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Titelblatt

XII. Heft.
Unterhaltungen

Mit einem Titelkupfer.

Leipzig, 1837.

Verlag von K. A. Rostosky.

Billardspieler

»Det weess der Deibel! Die Billardspieler sind Eenen immer
im Wege, wenn man zusehen will!«

 

Warnung!

Eine große Anzahl deutscher Zeitschriften hat es sich zur Pflicht gemacht, ihren Lesern Mittheilungen aus diesen Heften zu liefern. An die Redacteure und Verleger wenden wir uns mit der Bitte: rechtlich zu handeln und, wenn es durchaus sein muß, nur Einzelnes und mit genauer Angabe der Quelle abdrucken zu lassen. Die Namen derjenigen Redacteure und Verleger aber, welche sich nicht schämten, den vollständigen Inhalt dieser Hefte nachzudrucken, sogar mit Abbildung des Kupfers und ohne Angabe des Originals, werden wir öffentlich bekannt machen, sobald sie dergleichen Betrügereien wiederholen sollten.

Ad. Brennglas.
K. A. Rostosky.

 

Unterhaltungen.

Die unterste Volksklasse Berlins ist im Ganzen sehr arbeitssam und bedarf nur selten einer andern Erholung, als ihre Kehle mit demjenigen Getränke anzufeuchten, aus welchem jene äußerliche Rohheit und Abstumpfung edler Gefühle entspringt. Wenn aber der Gott der Lust durch einen Sonn- oder Feiertag ruft, so gilt es, ihm auf jede Weise zu opfern; jeder Groschen wird zusammengerafft, den die langtägige Arbeit eingebracht, ja das königliche Leihamt wird in Anspruch genommen, um sich in den Besitz des weltlichen Mittels zu setzen »sich himmlisch oder jöttlich zu amüsiren.« Da mag denn die Sonne allen Lebensmuth aus der Natur brennen, der überlästige Staub jede farbige Schönheit in Sack und Asche trauern lassen, oder der Regen in Strömen herabfallen: das Alles genirt einen flotten, kräftigen Berliner nicht, der seinen langverhaltenen Jubel loslassen, der seinen Tollen austreiben will. Der Familienvater nimmt das Jüngste auf den Arm die Mutter führt den kleinen Jungen mit der neuen Jacke aus Vaters alter, die Gesellen fragen den »Deibel« nach den Wetter und schlendern drauf los. Die Dienstmädchen und Hökerinnen drehen für's Erste das neue Umschlagetuch um, und nun geht's hinaus, hinaus nach jenem Orte, wo die Freude heute ihre bunten Flügel entfaltet. Sei es draußen vor dem Prenzlauerthore bei Würst auf dem Windmühlenberge, wo ein großer papierner Drache von Pferden gezogen wird, wo man Schweine und Lämmer auf der Kegelbahn ausschiebt, wo Erpel-, Wurst-, Aal- und Hahn-Greifen ist; sei es draußen im Dorfe Tempelhof, prächtig gelegen in einer unabsehbaren Wüste, allwo Taschenspieler ihre Künste zeigen, Bären tanzen und Affen auf sehr traurigen Kameelen possirliche Sprünge machen; wo Würfelbuden: Pfeifen, Pfefferkuchen, Gläser und andere Kostbarkeiten versprechen; wo Mordscenen durch große Bilder und anmuthige Gesänge rührend geschildert werden, und die Ungeheuern Kaffeekannen auf den Tischen im Freien einladen; sei es in den qualmigen Zimmern der Tabagien Schönebergs oder Pankow's, wo brausendes Weißbier und Abends »Pellerdtoffeln mit Butter« winken; sei es in Stralow wegen der grünen Aale mit Gurkensalat; in der Haasenhaide, wo die Fichten die drückende Schwüle vermehren, aber die Kegelbahnen, Billards, Carroussels, Illuminationen, und kleinen Feuerwerke locken, oder in den zahllosen Wirthshäusern der Stadt, »wo man sich ooch janz anständig besaufen kann;« sei es wo es sei: der Berliner ist genügsam und amüsirt sich immer, wenn er einmal das Haus Vergnügens halber verlassen, und seine paar Groschen zu Schnaps und Weißbier in der Westentasche hat!

Die Belustigungen Moabits und des Stralower Fischzug's habe ich beschrieben, auch Scenen aus anderen Erholungsörtern und Festlichkeiten finden sich in diesen Heften; lebendige und prägnante Darstellung scheint mir bei Schilderung eines Volkes am nothwendigsten; ich werde daher nur noch diejenigen Feste beschreiben, die eigenthümlich heraustreten. Aber auch von diesen darf man im vorliegenden Hefte nur leichte Skizzen erwarten, da der Raum zu eng ist; die Ausführung derselben behalte ich mir bis zur Vervollständigung und Rundung dieses ganzen Werkes vor; hier kann es nur darauf abgesehen sein, jede bisher noch nicht erwähnte Eigenschaft und Driginalität der untersten Volksklassen Berlins flüchtig zu malen, und zwar in einzelnen Bildem und Scenen.

Das alte deutsche Fest des Vogel- und Königschießens findet in Berlin zwei mal statt und dauert mehrere Tage; es hat in Hinsicht der Gruppirungen und der unübersehbaren Menschenmasse große Aehnlichkeit mit dem Stralower Fischzuge, nur daß das Locale des Letztern viel romantischer ist: der Schützenplatz liegt am Königsthore in einem Winkel der Stadt, ist sandig und staubig, nur von wenigen Alleen beschattet und endet mit einer grünen Anhöhe, welche die Stadtmauer begrenzt. Hier ruhen Diejenigen aus, die sich durch die zahllosen Glücksbuden gedrängt, ihr Geld verloren, oder einige Gläser und Pfefferkuchen gewonnen haben, und lieber im grünen Grase liegen, als auf den Schemmeln der großen Speisezelte sitzen wollen, wo Kaffee gekocht wird, der Kessel mit Würsten auf prasselndem Feuer steht, und ein Heringssalat die hungrigen Magen füllt, der dick mit Staub bedeckt ist, aber dafür des Herings ganz und gar entbehrt

Die Tuchscheerer und Raschmacher feiern im Sommer das »Mottenfest« im Dorfe Lichtenberg, die Leinenweber das »Flirgenfest« in Pankow, und die Kammmacher das »Lausefest.« Da miethen sich die heiteren Gesellen große Wagen zu fünfzehn bis sechszehn Personen, nehmen ihre, der Küche geraubten Liebsten mit, die Alle schneeweiß angezogen sein müssen, setzen vorn zum Kutscher zwei ihrer ältesten Collegen in bunter morgenländischer Tracht, geben ihnen lange Fahnen in die Hand und während diese schon in der Stadt lustig geschwenkt werden jubeln und singen die fröhlichen Handwerker, daß Gott so viel Ungeziefer werden ließ. Draußen aber im Orte selbst kochen die schneeweißen Liebsten sehr dünnen Kaffee, winden Kränze aus blauen und rothen Kornblumen, schmücken die Hüte ihrer Courmacher, spielen gemüthliche Spiele, schäkern und kosen, und sind gar nicht so spröde wie sie aussehen, obgleich sie gar nicht spröde aussehen. Abends aber geht die »Keilerei« unter den männlichen Gliedern der Gesellschaft los. »Keilerei muß sind!« »Holz, muß et jeben!« Ohne Prügel kennt der Berliner Geselle gar kein ächtes Vergnügen, und wenn nicht beim Nachhausegehen mindestens sechs Individuen mit verbundenen Köpfen im Wagen sitzen, so hat der längstersehnte Tag den Erwartungen nicht entsprochen.

Um Pfingsten herum ziehen viele Gesellen und viele Dienstmädchen mit den Kindern der Herrschaft Morgens gegen drei Uhr, nach dem eine Stunde entfernt liegenden Willmersdorf, um Schafmilch mit Semmel zu genießen, welche letztere in einem Bäckerladen erstanden werden. Der erste Strahl der aufgehenden Sonne wird unterweges mit Hurrah begrüßt, und die Mützen und Hüte fliegen, wie die jubilirenden Lerchen, hoch in die Luft. Dann wird weiter gewandert durch den Sand, von Zeit zu Zeit em tüchtiger Schluck aus der »Karline« genommen um die morgendliche Nüchternheit zu verbannen; die kurzen Pfeifen werden an einem Baume ausgeklopft und wieder mit Cuba Littera O gestopft, und endlich wird in Willmersdorf vor der Schäferei Halt gemacht.

»Nanu Schafmilch her! Ne jroße Terrine voll, sechs Quart, schwabbern muß se!«

»Semmeln her! Wer hat de Semmeln?«

»Dörthe hat se in ihren Pompadour!«

»Pack' se schnell aus, Dörthe, sonst brech' ick Dir wie 'ne Semmel entzwee und fress' Dir vor Liebe uf! Heute wird fidel gesind! Heute wird den janzen Dag fidel gesind! Von de Schafmilch an bis zu de Keilerei!«

Ist das Mahl beendet, so wird für die Herrschaft des Dienstmädchens eine Flasche mit jener nahrhaften Kost gefüllt, ein Pfropfen von grünem Grase gedreht und hineingesteckt, und dann etwas geistesmatt heimgewandert.

Wenn in der alten Stadt und Festung Spandau Pferdemarkt ist, so ist in Berlin große Bewegung. Jeder wohlhabende Bürger läßt seinen Einspänner in Stand setzen, legt zwei Flaschen Wein in Stroh gewickelt und einen Korb mit Butterbrodten hinein, placirt seine Frau, die Kinder und das Dienstmädchen, nimmt die Peitsche in die Hand und fährt hinaus, wo heute großer Jubel ist. Auch die Oeconomen, Viehmäster genannt, schnallen Sitze auf ihre Milch- und Gemüse-Wagen, ebenso die Gärtner, steigen mit Allem, was der Nachbar nicht begehren soll, hinauf und stuckern ab. Ihnen folgen die glänzenden Equipagen der vornehmen Zuschauer, und, zu Fuß oder zu Pferde, die Käufer und Verkäufer. Lude und Christian vom Brandenburger Thor bewundern noch ein Mal die vier kräftig-schönen Rosse der Victoria, und erhandeln in Spandau zwei solche, à Stück zwanzig Silbergroschen, welche sie bis zum nächsten Markte todtjagen. Draußen ist buntes Durcheinander, tolles Lärmen, komisches Volkstreiben, ehrlicher Handel, Prellerei und mannichfacher Genuß.

Hyperfromme Vereine, Pietismus, Heuchelei und religiöse Unterhaltungen dieser Art haben wir in den untersten Volksklassen in Menge, doch verirrt sich auch die Theilnahme sehr hoch hinauf. Es ist erklärlich, daß sich in einer Stadt, in welcher die schärfste Verstandesrichtung vorherrschend, solche Gegensätze bilden, und eben so erklärlich, daß sie in der jetzigen Zeit nicht genügend unterdrückt werden, obschon unser König ganz gegen dergleichen Cliquen-Frömmigkeit ist, und dies durch Wort und That bewiesen hat.

Vor Scenen solcher Art – die niemals wahrhaft komisch sind, weil die nichtswürdigste Seite des menschlichen Charakters sich häufig in ihnen entfaltet – erlasse man mir die Schilderung. Einmal kann ich meinen Ekel dagegen nicht überwinden, und zweitens muß es in der civilisirten Welt Gesetz bleiben, das zum Grunde liegende Motiv solcher Vereine in populären Schriften als unantastbare Heiligkeit gelten zu lassen.

In den Tabagieen trinkt der Berliner seine Flasche Weisbier, sein Schnäpschen, spielt Karten, Billard, Puff oder Tokkadille, und raucht dazu gemüthlich seine Pfeife Taback. Am häufigsten aber politisirt er, verliert sich in geistigen Spekulationen und reißt Witze über die neuesten Erscheinungen und Begebenheiten. Liest er zu Hause, so greift er Morgens nach der Zeitung, Abends nach Romanen und dem sogenannten Jntelligenzblatt, und alle Sonnabende nach dem Spreebeobachter, in welchem ihn namentlich die »Todtenliste« und »Unglücksfälle« interessiren.

Um die Weihnachtszeit führt der Berliner Abends seine Kinder auf den Markt, und läßt sie in den illuminirten Buden auf dem Schloßplatze und der Breiten Straße Dasjenige sehen, was sie sich zum heiligen Christabende wünschen können. Bescheert ihnen nun auch der »Rumknecht nischt weiter als eine jrüne Perjemite mit kleene Talchlichter, Berlämmerkens un joldne Aeppel un Nüsse,« so haben sie sich doch ergötzt an den zahlreichen bunten und blanken Spielsachen auf dem Weihnachtsmarkte; an den brummenden »Walddeibeln« und bemalten Fahnen und Knarren, welche die ausgezeichneten Straßenjungen Berlin's zu dieser Zeit mit vielem Lärm feilbieten.

 

In einer Tabagie vor dem Thore.

Der Wirth der Tabagie und des Garten-Vergnügens »zum letzten Silbersechser« muß die Stühle unter den kleinen Akazienbäumen umdrehen, denn es regnet. Alle Gäste flüchten sich in die kleinen Zimmer und hüllen sich in einen undurchdringlichen Tabacksqualm. Der Obsthändler Mudicke, seine Frau und Tochter, der herrschaftliche Bediente Schmidt, der Klempnergeselle Leefe, der Barbiergehülfe Siesel und der Raschmacher Beesing sitzen zusammen an einem Tische.

Siesel (ruft). Hör'n Se mal, Sie da, Herr Wirth! Jeben Se mir doch mal en Jlas Braunbier, aber keene Neejen, sondern reene injeschenkt!

Wirth. Hier: ein Glas Braunbier!

Siesel (bezahlt und besieht nachher das Bier). Na, hör'n Se, Herr Kuhlmeyer, det sieht schöne aus! Det is ja schauderöse trübe, det is ja wie Lehm! Na det wird'n schöner Soff sind!

Wirth. Nee, hör'n Se mal, des is sehr jut, lieber Mann, des Bier! des is sehr jut! des is ja Königsbier!

Siesel (sieht wieder durch das Glas). So? Königsbier?? Na, hör'n Se, det wird woll noch von 'n dicken König sind! (Der Wirth geht lächelnd ab.) Na, hört mal, Kinder, um wieder uf besagten Hammel zu kommen, uf Unsterblichkeit: wat seid Ihr woll vor Meinung, wat aus uns nach den Dode werden wird?

Beesing. Ick bin der Meinung, det wir entweder in'n Himmel oder in de Hölle kommen werden.

Leese. Det is scharf jedacht, Raschmacher!

Beesing. Det mach nu scharf jedacht sind oder stumpf, et is so! So steht et in de Bibel, danach richt't sich ein frommer Christ, der an Jott jloobt.

Mudicke (sehr phlegmatisch). Siesel, aus Dir wird jar nischt werden nach den Dode.

Siesel (trinkt). Wie so? Wie meenste'n des, Mudicke?

Mudicke. Aus Dir wird in Deinen Leben nischt werden, jeschweije nach den Dode!

Siesel. Jott, Kinder, reißt doch keene Witze –

Frau Mudicke (unterbricht ihn, zu ihrem Manne). Ja, et is ooch wahr! Ick bitte Dir, reiße Dein Maul nich so weit uf, Dein bisken Jrütze jeht so durch, da kannste 't janz zulassen. Ick weeß jar nich, wat Dir Unsterblichkeit anjeht, un namentlich Sieseln seine? Bekümmre Dir doch nich um unjelegte Eier! Seh lieber da runter uf Deine Weste, die De Dir da schonst widder mit Tabackssabber besabbert hast. En Schweinijel biste doch un bleibste! (zu ihrer Tochter) Karline, ick bitte Dir, seh' ma da drüben an'n Ofen de Leinewebern, de Posematzky'n sitzen; hat se nich schon wieder 'ne Haube vor zwee Dhaler acht Jroschen uf, det's man so knallert! Wo die Frau des Jeld her kriecht! Na ick will nischt sagen, aber ihr Wirth, der Teppermeester wird woll wissen, wo Bartel Most holt!

Siesel. Also von wegen Unsterblichkeit, Kinderkens! Viel saufiren müssen wir, det hilft nischt! Ick habe darüber schon sechs Jahre nachjedacht, un nu hab' ick't raus. Jebt mal Obacht! Seht mal, wenn wir dodt sind, so knabbern uns de Würmer uf, nich wahr? Ja! Wenn uns nu die Würmer ufgeknabbert haben, so sind wir in lauter kleene Würmer drinn: die werden nu wieder von jrößere Thiere ufgeknabbert, un so werden wir lauter jrößere Thiere; un die werden wieder von de Menschen ufjejessen, un so immer weiter! Da habt Ihr 't! Wat sagt Ihr dazu? (er trinkt.)

Leefe. Na, da seh' ick noch jar nischt von Philosoffieh! Uns knabbert keener uf, also denn sind wir zum zweeten Mal Menschen!

Mudicke. Ja, da Capo!

Schmidt (klopft seine Pfeife aus). Ne, Siesel hat ja gesagt, det uns de Würmer auffressen! (zu Siesel) Also denn wirste zum zweeten Mal Würmer, na, wat is'den denn aber?

Siesel. Na eben! So jeht es immer weiter, wir werden immer wieder Thiere!

Mudicke. Na, hör' mal, Du wirscht woll en Ochse werden.

Siesel. Na Du schmeichelst Dir schon eener zu sind. An Hörner fehlt es Dir wenigstens nich.

Frau Mudicke. Siesel, sein Se ruhig! (zu ihrem Manne) Hör' mal, Mudicke, nu sag' ick Dir's zum letzten Mal, Du hält'st det Maul über Reljont oder ick stech' Dir eene Unsterblichkeit, det Dir noch im Jrabe Deine Wange weh dhun soll! Wenn't in'n Himmel Kimmel jibt, denn wird sich Deine Seele schon uffchwingen, wo nich, so spuhkste als Jeist bei Eulners, so ville is jewiß!

Alle. Bravo, Madam Mudickin, det war en juter Witz!

Mudicke (lacht schwerfällig). Ja, det war en juter Witz! (er nimmt das Schnapsglas) Daruf muß ick mal drinken.

Karoline. Vater, Jott, so saufe doch nich so ville, det is ja nich mehr zum Aushalten!

Mudicke. Bitte ooch da, Jungfrau außer Diensten?

Karoline (rümpft die Nase). Na hör' mal! (sie sieht fort) So jemeene kann man nich werden, wie man von Familie is.

Frau Mudicke (kupferroth vor Wuth.) Ick wer Dir zu Hause meinen Dank abstatten! Wenn Du nu nich mit Saufen ufhörst, denn so'ste mal sehen!

Mudicke (sehr ruhig). Ick bin schon mitten in be Unsterblichkeit! Ick bin jetzt eine Amphibie, zu Lande und zu Schnaps lebend.

Schmidt (lacht). Det muß man nu den Mudicke nachsagen: drockne Eenfälle hat er!

Mudicke. Ja, un nasse ooch. (er trinkt).

Beesing (zu Karolinen). Na, Sie sind ja ornd'tlich rappelköppsch jeworden, Mamsell Karline! Sie werden sich doch nich aus 'n Concept bringen lassen? Sehn Se mal, Ihr Vater is ja man blos heiter; lassen Se ihm doch sein stilles Verjnügen. Un Sie ooch, Madam Mudicken.

Frau Mudicke. Jott, lassen Sie mir in Ruhe, Raschmacher! Machen Se rasch, un verziehn Se sich mit Ihre Trösterei! Ick bin wieder dämlich jewesen, det ick mir habe überreden lassen, mit mein Klump Unjlück nach 'n letzten Silbersechser zu ziehen, ick anijiere mir hier immer. Karline, wenn wir nach Moabit jejangen wären, mit Sieseln! Aberscht man is so jutmüthich, man jeht mal mit, aber et soll mir ooch nich wieder passiren!

Mudicke. Na, hör' mal, ick habe Dir doch nich jesagt, det De mit mir jehen sollst! Ick jeh' nich mehr mit Walddeibels rum, det war vor Zeiten, dunnemals, wie der jroße Wind war, Anno so un so, als ick noch im Flüjelkleide, in die Mädchenschule jing.

Siesel. Na, hört mal, Kinder, um wieder uf Unsterblichkeit zu kommen! –

Leefe. Schmidts. Na nu hör' uf, nu hab' ick Deine Unsterblichkeit ooch dicke!

Beesing. In Dir is ooch nich 'n Funken Reljon! Wer wird denn so spotten!

Mudicke. Siesel, höre uf, Du hast Dir blamirt. Mit Deine Unsterblichkeit kannste Dir bejraben lassen.


Beim Billard.

Der Strumpfwirker Resener und der Kammmacher Brenke spielen; ihre Freunde, der Kutscher Schiebich und der Weber Fleßberger sehen zu.

Brenke. Setz' Dir aus, Resener! Du hast'n Aussatz.

Resener. Wenn ick 'n Aussatz habe, denn nimm Dir 'n Acht, des ick Dir nich 'ne Pocke steche!

Brenke. Wenn De det dhust, denn impf ick Dir eine Maulschelle.

Resener. Markeer, det Queue is schief; wenn ick mir damit aussetzen will, mach' ick dreizehn; det jeht nich. So, des is jut, nanu man zu! (Sie spielen.) Wie steht es jetzt?

Marqueur. A six!

Schiebich (legt sich aufs Billard.) A six! Ihr seid zwee Assisen, un ick stehe vor Euch. (Pause.) Na hör' mal, Brenke, Du spielst ooch 'ne jute Naht! Du hast Dir woll in Deiner Jugend blos uf't Auslassen jeübt?

Fletzberger (legt sich aufs Billard). Weeßt De wat, Resener, jetzt mach' mal de Carline in't Eckloch, denn verloofste Dir Sechse, un vielleicht krambolirste noch dabei, denn macht es noch mehr!

Brenke. Fletzberger, fletze Dir nich so uf! Halt' mal hier fort; ick muß hier ran!

Fletzberger (macht Platz). Nich 'n Oojenblick Ruhe hat man bei Euer dummet Spiel!

Schiebich. Ja, det weeß der Deibel! Die Billardspieler sind Eenen immer im Weje, wenn man zusehen will!

Resener. Jetzt wer' ick den Rothen schneiden.

Schiebich. Da wirste Dir sehr schneiden, wenn De jloobst, det der jeht! Dazu jehört schon Eener, der Billard spielen kann.

Resener (stößt). Siehste woll, Jroßmaul, da liegt er!

Fletzberger. Herr Jeses, war det 'n Fuchs!

Schiebich. En schauderhafter Fuchs! Der Kerl, der Resener, hat en Schwein, des jeht in's Weite! Wenn Der Butterstulle spielen will, kriegt er Schinken druf! (zählt.) Dreie zu Fufzehn macht dix-huit; dik-huit à trente-six steht et. Busquit a Thransüß: Resener. Kutscher, fahre so fort, Du bist jut in'n Drabb; Deine Witze ziehen zwarscht nich, aber se machen mir Spaß. Bock-Besitzer, Sie können sich eine Jnade bei mich ausbitten!

Schiebich. Ach, denn biet' ick Euer Majestät, det die Füchse nich so verfolgt werden. Doubliren Se jefälligst nich so ville jejen Dero Willen. Es könnte mal einen Contrecoup jeben, un denn könnten Sie sich verloofen, un denn haben Sie die Parthie verloren.

Resener. Pferdedreiber, jeh' mal hier von de Bande weg!

Schiebich.' Ne, ick wer' Euch nie verlassen.

Brenke. Wie steht et 'n?

Fletzberger. Karanzett a Siebenundreißig. Du brauchst blos noch een Mal zu stoßen, Brenke, denn haste de Parthie verloren.

Brenke (im Visiren). Stoß' Dir nich, Fietzbergerken, er werd die Parthie nich verlieren, er werd jetzt sehre scheene spielen! Jib mal Obacht, wie ick diesen jungen Kreuzball eens uf't Kreuz jeben werde! (stößt.) Sichste woll, Kettendurchschießerjeselle! Dreie jemacht, un Viere jemacht, det macht Sieben; also steh' ick quarante-quatre un jetzt steh ick uf Carlinen; nu wirste mal die Freude jenießen, wie ick die rinballere un de Parchie jewinne. (stößt.) Haste jeesehen, Fleezbergerken? Na, wat sagsten nu, Flesch.

Schiebich. Na hör' mal, Resener des stört sehr! Du hast de Parthie verloren: so was stört sehr! Der Kammmacher hat Dir sehr jelaust.

Brenke. Et stand sehr kipplich mit mir, aber Brenke verzagt nich!

Schiebich. Nä überjens: dicke brauchste Dir ooch nich zu dhun! Resener hat en Schwein, bet is wahr, aber Du, Du hast en wildes Schwein!

Resener. Brenke, setz' Dir aus! – So! (stößt.) Zwee karambolirt; deux à nischt!

Brenke (stößt.) Bumms, Kladeradatsch, Knitz, Knatz, Rungs, Knall, Pladeradautsch, Baff, da liegt Dein Weißer! Macht noch Zwee.

Marqueur. A – deux!

Schiebich (nimmt seinen Hut und geht). A-dieu!


Verschiedene Gruppen in einem öffentlichen Lustgarten.

Schmiedegeselle Bumster. Wißt 'er wat, Kinderkens, alleweile wollen wir mal Caroussel fahren! Ick bezahle vor Euch Mächens; ick habe jetzt ochsig Kies: ein Freund von mir is in de Lottrie durchjefallen. Kommen Se, Rieke! Sie da, Charlotte! Kommen Se doch; wat sehen Se denn immer da rüber nach den Schneiderjesellen, der Ihnen durch de Lappen jejangen is? Jott, sein Se doch froh, det Ihnen deser Mottenkönig nich mehr um de Nase rum fliegt!

Schneidergeselle Espenthal (hat sich heimlich genähert). Wer ist denn schon Dein Mottenkönig?

Bumster. Na Du! (er geht auf ihn zu und stößt ihn ein wenig). Herrjees, ick jloobe jar Du jloobst ick jloobe, Du dhust mir wat. Ick soll mir woll jar fürchten? Ne, leichter Schneider, vor Dir nich! Seh mal: sechs solche Kerrels wie Du bist, die stell ick mir hinten uf den Rockschooß un schlage blos mit'n Hinterfuß in de Höhe, denn fliejen Se alle Sechse in de Atmopsfähre, un stoßen mit'n Kopp an'n Himmel, det de Engel Auweh schreien!

Espenthal. Jott, wie kann man so jemeene sind, un sich uf Körperstärke was einbilden. Daß ick feiner jebaut bin, un mir mit solchen Blasebalg wie Du bist, nich messen kann, dieses is richtig. Aber daruf kommt es nich an, sondern uf'n Jeist kommt es an, uf Bildung.

Bumster. Na, hör' mal, mit Deinen Jeist mach' Dir nich breet, schmaler Junge! Seh' mal, Deine Bildung, wenn De die verkoofst, da jiebt Dir der Plunderm höchstens eene Strehne Zwirn davor.

Friederike. Aber, Bumster, so zanken Se sich doch nich immer un ewig! Un Sie ooch, Espenthal! Sein Se ruhig un kommen Se mit rüber nach't Caroussel. Sie beede Mannsleute reiten un stechen in den Ring, un ick un Charlotte setzen unin ein Schiff. (Sie gehen in das Caroussel.)

   


Coulissenschieber Schneiter. Hier, Kinder, wollen wir uns lagern und unjeheuer heiter sein! Melpomeene Kiseritzen, setzen Sie sich, und Sie, anjenehmer Schusterjeselle auch! (er setzt sich an einen Tisch; Mamsell Kieseritz und der Schuhmacher Klatsch ebenfalls.) Nanu wollen wir Kies ausstreuen! (er klappert mit dem Gelde in seiner Tasche.) Einige landesübliche Münzsorten müssen heute springen, des hilft nischt! Heute bin ich unjeh euer fröhlich, äußerst fidel, bedeutend lustig und unermeßlich heiter! Heute bin ich vergnügter als ein König (er nimmt die Mütze ab.) Lassen Sie sich jeben, was Sie wollen, leichtsinnjefüllte Kieseritzen, Mädchen! für Alles, natürliche Tochter eines leider zu früh hinüberjeschiedenen Leinwebers aus Pasewalk! Und Sie auch, harmloser Pechkünstler, gemüthlich lächelnder Fußbekleidungsgehülfe, ledernes und stiefelleistendes Mitglied der menschlichen Gesellschaft! Schmeicheln Sie sich vielleicht des Kümmels benetzende Tropfen über Dero jeräucherte Ochsenzunge hinabgleiten zu lassen in den Ocean ihres durstenden Magens? Oder erwacht in Ihnen die Sehnsucht nach des Pommeranzens spirituöser Flüssigkeit?

Klatsch. Ick wer' mir schon jeben lassen, wat ick will. Aber machen Se hier nich so'n Ufsehn mit Ihre jestohlne Witze; Sie machen sich ja lächerlich!

Schneiter. Dieses habe ich immer jethan, sentimentales Rhinozeros, warum nicht heute unter diesem Himmel, der so blau ist, wie der Rücken eines knutedurchprügelten Sclaven? Ha, ha, ha! (er lacht und schreit dann:) Kellneer! Verzehrenden Jästen aufwartender homo! Grünschürzigleichtbefußtes Kameel, nahe Dich! Werde hier sichtbar; strahle! (Der Kellner kommt mit unwilligem Gesicht; alle Gäste in der Nähe werden aufmerksam.)

Mamsell Kieseritz (zum Kellner). Bringen Se mir eine Portion Kaffe un en Stücksken Kuchen zum Jnstippen.

Klatsch. Mir bringen Se eine Weiße.

Schneiter. So recht, wunderbarer Schuster, pechbeflissenes Individuum! Weißbier muß ein redlicher Preuße trinken; der höchste Patriotismus muß ihn beseelen! Wer kein Preuße mit Leib und Seele ist, verdient jerädert zu werden!

Klatsch (steht auf und nimmt sein Glas Weißbier in die Hand). Mit Ihnen kann en anständiger Mensch nich mehr an eenen Disch sitzen.

Ein Fremder (geht zu Schneiter und faßt ihn an die Brust). Hör'n Sie mal, Sie sind ein jemeiner Bursche. Ein kriechender, hungriger Wurm sind Sie, aber der schlechteste Preuße von Allen. Sehen Sie, ich bin auch mit Leib und Seele Preuße, aber das schrei' ich nicht aus wie ein Krämer seine Waare!

Schneiter (ihm in die Ohren). Jroßer Unbekannter, wenn ich heute nach Nordamerika komme, so schrei' ich: Vivat die Republik! und in Frankreich: Vivat die Constitution! Aber in China bücke ich mich vor jedem Vornehmen, vor Jedem, der Titel oder Kies besitzt.

Der Fremde. Gut, thun Sie das! Menschen von ihrem Schlage können niemals mehr als Knechte sein, wo se auch stehen mögen. Aber Eins muß ich Ihnen noch sagen: Behalten Sie dergleichen für sich, denn die Zeiten, wo solche Gemeinheit jefallen konnte, sind vorüber; von jedem redlichen Preußen und von allen besser und stolzer denkenden Menschen werden Sie immer zur Thür hinausjeschmissen werden. Nehmen Sie sich in Acht, daß es nicht jleich hier jeschieht; Sie sehen, wie man ringsumher jestimmt ist. (er geht fort.)

Schneiter. Schön! (für sich.) Mit den Wölfen muß man heulen! (er setzt sich und plaudert leise mit Mamsell Kieseritzen)


Handschuhmacher Schmidt (kommt mit seiner Frau Arm in Arm, setzt sich an einen Tisch, fordert mit leiser Stimme eine Flasche Weißbier, raucht eine Pfeife und sieht ruhig vor sich hin).

Madame Schmidt (sieht ruhig vor sich hin und strickt).

Schmidt (nach zwei Stunden). Es is heute recht hübsch hier bei Stechow's; nich wahr, Aujuste?

Mad. Schmidt. O ja, man sieht sich des so mit an.


(Geschrei und Rufen durcheinander.)

»Markeer! Mir bringen Se mal vor'n Sechser en span'schen Bittern, aber en bisken Don Carlos drunter!«

Eine Frau. Aber sage mal, Männiken, wo biste denn so lange jewesen?

Mann. I ick bin da drüben in de Fichten jeangen.

Frau. In de Fichten biste jejangen? Na wat haste denn da aber jemacht?

Von der Kegelbahn her: »Papa hat jeheirath't!«

»Du, ick sage Dir, laß mir zufrieden, sag' ick Dir, oder ick sage Dir wat mit die Fäuste hier in't Ohr, det de den Mond vor'n Bäckerjesellen halten sollst!«

»Herrjees, wo is denn meine Braut jeblieben?«

Vom Billard her: »Karline hat sich verloofen! Macht Sechse!«

»Weeßt Du nich, Uhrmacher, wo se hin is?«

Von der Kegelbahn: »Jrenadier-Bataillon!«

»Markeer: eine kühle Blonde von's eechne Brett!«

»Markeer: eine Schinkenstulle, aber nich so 'ne kleene!«

»Herrjees, Herr Baron, Sie verlieren Ihre Blase! Da licht wenigstens schon vor'n Pfennig Toback an de Erde!«

»Charlotte, knippere mir mal hinten die beeden Bänder uf; ick kann kaum noch japsen!«

»Du willst wat druf jehen lassen heute? Na, höre, Stellmacher, daruf bin ick neujierig! Bei Dir steht doch ooch sonst der Hunger Schildwache, un de Kartoffeln schreien Werda!«

»Najelschmid, Du bist besoffen! Klopp Dir mal uf'n Kopp, damit De feste stehst!«

»Markeer, wat bin ick'n schuldig? Ick habe zwee Schinkenstullen vor vier Silberjroschen jehabt, un vor zwee Silberjroschen Schnaps?«

»Aber Therese, so sein Se doch nich jleich so böse! Ick habe ja man jespaßt!«

Von der Kegelbahn. »Hoho!«

»Vater, seh' mal, der Mann da, der eben die Schnapsflasche in de Höhe hält, der hat det Schwein uf de Kejelbahn jewonnen.«

Eine Köchin: »Jrenadier, jetzt kommen Se un bejleiten Se mir zu Hause. Et is schonst finster; wenn meine Herrschaft zu Hause kommt un find't mir nich zu Hause, denn is der Deibel los.

Von der Kegelbahn. Herz aus dem Leibe!

Ein Betrunkener (hat eine brennende Cigarre im Munde und schwankt auf einen Baum los). Dunderwetter, det is ja hier – eine ejriptische Finsterniß is es ja hier! Hat denn Keener keen Feuer nich? Det verfluchte Biest brennt jar nich; se hat jar keene Luft, hat se nich! Keene Luft hat se nich! Da beißt man un beißt man, un lutscht man un lutscht man, se brennt nich! Brennen brennt se nich! (er sieht Etwas glimmen.) Ach hör'n Se mal, Sie da, Sie da! Haben Se doch de Jewogenheit un jeben Se mir mal – jeben Se mir mal Feuer! So, jetzt bin ick mit meine Cijarre ran, nu halten Sie mal en Oojenblick stille, (er turkelt.) So halten Se doch stille! Herrjees, zum Donnerwetter, halten Se doch stille!! Stille halten Se!! (er versucht die Cigarre anzustecken) Se hat keene Luft det Biest! Da kann ick ziehen, det ick schwarz werde. So halten Se doch stille. Wenn Sie immer hin un her wackeln, denn kann ick mir meine Cijarre nich anstechen! Stille sollen Se halten!! – Sagen Se mal, worum reden Sie denn nich een Wort, nich Kuck, nich Muck? (er greift mit den Händen umher.) Herrjees, hier is ja jar Keener nich hier, – jar Keener nich hier! (er betrachtet das Glimmende näher.) Herrjees, det is ja'n Marienwürmekin! (fortgehend.) Nu seh' Eener det Luder an, vexirt et mir!


Stimmen während der Illumination und des Feuerwerks.

»Da, nanu werden de Lampen anjestochen, nu wird et in Deutschland helle werden!«

»Na det wird Jott nich wollen, det wär' noch hübscher! Wovon soll'nn denn de Spitzbuben leben? Die müßten ja reene betteln jehn.«

»Leineweber, ick sage 't Ihnen nu zum letzten Mal, Sie laaßen det dumme Zeug sind! Sie verkneddern mir ja mein weißes Kleed mit den Unsinn.«

»Hör'n Se mal, Sie da, Eau de Colonger, Köllneer! Kommen Se her, stechen Se mir ooch an, ick heeße Lampe.«

»Ja, Kellneer! Ziehen Se ihm blos en Dacht durch; bejossen hat er sich schon!«

»Markeer, ehr de Jllumnation anjeht, jeben Se mir mal noch een Pfund Kümmel.«

»Da hat Eener jeniest! Prost!«

Mehrere Stimmen. »Prost! Prost! Prost Jevatter!«

»Nich Ursach!«

(Es ist einen Augenblick still.)

Eine tiefe Baßstimme. »Wo so?«

(Gelächter.)

»Mathilde, willste woll hierher! Werschte woll hierbleiben! Verfluchte Jöre, ick stech' Dir 'ne Tachtel, det De jlooben sollst, Ostern un Pfingsten fällt uf eenen Dach! Du sollst hier nich von mir wegjehen, sonst verloofste De Dir!«

»Hör'n Se mal, lieber Mann, wenn deß mal geschehen sollte, denn laaßen Se des Kind janz einfach in de Zeitung setzen: Ein Mann in den besten Jahren wünscht ein Kind zu bekommen. Dieses jehörte ihm schon früher, aber es is ihm abhanden jekommen. Wo? sagt das Intaljenzcomptor.«

»Markeer, eine Weiße!«

»Nanu jeht des Feuerwerk jleich an! Nu jetzt es jleich an, un wir haben noch kenen ordentlichen Platz! Siehste woll, Dörthe, ick habe Dir jesagt, Du sollst nich so neelen, aber da haste zwee Stunden mit de Pinkerten über Kalbfleesch un dicke Erbsen un Dienstmächens jeplappert, un nu – nu können wer uns in de Oojen schlagen, wenn wer Feuewerk sehen wollen.«

»Ach Jott, ach Jott, so mach' doch man nich so ville Jerede über Nischt un wieder Nischt! Immer reißte Deinen Mund uf, als hättste 'en Wallfisch im Magen, un zuletzt is et jar nischt! Können wer denn hier nich recht jut sehen? Oder jloobste etwa, bet de Leuchtkugeln heute in de Erde rin fliejen?«

»Vater, weeßte wat, nimm mir ufn Arm!«

»Ach ja, mir ooch!«

»Na da haste 't nu, Dörthe! Siehste woll, nu steh' ick hier, in jeden Arm 'ne Jöre, un vor de Oojen en paar hundert Menschen, die alle nich von Jlas sind, det man durchsehen könnte. Eene Jöre nimm Du wenigstens, denn det halte der Deibel aus; wenn 'ne Leuchtkugel kommt laß' ick eene fallen.«

»Aaach! Seh'n Se mal den Schwärmer, Charlotekin! Ick bin auch so ein feurijer Schwärmer, aber so hoch versteig' ick mir nich.«

»Sein Se ruhig, Paseling, stören Se mir nich! Ick weeß woll, wie hoch Sie sich versteijen.«

»Na, lassen Se des sind! Sie sollen des sind laaßen! Jrenadier, wenn Se des nu nich sind laaßen, so stech' ick Ihnen eine Verwendte, det Se vierzehn Dage ufn Exercierplatz Ihr Vaterland nich dienen können!«

»Aaach! Det knallte mal, hurrrje! Del war'n Potafeh mit Leuchtkugeln. Seh' mal da oben, da zerplatzen se! Ach, wie schöne blau un roch, als wenn Sterne von'n Himmel abjefallen wären.«

»Det war mal dämlich! Jloobste denn, deß die Sterne von'n Himmel so mir nischt Dir nischt uf de Menschen runterfallen, det man Jeder so zujreifen könnte? Die fallen alle in de Ordens-Commission, un da werden se ausjelöscht, un denn an ehrenvolle Brüste jestochen.«

»Herrjees, sehen Se mal da die Schlangen in de Luft! Ne wahrhaftig wie Schlangens, immer hin un her, un solch Geknacker durcheinander, als ob se böse wären!«

»Riekchen, sehen Se mal, wie die Raketten da oben knallen, det jeht wie kleenes Jewehrfeuer.«

»Sehste, Kuleke, mir jefällt det Feuerwerk jar nich. Sehste, det is weiter jar nischt. Da nehmen se blos en bisken Pulver, det machen se naß, un denn binden se um de Röhre recht feste Strippe, un denn kommen se mit 'ne Lunte ran un stechen et an, un det is denn Feuerwerk! Na mir jeh Eener! Det macht mir Keener weiß, Kuleke, mir nich! Sehste, Kuleke, unser Eener is rum jewesen, unser Eener hat sich wat versucht, unser Eener is nich von Boom jeschüttelt! Feuerwerk soll det sind? Kuleke, ick bitte Dir, seh' Dir des mal an, det soll Feuerwerk sind. Na wenn det 'n Feuerwerk is, denn bin ick 'ne Spritze!


Gespräche im Gastzimmer.

Böttcher Pralle (klopft seine lange Thonpfeife aus). Ne, da bin ick jar nich Deiner Meinung, Kraldowsky! Seh' mal die Spanier, die sind mit eenen Worte: dämlich. Die Cortes, nu ja, det is recht jut, aber wat is denn da ooch mehr; wenn unter so un so viel Millionen fufzich Jescheidte sind, un die Andern lauter Theekessels. Ick sage Dir, det Volk in Janzen betrachtet, als Masse, is dumm; laß Du heute Carlossen nach Madrid kommen, so sollste mal sehen: atje Cortes, atje Constitution, atje Ufklärung, jun Morjen Pfaffen! Daruf kannste Jift nehmen!

Kupferschmied Kraldowsky (raucht aus einer langen Pfeife). Na jut, anjenommen Dieses, wir wollen sie mal Alle dumm sind laaßen. (mit Wichtigkeit) Jloobst Du denn dadrum, deß irjend ein Volk, das, natürlich muß es vorher so was jehabt haben, sich was wieder nehmen ließe, was es jehabt hat? Da reitste uf'n dicken Jrrthum! Pralle, jloobe mir dadrinn, ick weeß, wat ick sage. Ick sage Dir ein Volk is ein Volk, da mag mir Eener sagen, wat er will. Es hat, wat es hat! Nimm ihn vor eenen Dreier wech, un se tippen Dir uf'n Kopp, det de Zeitlebens dran jloobst. Wat haben zum Exempel als Beispiel die Franzosen gedhan, he?

Tischler Voigt. Na wat habe die gedhan, Herr Kraldowsky? Ick war mit, ick kenne die Franzosen persönlich. Daruf bin ick neujierig.

Kraldowsky. Seh'n Se mal, bet will ick Ihnen sagen, Herr Voigt. Sie wissen von die jroße Revolution in Frankreich, vorije Jabrhundert in de Neunzijer: Robeßpjeer, Danthon, den König hinjerichtet, Julljottine überhaupt und Allens Mögliche, jenug: die Franzosen hatten sich frei jemacht un lebten vor sich alleene.

Pralle. Chambre garni, nich wahr?

Voigt. Ne, Pralle, keene Witze, wenn man mal en Wort vernünftig reden will. Na jut, Herr Kraldowsky, aber nanu, wozu? Sie haben in einer Art janz Recht, aber mittlerweile nanu, wenn ooch nu Republik is, wasdenn denn? Denn is es auch mehr oder weniger eben so schlecht und vielleicht möglicherweise noch schlechter, denn, erlauben Sie mir, die Jilljotttiene is denn doch wahrhaftig keen Jlück nich! (Zu den Andern, die zuhören.) Na, wat sagt Ihr? Ne, ach Jott, lieber Herr Kraldowsky, ich bin ein Familienvater, ich weiß, wie Einen das dhut, wenn Einen ein Kind stirbt, jeschweije vielleicht möglicherweise zwei bis drei Mitjlieder, un dann noch auf eine mehr oder wenijer unnatürliche Weise!

Pralle. Ja, der Voigt hat Recht! Jeht mir mit alle Ausländereien, mit Constitutistionen und Republiken, un die andern Dummheiten, wenn nischt beiraus kommt! In Deutschland is et immer noch am besten; wir Deutsche brinjen uns doch wenigstens nich um!

Kraldowsky. Ach, dhut mir doch den Jefallen, Kinder, un packt in mit uns Deutschen. Wir sind Kerrels, det sich Jott erbarme. Die Franzosen, es mag sein wie es will, aber es is eine Nation! Aber was sind wir denn? Waschlappens sind wir! Ne, bei Jott, so'n Deutscher, det is 'ne merkwürdije Pflanze! Wenn er zu Hause vor Kummer jeweent hat, denn jeht er uf de Straße un singt: freut euch det Lebens, un wenn er in't Sterbebette seine Kinder sejent, denn sagt er: Kinder seid jescheidter wie ick jewesen bin!

Voigt (steht auf). Hör'n Se, Herr Kraldowsky, det is zu arch! Ick kann lange Spaß verdragen, aber so uf de Deutschen zu schimpfen, da hört denn doch am Ende Allens uf! Wenn et nich'n Injurienprozeß jeben könnte, so würd' ick Ihnen eine Maulschelle stechen, det Se sich um un dumm drehen sollten. (Im Gehen.) Verdient haben Se se!


Stimmen auf dem Heimwege.

»Juste, faß' mir unter, Du stolperst sonst über 'ne Boomwurzel, un denn liegste da wie 'ne dodte Plätze an de Ufschwemme.«

»Dunderwetter, seh' mal wie scheene der Mond heute scheint, wie in 'ne Landschaft. Det is' en scheener Abend, heute Morjen, die Nacht möcht ick mal bei Daje sehen!«

»Ju'n Nacht – licht, schlafen Se wohl – riechend!«

»Nanu muß ick doch mal nachsehen, ob ick zwee Jroschen zu eene Flasche Weißbier rauskitzle. Ne, nich de Spur mehr is da, Allens adjes! Kreesche, Zinnjießer, hast Du nich noch Kies, des De mir pumpen könntest?«

»Na ick ooch noch! Ick habe mir eben be Tasche entzwee gesucht; mir fehlen man blos noch zwee Silbergroschen, denn hab ick jar nischt.«

»Na laß det jut sind, Brüderken, det wird sich Allens finden; wie werden woll noch irjendwo Pump haben, un da wollen wir pumpen, det den Pumper de Dojen überjehen sollen. Bezahlt wird kein Sechser nich! kein Sechser wird bezahlt, niemals nich!

»Da haben Sie janz Recht, Herr Krabser. Man kommt sonst in de Welt nich durch. Mit des Schuldenbezahlen verläppert man des meiste Jelb!

»Ja woll, ja woll! Na ick bin dicke durch; ich habe heute zwölf Jroschen verdient. Zwölf Jroschen hab' ick versoffen, und vor'n Dhaler hab' ick mir annijirt, hab' ick zwölf Jroschen Prosit.«


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