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Johann Wolfgang von Goethe
Gedichte
Inhalt

Inhalt

  • Johann Wolfgang von Goethe
  • Erster Teil
  • Lieder.
  • An die Günstigen
  • Der neue Amadis.
  • Stirbt der Fuchs, so gilt der Balg
  • Heidenröslein
  • Blinde Kuh.
  • Christel
  • Die Spröde
  • Die Bekehrte
  • Rettung
  • Der Musensohn
  • Gefunden
  • Wechsellied zum Tanze
  • Selbstbetrug.
  • Kriegserklärung
  • Liebhaber
  • Der Goldschmiedsgesell.
  • Lust und Qual
  • März
  • Antworten
  • Verschiedene Empfindungen an einem Platze.
  • Wer kauft Liebesgötter?
  • Der Misanthrop
  • Liebe wider Willen.
  • Wahrer Genuß.
  • Der Schäfer.
  • Der Abschied
  • Die schöne Nacht
  • Glück und Traum.
  • Lebendiges Andenken.
  • Glück der Entfernung.
  • An Luna
  • Brautnacht.
  • Schadenfreude.
  • Unschuld.
  • Scheintodt.
  • Nähe
  • Novemberlied
  • An die Erwählte
  • Erster Verlust
  • Nachgefühl
  • Nähe des Geliebten
  • Gegenwart
  • An die Entfernte
  • Am Flusse.
  • Wehmuth
  • Abschied
  • Wechsel
  • Beherzigung
  • Beherzigung.
  • Meeres Stille
  • Glückliche Fahrt
  • Muth.
  • Erinnerung
  • Willkommen und Abschied
  • Neue Liebe, neues Leben
  • An Belinden
  • Mailied
  • Mit einem gemalten Band
  • Mit einem goldnen Halskettchen.
  • An Lottchen
  • Auf dem See
  • Vom Berge
  • Blumengruß.
  • Im Sommer.
  • Mailied
  • Frühzeitiger Frühling
  • Herbstgefühl
  • Rastlose Liebe
  • Schäfers Klagelied
  • Trost in Tränen
  • Nachtgesang
  • Sehnsucht (1770)
  • Sehnsucht (1802)
  • An Mignon
  • Bergschloß
  • Geistes-Gruß
  • An ein goldnes Herz, das er am Halse trug
  • Wonne der Wehmut
  • Wandrers Nachtlied
  • Wandrers Nachtlied
  • Jägers Abendlied
  • Abendsonne
  • An den Mond
  • Einschränkung
  • Hoffnung
  • Sorge.
  • Eigentum
  • An Lina.
  • Gesellige Lieder.
  • Stiftungslied
  • Frühlingsorakel
  • Die glücklichen Gatten
  • Bundeslied
  • Dauer im Wechsel
  • Tischlied
  • Gewohnt, getan
  • Generalbeichte.
  • Cophtisches Lied
  • Cophtisches Lied
  • Vanitas! vanitatum vanitas!
  • Frech und froh.
  • Kriegsglück.
  • Offne Tafel
  • Rechenschaft.
  • Ergo bibamus
  • Musen und Grazien in der Mark.
  • Epiphanias-Fest
  • Die Lustigen von Weimar
  • Sicilianisches Lied.
  • Schweizerlied.
  • Finnisches Lied.
  • Zigeunerlied
  • Aus Wilhelm Meister.
  • Mignon
  • Mignon
  • Harfenspieler
  • Harfenspieler
  • Harfenspieler
  • Philine
  • Balladen.
  • Der Sänger
  • Ballade vom vertriebenen und zurückkehrenden Grafen
  • Das Veilchen
  • Der untreue Knabe
  • Erlkönig
  • Johanna Sebus
  • Der Fischer
  • Der König in Thule
  • Das Blümlein Wunderschön
  • Ritter Kurts Brautfahrt
  • Hochzeitlied
  • Der Schatzgräber
  • Der Rattenfänger
  • Die Spinnerin
  • Vor Gericht
  • Der Edelknabe und die Müllerin
  • Der Junggesell und der Mühlbach
  • Der Müllerin Verrat
  • Der Müllerin Reue
  • Wandrer und Pächterin.
  • Wirkung in der Ferne
  • Die wandelnde Glocke
  • Der getreue Eckart
  • Gutmann und Gutweib.
  • Der Totentanz
  • Der Zauberlehrling
  • Die Braut von Korinth
  • Der Gott und die Bajadere
  • Paria
  • Klaggesang
  • Antiker Form sich nähernd
  • Dem Ackermann.
  • Anakreon's Grab
  • Die Geschwister.
  • Zeitmaaß.
  • Warnung.
  • Süße Sorgen.
  • Einsamkeit.
  • Erkanntes Glück.
  • Ferne.
  • Erwählter Fels.
  • Ländliches Glück.
  • Philomele.
  • Geweihter Platz.
  • Der Park.
  • Die Lehrer.
  • Versuchung.
  • Ungleiche Heirat
  • Heilige Familie.
  • Entschuldigung.
  • Feldlager.
  • An die Knappschaft zu Tarnowitz.
  • Sakontala.
  • Der Chinese in Rom.
  • Physiognomische Reisen.
  • Spiegel der Muse
  • Phöbos und Hermes.
  • Der neue Amor.
  • Die neue Sirene.
  • Die Kränze.
  • Schweizeralpe
  • Elegien.
  • Der neue Pausias und sein Blumenmädchen.
  • Euphrosyne
  • Das Wiedersehn
  • Amyntas
  • Hermann und Dorothea
  • Episteln
  • Zweite Epistel.
  • Epigramme.
  • Weissagungen des Bakis.
  • Vier Jahreszeiten
  • Kunst
  • Der Wandrer
  • Künstlers Morgenlied.
  • Amor als Landschaftsmaler
  • Künstlers Abendlied
  • Kenner und Künstler.
  • Kenner und Enthusiast.
  • Monolog des Liebhabers
  • Guter Rat
  • Sendschreiben.
  • Künstlers Fug und Recht.
  • Groß ist die Diana der Epheser
  • Antike.
  • Begeisterung.
  • Studien.
  • Typus.
  • Unerläßlich.
  • Ideale.
  • Abwege.
  • Modernes.
  • Dilettant und Künstler.
  • Landschaft.
  • Künstlerlied.
  • Vermischte Gedichte
  • Gellert's Monument
  • Ilmenau
  • Drei Oden
  • Elysium.
  • Pilgers Morgenlied
  • Mahomets Gesang
  • Kapitel 226
  • Meine Göttin
  • Harzreise im Winter
  • An Schwager Kronos
  • Wanderers Sturmlied
  • Seefahrt
  • Adler und Taube
  • Prometheus
  • Ganymed
  • Grenzen der Menschheit
  • Das Göttliche
  • Königlich Gebet
  • Menschengefühl
  • Lilis Park
  • Liebebedürfnis
  • An seine Spröde
  • Anliegen
  • Die Musageten.
  • Morgenklagen
  • Der Besuch
  • Magisches Netz
  • Der Becher
  • Nachtgedanken
  • An Lida
  • Für ewig
  • Zwischen beiden Welten
  • Aus einem Stammbuch von 1604.
  • Dem aufgehenden Vollmonde
  • Der Bräutigam
  • Um Mitternacht
  • Bei Betrachtung von Schillers Schädel
  • Aus den Leiden des jungen Werther's.
  • Trilogie der Leidenschaft
  • Äolsharfen
  • Immer und überall
  • April.
  • Mai
  • Juni
  • Frühling übers Jahr
  • St. Nepomuks Vorabend
  • Im Vorübergehn
  • Pfingsten.
  • Gegenseitig
  • Freibeuter.
  • Der neue Copernicus.
  • So ist der Held, der mir gefällt.
  • Ungeduld
  • Mit den Wanderjahren.
  • Wanderlied
  • Lied der Auswanderer.
  • Ach, wie sehn ich mich nach dir
  • Anbetung
  • An Cupido
  • An Lili
  • Wär nicht das Auge sonnenhaft
  • Der Autor
  • Sag ichs euch, geliebte Bäume
  • Ich kann mich nicht bereden lassen
  • Berg auf Berg ab
  • Bleibe, bleibe bei mir
  • Blick um Blick
  • Warum gabst du uns die tiefen Blicke
  • Nach dem Tod Christianens
  • Elfenlied
  • Entoptische Farben
  • Es fing ein Knab' ein Vögelein
  • Es war einmal ein König
  • Fels-Weihegesang
  • Laßt fahren hin das allzu Flüchtige
  • Erwache, Friederike
  • Früchte bringt das Leben
  • Nachts, wann gute Geister schweifen
  • Schwebender Genius über der Erdkugel
  • Gleich und Gleich.
  • Epilog zu Schillers Glocke
  • An Gotter
  • Zu Regenschauer und Hagelschlag
  • Ich besänftge mein Herz
  • Holde Lili, warst so lang
  • Mit einer Hyazinthe
  • Iphigenie
  • An den Herzog Karl August
  • An den Herzog Karl August
  • An Kestner
  • Ich komme bald, ihr goldnen Kinder
  • Klärchen
  • Ich war ein Knabe
  • Ein zärtlich jugendlicher Kummer
  • Brief aus Leipzig
  • Mit Pfeilen und Bogen
  • Ein grauer, trüber Morgen
  • Nicht am Morgen allein
  • Neologen.
  • Im neuen Jahre Glück und Heil
  • Ob ich dich liebe, weiß ich nicht
  • An Mademoiselle Oeser zu Leipzig
  • Das Opfer, das die Liebe bringt
  • Das Lied der Parzen
  • Offen zeigt sich die Pforte
  • Goldene Regel
  • Regenbogen
  • Zu des Rheins gestreckten Hügeln
  • Nun sitzt der Ritter an dem Ort
  • Der Segen wird gesprochen
  • Selbst erfinden ist schön
  • Spruchweisheit
  • An Charlotte von Stein
  • An Charlotte von Stein
  • An Charlotte von Stein
  • An Charlotte von Stein
  • An Charlotte von Stein
  • An Charlotte von Stein
  • An Charlotte von Stein
  • Kapitel 339
  • Stoßgebet
  • Symbolum
  • Das Tagebuch
  • Hab ich tausendmal geschworen
  • An die Großeltern Textor
  • Töne, Lied, aus weiter Ferne
  • Trauerloge
  • Wenn im Unendlichen dasselbe
  • Verschwiegenheit
  • Bin so in Lieb zu ihr versunken
  • Kapitel 350
  • Worte sind der Seele Bild
  • Zueignung
  • Zahme Xenien
  • Erklärung eines alten Holzschnittes vorstellend
  • Auf Miedings Tod
  • Poetische Gedanken über die Höllenfahrt Jesu Christi
  • Der Ewige Jude.
  • Die Geheimnisse
  • Parabolisch.
  • Katzenpastete.
  • Séance.
  • Legende.
  • Autoren.
  • Rezensent
  • Dilettant und Kritiker.
  • Krittler.
  • Kläffer
  • Celebrität.
  • Pfaffenspiel.
  • Die Freude
  • Gedichte sind gemalte Fensterscheiben
  • Die Poesie.
  • Amor und Psyche.
  • Ein Gleichniß.
  • Fliegentod
  • Am Flusse.
  • Fuchs und Kranich.
  • Fuchs und Jäger.
  • Beruf des Storches
  • Die Frösche
  • Die Hochzeit.
  • Begräbniß.
  • Drohende Zeichen.
  • Die Käufer.
  • Das Bergdorf.
  • Symbole.
  • Drei Palinodien.
  • Die Originalen.
  • Bildung.
  • Eins wies andre
  • Valet.
  • Ein Meister einer ländlichen Schule.
  • Legende vom Hufeisen
  • Epigrammatisch
  • Natur und Kunst.
  • Vorschlag zur Güte.
  • Vorschlag zur Güte.
  • Stoßseufzer
  • Erinnerung
  • Perfectibilität.
  • Geständniß.
  • Schneider-Courage
  • Catechisation.
  • Totalität.
  • Das garstige Gesicht
  • Diné zu Coblenz
  • Jahrmarkt zu Hünfeld
  • Versus memoriales.
  • Neue Heilige.
  • Warnung.
  • Mamsell N. N.
  • Hauspark.
  • Mädchenwünsche.
  • Verschiedene Drohung.
  • Beweggrund.
  • Unüberwindlich.
  • Gleich zu Gleich.
  • Vergeblich.
  • Frech und froh.
  • Soldatentrost.
  • Problem.
  • Genialisch Treiben
  • Hypochonder
  • Gesellschaft
  • Probatum est
  • Ursprüngliches.
  • Den Originalen
  • Den Zudringlichen.
  • Den Guten.
  • Den Besten.
  • Lähmung.
  • Spruch, Widerspruch
  • Demut
  • Keins von allen
  • Lebensart.
  • Vergebliche Mühe.
  • Bedingung
  • Das Beste
  • Meine Wahl
  • Memento
  • Memento
  • Breit wie lang.
  • Lebensregel
  • Frisches Ei, gutes Ei
  • Selbstgefühl.
  • Räthsel.
  • Die Jahre
  • Das Alter
  • Grabschrift.
  • Lauf der Welt.
  • Beispiel.
  • Umgekehrt.
  • Fürstenregel.
  • Lug oder Trug.
  • Égalité.
  • Wie du mir, so ich dir.
  • Zeit und Zeitung
  • Zeichen der Zeit.
  • Kommt Zeit, kommt Rat
  • Nationalversammlung.
  • Dem 31. Oktober 1817.
  • Dreifaltigkeit.
  • Kestner's Agape.
  • Nativität.
  • Das Parterre spricht.
  • Auf den Kauf.
  • Ins Einzelne (Die Romantiker)
  • In's Weite.
  • Kronos als Kunstrichter.
  • Grundbedingung.
  • Jahr aus, Jahr ein.
  • Nett und niedlich.
  • Für Sie.
  • Stets derselbe.
  • Den Absolutisten.
  • Räthsel.
  • Räthsel.
  • Feindseliger Blick.
  • Vielrath.
  • Sprache
  • Kein Vergleich.
  • Etymologie.
  • Kunst und Alterthum.
  • Museen.
  • Panacee.
  • Homer wieder Homer.
  • Zum Divan.
  • Angedenken.
  • Weltliteratur.
  • Gleichgewinn.
  • Lebensgenuß.
  • Heut und ewig
  • Schlußpoetik.
  • Der Narr epilogirt.
  • Politica.
  • Dem Fürsten Blücher von Wahlstadt
  • Gott und Welt
  • Weltseele
  • Eins und alles
  • Vermächtnis
  • Parabase
  • Die Metamorphose der Pflanzen
  • Epirrhema
  • Die Metamorphose der Tiere
  • Antepirrhema
  • Urworte, orphisch
  • Atmosphäre.
  • Howard's Ehrengedächtniß.
  • Stratus.
  • Wohl zu merken!
  • Was es gilt.
  • Herkömmlich.
  • Gesetz der Trübe.
  • Allerdings.
  • Ultimatum
  • Die Weisen und die Leute.
  • Chinesisch-Deutsche Jahres- und Tageszeiten.
  • Aus fremden Sprachen
  • Monolog aus Byron's Manfred.
  • Aus Byron's Manfred.
  • Der fünfte Mai.
  • Mode-Römerinnen.
  • Neugriechisch-Epirotische Heldenlieder.
  • Neugriechische Liebe-Skolien.
  • Das Sträußchen.
  • Klaggesang.
  • Hochländisch.
  • An die Cicade.
Johann Wolfgang von Goethe

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Das Tagebuch

April 1814

                  Wir hören's oft und glauben's wohl am Ende:
Das Menschenherz sei ewig unergründlich,
Und wie man auch sich hin und wider wende,
So sei der Christe wie der Heide sündlich.
Das Beste bleibt, wir geben uns die Hände
Und nehmen's mit der Lehre nicht empfindlich;
Denn zeigt sich auch ein Dämon, uns versuchend,
So waltet was, gerettet ist die Tugend.

Von meiner Trauten lange Zeit entfernet,
Wie's öfter geht, nach irdischem Gewinne,
Und was ich auch gewonnen und gelernet,
So hatt' ich doch nur immer sie im Sinne;
Und wie zur Nacht der Himmel erst sich sternet,
Erinnrung uns umleuchtet ferner Minne:
So ward im Federzug des Tags Ereignis
Mit süßen Worten ihr ein freundlich Gleichnis.

Ich eilte nun zurück. Zerbrochen sollte
Mein Wagen mich noch eine Nacht verspäten;
Schon dacht' ich mich, wie ich zu Haus rollte,
Allein da war Geduld und Werk vonnöten.
Und wie ich auch mit Schmied und Wagner tollte,
Sie hämmerten, verschmähten, viel zu reden.
Ein jedes Handwerk hat nun seine Schnurren.
Was blieb mir nun? Zu weilen und zu murren.

So stand ich nun. Der Stern des nächsten Schildes
Berief mich hin, die Wohnung schien erträglich.
Ein Mädchen kam, des seltensten Gebildes,
Das Licht erleuchtend. Mir ward gleich behäglich.
Hausflur und Treppe sah ich als ein Mildes,
Die Zimmerchen erfreuten mich unsäglich.
Den sündigen Menschen, der im Freien schwebet -
Die Schönheit spinnt, sie ist's, die ihn umwebet.

Nun setzt' ich mich zu meiner Tasch' und Briefen
Und meines Tagebuchs Genauigkeiten,
Und wie sonst, wenn alle Menschen schliefen,
Mir und der Trauten Freude zu bereiten;
Doch weiß ich nicht, die Tintenworte liefen
Nicht so wie sonst in alle Kleinigkeiten;
Das Mädchen kam, des Abendessens Bürde
Verteilte sie gewandt mit Gruß und Würde.

Sie geht und kommt; ich spreche, sie erwidert;
Mit jedem Wort erscheint sie mir geschmückter.
Und wie sie leicht mir nun das Huhn zergliedert,
Bewegend Hand und Arm, geschickt, geschickter -
Was auch das tolle Zeug in uns befiedert -
Genug, ich bin verworrner, bin verrückter,
Den Stuhl umwerfend, spring' ich auf und fasse
Das schöne Kind; sie lispelt: "Lasse, lasse!Die Muhme
drunten lauscht, ein alter Drache,

Sie zählt bedächtig des Geschäfts Minute;
Sie denkt sich unten, was ich oben mache,
Bei jedem Zögern schwenkt sie frisch die Rute,
Doch schließe deine Türe nicht und wache,
So kommt die Mitternacht uns wohl zugute."
Rasch meinem Arm entwindet sie die Glieder
Und eilet fort und kommt nur dienend wieder;

Doch blickend auch! So daß aus jedem Blicke
Sich himmlisches Versprechen mir entfaltet.
Den stillen Seufzer drängt sie nicht zurücke,
Der ihren Busen herrlicher gestaltet.
Ich sehe, daß am Ohr, um Hals und G'nicke
Der flüchtigen Röte Liebesblüte waltet,
Und da sie nichts zu leisten weiter findet,
Geht sie und zögert, sieht sich um, verschwindet.

Der Mitternacht gehören Haus und Straßen,
Mir ist ein weites Lager aufbereitet,
Wovon den kleinsten Teil mir anzumaßen
Die Liebe rät, die alles wohl bereitet;
Ich zaudre noch, die Kerzen auszublasen,
Nun hör' ich sie, wie leise sie auch gleitet,
Mit gierigem Blick die Hochgestalt umschweif' ich,
Sie senkt sich her, die Wohlgestalt ergreif' ich.

Sie macht sich los: "Vergönne, daß ich rede,
Damit ich dir nicht völlig fremd gehöre.
Der Schein ist wider mich; sonst war ich blöde,
Stets gegen Männer setzt' ich mich zur Wehre.
Mich nennt die Stadt, mich nennt die Gegend spröde;
Nun aber weiß ich, wie das Herz sich kehre:
Du bist mein Sieger, laß dich's nicht verdrießen,
Ich sah, ich liebte, schwur, dich zu genießen.

Du hast mich rein, und wenn ich's besser wüßte,
So gäb ich's Dir; ich tue, was ich sage."
So schließt sie mich an ihre süßen Brüste,
Als ob ihr nur an meiner Brust behage.
Und wie ich Mund und Aug' und Stirne küßte,
So war ich doch in wunderbarer Lage:
Denn der so hitzig sonst den Meister spielet,
Weicht schülerhaft zurück und abgekühlet.

Ihr scheint ein süßes Wort, ein Kuß zu g'nügen,
Als wär' es alles, was ihr Herz begehrte.
Wie keusch sie mir, mit liebevollem Fügen,
Des süßen Körpers Fülleform gewährte!
Entzückt und früh in allen Zügen
Und ruhig dann, als wenn sie nichts entbehrte.
So ruht' ich auch, gefällig sie beschauend,
Noch auf den Meister hoffend und vertrauend.

Doch als ich länger mein Geschick bedachte,
Von tausend Flüchen mir die Seele kochte,
Mich selbst verwünschend, grinsend mich belachte,
Nichts besser ward, wie ich auch zaudern mochte,
Da lag sie schlafend, schöner als sie wachte;
Die Lichter dämmerten mit langem Dochte.
Der Tagesarbeit, jugendlicher Mühe
Gesellt sich gern der Schlaf und nie zu frühe.

So lag sie himmlisch an bequemer Stelle,
Als wenn das Lager ihr allein gehörte,
Und an die Wand gedrückt, gequetscht zur Hölle,
Ohnmächtig jener, dem sie nichts verwehrte.
Vom Schlangenbisse fällt zunächst der Quelle
Ein Wandrer so, den schon der Durst verzehrte.
Sie atmet lieblich holdem Traum entgegen;
Er hält den Atem, sie nicht aufzuregen.

Gefaßt bei dem, was ihm noch nie begegnet,
Spricht er zu sich: So mußt du doch erfahren,
Warum der Bräutigam sich kreuzt und segnet,
Vor Nestelknüpfen scheu sich zu bewahren.
Weit lieber da, wo's Hellebarden regnet,
Als hier im Schimpf! So war es nicht vor Jahren,
Als deine Herrin dir zum ersten Male
Vors Auge trat im prachterhellten Saale.

Da quoll dein Herz, da quollen deine Sinnen,
So daß der ganze Mensch entzückt sich regte.
Zum raschen Tanze trugst du sie von hinnen,
Die kaum der Arm und schon der Busen hegte,
Als wolltest du dir selbst sie abgewinnen;
Vervielfacht war, was sich für sie bewegte:
Verstand und Witz und alle Lebensgeister
Und rascher als die andern jener Meister.

So immerfort wuchs Neigung und Begierde,
Brautleute wurden wir im frühen Jahre,
Sie selbst des Maiens schönste Blum und Zierde;
Wie wuchs die Kraft zur Lust im jungen Paare!
Und als ich endlich sie zur Kirche führte,
Gesteh' ich's nur, vor Priester und Altare,
Vor deinem Jammerkreuz, blutrünstiger Christe,
Verzeih mir's Gott, es regte sich der Iste.

Und ihr, der Brautnacht reiche Bettgehänge,
Ihr Pfühle, die ihr euch so breit erstrecktet,
Ihr Teppiche, die Lieb und Lustgedränge
Mit euren seid'nen Fittichen bedecktet!
Ihr Käfigvögel, deren Zwitschersänge
Zu neuer Lust und nie zu früh uns wecktet!
Ihr kanntet uns, von eurem Schutz umfriedet,
Teilnehmend sie, mich immer unermüdet.

Und wie wir oft sodann im Raub genossen
Nach Buhlenart des Ehstands heilge Rechte,
Von reifer Saat umwogt, vom Rohr umschossen,
An manchem Unort, wo ich's mich erfrechte,
Wir waren augenblicklich, unverdrossen
Und wiederholt bedient vom braven Knechte!
Verfluchter Knecht, wie unerwecklich liegst du!
Und deinen Herrn ums schönste Glück betrügst du.

Doch Meister Iste hat nun seine Grillen
Und läßt sich nicht befehlen noch erachten,
Auf einmal ist er da, und ganz im stillen
Erhebt er sich zu allen seinen Prachten;
So steht es nun dem Wandrer ganz zu Willen,
Nicht lechzend mehr am Quell zu übernachten.
Er neigt sich hin, er will die Schläferin küssen,
Allein er stockt, er fühlt sich weggerissen.

Wer hat zur Kraft ihn wieder aufgestählet,
Als jenes Bild, das ihm auf ewig teuer,
Mit dem er sich in Jugendlust vermählet?
Dort leuchtet her ein frisch erquicklich Feuer,
Und wie er erst in Ohnmacht sich gequälet,
So wir nun hier dem Starken nicht geheuer;
Er schaudert weg, vorsichtig, leise, leise
Entzieht er sich dem holden Zauberkreise.

Sitzt, schreibt: "Ich nahte mich der heimischen Pforte,
Entfernen wollten mich die letzten Stunden,
Da hab' ich nun, am sonderbarsten Orte,
Mein treues Herz aufs neue dir verbunden.
Zum Schlusse findest du geheime Worte:
DIE KRANKHEIT ERST BEWÄHRET DEN GESUNDEN.
Dies Büchlein soll dir manches Gute zeigen,
Das Beste nur muß ich zuletzt verschweigen."

Da kräht der Hahn. Das Mädchen schnell entwindet
Der Decke sich und wirft sich rasch ins Mieder.
Und da sie sich so seltsam wiederfindet,
So stutzt sie, blickt und schlägt die Augen nieder;
Und da sie ihm zum letztenmal verschwindet,
Im Auge bleiben ihm die schönen Glieder.
Das Posthorn tönt, er wirft sich in den Wagen
Und läßt getrost sich zu der Liebsten tragen.

Und weil zuletzt bei jeder Dichtungsweise
Moralien uns ernstlich fördern sollen,
So will auch ich in so beliebtem Gleise
Euch gern bekennen, was die Verse wollen:
Wir stolpern wohl auf unsrer Lebensreise,
Und doch vermögen in der Welt, der tollen,
Zwei Hebel viel aufs irdische Getriebe:
Sehr viel die Pflicht, unendlich mehr die Liebe!

 


 


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