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Zehntes Kapitel

Anne Bäbi fährt auf die Gschaui und hat große Freude; aber Jakobli läuft durch eine Mistgülle, und das Herz tut ihm weh

Windstille war nun manchen Tag im Hause; was jedes bei sich selbsten erwog, ward nicht laut; daß Mädi so freundlich mit Jakobli ward, achtete niemand; daß Jakobli noch stiller war als sonst, fiel nicht auf; und daß Anne Bäbi eine lange Konferenz im Bohnenplätz hatte mit dem Maurer Vreni, merkte niemand. Aber gar hellauf ward Anne Bäbi auf die Konferenz hin und schlug auf den nächsten Sonntag eine Badefahrt vor. Baden sei immer gut, sagte es, und öppis müsse doch gehen. Es duechs, es möchte einist auf Kriegstetten, es hätte schon viel davon gehört.

Dem Jakobli ging es auf wie ein Licht, denn der Weg führte durch Raxigen. Wie er dahin kommen könnte, daß es niemand merke, daran hatte er schon lange gesinnet, aber nichts war ihm in Sinn gekommen; jetzt schlug das Mütti ihm es selbsten vor. Das Mütti hätte ihn doch lieb, er hätte es nicht geglaubt, dachte er, und er flattierte ihm und war hellauf, daß es allen auffiel und ds Mädi sagte, seit man mit dem Ketzer Elixier aufgehört, sei Jakobli viel wöhler. Um die Stauden herum schlug Mädi, um mit auf Kriegstetten zu gehen. Es hätte schon manches Jahr nicht mehr gebadet, und es duechs, es wäre neue afe wieder Zeit, einmal zu baden; es beiß es neue allbeeinist, und es wisse noch von allbets, daß man viele Kämmerlein habe, wo drei Kasten seien, und da koste es gleich viel, ob zwei oder drei Personen darin badeten, und zletzt hätte es selbst noch Geld.

Das war aber eine Begleitung, welche Anne Bäbi nicht wollte. Es schüsselete Mädi ab, so gut es konnte, aber es ging übel an, und Mädi polterte im Hause herum, als wären sieben Rosse abgekommen im Stalle, und wer eine Antwort von ihm bekam, der fand einen Schlemperlig darin.

Es war ein schöner Sonntagsmorgen, als Anne Bäbi mit seinem Sohne auszog und sich seiner Führung anvertraute, da es erfahren hatte, daß die Mähre kein unbändiges Tier sei. Beide waren schweigsam. Jakobli dachte mit banger Freude, ob er wohl sein Meyeli erblicken werde; Anne Bäbi aber sann an seine Konferenz mit dem Maurer Vreni. Das Vreni hatte nämlich erzählt, daß das Meitschi, welches in der Pinte auf dem Säumärit ihnen gegenüber gesessen, wirklich des Zyberlibauren Tochter, die Auserwählte, gewesen sei, die Frau neben ihr aber nicht die Bäurin selbst, sondern ihre Schwester. Das Mädchen hätte erst sehen wollen, wie Jakobli ihm gefalle; und sobald es ihn gesehen, hätte es nichts von ihm wollen und gesagt, es dürfte ja mit dem weder zKilche noch zMärit; was die Leute auch sagen würden, wenn es einen solchen nähme. Es habe verflümeret reden müssen, bis es sie äne ume gebracht und sie versprachen, nach Kriegstetten ins Bad zukommen und noch einmal mit ihnen zu reden. Aber es habe ihren Reichtum ausgestrichen, daß es keine Gattig gehabt, und den Jakobli auch; das sei dr freinst Löhl, wos gebe auf dem Erdboden, und da werde es nie nein sein, wenn eine Frau auch das Ungattlichste wolle. Das habe dem Meitschi doch gefallen, und wenn Anne Bäbi noch nachbessere, so werde die Sache sich schon machen. Diesem Nachbessern sann Anne Bäbi eben nach.

Es ist gar ein lustiges Fahren an einem schönen Sonntagsmorgen, wenn die Menschen so froh und lustig zur Kirche wallen und um die Häuser stehn und sitzen, als wäre kein Elend in den Häusern, keine Sünde in den Herzen, die Tage des Tausendjährigen Reiches heraufgequollen aus dem Meere der Zeit, der ewige Sabbat niedergestiegen vom blauen Himmel herab.

Jakobli war es gar weit und frei ums Herz; aber je näher sie Raxigen kamen, um so mehr zog es sich zusammen, daß er fast nicht Atem kriegen konnte; und wenn er von weitem ein Meitschi sah, ein Schaubhütchen auftauchte hinter einem Zaun hervor, so schlug ihm das Herz wie ein Hammer, und er mochte nicht warten, bis er wußte, ob das sein Meyeli sei oder nicht. Die Häuser von Raxigen hoben ihre braunen Dächer über die grünen Bäume und die mit Misthaufen besäeten Äcker; schon sah man Storchennester auf den bemoosten Dächern, und unter welchem war wohl Meyeli? Er wußte es nicht. Niemand hatte gefragt; daß man so dumm sein könne, begriff er nicht. Als die Mähre sie über das Brücklein zog, gleichsam durchs umgekehrte Tor, da war es ihm fast, als gings in eine Kirche, und andächtig sah er nach diesem Hause und jenem Hause, sah in alle Gärten, sah nach allen Brunnen.

Es war heiß; es dünkte die Mähre, am Schatten wäre es gut, und mit Macht steuerte sie einem Hause mit breitem Dache zu, wo viel Schatten war und im Schopf ein kühler Brunnen lief. Jakobli merkte es nicht, bis Anne Bäbi rief: «Herr Jemer, Herr Jemer, wo fährst?» Da fuhr er zweg, riß am Leitseil, als ob es ein Ankertau wäre, und die Mähre tat wüst, ging bald tromsigs, bald hinter sich, und Anne Bäbi brüllte wie am Spieß: «Heyt, heyt!» Und trotz dem Brüll gings einer Mistgülle zu, und Anne Bäbi meinte, es gehe ihm wie dem Pharao im Roten Meer, und brüllte graduse. Da sprang Jakobli ab, wie gleytig, sah Anne Bäbi nicht einmal, hielt die Mähre hott und brachte sie auf graden Weg; aber er selbst mußte durch die Mistgülle; seine weißen Strümpfe wurden braun, und an allen Häusern gingen alle Läufterchen auf, und aus jedem fuhr ein Kopf, und hinter jedem Kopf war noch einer; und aus den Ställen schossen Leute, und unter den Bäumen hervor kamen sie von wegen dem Brüll, und manch Spott- und Hohnwort drang unter den Häusern hervor, und Mähre, Anne Bäbi, Wägeli und Jakobli erhielten ein jedes seinen Teil, daß keines dem andern etwas vorzuhalten hatte.

Jakobli schämte sich unbeschreiblich, verlor ganz den Kopf, fuhr fast kreuz und quer von einem Hause zum andern, und je stürmer Jakobli war, desto dümmer tat die Mähre, und lange gings, ehe er zum Dörfchen hinaus war, und keinen Menschen sah er mehr an, und unter jedem Dache meinte er Meyelis Stimme zu hören, spottend und lachend. Die Mähre am Zügel ziehend, zwei Schritte voraus, zog er sturm die Straße entlang, bis die Mutter rief, ob er nicht aufhocken wolle. Kaum saß er aber oben, so ging über ihn ein Wetter los, wie er noch nie eins erlebt. Und wie es oft geschieht, daß Wetter, wenn man meint, sie seien vorbei, wiederkehren mit neuer Gewalt und ärger sind als zuvor, so ging es auch mit Anne Bäbis Wetter, das allemal mit erfrischter Kraft losbrach, so oft seine Blicke auf Jakoblis schwarzbraune Strümpfe fielen.

Schon stand Kriegstettens weithin gesehener Turm vor ihren Augen, als Jakobli sich auch aufraffte und sagte, des Brülls vrmöge er sich nichts, er hätte nicht brüllet und drmit dMähre erschreckt; aber er wett, er wäre daheim, da wäre ihm bas. «Brüll, Brüll!» sagte Anne Bäbi, «was kann ich dafür? Es ist ja dr allgemein Bruch, z'brülle, wenn me ersuffe will. Aber so kannst du nicht bleiben; es hätten ja all Leute ein Abschüchen ab dir und würden meinen, du vermöchtest nicht einmal an einem Sonntage weiße Strümpfe.» «Meinten sie meinethalb!» sagte Jakobli ergebungsvoll. «O nein», sagte Anne Bäbi, «so ganz gleich ist das nicht; mi weiß nit, wie selligs eim vor sym Glück sy cha.» «Was frage ich dem Glück nach!» sagte Jakobli. «Du bist e dumme Bub!» antwortete Anne Bäbi. «Aber grad i ds Bad mußt du; unter der Zeit kann ich dir die Kleider putzen und dStrümpf wäsche. Ih hätt nit glaubt, wo du zweijährig gsy bist, daß ich dir das noch tun müsse, wenn d bald zwänzig bist.» «Aber Mutter, ih ha nit brüllet.» «Heyg brüllet, wer well, su sys doch dyni Kleider, won ih wäsche muß, und wo stinke wie dr Tüfel», sagte Anne Bäbi. «Aber lueg, dert sy mr scho; wer hocket dert vor em Hus? Häb ume, häb ume, fahr dort zur Scheuer; hott, Brun, hott!» schrie Anne Bäbi.

Es war ihm himmelangst, noch viel mehr als zu Raxigen; denn dort vor dem Hause saßen zwei hoffärtige Weibervölker, und wenn es sich nicht gröblich irrte, so war es die Zyberliherrschaft, Mutter und Tochter. Vor die sollte es nun in solchem Aufzug, Jakobli mit Füßen wie eine Krähe! Es musterte ihn der Mähre nach in den Stall, dann hintenaus, weit hinterm Haus herum, bis es die Badmagd fand und den Jakobli in ein Kämmerlein verstoßen konnte. Es hatte etwas gemein mit dem Vogel Strauß, der meinte, wenn er seinen Kopf unter die Federn nehme, so sehe ihn niemand.

So bald möglich bettete es den Jakobli in ein heißes Bad, nahm Hosen, Strümpfe und Schuhe und machte sich damit zum Brunnen. Die Badjungfrau bot ihre Dienste an, aber Anne Bäbi sagte, es mache solches lieber selbst; es war ihm halt ums Trinkgeld. Anne Bäbi war noch kein ausgemachter Diplomat und wußte nicht, daß ein verschmähter Freund zum Feinde wird. Die Badjumpfere hatte nun nichts Angelegentlicheres zu tun, als vor dem Hause zu erzählen, es sei hinter dem Hause ein altes Anne Bäbi, das seinem Jungen Hosen und Strümpfe wasche, welche gar pestialisch stänken. Der Bube müsse unter der Zeit im Bade schwitzen und werde zum Vorschein kommen wie ein gesottener Krebs. «Ists nit e Halbbling und e Blatteredüpflete?» frug die Zyberlitochter. «Grad so eine ists und so e wenig e Lädi, hets mi duecht», antwortete die Jumpfere, «kennet ihr die Leut?» «Es sind von weitem Vetterleut», antwortete die Bäurin, «bsungerbar Lüt, aber grusam rych, no so uf die alti Mode.» Die Jumpfere fürchtete, zuviel gesagt zu haben, sagte: «Es het mi duecht, dr Jung het bsungerbar e schöni Sackuhr», und verschwand. «Wey mr luege, was dä alt Kratte macht hinger em Hus?» fragte die Mutter. «Es ist mr glych», sagte die Tochter, «die lat de dMilch öppe bas nache.»

«Muß das no Sunndi und Werchtig sy?» frug plötzlich eine Stimme, von welcher der halbe Teil aus der Nase kam, das eifrig waschende Anne Bäbi. Das sah erschrocken auf und ließ die Hosen in den Brunnen fahren; denn hinter sich sah es eine stattliche Bäurin stehen und bei ihr ein Meitschi, groß, vierschrötig, mit Backen wie ein alter Dragonermantel, einem Fürgstütz wie ein Säuschürli und Armen wie eine Bünteliwurst, währschafte Füße wie Schleiftröge zu einem breitschienenen Wagen, reich mit Silber beschlagen wie eine Sonntagstubakpfeife, mit einem schönen Oberländerkittel behangen und vor dran ein halbseidenes Fürtuch, von dem man nicht recht wußte, war es grün oder gelb – kurz, es war ein Prachtstück von einem Meitschi. Wenn ich ein Wirt wäre, und mein Tanzsaal wäre nicht auf der soliden Erde, sondern bas oben, vielleicht gar unterm Dach, so ließ ich eine Solche gar nicht hinein und hätte eine Waage unter der Türe, und wenn Eine mehr als hundertfünfundsiebzig Pfund wiegen würde, so müßte die ihre Lust anderswo suchen, oder ich sendete einen Gyger aparti für die auf die Straße, wenn die nämlich heblich wäre, was sie bekanntlich heutzutage nicht immer sind.

Anne Bäbi wußte dem Meitschi an wohl, wer es war, und brachte vor Klupf das Maul nicht zu, bis das Mädchen sagte, selliger Arbeit frage es nichts nach. «He, wenn du dein Lebtag nichts Wüsters machen mußt als dies, so wärest du es Gfelligs», sagte Anne Bäbi. «Das ist de notti nüt angers. Wir haben gar ein wildes Roß, e Utüfel, und da oben im letzten Dorf ist das erschücht und im Dörfli umeketzeret, ih ha glaubt, es blyb kes Rad ganz. Aber my Bub hets gha wie e Tüfel, und wo alles Ha nüt ghulfe het, ist er abgsprunge, hets bim Gring gno; es ist mit ihm dur e Mistgülle, aber er hets nit la gah, bis ers uf drStraß gha und gstellt gha het, daß es überall geschlotteret het.»

«Du wirst doch von Gutmütigen kommen?» frug die Bäurin. «He, wo wollte ich sonst her sein?» antwortete Anne Bäbi. «He nu so de», antwortete die Zyberlibüri. Es sei plötzlich fertig mit Wäschen, antwortete Anne Bäbi, und dann wolle es das Zeug noch an die Sonne hängen; sie sollten nur afe gehn und öppe e Halbi bschicke, aber öppe e wenig nebe us; so unter allen Leuten begehre es nicht zu sein. Innerlich war es recht froh, daß es die Voröffnungen machen konnte, während Jakobli, der von allem nichts wußte, im Bade war. Es hatte zwar keinen Gedanken, daß er nicht mit beiden Händen zugreifen werde; denn so ne vrflucht e Bravi sei in ihrem ganzen Dorfe nicht, sagte es; aber es handelte gerne für sich selbst und tat Andere gerne überraschen.

«He ja so de», sagte es, als es endlich ins aparti Stübli kam, «so wären wir jetzt einmal beieinander und könnten über die Sache reden.» Rede könne man allweg, sagte die Bäurin, aber ob es aus der Sache etwas gebe, sei noch nicht gesagt; ihre Tochter sei ihnen nicht fürig, und dann frage es sich noch immer, ob das Meitschi wolle, und was der Vetter Ratsherr dazu sage; dem sei es neue o nimme graglych, in was für Verwandtschaft man öppe käme. «Ho, ihrer hätte sich niemand zu verschämen; und wenn sie auch keinen Vetter Ratsherr hätten, so hätten sie auch keinen Vetter Hudilumper und keine Base Schwebelhölzlere, und was sie hätten, sei ihres; sie brauchten damit keinen Anhang zu erhalten, und wenn es öppe Gottswille sei, so könnte es ihr Söhniswyb so gut haben als von den Vornehmsten eine. Sie seien niemand was schuldig, und was sie für hätten, wisse auch niemand, und es wäre vielleicht noch mancher Ratsherr froh, er hätte etwas mehr von dem, wo sie hätten, und öppis minger Schulde.»

Das könne wohl so sein, sagte die Tochter; aber was sie mit einem Manne machen solle, wo nüt sei und no sellig e Wüste, wo me si schäme müsse, mit ihm zKilche z'gah, vrschwyge zMärit, und wo me o hell key Freud mit ihm ha chönn? Man solle auch an ihns denken; es müsse dabei sein, und kein Mensch wisse, wie lange. Öppe dr Chechst scheine er aber nicht; gerade solche seien manchmal die Zächsten, und wenn nit, so öppe mit leere Hänge möchte es nicht davon und seine beste Zeit vergebens zugebracht haben mit einem sellige. Wenn es sein müsse, so wolle es doch auch wissen warum. «Öppe bös sollte es dir nicht gehen», sagte Anne Bäbi. «Es ist möglich; aber darauf mag ich es nicht ankommen lassen, ich möchte zerst wissen, woran ich wäre. Es ist nicht, daß ich den nehmen müßte, wenn ich einen haben will. Bhütis, wenn es mir nicht um Vater und Mutter wär, ein Dutzend macht es nicht, welche mich schon gewollt, und de nit öppe so Taunergumper oder Pintekünge; vo de vornehmste und schönste Bursche sys gsi, wo me se nit gnue het chönne aluege. Aber ih ha denkt, ih well my Lyb nit vrgebe ha, und mi syg ume einist ledig, und wie mes mach, su heyg mes. Ih bi de öppe nit das, für das me mi aluegt; ih weiß öppe, was ih mache, und eso für nüt und wieder nüt nime ih e keine.» «Und das wär auch nicht unser Wille», sagte Anne Bäbi, «es muß es Eine haben so gut als wir selbst; aber öppe dr Löffel us dr Hang gä, eh wir selber gessen hey, das schickt si neue nüt.»

Von dem sei nicht die Rede, sagte das Meitschi; aber wenn der, wo sein Mann geben sollte, sterben würde, ehe er geerbt, und sie hätten keine Kinder, so könnte es mit leeren Händen gehen, und es fragte ihm e Tüfel niemand nichts mehr nach. Und wenn sie Kinder hätten und der Mann stürbe vor den Eltern, so könnten die Kinder erben, und es könnte wieder mit einem blutten Füdle laufen und luegen, wie es wieder zu einem Mann käme. So begehre es nicht zu mannen; jetzt sei es ledig, jetzt müsse es luegen.

So stellte das Meitschi zBoden, daß Anne Bäbi großen Respekt kriegte und bei sich selbst dachte, so eine hätte es nicht bald gesehen, und wenn Jakobli die erhielte, so sei er der Gfelligste von der Welt. Es trat ein und versprach, es müsse da etwas geschrieben sein; es wolle mit seinem Hansli reden, und sie wollten zusammen zu einem Schreiber; der könnte ihnen die Sache machen, daß sie öppe gförmt sei. Ja, aber öppis möchte es noch wissen, sagte das Meitschi: ob sie einen Stock hätten. «Nein», sagte Anne Bäbi, «öppe e rechte Stock nit, aber es Ofehus; mi chan ihm aber o Stock säge, we me will.» Ja, da sei dann der ganze Tschuep schon aus, sagte das Meitschi. Es wolle apart in einem Hause wohnen; von einer bösen Schwiegere begehre es sich nicht kujonieren zu lassen, für das sei es nicht auf die Welt gekommen, und alten Leuten frage es überhaupt nichts nach, es hätte die jungen lieber; man hätte nur Verdruß von ihnen, und wenn sie endlich stürben, so sollte man noch schuld daran sein und sie unter die Erde gebracht haben. Von dem wolle es nichts; es wolle, wenn es manne, seine Sache aparti haben, es wolle Meister sein.

So ein vrständig Mönsch sei ihm noch nicht bald vorgekommen, dachte Anne Bäbi; das hätte mehr als recht, gerade so sei es ihm auch gewesen. Darum gab es wiederum guten Bescheid und sagte, der Stock solle nicht im Wege sein. Aufs Ofenhaus sei bald eine Wohnung gemacht; oder wenns sein müsse, so könne man auch eine neue Aufrichti machen, Hausplatz brauchten sie keinen zu kaufen, und das Geld drzu werde wohl o öppe am ene Ort sy.

Endlich kam Jakobli herein, allerdings wie ein gesottener Krebs, und Anne Bäbi sah nach, ob seine Hosen trocken seien, schenkte ihm ein, sagte ihm: «Seh, mach Gsundheit, du wirst das Meitschi wohl no chenne! Und das ist dMutter, si glycht dr angere wohl, wo ds selbist byn im gsi ist.» Jakobli tat wie geheißen, aß und trank; und aufgestellt wurde, was das Zeug hielt, und die Weiber wurden ds Gäggels und brichteten sich alle Lumpengeschichten, die sie in ihrem Gedächtnis hatten, und das Meitschi fing Händel an mit Jakobli, frug, ob sie gleich gehen wollten, das Hochzeit anzugeben; es schickte sich gar wohl jetzt gleich, so daß Jakobli nicht wußte, wohin sehen. Es erzählte, wie es den und diesen einer Andern abgestochen, dann ihn zum Narren gehalten, als er geglaubt, es sei alles im besten Greis. Es sei ihm noch keiner listig genug gewesen; es wolle hundert übers Kübli lüpfen, ehe einer ihns. Es sei nichts Dummes auf der Welt als son e Schnürfli vo Bub.

Endlich kam der Abend, und die Sonne verschwand aus dem Stübli; und die Weiber fanden, es wäre Zeit, heim. Und Anne Bäbi frug nach der Üerti, und Jakobli konnte sich nicht genug wundern, warum seine Mutter sagte, sie sollten doch ihns machen lassen, gäb wie die Andere sagte, sie hätte auch noch Geld für das, und sie sei nicht deswegen hierher gekommen. Als bezahlt war, redete man von einem Tag, wo man in Burgdorf zusammenkommen könnte. Hansli müsse dann auch mitkommen; man könnte dann gleich alles verschreiben lassen. Und die Bäurin langte ihm die Hand und sagte ihm, er solle einmal zu ihnen kommen und sehen, wie sie es hätten. Zwar aparti Schöns werde er nichts sehen; aber sie seien zufrieden und könnten dabeisein. Darauf langte ihm auch die Tochter die Hand und sagte: «Aber wenn du kömmst, so komm tags. Es kennt dich niemand bei uns; wenn du nachts kämest, so weiß niemand, wie es dir gehen könnte. Es ist längs Stück nicht richtig um unser Haus, we me scho niemere ychelat.» Was das alles bedeuten solle, begriff Jakobli nicht, und er saß bei der Mutter auf dem Wägeli, und nichts war ihm noch eingefallen, und doch war Jakobli nicht dumm; aber er dachte halt nicht an das, sondern an ganz andere Sachen.

Anne Bäbi saß auf dem holperigen Wägeli, wo ein altes, dünnes, ghüsletes Hauptkissen als Linderungsmittel Prunk machte wie im Himmel; die Mähre, welche Jakobli heimlich mit einem halben Immi Haber beglückt hatte, war mutwillig wie ein junges Böcklein und hätte gerne hintenauf geschlagen, wenn sie nur gewußt hätte wie machen, daß es eine Gattig hätte. Jakobli aber schlug das Herz so wunderbar; es war ihm, als nahe er sich einem großen, großen, dunklen Umhang, und hinter dem Umhang sei die Seligkeit; aber wenn er an den Umhang kam, kam dann wohl aus dem Dunkel eine Hand, zog den Umhang weg und ließ Jakobli ein in die Seligkeit?

Der Umhang war aber nicht die goldene Abendröte, der Widerschein der Freude im Himmel, als die Sonne wiederkam und dem Vater erzählte, was sie von seinen Kindern gesehen. Es war der dunkle Punkt vor ihm, ein Knäuel, geballt aus grünen Bäumen und braunen Häusern, aus langen Zäunen und hohen Wänden, um den weiße Tauben flogen, auf dem lange Störche klapperten; und mittendrin, der süße Kern in uchüstiger Schale, weilte das Meyeli mit den blauen Augen und den gelben Zupfen, mit den freundlichen Blicken in den blauen Augen, dem hellen Schein im gelben Haar. Und wenn er in das dunkle Gehäuse fuhr, das näher und näher kam, tat sich da der Umhang voneinander, ward ihm sichtbar das liebliche Kind, das so freundlich gesagt hatte: «Zürn doch recht nüt»?

Darum pochte Jakobli das Herz so sehr, daß er nicht hörte, was Anne Bäbi sagte; und je näher er kam, umso lauter klopfte ihm das Herz, und in allen Plätzen, Kabis-, Klee-, Bohnenplätzen, spähte sein Auge nach den seidenen Zupfen, die blinken konnten durch sieben Zäune hindurch. Von diesem Bangen und Klopfen merkte Anne Bäbi nicht das Mindeste; es dachte an nichts, als wie gfällig es sei, daß es ein solches Söhnisweib bekäme, so nes tolls und kuraschierts, und wie man es jetzt machen müsse, daß es nicht fehlen könne. Je nachdem seine Gedanken heftig wurden, sprach es sie laut aus; nahmen sie an Lebhaftigkeit ab, so gab es keine Töne. Daher sprach es bald vom Notari, bald vom Stock, bald vom neuen Bettzeug und bald von Zyberlibure Tochter, vom Murer Vreni und vom Hochzeit angeben, daß der Gugger klug geworden wäre aus seinen Reden. Ebensowenig, wie es auf seine eigenen Reden merkte, achtete es sich Jakoblis Antworten, unterhielt sich dessenungeachtet prächtig und merkte so gar nicht, wie Jakobli oder vielmehr die Mähre Raxigen zu sprengte, daß fry der jährige und vorjährige und wer weiß, wievieljährige Kot ringsum an den Rädern aufzubegehren, in der Luft herumzufahren anfing, fast als ob er der Kranz der Sternschnuppen wäre, der um die Sonne geht und Feuer speit, wenn die Erde in seine Nähe kommt, daß es ein grausig Luegen war.

Jakobli ließ das Ding tschädern, hatte genug zu tun, links zu sehen in die Kabis-, rechts in die Bohnenplätze; aber wie er auch sah, nirgends glitzerten gelbe Züpfen, nirgends funkelten die blauen Augen. Kabisköpfe, Bohnenstecken sah er zur Genüge; aber die glichen seinem Meyeli so wenig als ein Raxiger Bauer einem Engel. Die Zäune kamen, die Wände kamen, die Störche klapperten verwundert die Mähre an, und die Raxer Bauren tubaketen hinter ihren Misthaufen hervor, Mägde gingen zum Brunnen, Bäurinnen rüsteten Salat vor den Türen, die Mistgüllen glänzten in schalkhafter Ruhe, während die Hunde treulich ihr Amt verrichteten mit Bellen und Knurren; aber um das alles kümmerten sich weder die Mähre noch Anne Bäbi. Wie eine Hex humpelte die erstere durch alle diese Herrlichkeiten, sah nicht rechts, sah nicht links, fast als ob sie sich schämte der Ungezogenheiten, welche sie sich diesen Morgen erlaubt. Jakobli ward ganz wehmütig; nirgends wollte ihm sein Meyeli erscheinen. Hier ein Bauer, dort eine Bäurin, hier ein Hund, dort eine Magd war alles, was er sah; aber was frug er diesen allen nach?

Der letzte Hund hatte seine Pflicht getan, der letzte Raxiger lag im Rücken, die Mähre war andächtig übers Brücklein gestiegen; schon wackelten so seltsam die Kummetscheiter, ein sicher Zeichen, daß nächstens die Mähre trottend weiterzotteln wollte, und Jakobli hatte kein Meyeli gesehen, keine gute Hand hatte das liebe Bild ihm hingestellt ins düstere Dorf. Das tat ihm so recht weh ums Herz; es dünkte ihn, er möchte sterben oder zKrieg dingen, nur nicht heim, nicht heim ins alte Längizytihus, wo ein Tag wie den andern Mädi Mädi war und Anne Bäbi ds Anne Bäbi.

Da stand plötzlich gerade vor der Mähre das schöne Meyeli; es war, als käme es vom Himmel so plötzlich; eigentlich aber kam es aus dem Bohnenplätz, der neben der Straße war. Es kannte sie alsobald, seine Augen leuchteten vor Freude, gar herzlich klang sein «Guten Abend geb ech Gott!» welches es ihnen entgegen sandte. «He, danke Gott!» sagte Anne Bäbi, «gwinnst Bohne, bist da daheim?» «Dort in jenem Hause», sagte Meyeli und zeigte mit dem braunen Finger nach einem langen schwarzen Dach, auf welchem drei junge Störche lange Hälse machten. «Adie wohl!» nickte Anne Bäbi. «Läbit wohl!» klang es ihnen nach, langsam, fast wie ein Wehelaut und doch nicht; und lange stand das Mädchen am Wege und sah ihnen nach, es wußte nicht warum; und als es endlich mit seinem Bohnenkörbchen heimging, tat ihm der Kopf so weh, es wußte auch nicht warum.

Jakobli tat es nicht minder weh und war ihm doch plötzlich so wohl geworden. Als das Meyeli vor ihm stund so unerwartet und unverhofft, da war es ihm, als ginge der Himmel auf; seine Seele war auf einmal voll Licht und Freude, und versunken in diese Freude war sein ganzes Bewußtsein. Nur die Mähre nahm keine Notiz von der lieblichen Erscheinung, humpelte gleichgültig fort, dachte wahrscheinlich daran, was Sami sagen würde, wenn er wüßte, daß sie ein Halbimmi Haber im Leibe hätte. So geschah es, daß Jakobli, als der Glanz der ersten Erscheinung vorüber war, er das Mädchen grüßen, die Mähre halten wollte, kein Mädchen mehr vor sich sah; weit, weit hinter ihnen stund es schon und sah ihnen nach und ging mit seinen Bohnen heim – und Jakobli hatte ihm nicht guten Abend gesagt, auch nicht ein Zeichen getan, daß er es noch kenne.

Das war ein Wurm, der fraß ihm das holdselige Bild nicht; der war nicht von der gleichen Sorte, wie der war, der des Jonas Kürbisstaude anfraß; aber während er vor seinem innern Auge das Mädchen immer holdseliger sah, mit Mienelene so lieblich, er konnte nicht sagen wie, pickte der Wurm in seinem Herzen, akkurat wie der Pendul einer Uhr; aber statt ticktack tönte es: «Kein Wort hast ihm gesagt, kein Zeichen getan; was wird es meinen, was wird es sagen?» Dieser Wurm wollte nicht schweigen, er pickte immer lauter, und das Picken tat ihm so weh, als ob es Meißelschläge in seine Seele wären. «Was wird es denken, was wird es sagen?» tönte es immer schmerzlicher. Sein halbes Leben, sein ganzes Gut, sein einzig Auge hätte er gegeben, wenn er eine Viertelstunde hätte zurücknehmen können, noch einmal Meyeli vor der Mähre gestanden wäre. Dann wollte er die Mähre halten, wollte Meyeli die Hand längen und sagen: «Guten Abend geb dir Gott, was lebst geng? Wie geyhts dr geng?» «Ho, es geyht emel geng», hätte es gesagt und ihn freundlich angesehen aus seinen lautern, blauen Augen. Und wenn er das Gesichtchen, das es ihm dazu machen würde, vor seiner Seele behalten und schauen könnte jeden Augenblick, was hatte er ein ander Auge noch nötig? Aber nichts hatte er ihm gesagt. «Was wird das Meitschi denken, was wird es sagen?» So wurde das Picken immer stärker, drang aus dem Herzen in den Kopf hinauf, daß es ihn dünkte, es wolle den Kopf ihm obenab sprengen.

Anne Bäbi merkte davon natürlich nichts; denn, wenn man auch das noch sehen könnte, was hinter den Augen der Menschen vorgeht, wir bekämen sicherlich zuviel; ja die gwunderigste Frau würde Gott bitten, er solle den Schieber wieder stoßen. Es redete fort und fort vom Stock und von Zyberlibure Tochter; aber endlich dünkte es ihns doch, Jakobli sollte auch etwas dazu sagen, damit es ihn widerlegen könnte. Darum sagte es: «Was duecht de di, warum seyst nüt?» Er hätte grusam Kopfweh, sagte Jakobli; wenn er daheim wäre, so duech ne, er möchti is Bett. «Das wird vom Wy sy», sagte Anne Bäbi, «und doch ist dä nit öppe bös gsi, mir macht er bsunderbar wohl; es duecht mi fast, ih möcht flüge. Aber du bist gar e Leyde und mast nüt erlyde; aber wenn du einmal gwybet hest, so wird dir das schon bessern.»

Das Wort Wyben setzte sich an in Jakoblis Herz, gleich neben dem Wurm, der darin pickte. Wie der Wurm seine Seele immer trüber machte, so machte das Wort Wyben Meyelis Bild immer schöner und strahlender. Wenn er das Meitschi bekäme zur Frau, dünkte ihn, so wäre er im Himmel, und er wüßte nicht wie glücklich. Aber kein Wort hatte er ihm gesagt, nicht einmal ein Zeichen getan. Dann wurde sein Kopfweh noch heftiger, und als sie endlich heimkamen, da wollte er nicht einmal Kaffee, welcher zwegstand, sondern suchte gleich sein Bett; und als Mädi kam und ihm Tee anbot, und daß es ihm wachen wolle, sagte er, es solle ihn ruhig lassen, es könne schlafen. Das wollte Mädi fast gmühen; es duechte ihns, wenn es Jakobli wachen wollte, so könnte der seinetwegen doch wohl das Schlafen sein lassen.


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