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Johann Wolfgang von Goethe
Gedichte
Inhalt

Inhalt

  • Johann Wolfgang von Goethe
  • Erster Teil
  • Lieder.
  • An die Günstigen
  • Der neue Amadis.
  • Stirbt der Fuchs, so gilt der Balg
  • Heidenröslein
  • Blinde Kuh.
  • Christel
  • Die Spröde
  • Die Bekehrte
  • Rettung
  • Der Musensohn
  • Gefunden
  • Wechsellied zum Tanze
  • Selbstbetrug.
  • Kriegserklärung
  • Liebhaber
  • Der Goldschmiedsgesell.
  • Lust und Qual
  • März
  • Antworten
  • Verschiedene Empfindungen an einem Platze.
  • Wer kauft Liebesgötter?
  • Der Misanthrop
  • Liebe wider Willen.
  • Wahrer Genuß.
  • Der Schäfer.
  • Der Abschied
  • Die schöne Nacht
  • Glück und Traum.
  • Lebendiges Andenken.
  • Glück der Entfernung.
  • An Luna
  • Brautnacht.
  • Schadenfreude.
  • Unschuld.
  • Scheintodt.
  • Nähe
  • Novemberlied
  • An die Erwählte
  • Erster Verlust
  • Nachgefühl
  • Nähe des Geliebten
  • Gegenwart
  • An die Entfernte
  • Am Flusse.
  • Wehmuth
  • Abschied
  • Wechsel
  • Beherzigung
  • Beherzigung.
  • Meeres Stille
  • Glückliche Fahrt
  • Muth.
  • Erinnerung
  • Willkommen und Abschied
  • Neue Liebe, neues Leben
  • An Belinden
  • Mailied
  • Mit einem gemalten Band
  • Mit einem goldnen Halskettchen.
  • An Lottchen
  • Auf dem See
  • Vom Berge
  • Blumengruß.
  • Im Sommer.
  • Mailied
  • Frühzeitiger Frühling
  • Herbstgefühl
  • Rastlose Liebe
  • Schäfers Klagelied
  • Trost in Tränen
  • Nachtgesang
  • Sehnsucht (1770)
  • Sehnsucht (1802)
  • An Mignon
  • Bergschloß
  • Geistes-Gruß
  • An ein goldnes Herz, das er am Halse trug
  • Wonne der Wehmut
  • Wandrers Nachtlied
  • Wandrers Nachtlied
  • Jägers Abendlied
  • Abendsonne
  • An den Mond
  • Einschränkung
  • Hoffnung
  • Sorge.
  • Eigentum
  • An Lina.
  • Gesellige Lieder.
  • Stiftungslied
  • Frühlingsorakel
  • Die glücklichen Gatten
  • Bundeslied
  • Dauer im Wechsel
  • Tischlied
  • Gewohnt, getan
  • Generalbeichte.
  • Cophtisches Lied
  • Cophtisches Lied
  • Vanitas! vanitatum vanitas!
  • Frech und froh.
  • Kriegsglück.
  • Offne Tafel
  • Rechenschaft.
  • Ergo bibamus
  • Musen und Grazien in der Mark.
  • Epiphanias-Fest
  • Die Lustigen von Weimar
  • Sicilianisches Lied.
  • Schweizerlied.
  • Finnisches Lied.
  • Zigeunerlied
  • Aus Wilhelm Meister.
  • Mignon
  • Mignon
  • Harfenspieler
  • Harfenspieler
  • Harfenspieler
  • Philine
  • Balladen.
  • Der Sänger
  • Ballade vom vertriebenen und zurückkehrenden Grafen
  • Das Veilchen
  • Der untreue Knabe
  • Erlkönig
  • Johanna Sebus
  • Der Fischer
  • Der König in Thule
  • Das Blümlein Wunderschön
  • Ritter Kurts Brautfahrt
  • Hochzeitlied
  • Der Schatzgräber
  • Der Rattenfänger
  • Die Spinnerin
  • Vor Gericht
  • Der Edelknabe und die Müllerin
  • Der Junggesell und der Mühlbach
  • Der Müllerin Verrat
  • Der Müllerin Reue
  • Wandrer und Pächterin.
  • Wirkung in der Ferne
  • Die wandelnde Glocke
  • Der getreue Eckart
  • Gutmann und Gutweib.
  • Der Totentanz
  • Der Zauberlehrling
  • Die Braut von Korinth
  • Der Gott und die Bajadere
  • Paria
  • Klaggesang
  • Antiker Form sich nähernd
  • Dem Ackermann.
  • Anakreon's Grab
  • Die Geschwister.
  • Zeitmaaß.
  • Warnung.
  • Süße Sorgen.
  • Einsamkeit.
  • Erkanntes Glück.
  • Ferne.
  • Erwählter Fels.
  • Ländliches Glück.
  • Philomele.
  • Geweihter Platz.
  • Der Park.
  • Die Lehrer.
  • Versuchung.
  • Ungleiche Heirat
  • Heilige Familie.
  • Entschuldigung.
  • Feldlager.
  • An die Knappschaft zu Tarnowitz.
  • Sakontala.
  • Der Chinese in Rom.
  • Physiognomische Reisen.
  • Spiegel der Muse
  • Phöbos und Hermes.
  • Der neue Amor.
  • Die neue Sirene.
  • Die Kränze.
  • Schweizeralpe
  • Elegien.
  • Der neue Pausias und sein Blumenmädchen.
  • Euphrosyne
  • Das Wiedersehn
  • Amyntas
  • Hermann und Dorothea
  • Episteln
  • Zweite Epistel.
  • Epigramme.
  • Weissagungen des Bakis.
  • Vier Jahreszeiten
  • Kunst
  • Der Wandrer
  • Künstlers Morgenlied.
  • Amor als Landschaftsmaler
  • Künstlers Abendlied
  • Kenner und Künstler.
  • Kenner und Enthusiast.
  • Monolog des Liebhabers
  • Guter Rat
  • Sendschreiben.
  • Künstlers Fug und Recht.
  • Groß ist die Diana der Epheser
  • Antike.
  • Begeisterung.
  • Studien.
  • Typus.
  • Unerläßlich.
  • Ideale.
  • Abwege.
  • Modernes.
  • Dilettant und Künstler.
  • Landschaft.
  • Künstlerlied.
  • Vermischte Gedichte
  • Gellert's Monument
  • Ilmenau
  • Drei Oden
  • Elysium.
  • Pilgers Morgenlied
  • Mahomets Gesang
  • Kapitel 226
  • Meine Göttin
  • Harzreise im Winter
  • An Schwager Kronos
  • Wanderers Sturmlied
  • Seefahrt
  • Adler und Taube
  • Prometheus
  • Ganymed
  • Grenzen der Menschheit
  • Das Göttliche
  • Königlich Gebet
  • Menschengefühl
  • Lilis Park
  • Liebebedürfnis
  • An seine Spröde
  • Anliegen
  • Die Musageten.
  • Morgenklagen
  • Der Besuch
  • Magisches Netz
  • Der Becher
  • Nachtgedanken
  • An Lida
  • Für ewig
  • Zwischen beiden Welten
  • Aus einem Stammbuch von 1604.
  • Dem aufgehenden Vollmonde
  • Der Bräutigam
  • Um Mitternacht
  • Bei Betrachtung von Schillers Schädel
  • Aus den Leiden des jungen Werther's.
  • Trilogie der Leidenschaft
  • Äolsharfen
  • Immer und überall
  • April.
  • Mai
  • Juni
  • Frühling übers Jahr
  • St. Nepomuks Vorabend
  • Im Vorübergehn
  • Pfingsten.
  • Gegenseitig
  • Freibeuter.
  • Der neue Copernicus.
  • So ist der Held, der mir gefällt.
  • Ungeduld
  • Mit den Wanderjahren.
  • Wanderlied
  • Lied der Auswanderer.
  • Ach, wie sehn ich mich nach dir
  • Anbetung
  • An Cupido
  • An Lili
  • Wär nicht das Auge sonnenhaft
  • Der Autor
  • Sag ichs euch, geliebte Bäume
  • Ich kann mich nicht bereden lassen
  • Berg auf Berg ab
  • Bleibe, bleibe bei mir
  • Blick um Blick
  • Warum gabst du uns die tiefen Blicke
  • Nach dem Tod Christianens
  • Elfenlied
  • Entoptische Farben
  • Es fing ein Knab' ein Vögelein
  • Es war einmal ein König
  • Fels-Weihegesang
  • Laßt fahren hin das allzu Flüchtige
  • Erwache, Friederike
  • Früchte bringt das Leben
  • Nachts, wann gute Geister schweifen
  • Schwebender Genius über der Erdkugel
  • Gleich und Gleich.
  • Epilog zu Schillers Glocke
  • An Gotter
  • Zu Regenschauer und Hagelschlag
  • Ich besänftge mein Herz
  • Holde Lili, warst so lang
  • Mit einer Hyazinthe
  • Iphigenie
  • An den Herzog Karl August
  • An den Herzog Karl August
  • An Kestner
  • Ich komme bald, ihr goldnen Kinder
  • Klärchen
  • Ich war ein Knabe
  • Ein zärtlich jugendlicher Kummer
  • Brief aus Leipzig
  • Mit Pfeilen und Bogen
  • Ein grauer, trüber Morgen
  • Nicht am Morgen allein
  • Neologen.
  • Im neuen Jahre Glück und Heil
  • Ob ich dich liebe, weiß ich nicht
  • An Mademoiselle Oeser zu Leipzig
  • Das Opfer, das die Liebe bringt
  • Das Lied der Parzen
  • Offen zeigt sich die Pforte
  • Goldene Regel
  • Regenbogen
  • Zu des Rheins gestreckten Hügeln
  • Nun sitzt der Ritter an dem Ort
  • Der Segen wird gesprochen
  • Selbst erfinden ist schön
  • Spruchweisheit
  • An Charlotte von Stein
  • An Charlotte von Stein
  • An Charlotte von Stein
  • An Charlotte von Stein
  • An Charlotte von Stein
  • An Charlotte von Stein
  • An Charlotte von Stein
  • Kapitel 339
  • Stoßgebet
  • Symbolum
  • Das Tagebuch
  • Hab ich tausendmal geschworen
  • An die Großeltern Textor
  • Töne, Lied, aus weiter Ferne
  • Trauerloge
  • Wenn im Unendlichen dasselbe
  • Verschwiegenheit
  • Bin so in Lieb zu ihr versunken
  • Kapitel 350
  • Worte sind der Seele Bild
  • Zueignung
  • Zahme Xenien
  • Erklärung eines alten Holzschnittes vorstellend
  • Auf Miedings Tod
  • Poetische Gedanken über die Höllenfahrt Jesu Christi
  • Der Ewige Jude.
  • Die Geheimnisse
  • Parabolisch.
  • Katzenpastete.
  • Séance.
  • Legende.
  • Autoren.
  • Rezensent
  • Dilettant und Kritiker.
  • Krittler.
  • Kläffer
  • Celebrität.
  • Pfaffenspiel.
  • Die Freude
  • Gedichte sind gemalte Fensterscheiben
  • Die Poesie.
  • Amor und Psyche.
  • Ein Gleichniß.
  • Fliegentod
  • Am Flusse.
  • Fuchs und Kranich.
  • Fuchs und Jäger.
  • Beruf des Storches
  • Die Frösche
  • Die Hochzeit.
  • Begräbniß.
  • Drohende Zeichen.
  • Die Käufer.
  • Das Bergdorf.
  • Symbole.
  • Drei Palinodien.
  • Die Originalen.
  • Bildung.
  • Eins wies andre
  • Valet.
  • Ein Meister einer ländlichen Schule.
  • Legende vom Hufeisen
  • Epigrammatisch
  • Natur und Kunst.
  • Vorschlag zur Güte.
  • Vorschlag zur Güte.
  • Stoßseufzer
  • Erinnerung
  • Perfectibilität.
  • Geständniß.
  • Schneider-Courage
  • Catechisation.
  • Totalität.
  • Das garstige Gesicht
  • Diné zu Coblenz
  • Jahrmarkt zu Hünfeld
  • Versus memoriales.
  • Neue Heilige.
  • Warnung.
  • Mamsell N. N.
  • Hauspark.
  • Mädchenwünsche.
  • Verschiedene Drohung.
  • Beweggrund.
  • Unüberwindlich.
  • Gleich zu Gleich.
  • Vergeblich.
  • Frech und froh.
  • Soldatentrost.
  • Problem.
  • Genialisch Treiben
  • Hypochonder
  • Gesellschaft
  • Probatum est
  • Ursprüngliches.
  • Den Originalen
  • Den Zudringlichen.
  • Den Guten.
  • Den Besten.
  • Lähmung.
  • Spruch, Widerspruch
  • Demut
  • Keins von allen
  • Lebensart.
  • Vergebliche Mühe.
  • Bedingung
  • Das Beste
  • Meine Wahl
  • Memento
  • Memento
  • Breit wie lang.
  • Lebensregel
  • Frisches Ei, gutes Ei
  • Selbstgefühl.
  • Räthsel.
  • Die Jahre
  • Das Alter
  • Grabschrift.
  • Lauf der Welt.
  • Beispiel.
  • Umgekehrt.
  • Fürstenregel.
  • Lug oder Trug.
  • Égalité.
  • Wie du mir, so ich dir.
  • Zeit und Zeitung
  • Zeichen der Zeit.
  • Kommt Zeit, kommt Rat
  • Nationalversammlung.
  • Dem 31. Oktober 1817.
  • Dreifaltigkeit.
  • Kestner's Agape.
  • Nativität.
  • Das Parterre spricht.
  • Auf den Kauf.
  • Ins Einzelne (Die Romantiker)
  • In's Weite.
  • Kronos als Kunstrichter.
  • Grundbedingung.
  • Jahr aus, Jahr ein.
  • Nett und niedlich.
  • Für Sie.
  • Stets derselbe.
  • Den Absolutisten.
  • Räthsel.
  • Räthsel.
  • Feindseliger Blick.
  • Vielrath.
  • Sprache
  • Kein Vergleich.
  • Etymologie.
  • Kunst und Alterthum.
  • Museen.
  • Panacee.
  • Homer wieder Homer.
  • Zum Divan.
  • Angedenken.
  • Weltliteratur.
  • Gleichgewinn.
  • Lebensgenuß.
  • Heut und ewig
  • Schlußpoetik.
  • Der Narr epilogirt.
  • Politica.
  • Dem Fürsten Blücher von Wahlstadt
  • Gott und Welt
  • Weltseele
  • Eins und alles
  • Vermächtnis
  • Parabase
  • Die Metamorphose der Pflanzen
  • Epirrhema
  • Die Metamorphose der Tiere
  • Antepirrhema
  • Urworte, orphisch
  • Atmosphäre.
  • Howard's Ehrengedächtniß.
  • Stratus.
  • Wohl zu merken!
  • Was es gilt.
  • Herkömmlich.
  • Gesetz der Trübe.
  • Allerdings.
  • Ultimatum
  • Die Weisen und die Leute.
  • Chinesisch-Deutsche Jahres- und Tageszeiten.
  • Aus fremden Sprachen
  • Monolog aus Byron's Manfred.
  • Aus Byron's Manfred.
  • Der fünfte Mai.
  • Mode-Römerinnen.
  • Neugriechisch-Epirotische Heldenlieder.
  • Neugriechische Liebe-Skolien.
  • Das Sträußchen.
  • Klaggesang.
  • Hochländisch.
  • An die Cicade.
Johann Wolfgang von Goethe

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Die Braut von Korinth

        Nach Korinthus von Athen gezogen
Kam ein Jüngling, dort noch unbekannt.
Einen Bürger hofft' er sich gewogen;
Beide Väter waren gastverwandt,
Hatten frühe schon
Töchterchen und Sohn
Braut und Bräutigam voraus genannt.

Aber wird er auch willkommen scheinen,
Wenn er teuer nicht die Gunst erkauft?
Er ist noch ein Heide mit den Seinen,
Und sie sind schon Christen und getauft.
Keimt ein Glaube neu,
Wird oft Lieb' und Treu
Wie ein böses Unkraut ausgerauft.

Und schon lag das ganze Haus im stillen,
Vater, Töchter, nur die Mutter wacht;
Sie empfängt den Gast mit bestem Willen,
Gleich ins Prunkgemach wird er gebracht.
Wein und Essen prangt,
Eh er es verlangt;

So versorgend wünscht sie gute Nacht.

Aber bei dem wohlbestellten Essen
Wird die Lust der Speise nicht erregt;
Müdigkeit läßt Speis' und Trank vergessen,
Daß er angekleidet sich aufs Bette legt;
Und er schlummert fast,
Als ein seltner Gast
Sich zur offnen Tür herein bewegt.

Denn er sieht, bei seiner Lampe Schimmer
Tritt, mit weißem Schleier und Gewand,
Sittsam still ein Mädchen in das Zimmer,
Um die Stirn ein schwarz- und goldnes Band.
Wie sie ihn erblickt,
Hebt sie, die erschrickt,
Mit Erstaunen eine weiße Hand.

Bin ich, rief sie aus, so fremd im Hause,
Daß ich von dem Gaste nichts vernahm?
Ach, so hält man mich in meiner Klause!
Und nun überfällt mich hier die Scham.
Ruhe nur so fort
Auf dem Lager dort,
Und ich gehe schnell, so wie ich kam.

Bleibe, schönes Mädchen! ruft der Knabe,
Rafft von seinem Lager sich geschwind:
Hier ist Ceres', hier ist Bacchus' Gabe,
Und du bringst den Amor, liebes Kind!
Bist vor Schrecken blaß!
Liebe, komm und laß,
Laß uns sehn, wie froh die Götter sind!

Ferne bleib, o Jüngling! bleibe stehen,
Ich gehöre nicht den Freuden an.
Schon der letzte Schritt ist, ach! geschehen
Durch der guten Mutter kranken Wahn,
Die genesend schwur:
Jugend und Natur
Sei dem Himmel künftig untertan.

Und der alten Götter bunt Gewimmel
Hat sogleich das stille Haus geleert.
Unsichtbar wird Einer nur im Himmel
Und ein Heiland wird am Kreuz verehrt;
Opfer fallen hier,
Weder Lamm noch Stier,
Aber Menschenopfer unerhört.

Und er fragt und wäget alle Worte,
Deren keines seinem Geist entgeht.
Ist es möglich, daß am stillen Orte
Die geliebte Braut hier vor mir steht?
Sei die Meine nur!
Unsrer Väter Schwur
Hat vom Himmel Segen uns erfleht.

Mich erhälst du nicht, du gute Seele!
Meiner zweiten Schwester gönnt man dich.
Wenn ich mich in stiller Klause quäle,
Ach! in ihren Armen denk an mich,
Die an dich nur denkt,
Die sich liebend kränkt;
In die Erde bald verbirgt sie sich.

Nein! bei dieser Flamme sei's geschworen,
Gütig zeigt sie Hymen uns voraus,
Bist der Freude nicht und mir verloren,
Kommst mit mir in meines Vaters Haus.
Liebchen, bleibe hier!
Feire gleich mit mir
Unerwartet unsern Hochzeitschmaus!

Und schon wechseln sie der Treue Zeichen:
Golden reicht sie ihm die Kette dar,
Und er will ihr eine Schale reichen,
Silbern, künstlich, wie nicht eine war.
Die ist nicht für mich;
Doch, ich bitte dich,
Eine Locke gib von deinem Haar.

Eben schlug dumpf die Geisterstunde,
Und nun schien es ihr erst wohl zu sein.
Gierig schlürfte sie mit blassem Munde
Nun den dunkel blutgefärbten Wein;
Doch vom Weizenbrot,
Das er freundlich bot,
Nahm sie nicht den kleinsten Bissen ein.

Und dem Jüngling reichte sie die Schale,
Der, wie sie, nun hastig lüstern trank.
Liebe fordert er beim stillen Mahle;
Ach, sein armes Herz war liebekrank.
Doch sie widersteht,
Wie er immer fleht,
Bis er weinend auf das Bette sank.

Und sie kommt und wirft sich zu ihm nieder:
Ach, wie ungern seh' ich dich gequält;
Aber, ach! berührst du meine Glieder,
Fühlst du schaudernd, was ich dir verhehlt.
Wie der Schnee so weiß,
Aber kalt wie Eis
Ist das Liebchen, das du dir erwählt.

Heftig faßt er sie mit starken Armen,
Von der Liebe Jugendkraft durchmannt:
Hoffe doch bei mir noch zu erwarmen,
Wärst du selbst mir aus dem Grab gesandt!
Wechselhauch und Kuß!
Liebesüberfluß!
Brennst du nicht und fühlest mich entbrannt?

Liebe schließet fester sie zusammen,
Tränen mischen sich in ihre Lust;
Gierig saugt sie seines Mundes Flammen,
Eins ist nur im andern sich bewußt.
Seine Liebeswut
Wärmt iht starres Blut;
Doch es schlägt kein Herz in ihrer Brust.

Unterdessen schleichet auf dem Gange
Häuslich spät die Mutter noch vorbei,
Horchet an der Tür und horchet lange,
Welch ein sonderbarer Ton es sei:
Klag- und Wonnelaut
Bräutigams und Braut
Und des Liebestammelns Raserei.

Unbeweglich bleibt sie an der Türe,
Weil sie erst sich überzeugen muß,
Und sie hört die höchsten Liebesschwüre,
Lieb' und Schmeichelworte mit Verdruß –
Still! der Hahn erwacht! –
Aber morgen Nacht
Bist du wieder da? – und Kuß auf Kuß.

Länger hält die Mutter nicht das Zürnen,
Öffnet das bekannte Schloß geschwind:
Gibt es hier im Hause solche Dirnen,
Die dem Fremden gleich zu Willen sind? –
So zur Tür hinein.
Bei der Lampe Schein
Sieht sie – Gott! sie sieht ihr eigen Kind.

Und der Jüngling will im ersten Schrecken
Mit des Mädchens eignem Schleierflor,
Mit dem Teppich die Geliebte decken;
Doch sie windet gleich sich selbst hervor.
Wie mit Geists Gewalt
Hebet die Gestalt
Lang und langsam sich im Bett empor.

Mutter! Mutter! spricht sie hohle Worte,
So mißgönnt ihr mir die schöne Nacht!
Ihr vertreibt mich von dem warmen Orte,
Bin ich zur Verzweiflung nur erwacht?
Ist's Euch nicht genug,
Daß ins Leichentuch,
Daß Ihr früh mich in das Grab gebracht?

Aber aus der schwerbedeckten Enge
Treibet mich ein eigenes Gericht.
Eurer Priester summende Gesänge
Und ihr Segen haben kein Gewicht;
Salz und Wasser kühlt
Nicht, wo Jugend fühlt;
Ach! die Erde kühlt die Liebe nicht.

Dieser Jüngling war mir erst versprochen,
Als noch Venus' heitrer Tempel stand.
Mutter, habt Ihr doch das Wort gebrochen,
Weil ein fremd, ein falsch Gelübd' Euch band!
Doch kein Gott erhört,
Wenn die Mutter schwört,
Zu versagen ihrer Tochter Hand.

Aus dem Grabe werd' ich ausgetrieben,
Noch zu suchen das vermißte Gut,
Noch den schon verlornen Mann zu lieben
Und zu saugen seines Herzens Blut.
Ist's um den geschehn,
Muß nach andern gehn,
Und das junge Volk erliegt der Wut.

Schöner Jüngling! kannst nicht länger leben;
Du versiechest nun an diesem Ort.
Meine Kette hab' ich dir gegeben;
Deine Locke nehm' ich mit mir fort.
Sieh sie an genau!
Morgen bist du grau,
Und nur braun erscheinst du wieder dort.

Höre, Mutter, nun die letzte Bitte:
Einen Scheiterhaufen schichte du;
Öffne meine bange kleine Hütte,
Bring in Flammen Liebende zu Ruh;
Wenn der Funke sprüht,
Wenn die Asche glüht,
Eilen wir den alten Göttern zu.

 


 


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