eigenes Wort nicht mehr verstanden hätte. Beides erleidete den Gelehrten bald, nach und nach auch den Halbgelehrten, aber beides spukt dato noch unter dem Volke, den Krämern und Hebammen, beides scheint so natürlich, daß männiglich damit hantiert nach eigener Lust und auf eigene Faust. Was rauslaxiert und -purgiert wird, ist das nicht der unflätigste Uflat, wo es geben kann, und je mehr der Gattig aus dem Leibe ist, dest besser muß es sein, dest reiner und appetitlicher wird der Leib. Laxieren und purgieren kann also nicht nur allweg nicht schaden, sondern muß nützen, und je stärker, dest mehr; so räsoniert man.

Im Blut aber stecken deren Teufelchen in Menge; die einen beißen, die andern machen sturm, die dritten kurzen Atem und die vierten schlotternde Glieder. Diese Teufelchen muß man bändigen, austreiben; je mehr böses Blut raus ist, dest besser, und da bekanntlich ein Teil der Speisen in Blut sich verwandelt, so muß doch natürlicherweise von Zeit zu Zeit das alte rausgelassen werden; wie Tüfel sollte sonst zuletzt alles Platz in unserm Körper haben!

Man denkt auch hier nicht daran, daß Gott fürs rechte Maß gesorget habe bei dem Menschen wie bei dem Tiere, und man weiß nicht, daß einige Stunden nachdem man zu Ader gelassen, man schon wieder gleich viel Blut hat, nur schlechteres, es ist als ob man Wasser in Wein getan. So laxiert und purgiert, schräpft, läßt man zu Ader nach Herzenslust, läuft zum Krämer und holt eine Laxierig, welche Apotheker dort im Verlag haben, so gleichsam selbstgestiftete Filiale ihrer privilegierten Apotheken, oder läuft zur Hebamme, läßt schräpfen oder Blut raus. Wenn die erste Elster im Sommer sich wieder zeigt, so geht das Blutlassen, daß es ein Graus ist. Die Elstern mausen sich nämlich im Sommer wie die andern Vögel, verschwinden aber während dieser Zeit, man weiß nicht wohin; eine Zeitlang sieht man keine einzige mehr. Sobald sie sich wieder zeigen, was gewöhnlich einige Tage vor oder mit dem Eingang der Hundstage geschieht, da soll man zu Ader lassen. Wenn daher die erste Elster sich zeigt, potz Blitz, wie da die Weiber laufen, wer zuerst! Und wohin sie laufen, da läßt man ihnen zu Ader für einen Batzen oder zwei, und Keiner denkt, wie er damit sich versündigen könne, und was er für eine Verantwortung auf sich lade. «He, e wenig mehr oder e wenig minger Blut, was wett das mache!» sagt er.

Jüngst wurden beide Methoden des Abführens und Abzapfens auf geniale Weise in Verbindung gebracht, wie es kaum dem Doktor Eisenbart in Sinn gekommen wäre. Es schnitt sich nämlich Einer mit einem scharfen Instrument in den Schenkel, traf eine Ader, und das Blut sprützte heraus wie aus einer kleinen Röhre, fast fingersdick. Die Blutung verstund man nicht zu hemmen, und statt den Tourniquet anzulegen oder auf andere Weise zuzuringgeln, um des Blutes Umlauf zu hemmen, was machte man? Man machte ihm noch ein Loch, das heißt, man ließ ihm zu Ader. Man wird entweder gedacht haben, je mehr Löcher man mache, desto eher höre die Blutung auf, oder aber man hat sich das so gedacht wie bei einer Wässerung, wo man das Wasser auch durch einen andern Graben reiset, wenn man den einen Graben flicken will. So wird das Blut zum neuen Loch haben herauslaufen sollen, im ersten Loch aber aufhören zu fließen. Zu gleicher Zeit gab man dem blutenden Patienten noch ein Abführungsmittel, wahrscheinlich, um einen Gegenreiz zu verursachen oder die Bewegung noch gegen ein ander Loch zu ziehen oder aber zu verhindern, daß die noch im Leibe sich befindenden Speisen sich ebenfalls in Blut verwandelten, kurz, wegen etwas muß es gewesen sein. Die Kur gelang auch prächtig, die Blutung hörte total auf, kein Tropfen Blut floß mehr, weder aus dem einen noch aus dem andern Loche; fatalerweise stund bald darauf, man weiß nicht warum, der Puls still, und das Herz hörte auf zu schlagen, der Patient hatte wahrscheinlich innerlich einen Fehler am Herzen gehabt. Wenn das nicht zufälligerweise dazu gekommen wäre, der arme Bursche lebte dato noch, und die Wissenschaft und die Kombination hätten einen ihrer schönsten Triumphe gefeiert.

Das hat keine Hebamme getan, aber ähnliche Grundsätze stecken doch den meisten im Leibe und veranlassen sie nur zu oft, bei Weibern, die guter Hoffnung sind, zu einer Vorkur. Eine Hebamme besucht ja zuweilen ihre Kundsame, wie schon gesagt, hört sie klagen, und welches Weib in solchen Umständen hätte nicht seine Beschwerden! «Du mußt dich leiden», heißt es dann, «ganz helfen kann ich dir nicht, aber öppe, daß es mingeret un de chast drby sy, will dr Blut usela, un de öppe bald no einist; wes de nüt nützt, su schadts emel nüt, ds Blut usela isch geng gut u schadt nüt. Un allweg hest emel de e liechteri Kindbetti, un es isch minger gfährlig wegem Blüte.»

Es herrscht nämlich eben dieses Vorurteil, daß, je mehr man Blut herauslasse, desto leichter sei das Gebären, und je weniger Blut eine habe, desto weniger riskiere sie Blutstürze, dest minger Druck heyg ds Blut. So wird dann geaderlasset in die Kreuz und in die Quer, bald am Fuß und bald am Arm, und allerdings ist noch ein artiger Nebenverdienst dabei. Nun ist aber die Sache ganz einfach, daß ein Mensch desto schwächer ist, je weniger Blut er hat, und wer hat größere Kraft wohl nötig in seinen Nöten als das Weib, und welche Weiber erliegen dem Kampf in dieser Stunde am meisten, die starken oder die schwachen? Und hinwiederum, wer ist den Blutungen mehr ausgesetzt, schwache oder starke Personen?

Blut auslassen ist eine gefährliche Sache, und wann sie vorzunehmen, versteht weder ein Babi noch eine Hebamme, meinen es aber, sind halt auch im Seminar gewesen, und s'ist halt eine böse Zeit von wegem Hochmut. Es mag einzelne Fälle geben, wo das Blutlassen bei einem Weibe in diesen Umständen gut ist, es mag Naturen geben, welchen es wohltut, aber darüber zu entscheiden, ist nicht Sache der Hebamme; denn die Hebamme weiß weiter nichts vom Menschen, nichts vom Mittel, sie weiß nur: einmal war das und das gut, und also wird es allemal gut sein, schließt sie, und dieser Schluß ist gerade so dumm, als wenn einer sagen wollte: «Einmal brach einer ein Bein, da nahm man es ihm ab, also muß man alle Beine, welche gebrochen werden, abnehmen.» Würden sich schön bedanken, die Menschen, über eine solche Logik.

«Allah ist groß», sagt der Türk, «groß ist die Kunst», sagt der Arzt, und allerdings ist sie es, und die weiß, wann gegen besondere Gefäße ein zu mächtiger Blutandrang ist, sie weiß, ist er abzuleiten oder nicht, und wohin er abzuleiten, und bei welchen Naturen dies möglich ist. Daraufhin ist die Hebamme nicht brichtet, und ihr Verstand geht nicht weiter; geht sie aber eben zum Schluß: einmal hat man Einem, der aus der Nase blutete, zu Ader gelassen, also muß man einem aus der Nase Blutenden zu Ader lassen, und was in zwei Fällen gut sein mag, tut sie in allen hunderten, so ist sie eben ein Babi. Und wenn ein Arzt nicht tut, was sie im Gring hat, wird sie sagen, er sei ein Esel, und wenn er einmal schräpfen läßt, wo sie einmal gehört, daß Blutegel angewendet worden, so begehrt sie auf wie ein Nachtwächter, und wenn sie einmal für eine Sache am Fuß zu Ader gelassen, so bringt sie kein Gugger dazu, bas oben Blutigel anzusetzen – sie kennts.

Sind einmal die Grenzen eines Berufs überschritten, so sind keine Schranken mehr; es gibt nicht nur Vorkuren, sondern auch Nachkuren, nicht nur Blutlassen, sondern auch Tränker und sonstige Mittel, und zuletzt baggelt die Hebamme nicht nur am Weibervolk herum, auch am Mannevolk, an allen Kindern laxiert und purgiert sie, wie es sie eben ankömmt; sie, die des Arztes treuste Dienerin sein sollte, wird dessen giftigste Feindin. Wohlwollende Schonung des Weibes hat dafür gesorget, daß weibliche Hände kunstfertig bereit seien zu seiner Hülfe. Der Staat hat für seine Mütter gesorget, aber jetzt mißbrauche man seine Güte nicht, ehre seinen Willen und erkenne die in der Natur der Sache und der Hebamme liegende Begrenzung!

Es ist ein sehr schönes Verhältnis, und für Mutter und Kinder ein sehr heilsames, wenn die Hebamme die in jeglicher Beziehung höhere Stellung des Arztes anerkennt, ihn benachrichtigt, sobald Zeichen der Gefahr sich zeigen, über deren Verlauf wachet, wachet, daß der Wille des Arztes herrsche über Bett und Wiege, wenn sie des Arztes Auge ist, das am Bette sitzet, und treuen Bericht zu geben weiß über alle Vorgänge. Aber mehr und mehr scheint auch das leidige Emanzipationsfieber über sie zu kommen, das Haschen nach der heutigen Selbständigkeit, das Trachten des Knechtes, der sich über seinen Herrn setzen will, der Hochmut, der, weil er den großen A kennt, sich einbildet, er habe nicht nur das Pulver ersinnet, sondern sogar das ganze ABC von A bis Z.

Man sollte glauben, der Staat könnte hier ein kurzes Ende machen und Annelisi oder Marei sagen: «Bis hieher und nicht weiter! Und gehst du weiter, so setze ich dich ab und stelle dich wieder ans Spinnrad oder an den Mistkratten, denn ich bin es, der dich hat lernen lassen, und zwar unentgeltlich, und damit Punktum!» Wenn der Staat so ganz kurz Recht und Pflicht übte und überall gleich, es wäre bald wieder Ordnung und jedes wieder an seinem Platz. Aber für was wären dann Rücksichten und Ansichten? Ich frage. Und wenn der Staat der Tschalpi der Pintenwirte wird, warum sollte er nicht ebenso gut der Trappi der Hebammen sein? Aber wohlverstanden, verstehe ich unter Tschalpi und Trappi weder den Großen, noch gar den Regierungsrat, Gott behüte mich vor solchen Greueln.

Wenn meine Frau oder meine Sohnsfrau eine Hebamme hat, oder wenn die Hebamme meine eigene Freundin wäre, und ich wäre hoch oben am Brett, sollte ich da nicht Rücksichten für sie haben können? Ich möchte doch fragen, was mehr sei, regieren können oder Rücksichten haben, und wenn mir das Recht zum Regieren gegeben ist, so ists eben deswegen mir erlaubt, zu machen was ich will, und also Rücksichten zu haben, für wen ich will.

Und wenn ich Gerichtspräsident oder Regierungsstatthalter wäre, und ich hätte die Ansicht, daß man die Leute nicht plagen sollte, daß jedem erlaubt sei, zu machen, was er wolle, heute zu predigen und morgen zu doktern und übermorgen Geschäftli zu machen, sobald er mir immer den Hut abziehe, «Hochgeachter Herr!» sage und nicht in meinen grünen Sessel begehre, so möchte ich doch fragen, ob mir, dem «Hochgeachteten Herrn», nicht erlaubt wäre, diese Ansicht zu haben? Den möchte ich doch sehen, der zu mir käme und mir sagte: «Herr Regierungsding, Ihr seid ein Tropf und dumm dazu; wenn das regieren heißt, so heißt f... musizieren.» Oder gar den möchte ich sehen, der mir zumuten wollte, ich sollte ein schlechter Kerl sein und gegen meine Überzeugung, gegen meine Ansicht stimmen; der müßte mir in den Bärengraben auf der Stelle oder gar in eins der Löcher, in die man Menschen steckt und ihnen deswegen «Käficht» sagt, wo aber nicht einmal die Wentele gerne bleiben. So würde ich reden, wenn ich Regierungsding wäre, potz Hagel! Es ginge also den Hebammen gut, wenn ich ans Brett käme, es wäre also ihr Vorteil, wenn sie ihren Kredit aufböten, mir mit einem schönen Amt, wo man das Recht zu Rücksichten und Ansichten hat, als wie mit einer währschaften Wurst das Maul zu verschoppen.

Zu einer solchen Hebamme sandte die Wirtin Anne Bäbi, und Anne Bäbi glaubte der Wirtin und machte sich mit Freuden zu ihr auf den Weg. Wenns nur das war, so war sein Kummer weg, und es hatte die Aussicht, Großmutter zu werden, und das ist halt Weiberschwachheit: wenn eine nicht mehr die junge Frau machen darf so recht herzhaft, so wird sie nichts lieber als Großmutter. Da ist sie dann wieder was Neues und ist imstande, wenn sie es recht anstellt mit Flattieren, Lebkuchen und Täfelene, einen neuen Hof um sich zu versammeln, ihre Großkinder alle, und aus jedem Großsohn einen treuen, zärtlichen Liebhaber zu machen. Weiber geben nämlich das Liebhabern erst mit dem letzten Atemzuge auf.

Die Hebamme, zu welcher Anne Bäbi ging, war gar berühmt und nicht von den bösen eine. Sie war eine Friedensstifterin, dokterte eben aparti nicht und namentlich das Mannevolk nicht, aber wenn sie mit Aderlassen oder Schrepfhörnlene zwegkommen konnte, so hätte dr Tüfel se nit epha.

Als sie Anne Bäbi gegen das Haus kommen sah, fuhr ihr ein Freudenstrahl durchs Herz. Sie erriet den Handel gleich, und ein gutes Haus und eine junge schöne Frau darin, das ist für eine Hebamme ungefähr was ein kleines Kapital, welches sie am Zins hat. Indessen hielt sie sich wie üblich nicht dafür, sondern sagte das Gegenteil von dem, was sie dachte. «Geh, sieh», sagte sie zu ihrer Tochter, «was die will! Öppe hoffetlig ke Kindbetti, sust erleideti es mr de afe bald, drbyzsy. Ke Ruh meh ha, dr Tag nit u zNacht nit. Ih wett lieber dKundsami abgä as dere neu aznä. Das ist mr doch es schießigs Züg, daß geng alles ume zu mir wott; es sy Angere o no, gange si zu dene, u wie wäre die grusam froh, wenn neuer chämti!»

Das sagte sie nun Anne Bäbi nicht, sondern empfing es mit dem Spaß, daß, wenn sellige Weiber die Hebamme noch nötig hätten, so möchten sie nicht mehr alles gferggen, und wenn ds Halb mehr wären, so wären noch immer ds Halbe zwenig.

«Häb nit Kummer!» sagte Anne Bäbi, «ih wott di nimme plage für mi, ih überla das jetz Angere; aber ih chume für mys Sühniswyb, du wirst o scho von ihm ghört ha.»

Nun erzählte Anne Bäbi Punktum alle Umstände, wie vorhin der Wirtin, und dann was diese ihm gesagt, und was es ihr wieder gesagt, u du was si gseit het, u was es wieder gseit heyg, und jetz nehms es wunger, was dHebamme säg.

Die machte ein sehr weises Gesicht und sagte endlich: «Los, Bstimmts cha ih dr da nüt säge, bis ihs selber gseh ha; es cha das sy, es cha äys sy, bi junge Wybere isch das gar wunderlig, es isch scho mänge gschichte Doktor bschisse worde. Mir, ih muß es säge, hets öppe nit grad gfehlt. Ih glaub, es syg neuis angers, du weißt, was wett me bi junge Wybere angers erwarte sy as grad das! Aber de chas e Uszehrig o sy, mi weiß es nit.

Allbets het me neue vo sellige wenig gewüßt, dLüt syn ech neue erst gstorbe, wes het müsse sy, un Lüt hets gä no bi mym Bsinne, die, es weiß ke Mönsch, wie alt worde sy. Aber mit de hütige Lüte isch neue nüt meh, es git ume no so Blütterlüpfe, u bsungerbar dMeitli dueche mi, syge afe ume so Spinnhubbele, ume so für e Sunnde oder hinger ds Glas; aber dr Werchte u dSunne ma neue bald afe keis meh erlyde, u wenn eini es King ha soll, so meint si, si muß zweumal sterbe, u we si drvo chunnt, so mahnt si eim grad an e lebige Schneeflocke, dere me Bei ungere gmacht het u so desumelauft. Allbets isch das nit so gsi, da hei dWyber dKing neue übercho, si hey si desse ume nit viel gachtet. Mengi het chum nebeume gluegt un ihri Suppe selber gmacht u het dr Tag dur ganket wie Ketzer un e Kopf gha wie es jungs Meitschi, wes dr erst Kilter gha het.

Nei, es ist neue nüt meh, jetz wott alles sterbe u ghet si, wie wenn me se lätz gmacht hätt; u wenn Eini drvo chunnt, su sött me ere siebe Jahr lang dr Wy wärme u ds Brot bäye. Drum los, Anne Bäbi, cha ih dr nüt säge, ume so vom Ghöre; ih muß die Jungi selber i dKur näh u de öppe no selber luege. Die nächste Tage chume ih byn ech vorby u will de zuchecho; ih leu se afe grüße, u si soll si nume afe dry schicke, das gang eso, we me ghüratet syg.»

Mit bangem Herzen wurde die Hebamme erwartet, und als sie kam, fand sie es, wie sie geglaubt hatte, und verkündete ihnen, daß sie nicht Kummer haben sollten, öppe nach Pfingsten werde es schon bessern. Aber Blut usela chönnt nüt schade, das mache Meyeli leicht auf dem Herz; wenn der Sommer komme, so könne man noch einmal.

So geschah es, und Freude war im ganzen Haus; sogar Mädi sagte halblaut, daß es hören konnte, wer wollte, wenn das nicht wäre, es behielte es kein Mensch länger da; aber wer de zu dem armen Würmli z'luege dr Vrstang hätt, wenn es nicht da wäre? Auch Meyeli freute sich, und eine Fröhlichkeit sprudelte aus seinem Herzen, an dem die ganze Haushaltung teilnahm. Jakobli verlor sein träumerisch Wesen mehr und mehr; Anne Bäbi brummte weniger, denn es hatte für das Großkind zu sorgen, und niemand widersprach ihm dabei; ja es mußte manchmal selbst herzlich lachen und sagte dann Meyeli «Du bist doch e Lachgöhl, aber wart, es wird dr o no angers cho, we de de einist pläre mußt, was de jetz lachist, su hesch es de, es zahlt si alles uf dr Welt.»

Anne Bäbi kannte die Fröhlichkeit nicht, die eine andere Quelle hat als Leichtsinn und junges Blut, und wie hier Sonne und Regen einander aufwägen, so meinte es, Lachen und Weinen gleiche sich ebenso aus. Das ist eine Meinung, aber keine Regel. Gibt es nicht an andern Orten einen Himmel, der selten sich trübt, sollte es nicht ebenso Gemüter geben, über denen ein heiterer Himmel immer beständiger wird, sich immer klarer wölbet? An den Wolken am Himmel kann der Mensch nichts machen, aber den Wolken über seinem Gemüte zu gebieten, fände da nicht jeder Mensch in sich die Macht, wenn er sie suchte?

Indessen weinte Meyeli doch auch, aber es verbarg es so gut es konnte; es kam ihm manchmal so bang übers Herz, daß es weinen mußte, es mochte wollen oder nicht. Das geschah ihm besonders des Sonntags, wenn die Andern in der Predigt waren, oder wenn es nachmittags alleine war, und je mehr der Frühling grünte, die Bäume blühten, desto mehr nahm sein Bangen zu. So schön ward alles um ihns, «und wer weiß, sehe ich das noch einmal, wer weiß, ob ich übers Jahr nicht schon gestorben bin, vielleicht weiß man dann so wenig mehr von mir, als man von den jetzigen Blüten weiß? Und doch, wie lebte ich so gerne, und warum jetzt sterben, wo es mir so wohl geworden, wo ich so glücklich bin?» So dachte es bei sich.

Es stieg vor Meyeli auf sein Glück in vollem Glanze, die Liebe, die es genoß, das gute Leben, das ihm geworden, stieg ihm auf Haus und Hof und die Anwartschaft, alles sein nennen, alles regieren zu können, es, das vor kurzem noch so ein armes Mädchen war ohne Liebe, ohne Kleider, ja ohne Plätze, seine Hüdeli zu flicken. Das alles stellte sich vor sein Auge und glänzte immer schöner, und immer sicherer meinte es zu fühlen, daß es sterben, daß es die schwere Stunde nicht überleben werde. Das seien Ahnungen, meinte es, und die täuschten nicht; vielen Leuten kämen sie als sichere Todesboten, und darauf zählen könne man, daß sie in Erfüllung gingen. Es ward ihm dann fast ebenso elend und weh zumute wie damals, als es auf dem Steine saß, das Bündelchen neben sich, und nicht zum Hause durfte, und schwerer ward ihm das Aufrichten, und keine Sternschnuppe fuhr an heiterhellem Tage an ihm vorüber. Wenn dann seine Leute heimkamen, Jakobli zu ihm trat, so war es ihm, als müßte es sich fest an ihn klammern, so fest, daß Gott es nicht wegreißen könne von dessen Herzen; es ward so weich und innig, als ob es die nächste Stunde Abschied nehmen müßte, daß es Hansli oft die Augen übertrieb.

Man borgete ihm immer mehr mit Speis und Arbeit. Erdäpfel wollte man es keine mehr essen lassen, ungsung, meinte man, seien die, öppe gut für die, denen nichts fehle. Die guten Erdäpfel müssen sich böse Nachreden gefallen lassen. Wenn mich Mädchen und Weiber nicht dauerten, welche jahraus jahrein nichts als Erdäpfel kriegten, wenn sie den Männern nicht den Glauben beibringen könnten, die Erdäpfel seien ungesund besonders zu gewissen Zeiten, so hätte ich Lust, die armen Erdäpfel in Schutz zu nehmen.

Im Garten ließ man es mit dem Meyenzeug fechten und zur Not Kraut säen; aber aufs Feld wollte man es nicht nehmen, man hätte es angeri Jahr auch gemacht ohne ihns, es werde dieses Jahr auch gehen, bsungerbar da auch Jakobli helfe, noch nie so, und ganz halb Tage schaffe, mi gseh fry ke Ungerscheid meh zwischen ihm u am ene angere Mönsch. Sy Schwiegere, sagte Anne Bäbi, chönnts de öppe nit i alle Stücke rühme, e Zwänggring heyg die gha, es heyg fry no kene so atroffe, es syg o besser, mi schwyg drvo; aber das müß es säge, wo es so zweg gsi syg, si heyg ihm o borget u syg minger wüst gege ihm gsi; es wüßt nit, warum es nit no meh öppe zum Sühniswyb luege sollte, vrglych es sich doch noch lange nicht mit seiner Schwieger.

Als Pfingsten kam, ging Meyeli zum Nachtmahl. Gar manches Weib, das Gott ein ganzes Jahr, vielleicht zwei, drei Jahre lang vergessen hat, geschaltet und gewaltet hat über Kinder und Haus nach eigenem Belieben, die Welt im Herzen getragen und keinen Platz darin hatte für Gottes Wort und Willen, den Sinn gestellt hatte auf irdische Dinge und verstocket gewesen war für alle bessern Regungen wie Pharao, dem kömmt es doch endlich wieder, daß Gottes Hand alleine es sei, die das Leben bewahre, den Tod sende, die es wohlbehalten führen könne durch der schweren Stunde große Not; es fällt ihm doch wiederum ein, daß das Recht am Himmel, das Erbe des ewigen Lebens das größte Recht, der beste Schatz sei, und daß es not sei, sich selbigen jedenfalls zu sichern sich und dem Kinde, das geboren werden solle.

So erscheinen sie dann, die bangen Weiber, an des Herrn Tische, wie ehedem den Kriegern auch des Herrn Mahl ausgeteilt wurde, ehe die Schlacht begann. Manche kömmt und denkt nicht weiter, als daß des Herrn Wein und Brot zu leichter Geburt ihr helfe, das Leben ihr sichere. Manche will mit ihrem Erscheinen das Recht zum Himmel bewahren, es möge gehen, wie es wolle, will Christus sich zum Fürsprech gewinnen, weil sie wohl fühlt, daß nichts sonst für sie redet. Und dieses will sie sich sichern mit dem bloßen Erscheinen am Tische des Herrn, wie man sich auch oft durch Visiten den Platz im Testament eines reichen Vetters sichert oder durch einige Kratzfüße die Fürsprache eines Menschen bei einem andern Meister. Doch so sind nicht alle. Manche kömmt und fühlt in tiefer Demut ihr sündig Wesen und bittet brünstig um Gottes Gnade und bringt heiße Gelübde, daß es anders werden müsse in ihrer Seele, in ihrer Familie, wenn sie überstehen werde die dunkle Stunde.

Manche kömmt schwer beladenen Gemütes, der Last ihres Hauses ist sie fast erlegen, die Not nahm für sie kein Ende, und wenn sie Brot ihren Kindern gab, blieb keines für sie, und wie es in Zukunft gehen solle, weiß sie nicht. Sie kömmt und wirft ihr Anliegen auf den Herrn, bittet ihn, er, der die jungen Raben am Bache speise, den Sperling bewahre, daß er ohne seinen Willen nicht vom Dache fällt, daß er doch ansehen möchte ihre Not, milde Hände ihnen öffnen, bessere Zeiten geben, ihre eigene Kraft und Zuversicht sich vermehren möchte. Sie bittet zu Gott in brünstigem Flehen und mit gläubigem Herzen, zweifelt nicht, daß der, der die unaussprechlichen Seufzer höret, auch das Flehen aus treuer Mutter Brust vernommen.

Und Manche kömmt her matt und schwach; nicht bloße Ahnungen, trübe Nebel, bange Herzen haben ihre Seele verdüstert, nein, sie hat das Picken des Totenwurmes vernommen, nicht neben dem Bett in der Wand, nein, dicht neben dem Herzen in ihrer Brust, schon schlägt matt und langsam dieses Herz, und als ob sie des Todes kühlen Hauch wehen fühle aus der Nähe her, scheint es ihr. Nicht nur für sich will sie bitten, sie sehnt nach Ruhe sich, Leib und Seele sind zum Tode ermattet auf schweren Wegen. Ach, sie möchte Eines bitten, sie möchte ihr Kindlein mit sich nehmen, möchte im Tode eins mit ihm bleiben, möchte es auf eigenen Armen tragen über des irdischen Lebens Schwelle, möchte sehen, wie es da zum Leben erwacht, wie seine Augen sich erschließen zu des Himmels Freuden, möchte es segnen lassen von dem, der die Kindlein zu sich kommen hieß, möchte es tragen mit selbsteigenen Armen an des Vaters Thron, möchte bei ihm bleiben in alle Ewigkeit.

Und dennoch bittet sie es nicht, um des Kindes Tod kann sie nicht bitten, auch wenn das ewige Leben auf ihn folget, um Leben und Freuden der Erde kann sie ihr Kindlein nicht bringen, aber sie bittet schwer bewegt, daß der da oben selbst sein Vater sein, es führen wolle mit eigener Hand, ihm gute Menschen erwecken, es wolle finden lassen den rechten Weg, ein seliges Ende; daß er ihre Seele nehmen wolle in sein Reich, und was er jetzt trenne, er einst droben wieder einigen möchte. So bittet sie wehmütig, aber ergeben, und mit tiefem Beben genießt sie des Herrn Mahl; es ist das letzte Mahl auf Erden, das nächste Mahl wartet ihr in des Vaters Reich. So ist es ihr, und immer feierlicher wird es ihr im Gemüte. Es kömmt ihr vor, als wäre sie angekleidet in feierlichem Gewande am heiligen Sonntag und warte, bis die Glocken läuteten, um in die Kirche zu gehen, als wäre sie der Brautjungfrauen eine, voll wäre ihre Lampe, und des Bräutigams harrete sie. Und so harret sie still ergeben, bis der Herr kömmt; sie weiß es, in seine Hände kömmt ihr Geist, und ihres Kindleins Vater wird er sein.

Oh, es ist ein eigenes Gefühl, Weib um Weib treten zu sehen an des Herrn Tisch und auf jedem Gesichte zu lesen der Seele Sinn, des Herzens Bitten.

Schwer und matt wandelte auch Meyeli diesen Gang, aber weder lebensmüde noch lebenssatt; es hatte auch des Totenwurmes Picken nicht vernommen, aber einer bangen Herzenstrübe Gedanken hatte es für sichere Vorzeichen, untragbare Ahnungen genommen und schied doch so ungerne vom Leben; noch war ihm alles so lieb und teuer, womit Gott es beschert hatte. Das Herz war ihm so voll, es dachte nichts, es konnte nicht beten, nicht dieses, nicht jenes, nicht um längeres Leben, nicht um ein seliges Ende, nur bange Seufzer rangen sich los, aber die Seufzer verstand der Vater.

Aber Meyeli wußte nicht, daß der Vater ihns verstanden hatte, und fast noch schwerer als es gekommen war ging es heim; es war ihm immer, als sei es zum letztenmal in der Kirche gewesen, gäb wie man es ihm ausreden wollte, man redete es ihm nur hinein. Die Glocken hätten noch hintendrein angeschlagen, gerade als es auf den Kirchhof gekommen, und das bedeute, daß es ihm bald aparti läuten werde zum Grabe, sagte es.

Am Nachmittag kam die Hebamme. Als sie es so schwer im Gemüte fand, sagte sie, das sei nichts anders, es hätten es viele Weiber so, das komme vom schweren Geblüt, man müsse daher noch einmal zur Ader lassen, dann werde es schon bessern. Öppe nicht unerchant, sagte sie, aber doch auch, daß es etwas abtrage; wenn man einmal das Loch gemacht habe, so gehe es in einem zu, gäb ein wenig mehr oder ein wenig minder. Da machten sie doch so jung Doktere taub, und es hätte sich schon mancher übel verderbt damit; die wollten nie zu Ader lassen, und wenn sie es täten, nur so einen Fingerhut voll. Was doch das helfen wolle? Und dr Bur säg, für en Halbbatzen lasse ihm der Vehhansli noch einmal soviel hinaus als der Doktor für einen ganzen Batzen, und da wollte er doch ein Narr sein, zum Doktor zu gehen.

Nebenbei tröstete die Hebamme, Meyeli solle nur nicht Kummer haben, es stehe bis dahin alles gut, und wie sie sich darauf verstehe, werde es gut gehen, es sei kein einzig böses Zeichen da. Zudem sei ein gutes Jahr, es gebe fast alles leichte Geburten, und übel sei es noch an keinem einzigen Orte gegangen, sie hätte es noch nie so erlebt; sie wüßte doch nicht, warum es gerade hier übel gehen sollte, und noch dazu bei einer so jungen, gleitigen Frau, denen es am wenigsten tue. Dagegen habe sie schon Jahrgänge erlebt, wo einem das Leben erleide und alles tromsig gehe; die einen Kinder kämen zu früh, andere wollten gar nicht kommen, und wenn man meine, alles überstanden zu haben, und es sei alles gut, so komme ein Fieber und nähm se wie dFleuge. So tröstete die Hebamme und ließ dann zu Ader. Und es ist wahr, es leichtete Meyeli, freilich nicht in den Gliedern, die wurden noch matter und schwerer, aber ums Herz. Es hatte nicht mehr so schwere Gedanken, glaubte mehr ans Leben als an den Tod, konnte sich der Zukunft freuen und mochte wieder lachen, erlaubte sich sogar hin und wieder eine kleine Neckerei.

«Da siehst du», sagte die Hebamme, «was das Blut usela hilft, u wies gut ist. Si wey mrs geng vrbiete oder säge, mi müß si grusam drmit i acht näh. Aber das ist ume Vrbaust; am Blut usela isch mr no niemere gstorbe, aber vielne hets besseret, oder dir öppe nit o, red, du chasts säge? Es het mi duecht, fast eh no ds Blut glaufe syg, heygist o es angers Gsicht gmacht.»


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