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Viertes Kapitel

Meyeli tritt in der Welt auf

Das war ein Ereignis in Jowägers Hause, aber noch ein größeres für Meyeli. Als der Hechler seine Bitte in wohlgesetzter Rede anbrachte, war es Meyeli, als schnaagge ihm das Doggeli aufs Herz, oder als gieße jemand einen Kessel voll heißen Wassers über ihns aus. Sein Lebtag war es nie Gotte gewesen, sein Lebtag noch nie in Gutmütigen zur Kirche, sein Lebtag noch nie als junge Frau in irgendeiner Kirche, und alle diese Dinge sollte es auf einmal bestehen, und zwar schon nächsten Sonntag! Mit Mühe brachte es die Antwort heraus, es müsse erst mit seinen Leuten reden, denn wie üblich hatte der Hechler geheimnisvoll in apartiger Audienz sein Anliegen angebracht.

«Herr Jeses, Mutter, Herr Jeses, es wott mi Eine zur Gotte, was soll ih o mache?» rief es Anne Bäbi zu, das eben Brot einschnitt in der Küche. «He, du Göhl!» sagte Anne Bäbi, «du hättest mich bald erschreckt; was wottisch mache?» «O Mutter, chönnt me nit öppis zWort ha un ihm öppis gä? Er nehmte es sicher gern.» «Wohl, das wär mir e suferi Sach», sagte Anne Bäbi. «Was wurde dLüt säge, wenn du gingist ga absäge u scho ds erstmal; es wurd grad heiße, mir dörfte di nit zeige.» «Aber Mutter, ih bi no nie Gotte gsi, ih darf wäger nit.» «Das wär mr afe!» sagte Anne Bäbi. «En iederi Sach muß einist ds erstmal sy, du Göhl.» «Aber Mutter, das kostet viel u git groß Köste, bis alles usgrichtet ist.» «Su gäbs!» sagte Anne Bäbi, «wenns anger Lüt vrmöge, su vrmöge mirs auch; das wär mr afe, wenn me deretwege nicht wett eim ga zuchestah, wos mangelt.» «Aber Mutter, ih chenne dr Ma nüt.» «Aber ih», sagte Anne Bäbi, «es ist üse Hechler. U gang mr jetz u säg ihm zu und heiß ne mit is cho zNacht esse! Er chunnt is de ds angermal öppe zur rechte Zyt, we me ne heißt cho, u führt is nit so desume, wies sust dHechler im Bruuch hey. Ghörst, gang mr jetz, was wird er o sinne!» Mit schwerem Herzen mußte Meyeli gehen, mußte sagen, wenn es nichts anderes gebe, so werde es kommen, er solle auf ihns zählen. Als ob man Wasser auf eine Mühle gelassen hätte, wirkte diese Gevatterschaft im stillen Hauswesen.

Hansli und Jakobli freuten sich, aber still; sie mochten den Sonntag fast nicht erwarten, um Meyeli in seinem stattlichen Putz aufziehen zu sehen, denn das war eben eine Gelegenheit, zu welcher die Hochzeitkleider wohl paßten, und zu schönen Kleidern und einem so schönen Weibchen drinnen, was mußten dazu die Leute nicht alles sagen? Mädi war rumpelrurrig. Die schießige Löhle, sagte es, meinten, für eine Gotte mangle es eine Bäuerin oder eine Bauerntochter; aber es hätt scho mänge gä, und es wär ihm nützer gsi, er hätt dJumpfere gno as dTochter. Es gäbte de dere Bure, won es fast lieber dr Tüfel zum Götti wett; Ybung (Patengeschenk) gäbte si doch e kene, aber am Mahl fresse si für siebe, u de söll me ne no danke, daß si cho syge. Öppe e rechti Jumpfere wüßt, was si zu tun hätte, und schämte sich, nit öppe o z'tue, wies dr Bruuch syg, und öppe o eini, die wüß, wie me tue söll i dr Chile, wo scho meh drbygsi syg. Was doch Eine drvo hätti, wenn er scho lang e hoffärtigi Gotte heyg u de die nit wüß, wie si tue söll un er Schang an ere erleben muß für syr Lebtig.

Von dem Zeitpunkt an konnte Mädi den Hechler wegen seinem Unverstande nicht mehr leiden. Verflümeret gern hätte es gehabt, wenn das Kind ein Mädchen gewesen wäre. Es hätte nichts zu machen sein müssen, oder Mädi wäre die andere Gotte geworden, damit doch die Leute sehen könnten, was ds Jowägers Bub für e Löhl sei. So ausgebildet war Mädis Takt nicht, zu denken, wie das für den Hechler ein unüberschreitbarer Stein des Anstoßes sei, Jumpfere und Meistersfrau zusammen zu Gevatter zu nehmen.

Es gibt halt auch Etikette auf dem Lande. Anne Bäbi war das Ding recht; da sollten die Leute jetzt recht sehen, wie witzig es sei und wie eine gute Schwiegermutter, daß es ke besseri gäbt uf dr Welt. Mit den Geschenken hatte es weit mehr zu tun, als es je gehabt, wenn es selbst zu Gevatter gestanden. Das Korn für die Züpfe faßte es selbst und mehr als je und vom besten, Eier rechnete es mehr als sonst und befahl Sami, der die Sache zum Beck führen mußte, dem Beck, dem Bschyßhung, zu bifehle, daß er ganz guten Anken nehme; es hätte keinen beigelegt, weil sie die Nidel gar zusammensparen müßten, ehe sie anken könnten, und so werde er nie süß, gäb wie frisch er sei. Hansli mußte all sein Geld erlesen, um den schönsten Neutaler zum Einbund zu finden, und Jakobli den schönsten Spruch abschreiben, um ihn dareinzuwickeln.

Einen langen Rat gab es, ob man die Näherin wolle kommen heißen, um die Bkleidig für das Kind zu machen, oder ob man gleich alles beim Krämer nehmen wolle, da man ohnehin wegen einigem zu ihm müsse. Endlich gab Anne Bäbi den Ausschlag für das letztere; öppe gar wöhlfeler mache man es nicht, sagte es, wenn man die Näherin kommen ließe, die verschnäfelten eim dSach mängist vom Tüfel, daß me zwo Bkleidige hätt könne chaufe, bsungerbar we si öppe e Bub im Gring heyge oder e Tanzsunndi vorständs, u de wüß me nie, wo dr Fade hichömm, ob dKäfer drhinger syge oder öpper anger. «Du kannst diesen Abend ins Dorf gehen und dSach kaufen», sagte es zu Meyeli, «dr Ätti söll dr Geld gä.»

«Aber Mutter, wie wollte ich gehen?» sagte Meyeli, «ich weiß ja nicht, wo der Krämer wohnt, und der Krämer weiß nicht, wer ih bi.» «He», sagte Anne Bäbi, «was brucht er di z'chenne, we dSach nit dings nimmst? Was wurde dLüt säge, wenn ih für di ging ga ychaufe! Mr dörfte di nit zeige oder dörfte dir ds Geld nit avrtraue!» Nach langem Streit war man endlich einig, daß beide zusammen gehen sollten, und Hansli sagte zu Anne Bäbi: «Du weißt ja, wo ds Geld isch, nimm!» «Ih wott ds Geld nit», sagte Anne Bäbi, «du chasts Meyeli gä, sust chönnte dLüt glaube, ih syg ume deretwege mitcho, damit ih wüß, wieviel dSach chost, u sövli e mißtreue Hung bin ih de notti nit.» Hansli nahm aus dem Gänterli ein Päckli, tat es auf und zählte es; 's sei recht, sagte er, u no bravi Münz, er hätts nit glaubt, er heygs vom ene Wirt. Dazu tat er noch einige Fünfunddreißiger, und als Meyeli sagte, soviel brauchte es nicht, er solle sie wieder wegtun, entgegnete er: «Nimm se, es schickt si neue nit, wenn e jungi Frau dBatze so muß zämelese i de Säcke u so dBrotbrosme fürechehre muß.» «Henu, Vater», sagte Meyeli, «su will dr de Rechnig gä.» «Manglet si nüt», sagte Hansli, «bhäbs ume, su bruchst mir nit geng z'heusche, we de öppis manglist.» «Was wett ih o mangle?» sagte Meyeli, «und denn habe ich auch noch Geld.» «'s wird öppe nit viel sy», sagte Hansli, der seine Freigebigkeit doch nicht gerne vor Anne Bäbi verhandeln hörte von wegen dem Eindruck.

Draußen polterte Mädi mit der Waschgepse und schnauzte dem vorbeigehenden Sami nach, wenn das so gehen solle, so werd öppe niemere mehr lang hier sein können; was si zUnnutz bruche, das werd me de a ihne welle erspare. Es wüß wohl, wie es gehe: dest hoffärtiger ds Burevolch werd, dest minger heyge dDienste z'fresse. Wer zu ihm selber luege un öppis für ihn selber astelle well, werd Zyt ha. Sami sah spöttisch zurück und sagte: «Am Glust hätts dr scho lang nit gfehlt, mir ischs no lang wohl eso.» «Du Dolders Möff», schrie Mädi, «last mr dTür geng off!» und schmetterte dieselbe hinter ihm zu, daß Sami mit Not seinen letzten Fuß in Sicherheit brachte.

Es war ein wichtiger Gang, den Anne Bäbi und Meyeli jetzt miteinander taten. Es ist allemal ein wichtiger Gang, wenn eine Schwiegertochter und eine Schwiegermutter zum ersten Male miteinander ausgehen und absonderlich in einen Krämerladen. Sind ihre Herzen leicht mißstimmt, so entzweien sie sich sicherlich, und der erste Gang legt das Fundament zu all andern Gängen, und eine nimmt immer größeres Ärgernis an der andern, und das Ärgernis durchsäuert das ganze Verhältnis und wird immer sichtbarer, jedoch nach Stand und Gemüt. Wie manche Schwiegermutter und wie manche Schwiegertochter sind vom ersten Gang zurückgekommen, und die Schwiegertochter sagte zu ihrer Seele: «O wettsch, was ist das für es alts Räf!» Und die Schwiegermutter zeigt in allen Zügen die Überzeugung: «Die macht meinen Sohn unglücklich, was ist sie? E Gans ist sie und leider Gott dazu no e hoffärtigi Gans, e lötige Tätsch, es Beel, e Mugge!»

Böses hatten aber unsere beiden Weiber nicht im Herzen. Anne Bäbi fühlte einen gewissen Stolz, denn ein gattlich, styfs Fraueli war Meyeli jedenfalls. Zudem wollte es den Leuten zeigen, daß sie einig miteinander seien, und daß dasselbe nicht wider seinen Willen im Hause sei. Und wenn eine Schwiegermutter eine neue Sohnsfrau ausführt und sich nicht ein gewisser Stolz in ihrem Herzen regt, so ist es selten recht gut. Meyeli dagegen ging mit einem eigenen Gefühl den ersten Gang aus dem Hause, welches es mit so schwerem Herzen betreten hatte. Es hatte ihm gewohlet, es war erwärmet nicht nur im Hause, sondern, wie es ihm schien, in der Welt; es dünkte ihns, es dürfe viel besser niedertrappen, es begriff, was man damit sagen will: «Der geht einher, als ob die ganze Welt sein wäre», es hatte jetzt auch teil an der Welt, das heißt ein Stücklein davon war sein.

Es ist ein eigenes Gefühl, nicht nur einfache Hüdeli zu haben, sondern zweifache Sonntagskleider, mindere und bessere, Geld im Sack zu haben und einen Mann daheim und das Gefühl im Herzen, daß man jemand lieb sei, und eine Schwiegermutter an der Seite, hundertmal gutmeiniger als man gefürchtet. Der Gang war Meyeli viel leichter als es gefürchtet, und es durfte die Leute ansehen, und wenn sie gegen ein Haus kamen, wo Leute davor saßen, so sagte es nicht: «Mutter, cheu mr nit hingedüre?» sondern es wünschte ihnen freundlich Zeit und fragte, ob sie Feierabend hätten. Die Krämerin empfing sie recht freundlich, hieß sie innefür cho und sagte: «Gseht me doch einist die junge Frau? Mi het afe gmeint, dir heyget se im ene Schaft inne, u doch dörfet ihr die wohl fürela, die stieng jedem Haus wohl a, dr Jung het wohl usglese. Er versteyht si schynts no druf, mi gsäch ihms nit emal sövli a.»

Im Laden zeigte sich Meyeli sehr verständig, wußte, was Farbe hielt und Stich, und sah die Schabenlöcher im Wollenen trotz der herrschenden Finsternis, denn in gar vielen Läden ist immer Sonnenfinsternis, wenn schon keine im Kalender steht. Die Krämerin ermangelte auch nicht zu sagen, sie verstehe sich darauf mehr als Manche, man sehe wohl, daß sie nicht das erstemal einkaufe. Nit, bei ihr hätte man es nicht nötig; wenn eine Sache einen Fehler habe, so sage sie es selbst, sie begehre niemand anzuführen. Aber sie wiß e Ort, wo so junge Weibchen oder Meitleni, die nichts verstünden, erbärmlich angeführt würden. Selligi sollten doch immer sehen, zu wem sie gingen, Meyeli aber hätte das öppe nit nötig, es könne selber luege u chenn öppe dSach. Das tat Anne Bäbi grusam wohl; denn es betrachtete alles, was zu ihrem Hause gehörte, als seine Sache, Mann, Sohn, Schweine und Kühe; und daß alles so war, wie es war, das hatte man ihm zu verdanken. Darum, wenn man etwas rühmte, so rühmte man ihns; es war hoch erhaben derowegen über alle Eifersucht. Einzig mit Mädi machte es eine Ausnahme; das wußten aber auch alle Leute und richteten sich darnach.

Als Meyeli fertig war mit Einkaufen, so begann auch Anne Bäbi sich vorlegen zu lassen und kaufte eine Kappe, ein Gloschli, kurz, kramte aus dem ff. Es geht gar manchen Weibern in einem Krämerladen, wie es den Männern mit dem Wirtshaus geht. Es gibt Männer, die monatelang nie ins Wirtshaus kommen und Ragger sind fürchterlich; sind sie aber einmal drin, so sitzen sie fest, trinken Halbe um Halbe, können nicht fertig werden, bis es ihnen obenaus läuft. So gibt es Weiber, von den huslichsten, die im Märten um einen halben Vierer sich fast die Zunge schinden und daheim auf jeden Kreuzer sitzen wie eine Henne auf den Eiern; sind sie aber einmal in einem Krämerladen erwarmet, so kömmt der Gugger los, und die Eva rührt sich. Das dünkt sie schön und jenes noch schöner, dies haben sie nötig und jenes noch nötiger, dies kaufen sie, jenes kaufen sie, kaufen eine Burde zweg, bis es sie dünkt, es sei Zeit aufzuhören, wenn sie ihnen nicht zu schwer zum Heimtragen werden solle. Freilich überschlägt dabei Manche fortwährend Milch-, Anken- und Eiergeld; aber je mehr sie kauft, desto mehr wird sie überzeugt, daß fortan ihre Kühe mehr Milch geben, ihre Hühner besser legen würden.

Das Erkennen und Benutzen dieser Schwachheit macht eben den Unterschied zwischen den Krämerinnen aus, und eine, die sich darauf wohl versteht, ist fünfundzwanzigtausend Franken wert wie Schnupf, wenn sie schon keinen Kreuzer erbt.

Anne Bäbi hatte auch etwas von dieser Schwachheit an sich; diesmal jedoch regierte sie es nicht alleine. Es schien der Krämerin schon lange, Anne Bäbi kaufe so wunderlich ein, daß, als dasselbe noch Scheubetuch verlangte, sie sagte: «Du wirst es für dich wollen? Siehe, hier ist bsunderbar schöns u doch aständigs, grad so fürn e älteri Person, wie du bist.» «Ich will es aber nicht für mich», sagte Anne Bäbi. «Du wirst es für dy Jumpfere welle?» fragte die Krämerin. «Du bist mir heute e Gwunderigi!» sagte Anne Bäbi, «nei, für mys Sühniswyb wott ih neuis. Ih ha ihm no nüt kramet, u wil ih doch ds erstmal mit ihm bim Krämer bi, es wird öppe nit viel gscheh, su han ih däicht, es syg o öppe aständig, daß ih ihm öppis krame, ume so, daß es o wüß, daß es mr nit unaständig syg, u daß ih mit ihm zfriede bi.»

Natürlich war der Krämerin jetzt aufgeholfen, da sie merkte, wo Barthlome Most holt, und wenn sie mit dem Maul nicht eine Hex gewesen wäre, so wäre sie in Verlegenheit gewesen, wie sie ihr Rühmen zwischen Meyeli und ihrer Ware verteilen sollte; aber dieser machte so was nicht einen Buß, sie rühmte links und rechts, daß die Schwarten krachten und Anne Bäbi nicht fertig geworden wäre mit Kramen, gäb was Meyeli wehrte, wenn sie nicht die Nacht abgetrieben hätte.

Der nächste Sonntag war einer von den schönen Wintertagen, welche oft so klar und lauter aufgehen über der Erde, daß der Mensch wähnt, der Sommer wolle zurückkehren, oder der Frühling wolle schon kommen. Aber wenn er sich recht umsieht, so ist es nicht der Sommer, nicht der Frühling, der am Himmel steht, so hell, weich und lieblich ist kein Frühlings-, kein Sommerstag; es ist ein Tag, dem Auge des Greises gleich, das von der Erde Dunst und Nebel gereinigt umso heller in den Himmel sieht, je näher es dem Brechen ist. Früh war Meyeli auf, früh alles im Hause, und doch mußten sie mit dem zMorgenessen warten über Gebühr, denn Mädi hatte zum Feuern das grünste Holz genommen, welches ums Haus herum zu finden war. Anne Bäbi machte das Kammermeitli mit Strählen und Züpfen, und als endlich Meyeli fix und fertig dastand in vollem Putze, den nur Jakobli noch am Tage gesehen, so konnten alle nicht genug luegen, und als es dem Dorfe zu ging, sagte Anne Bäbi, es stang fry am Hus wohl a, und es mahne ihns akkurat an ihns, wo es jungs gsi syg; ume sei es e wenig ds töllere gsi. Wenn e Angeri die Kleider anhätte, sagte Mädi, mi chönnt de luege, wie die wär, u de son es Gsicht für e Sunnde möchte es nit ha, wo dr Bruuch nit erlyde mög. Mi chönn de luege äys Jahr, wie das drygseh werd, öppe nit viel besser as e gibleti (gestorbene) Geiß. Emel es tuschete noch lange nicht.

Bangen Herzens ging Meyeli seiner Wege. Es hatte Kummer, es könnte sich verfehlen bei der Taufe, gäb wie es gefragt hatte um hiesigen Brauch, ob der Pfarrer die Kinder im Deckeli nehme oder nicht, ob er allen zusammen den Segen gebe oder jedem besonders und so weiter; es hatte Angst vor den Leuten, die es gschauen und zerlegen würden, und wie es bestehen möchte in ihrem Urteile.

Allerdings waren der Leute viele, die auf Meyeli schauten, und als der Vikari in die Kirche kam, überflog ein eigener Schein sein Gesicht: «Mamsell Sophie, Gäxnase, was säget ihr zu diesen Leuten?»

Als Meyeli einmal in der Kirche war, schwand ihm die Angst, und gar seltsam ward ihm zumute. Es wiegte sanft das Kindlein in seinen Armen, damit es nicht erwachen, nicht schreien möchte, und wie es wiegte, ward es ihm, als schmiege das Kindlein an seine Brust sich an, als fühle es dessen warmen Hauch in seinem Herzen, und in unaussprechlicher Liebe schwoll sein Herz, und ein innig Sehnen trieb es an, das Tauftuch zu heben, des Kindes Gesichtlein zu schauen, es zu küssen, es fest an seine Brust zu drücken.

Als es endlich das Tauftuch heben konnte, das friedliche Gesichtchen in süßem Schlummer sah, da brannten seine Augen in heißer Liebe; seine ganze Seele senkte sich in den Segen hinein, den der Herr über das Kindlein gab, und als es dasselbe draußen der Frau abgeben mußte, um es heimzutragen, dünkte es ihns, es gebe etwas vom eigenen Herzen weg; es konnte sich nicht trennen vom Kindlein, der Tränen konnte es sich kaum erwehren, als die Frau mit dem Kinde dahinging.

Träumerisch kam es in die Kirche zurück, das Guggen und Schauen der Leute achtete es nicht, seltsame Ahndungen wogten in ihm auf und ab, bald ward ihm so süß zumute wie noch nie, dann wieder so weh, daß es den Kopf zum Sterben hätte legen mögen, und Tränen rannen über seine Wangen, es fühlte sie nicht. Als die Predigt aus war, war es ihm, als erwache es aus tiefem Traume, und was es geträumt, wußte es doch nicht, und anstrengen mußte es sich, ordentliche Sehkraft wieder in seine Augen zu bringen und Worte zu finden, die freundlichen Grüße zu erwidern, welche ihm außerhalb der Kirche von mancher Seite her gebracht wurden. Freundlich und lieblich begegnete es jedem, und alles ging seines Lobes voll nach Hause, was mit gerechter Wage die liebliche Erscheinung wog. Natürlich, daß allenthalben Leute sind, die Pfeffer in den Zucker streuen, denn wo findet sich der Neid nicht, das tausendzüngige Ungeheuer, das alle Freuden trübt, das Wohlwollen saugt aus jeder Brust, in die es sich den Eingang bohrt?

Auch im Wirtshause war es wie ein Licht am dunkeln Orte. Sehr oft ist eine Taufmahlzeit das, was man eine langwierige Fröhlichkeit nennt. Man sitzt hinter Essen und Trinken, alles ist vollauf da, aber die rechte Würze, die Heiterkeit und das kurzweilige Gespräch fehlen. Da sitzt man hinter dem Tische und ißt, und das Essen gleicht fast dem Mahlen der lieben Kuh, wenn sie in frischem Stroh liegt, die Augen behaglich halb schließt und langsam die Kinnlade hin und her bewegt, wiederkaut. So sieht man oft Gestalten halbe Tage hinter dem Tische sitzen, und die Kinnlade geht immerzu, aber langsam, es ist, als ob sie wiederkauten, und ist es doch nicht; denn mächtige Stücke schieben sie von Zeit zu Zeit ins weite Maul hinein, aber lange machen sie dann daran, das ist wahr. Wer nun die Würze bringt zu solchen Mählern, der ist gar sehr willkommen, und ein kurzweiliger halber Tag ist dem Menschen eine halbe Seligkeit. Meyeli mit seinem freundlichen, gesprächigen Wesen, kommend aus fremdem Dorfe, wo manches zu erzählen, manches zu fragen war, brachte diese Würze mit, und der Abend war da, ehe man es sich versah.

Anne Bäbi nahm es mornderst verflümeret wunder, was man eigentlich zu seinem Sühniswyb sage im Dorfe, und wie es sich aufgeführt im Wirtshause. Und das ist sich an einem Anne Bäbi nicht zu verwundern, gibt es doch Leute, die, wenn sie einmal ein Wort von sich gelassen, wie wild rumlaufen in allen Kneipen und in allen Ecken fragen, wie es gerochen.

Wie abgeredet stund die Wirtin vor der Türe und frug: «Woaus, Anne Bäbi?» «Nit wyt», antwortete dasselbe, «ist dr Wirt daheim?» «Nein, aber er wird gleich kommen, komm unterdessen hinein!» «Ich habe ihn nur fragen wollen, ob er auf den nächsten Markt eine Sau mangle, es wär mr aständig, eine vorabzgä. Aber du chast mr das o säge», antwortete Anne Bäbi. «Chumm du yche!» sagte die Wirtin, «er chunnt uf dr Stell, u du chast de selber mit ihm rede. Ih glaub nit, daß er eini het, aber du weißts wohl, wies dManne hey, si säge de Wybere nit alles. Es Schöppli soll ih bringe?» sagte die Wirtin. «Es halbs», antwortete Anne Bäbi. «He, ih wett es ganzes näh, es halbs ist gar bös z'breiche u het nüt dar», entgegnete die Wirtin.

Und als sie mit einem ganzen wiederkam, hub sie an, ehe Anne Bäbi zum Protestieren kommen konnte: «Aber nein, was du doch auch für ein Sühniswyb hast! Unsereim sieht öppe viele Leute, bsungerbar öppe an Märkten und Tanzsonntagen, aber ein styfer und manierlicher Weibervolk ist mir seit langem nicht vor die Augen gekommen, u de gar es lächerligs ischs. Der halbe Tag ist herumgegangen, ich wußte nicht wie, und gar manchmal hab ich vergessen, Wein zu holen, daß ich ihm ha müsse ablose, ih ha möge welle oder nit. Es het chönne tue, mi het nit gnue chönne luege, nit öppe so wüst u uschafelig u ugattlig, wie so ungwahnet Gotte mängisch im Bruuch hey, wo nit chönne rede, bis si voll sy, u de graduse brülle wie hungerig Säu. Es hets chönne so aständig wie die vornehmste Buretöchter, wo öppe viel unter den Leuten sind, u het wüsse z'brichte vo diesem und äym, mi het nit gnue chönne lose. Da hat man gesehen, wie doch die Leute lügen können. Haben die nicht gesagt, Jakobli hätte ein Bettelmönsch nehmen müssen ab dr Gaß, zu dem er gekommen, er wisse selbst nicht wie, und in Fötzeln hätte er es dahergebracht, daß man es keinem Menschen hätte zeigen dürfen. Und jetzt ist das Eine, bkleidet de fry fürnehm, un im ganze Dorf wüßt ih de fry keni, die dere z'vrglyche wär; da gseht me aber, wie dLüt lüge chönne.»

Öppe eine Reiche sei sie nicht, sagte Anne Bäbi, aber sie sei ihm notti aständig; sie könnten es machen, wenn Jakobli schon nichts erheirate. Vo rechte Lüt nache sei sie, das sei wahr, und das sehe man ihr von weitem an. Aber ihre Leute hätten Unglück gehabt und seien viel zu gut gewesen, und böse Leute hätten sie um ihre Sache gebracht; sie seien früh gestorben aus Verdruß, der Hof hätte müssen verkauft werden, und Verwandte und Gvatterleute hätten die Kinder zu sich genommen. Zwischen jedem Satze nahm Anne Bäbi ein Schlücklein, und es war wunderbar, wie mit jedem Schlücklein seine Phantasie wuchs und seine Erzählung schöner wurde, und als diese nicht mehr schöner werden konnte, tat sich auch das Herz immer mehr auf, und es erzählte, wie Meyeli zu einem wüsten Hung und Götti gekommen, und wie der es gehalten nicht wie ein Mönsch, sondern wie ein Türk, nicht halb genug zu essen ihm gegeben und keine Kleider, daß es kaum mehr vor die Leute konnte, und hätte doch alles machen müssen. «Aber warum ists nit furtgloffe?» fragte die Wirtin, «wohl, am e sellige wett ih!» Anne Bäbi nahm einen Schluck und fuhr dann herzhaft fort: «Das hab ich auch gesagt, aber es hat ds Göttis Frau, die wohl gewußt hat, wie wüst ihr Mann ist, auf dem Todbett versprechen müssen, in keinen andern Platz zu gehen, und Jakobli hat fry grusam anwenden müssen, bis es begriffen hat, daß e Platzg un e Ma nit ds glyche syg. U dä Uflat vo Götti hets i Kleidlene la laufe, daß kes Bettelmönsch se leider het; was es noch gut gehabt, das hat er ihm nicht mitgelassen und will doch de no besser sy as anger Lüt.» «Aber wie sind die zusammengekommen?» fragte die Wirtin, «daß er sie hätt nehmen müssen, selb ist de nit, darauf verstehe ich mich de zu gut.»

«Ja», sagte Anne Bäbi, «glaube täte ich selligs nicht, wann es mir öpper anger erzählte», und führte dann eine Geschichte zweg, wo die Wirtin ein über das andere Mal die Hände über dem Kopf zusammenschlug und ausrief: «Herr Jemer, ists möglich, nei, so öppis han ih no nie erlebt!» «Ih o nit», sagte Anne Bäbi, «und ih wills gerade heraussagen, afangs ist mir die Sache gar nicht aständig gewesen. Ich hatte eine Andere für meinen Buben im Biet, die mir grusam gerühmt worden ist, und dSach war soviel als richtig, und daß er eine Andere im Kopf hat, seit mir dä Tropf nit, bis er fast gar gstorbe gsi isch. Er ist de ne gute, das muß ih säge, u we mr nit uf apartigi Wys drübercho wäre, ih glaub, er wär gstorbe, ehe er mrs bikennt hätt, ume will er gseh het, daß ih öppis Angers im Biet ha, ume will er glaubt het, es mach mr Verdruß, wenn er jetzt mit ere Angere chäm, u no drzu mit son ere Arme. Aber als ich einmal darüberkam, da sah ich gleich, was das Beste sei, und daß der lieb Gott das well, und wenn der einmal was will, so ist mit dem nichts mehr zu machen; my Hansli chann ih öppe no äneume dräye.

Und dazu habe ich noch Sachen vernommen, es hat mir übel gruset; da bin ich froh gewesen, ist es so gegangen, wir hätten können unglücklich werden alle zusammen mit dem Trampeltier, vo wege ih bi e gutmütige Göhl gsi u hätt dr Löffel us dr Hand gä, eh mr gesse gha hätte, u hätt der Täsche alles la vrschrybe.» «Mi sött das nie mache», sagte die Wirtin. «Was witt», sagte Anne Bäbi, «we me dKing liebhet u meint, sie heyge eim glych lieb? Nu, vom Jakobli hätten wir nichts zu fürchten gehabt, aber er wäre nichts mehr Meister gewesen. Aber wo ich einmal gemerkt habe, wie dSach liegt, wohl, da habe ich ihr du dr Tätsch gä, u du ischs richtig gsi.

Aber glaubs mr oder glaubs mr nit, dä Hung vo Götti hats noch schier nicht tun wollen, hat gesagt, wir seien Hudelleute. Aber wohl, da haben wir ihm gezeigt, wer wir seien; isch es gester nit öppe agleyt gsi, daß mes het dörfe la luege?» «Bsungerbar schön», sagte die Wirtin, «es hat mir nicht bald eine Bkleidig so gfalle wie die, aber Geld het die kost, alles i allem hätt ih se nit für hundert Krone welle la mache.» «Öppe wyt bist nit drvo », sagte Anne Bäbi, «aber meh hätt mi nit greut, ume daß sie wüsse, ob mir Hudellüt seien oder nicht; dessetwege chöme mr notti doch nit über nüt.» «Wer weiß!» sagte die Wirtin, «aber wenn ihr nichts mehr habt, so kommt zu uns, wir wollen euch dann entlehnen.» «Gut, daß me selligs weiß», sagte Anne Bäbi, «mi weiß nie, was es eim gä cha. Aber wenn ume dr Wirt chäm, ih muß wäger hei; si wüsse nit, wo ih bi.» «Was wottsch mit ihm?» frug eine Stimme aus dem Dunkel hervor, in welches die zwei Weiber geraten waren, sie wußten nicht wie.

«He dr Sacker!» sagte Anne Bäbi, «jetz wär ih bald erschrocke u ha fast gmeint, es syg e Geist!» «Nei wäger», sagte die Wirtin, «das ist ke Geist, dä ist de z'handlige fürn e Geist u handlet z'gern um alles, was es isch; ih glaubti, er handleti um mi, wes erlaubt wär.»


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