Johann Wolfgang von Goethe
Gedichte
Johann Wolfgang von Goethe

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Elysium.

An Uranien.

            Uns gaben die Götter
Auf Erden Elysium!
Wie du das Erstemal
Liebahnend dem Fremdling
Entgegentratst
Und deine Hand ihm reichtest,
Fühlt' er alles voraus,
Was ihm für Seligkeit
Entgegen keimte!

Wie du den liebenden Arm
Um den Freund schlangst,
Wie ihm Lila's Brust
Entgegenbebte,
Wie ihr, euch rings umfassend,
In heil'ger Wonne schwebtet,
Und ich, im Anschaun selig,
Ohne sterblichen Neid
Daneben stand!

Wie durch heilige Thäler wir
Händ' in Hände wandelten,
Und des Fremdlings Treu
Sich euch versiegelte,
Daß du dem Liebenden,
Stille Sehnenden,
Die Wange reichtest
Zum himmlischen Kuß!

Wenn du fern wandelst
Am Hügelgebüsch,
Wandeln Liebesgestalten
Mit dir den Bach hinab;
Wenn mir auf meinem Felsen
Die Sonne niedergeht,
Seh' ich Freundegestalten
Mir winken
Durch wehende Zweige
Des dämmernden Hains;

Seh' ich, verschlagen
Unter schauernden Himmels
Oede Gestade,
In der Vergangenheit
Goldener Myrtenhainsdämmerung
Lila'n an deiner Hand;
Seh' mich Schüchternen
Eure Hände fassen,
Bittend blicken,
Eure Hände küssen –
Eure Augen sich begegnen,
Auf mich blicken;
Werfe den hoffenden Blick
Auf Lila; sie nähert sich mir,
Himmlische Lippe!
Und ich wanke, nahe mich,
Blicke, seufze, wanke –
Seligkeit! Seligkeit!
Eines Kusses Gefühl!

Mir gaben die Götter
Auf Erden Elysium!
Ach, warum nur Elysium!

 


 


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