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Titelblatt

X. Heft.
Moabit

Mit einem colorirten Titelkupfer.

Dritte verbesserte Auflage.

Leipzig, 1848.

Verlag von Ignaz Jackowitz.

Moabit

Moabit.

 

Moabit.

Der Sonntag ist da! der einzige Tag, welcher den armen christlichen Geschöpfen ein paar Stunden bietet, in welchen sie Menschen sein dürfen, wenn Kummer oder Krankheit Nichts dagegen haben; der Tag, an welchem der allmächtige Geist ruhete, nachdem er zuvor gesehen, daß Alles gut war. Und so will denn auch ich heute glauben, daß Alles gut sei, und mit fröhlicher Laune dem Berliner Volke lauschen, das in zahllosen Schwärmen über die Spree nach Moabit zieht, um sich zu ergötzen an frischer Luft und frischem Kümmel, an gemüthlichem Spiele und stärkender Speise, lustigem Gesänge und flüchtigem Tanze, an Liebesscherz und Prügelei.

Die Köchin, welche heute ihren Sonntag hat, beeilt sich mit dem Aufscheuern der Geschirre, packt alle Brod- und Bratenarten, welche sie auftreiben kann, zusammen, steckt sie ihrem Dragoner oder Grenadier zu, welcher bereits seit einer halben Stunde auf dem Hausflur wartet, und meldet dann der Herrschaft, daß sie bereit sei, die Knechtschaft zu verlassen und einige Stunden sich selbst und ihren Neigungen zu leben. Es wird ihr noch eingeschärft, daß sie nicht später als bis zehn Uhr bleiben dürfe, und nun ergreift sie mit Ungestüm den Arm ihres Kriegers, oder eilt im stolzen Bewußtsein ihrer Wiener Locken, ihres schönen kattunenen Kleides und ihrer buntgebänderten Haube dem Thore zu, an welchem der Liebste schon wartet, und aus der kurzen Pfeife viel stärkere Wolken dampft, wenn er seine Geliebte, ihre Arme wie die Gans ihre Flügel gebrauchend, dahereilen sieht.

Schneidergesellen und Schustergesellen, Zinngießer und Schlosser, Bürstenbinder und Leineweber, Raschmacher und Töpfer, Korbmacher und Hökerinnen, Stiefelputzer und Hausknechte, kurz Alles, was Beine zum Laufen und Groschen zum Saufen hat, wandelt hinaus aus dem Wasser-, Potsdamer- oder Brandenburger-Thore, Viele den Landweg einschlagend, der zwar beschwerlich aber sechs Dreier ersparend ist, die Meisten aber den Zelten im Thiergarten zu, an deren Ende die Schiffer mit ihren grünen Gondeln warten. »Alleweile! Anjetzt jeht es ab!« schreien diese am Ufer der Spree durcheinander; ein Junge, barfuß, mit zerlöcherten Hosen und plundriger Jacke ruft: »Cigarro, meine Herren!« und trägt einen gefüllten Kasten, aus welchem die brennende Lunte herunterhängt; » Knochblauchswürste!« erschallts von dort, »na, dummer Junge, trete mir nich uf den Fuß!« hier; eine Mutter warnt ihre Tochter, sich beim Einsteigen schmutzig zu machen, hinten aus den Gondeln erschallen Leierkasten und Papajenoflöte; furchtbar stinkende, patriotische Blätter werden geraucht, am Bretterzaune aber steht ein Gensd'arme und beobachtet das ganze Lärmen mit ausdruckslosem Gesicht.

Endlich, nachdem der Schiffer wohl hundert Mal sein »Alleweile, jetzt jeht es ab!« geschrieen, ist die Gondel, in deren Mitte noch eine Bank hineingeschoben, dicht mit freudedurstigen Menschen gefüllt, das Einsteigebrett wird aufs Verdeck geschoben und die Anker werden gelichtet. Nehmt das grüne Schiff ohne alle Kanonen freundlich auf, ihr unsichtbaren Wogen der Spree, und treibt es in die Ferne, laßt zur Linken im Thiergarten die vornehmen Leute in eleganten Equipagen vorüberjagen, gleitet nur sanft das Schiff hinüber nach dem jenseitigen Ufer, dorthin wo Moabit liegt, das kleine Land mit kleinen Eichen, grünen Wiesen, sandigen Wegen und zahllosen Wirthshäusern!

Die Ueberfahrt hat begonnen, die Pfeifen und Cigarren brennen lustig, für gebildete Nasen traurig; der Füsilier hat seine Köchin im Arme und schaut mit dummen Augen in die Welt hinaus; der zierliche Schneider schneidet einer Nähmamsell die Kur, welche mit ihrer guten Freundin in der Mitte sitzt und sogleich begehrlich lächelt, als der Kleidermacher für Civil und Militär Miene machte, sich ihr liebebegehrend zu nähern. Ein fester Schustergeselle begleitet mit etwas belegter Stimme den Gesang des Leierkästners und des Papajeno's, hält dabei die rechte Hand im Wasser, und spritzt einigen Köchinnen die Kleider voll, wenn es die Gelegenheit erlaubt.

»Na hören Se aber, Sie da,« beginnet Eine der für Alles Gemietheten, welche unglückseliger Weise das Manöver entdeckt hat, »Sie Pechvogel haben woll ooch nischt Besseres zu dhun, als hier Leute ihre Kleidungsstücke zu verderben?«

»Na, na, man nich jeschimpft, kleene Karline!« antwortet pomadig der Schuhmacher.

»So, ick soll nich schimpfen, aber Sie wollen mir bespritzen? Ne, det jeht nich so, wie Sie glooben, Sie jroßer Pechhengst! Warum haben Sie mir bespritzt?«

»I herrjes, Karline vor Allens, mach' Dir doch nich so dicke, Du kleiner Küchenbesen, sonst jeb' ick Dir eene Knallschote zu palen, det Dir de fünf Körner sechs Wochen uf de Backe liejen sollen!«

»Na, aber warum bespritzten Sie denn des Mädchen« fragt ein Posamentier, wahrscheinlich auf späteren Minnesold rechnend, »hat sie Ihnen was jedhan?«

»I Jott bewahre!« antwortet der Mann der Fußbekleidung, ohne sich aus seiner Ruhe bringen zu lassen, »jedhan hat se mir janz und jar nischt. Ick will Ihnen sagen, ick habe zufällig jrade de Feuerwache. Da seh ick mit een Mal ihre Aerme, denke et is Feuer, un will löschen.«

Die ganze Gesellschaft lacht, die Köchin wird nach und nach beruhigt; fünf verschiedene Handwerker führen ein sehr lebhaftes Gespräch über die schlechten Zeiten und die letzte Wanderschaft, auch die Frauenzimmer schnattern untereinander, inzwischen hört man aber immer die beiden Orpheusse singen und sieht in Folge dessen die Schwäne aus der Nähe des Kahns fliehen, die finsterblickenden Schwäne, welche ohne die geringste Anstrengung den Wasserspiegel durchschneiden, und das prahlerische Wesen da tief verachten, das sich Bretter zusammenkleben muß, um nicht zu ersaufen, sich plagen, um von der schönen nassen Stelle zu kommen und sein Ziel, die schmutzige Erde zu erreichen, auf welcher allein er sich frei und ohne Muhe bewegen kann. Doch halt! die fünf Handwerker werden witzig, wir müssen ein wenig lauschen.

»Stiebecke,« fragt ein Bäcker, »weeßt Du denn, warum bei uns de Semmeln kleener sind, als bei die andern Bäcker?«

»Na, die Ursache möcht' ick wissen!«

»Weil wir weniger Deech dazu nehmen als die andern.« »Aber, sagt mal, noch Eens! Wißt Ihr denn, wat der angenehmste Ort in Berlin is?«

»Na?«

»Der Lustjarten!«

»Wie so?

»Erstens hat man da Kies, zweetens 'ne volle Börse un drittens wird da jepumpt. Mehr kann man nich verlangen!«

Barbier. Die Dummheiten sind nich übel! Aber wißt Ihr det Mittel, wie man keene Flöhe kriegt?

Kattundrucker. Ne! Det jloob' ick, der Kerl muß woll Mittel wissen, der hat Medezin studirt!

Schlosser. I Jott bewahre! Jura hat'r studirt: er barbiert ja seine Kunden!

Kattundrucker. Ach so! (Zum Barbier.) Na nu rücke mal raus mit Dein Mittel. Wie kriegt man keene Flöhe?

Barbier. Seht mal, da müßt Ihr nich nach Italien reisen, det macht Ihr so! (Er macht sich den Zeigefinger naß.) Zuerst macht Ihr Euch diesen Finger naß, un so wie Ihr nu eine Flöhe auf Euch sieht, so nehmt Ihr den Finger und jreift immer nebenbei! Auf diese Weise kriegt Ihr nich 'ne eenzige Flöhe.

Hausknecht. Dunderwetter, des Mittel is eenzig! Barbier, Du kannst Dir ne Jnade von mir ausbitten.

Barbier. Lassen Sie mich mal Einen aus Ihre Pulle drinken.

Hausknecht. Avec Verjnügen, nie ohne Dieses! (Er giebt ihm seine Flasche.) Aber stille, Barbier, eh' Du drinkst, mußt Du einen Versch machen!

Alle Fünf. Ja, Barbier, einen passenden Versch!

Barbier. Det will ick woll dhun. »Jab ihn mir ooch nur ein Flaps, drink ick doch von diesen Schnaps!« (Er trinkt, die Anderen lachen.)

Hausknecht. (reißt ihm die Flasche weg). »Nich' en Droppen von den Kümmel bist Du werth, Du dummer Lümmel!« (Er trinkt, die Anderen lachen.)

Schlosser (reißt ihm die Flasche fort und trinkt). »Wer sich stehlen läßt Branntewein, det muß' en rechter Schafskopp sein!«

Bürstenbinder (reißt ihm die Flasche fort und trinkt, die Anderen lachen, der Hausknecht flucht). »Wenn Eener borstig wird Ihr Kinder, verdient an ihm der Bürstenbinder!«

Hausknecht. Laßt det sind mit den dummen Spaß, oder ick werde wüthend! Jebt mir meine Pulle!

Barbier (zum Schiffer). Halten Se an, Kutscher, hier will Eener aussteijen!

Kattundrucker (nimmt dem Bürstenbinder die Flasche fort, trinkt und spricht sehr langsam:) Der Letzte bin ick zwar hier auf den Platz, doch versichere ick Euch, det mir der Kümmel sehr jut schmeckt – (Pause) un mir lieber is, als mein Schatz!

Alle. Ach herrjes! Ne, det war nischt, Kattundrucker!

Schlosser. Die deutsche Nation dankt Dir, det Du nich Schiller jeworden bist.

Barbier. Ne, Kinder, det war eijentlich Jöthe'sche Poesie. Die hört sich immer nach jar nischt an, und keen Mensch wird davon erwärmt, und doch soll sie et faustendicke hinter de Ohren haben, die Poesie.

Hausknecht (hat sich seine Flasche wieder genommen). Wahrhaftig, sie is leer! Seht Ihr, det hab' ick nu von den Witz!

Schlosser. Na, Kinder, en Schurke, wer ihm heute nich een Mal aus seine Pulle drinken läßt!

Alle. En Schurke, wer ihm nich' een Mal drinken läßt!

Barbier. Zwee Mal, wenn Ihr wollt! Ick habe keene Pulle.

Hausknecht. Mit Dir is des was anders, Barbier! Dir habe ick drinken lassen, weil Du'n juten Witz gemacht hast. Bei die andern Kümmel bleibt et. Jetzt werd' ick Euch ooch mal was ufjeben! Sagt mir mal, wenn en Hund, 'ne Katze un 'ne Jans zusammenstehen, wer steht immer in de Mitte, sie mögen stehen, wie se wollen.

Alle (nach langem Nachdenken). Ick Weiß et nich, ick kriej' et nich raus!

Hausknecht. Na denn will ick 't Euch sajen: die Jans steht immer in de Mitte, denn die hat man zwee Beene un muß in de Mitte stehen, die Andern haben aber vier Beene, un müssen hinten un vorne stehen. (Alle lachen.)

Kattundrucker (schreit). Sie da, mit den Leierkasten un de Papajenoflöte! Hören Sie uf mit die dummen Liebeslieder, die längst aus de Mode jekommen sind! Spielen Sie uns lieber unser Berliner Lied, wir wollen Alle mitsingen!

Alle. Ja, das Berliner Lied!

Hierauf spielen und singen die beiden Musikanten und die Passagiere stimmen mit ein:

   

Auf, ihr Brüder, laßt uns singen
Unser Liedchen, das ihr wißt,
Doch die Spree soll Den verschlingen,
Der nur halb Berliner ist!
Fehlt uns auch noch Mancherlei,
Was zum Gotte nöthig sei:
Kopf und Herz am rechten Ort,
Kommt durch seine Welt man fort;
Darum, Brüder, stimmet ein.
Welches Glück, Berliner sein!

   

Freilich ist man mehr gemüthlich
An der Donau und am Rhein,
Denn der Schöpfer gab nur südlich
Milde Lüfte, goldnen Wein;
Doch Verstand und Mutterwitz
Gab er uns als hellen Blitz
Für die wolkentrübe Welt,
Wo man nur am Schein sich hält.
Darum etc. etc.

   

Rings bei allen deutschen Brüdern
Neckt man uns mit bitt'rem Scherz,
Daß wir nimmer ihn erwiedern,
Zeigt fürwahr kein kleines Herz;
Selbst verspotten wir mit Muth,
Was an uns nicht recht und gut,
Und die deutsche Bruderhand
Reichen wir durch's ganze Land,
Darum etc.

   

Jedermann ist uns willkommen,
Der ein Herz in seiner Brust,
Mag von Süd und Nord er kommen,
Wir umarmen ihn mit Lust;
Nur was kriecht und ist ein Thier,
Das Geschöpf verachten wir,
Denn wer sich nicht selber ehrt,
Ist auch keiner Ehre werth!
Darum etc.

   

Sucht nach keinem Blüthenflore,
Keiner Berge grünem Kranz,
Sucht Berlin nicht vor dem Thore,
Innen ist sein Werth und Glanz.
Suchet nicht nach Flittergold,
Wenn ihr den Berliner wollt:
Tief in seinem Innern lebt,
Was den Menschen schmückt und hebt!
Darum, Brüder, stimmet ein:
Welches Glück, Berliner sein!

   

Mit dem Ende dieses Gesanges ist das Ufer erreicht, die Musikanten bekommen hier und da einen halben Silbergroschen, die Schiffer ihr kleines Honorar für die Ueberfahrt, Alles, was sich heute »jöttlich amusiren« will, steigt aus und wandelt die kurze Allee hinunter bis zur »grünen Wiese,« beschattet von dichtbelaubten Eichen und Linden und belebt durch unschuldige Spiele und fröhlichen Gesang.

Die Bäume tragen hier ganz besondere Früchte; Leibröcke und Umschlagetücher, Stroh- und Filz-Hüte, Hauben und Strickbeutel, von allen ist aber nur die letztere Frucht, deren eine Menge Abarten vorkommen, genießbar. Sobald die Schaale geöffnet, stößt man zuerst auf das Fleisch dieser Frucht, nämlich auf ein Stück Hammelfleisch, Kalbs- oder Rinderbraten, von der Natur oder von der Köchin sorgfältig in ein Blatt der Berliner Intelligenz eingewickelt. Zu beiden Seiten dieses Bratens erblickt man zwei große Semmeln, von der Vorsehung als milderndes Prinzip gegen den wildmachenden Genuß des Fleisches und den noch viel mehr anregenden Genuß eines tiefer liegenden Gegenstandes dort aufgestellt. Unter dem Fleische der in Rede stehenden Frucht liegt nämlich die »Schnapspulle,« eine breitgedrückte Blase von Glas, in welcher sich Branntewein befindet, und Branntewein ist bekanntlich das Alpha und Omega, die Lebensachse des Berliner Volkes.

Wer eine Gans gestohlen hat,
Der ist ein Dieb,
Und wer sie mir dann wiederbringt,
Den hab' ich lieb,
Da steht der Gänsedieb!

singt dort ein Kreis von Herren und Damen, wie sie sich nennen, ein bewegter Kreis von buntgeschmückten Köchinnen und früchtetragenden Mädchen, von Gesellen und Bedienten aller Art. So lange der Gesang dieser fünf Verse währt, dreht sich die menschliche Kette um den Gänsedieb, welcher in der Mitte steht, dann lassen sie sich plötzlich los, das Männchen greift nach einem fremden Weibchen, das Weibchen nach einem fremden Männchen, und dasjenige Wesen, welches nicht so glücklich war, ein anderes Geschlecht zu erwischen, ist der Gänsedieb, – oft eben der, der keine Gans genommen hat. Ich hätte genügende Gründe, dieses Spiel langweilig zu nennen, aber ich will nicht in den Fehler unserer meisten Autoren verfallen, die eigentlich nur kritisiren, wo sie darstellen sollten und wollten. Aber was singen sie dort, sie, in deren Mitte ein Mann mit verbundenen Augen geht, und mit einem Stocke irgend ein Frauenzimmer zu berühren sucht? Treten wir näher!

Amor ging und wollte sich erquicken,
Doch das Ding, das wollte sich nicht schicken;
Er ging wieder,
Auf und nieder,
Bis er seine Schöne fand!:,:

Ihn'n zu dienen bin ich hier erschienen,:,:
Und dies Händchen
Soll ein Pfändchen
Unsrer treusten Liebe sein.:,:

Mehrere Male steht man den blinden Liebesritter vergebens stoßen und schlagen, ehe er auf ein weibliches Wesen trifft. Jetzt ist es ihm endlich gelungen, die Getroffene umfaßt ihn mit Wonne und dicken Händen, spaziert mit ihm im bunten Kreise herum, und singt mit ihm:

Ach, ach, ach, mein allerliebstes Kindchen!
Reich' mir doch dein zuckersüßes Mündchen!
Fein gelinde,
Fein geschwinde,
Denn es geht zum Hochzeitstanz!

Schmatz! da hat der befreite Ritter einen Kuß weg, der sich gewaschen hat, einen Kuß von zwei dicken, strotzenden, dunkelrothen Lippen; einen Kuß der acht Tage hindurch Spuren zurückläßt, entweder innerlich, oder äußerlich! Zwanzig Schritte weiter spielen die gemüthlichen Leute Blindekuh, wieder zwanzig Schritte weiter Bäumchen-Verwechseln, rechts geht der Plumpsack herum, links sucht eine maurergesellige Katze ein Hausmädchen-Mäuschen zu erhaschen, hier und dort liegt eine jubelnde Gruppe im Grase, ein Betrunkener auf der Nase, links und rechts aber, hinter den breiten Alleen, steht Wirthshaus neben Wirthshaus. In diesen ertönen Geigen und Bässe, Trompeten und Clarinetten, und Alles, was nicht unter Gottes blauem Himmel spielt, tanzt hier unter der gläsernen Krone seinen Walzer und seine Galoppade; schmiegt sich einerseits schwitzend an die Brust des geliebten, taback- und schnapsduftenden Mannes, und schreit andererseits sein Juchhe während des wilden Drehens, knallt mit den Absätzen auf die Erde und bezahlt, sobald die Klingel der Musikanten ertönt, seinen Silbersechser für das genossene Vergnügen.

Und dort wird von einem speculativen Wirthe ein Pseudo-Erndtekranz gefeiert! Gehen wir hin, aber ohne Damen mit zarten, jungfräulichen Ohren, sehen und hören wir! – Zuerst tanzt über die grüne Flur ein ebengewordenes Ehepaar aus der Zopfzeit, die Frau jung, hübsch, und ohne diese Verkleidung in Berlin zu allen Stunden häuslich und gefällig, der Mann, ohne diese Verkleidung ein Steinsetzer, und zu allen Stunden eben so besoffen wie jetzt. Ihnen folgen sechs Kranz-Jungfern, mit schneeweißen, zerknitterten Kleidern und rothen Bändern, sechs lachende, hochbusige, kurzkleiderige Kranz- Jungfern, von denen sich keine Einzige so stolz wie das junge Ehepaar in ihrer Verkleidung fühlt, denn was sie hier scheinen, das sind sie lange gewesen. Nun kommen, ernsten Antlitzes, sechs Musikanten mit Hörnern, Trompeten und Clarinetten, und hinterher mit Blumen und bunten Fahnen Bauern und Bäuerinnen, deren Kleider wohl die schlechtesten aus der Masken-Leihanstalt des »goldenen Filzes« am Spittelmarkte sein mögen, deren Inneres aber so kultivirt ist, daß sie sich in dieser Hülle vollkommen characteristisch benehmen. Von der lauten Unterhaltung, welche von diesen lustigen Nomaden und Nomädchen bis zum bestimmten Wirthshause geführt wird, darf ich dem Leser keine Probe mittheilen; so viel aber darf ich ihm vertrauen, daß sich dieselbe weniger um göttliche als um menschliche Dinge dreht, weniger, sage ich, denn es ist nicht zu leugnen, daß in Allem, was auf das Werden des Menschen bezüglich, uns der Gottesgeist eben so nahe tritt, wie unter der Kanzel oder am Grabe.

Der Gastwirth kommt aus seinem Hause und empfängt die Caravane, welche einen Kreis gebildet hat; von allen Ecken und Enden strömen Leute herbei und umschließen sie, und sobald ein gemüthliches Lied unter mannigfachen Dissonanzen zu Ende gekommen, tritt das hübscheste Mädchen heraus und deklamirt, wie ein Kind, das seinen gelernten Spruch hersagt, folgendermaaßen:

O Freunde, die ihr hier versammelt seid,
O denkt an Jott auf allen euren Wegen!
Seit vielen tausend Jahren schon erfreut
Er uns mit seiner Erde reichsten Segen.
Für uns nur reifen, reifen .....

»Na! Karline, so paß' doch uf!«
Für uns nur steigt mit ihrem milden Lichte
Die Sonne aus in ihre Marjestät,
Für uns nur reifen seine jold'nen Früchte,
Für uns nur duftet rings das Blumenbeet.

»Das Blumenbeet, – Blumenbeet, – ja so!«
Beneidet nicht der Städter Schwelgereien,
Ihr wilder Jubel ist nur falsche Lust!
Was kümmern uns jelehrte Kritzeleien,
Was kümmert uns der Orden auf die Brust?
Wir fragen nicht nach ihren Saufjelagen,
Wir trinken an den Brüsten der Natur! –

»Korbmacher, jieb mir mal Deine Pulle her!«
Nie werden wir nach Sold und Silber fragen,
Den schönsten Schmuck reicht uns die Blüthenflur.
Fern sei von uns jezierte Art und Sitte,
Hier unter diesem blauen Himmelszelt.

Und leben wir auch einfach in der Hütte,
So ist doch unsres, unsere, unser Jottes janze Welt!
Drum bringt den stillen Ort auf dem wir bauen,
In dem wir froh und jlücklich sind, ein Hoch;
Hoch, Moabit, mit seinen jrünen Auen,
Mit allen seinen Jästen: Vivat hoch!

»Vivat hoch! Und abermals hoch! Und zum dritten Male hoch!« Die Trompeten schmettern mit etwas belegter Stimme ihren Tusch, das Ehepaar aus der Zopfzeit umarmt und küßt sich, die sechs Kranz-Jungfern werfen halbverwelkte Blumen unter die lustige Versammlung, die Bauern und Bäuerinnen durchschneiden walzend die dichten Reihen, Viele der Gesellen schlingen ihren Arm um die Geliebte, heben die Schnapsflasche hoch und schreien Juchhe, Andere fielen sich vor Wonne im Grase, die Sonne aber vergoldet den westlichen Himmel und wünscht der Welt einen fröhlichen Abend. Da ziehen alle Gäste des grünen Moabits in die lauten Tabagieen, wiegen im Vorgefühle späterer Seligkeit ihre Liebsten auf den Melodieen der seufzenden Geigen und der mürrischen Bässe, essen und trinken, plaudern, scherzen in dreister Weise, prügeln sich und lachen so lange, bis die bleichen Strahlen des Mondes Ruhe gebieten und zur Heimkehr in die Stadt rufen, in die dumpfe Wechsel-Boutique menschlicher Fähigkeiten, wo diesen Fröhlichen sechs Tage des Dienstes und schwerer Arbeit erwarten, Staatskunst und Religion ihnen vor jede Freude eine Warnungstafel setzen, und die Civilisation sie in jedem Augenblicke, in welchem sie Mensch sein wollen, erinnert, daß sie Sclaven sind, und daß sie sich begnügen müssen mit den Brosamen, die von den Lebenstischen ihrer Mitmenschen fallen.

 

Gespräche in Moabit.


I.

(Zwei Betrunkene auf der Wiese.)

P. Knoller, Du wirscht Dir 'ne Laterne koofen müssen, eh' De zu Hause jehst.

K. Wie so?

P. I, Knollerken, Deine Beene scheinen nich mehr sehen zu können! Die jehen ja von Pontius zu Pilatussen.

K. Ne, Ick will Dir sagen: ick lavire blos, weil ick mir im Sturm befinde. – Aber hör mal, Pritsche, mit Deine Beene is et erscht recht Essig. Die scheinen jar nich mehr zu wissen, bet se Beene sind, die jlooben am Ende, sie wären Wetterfahnen.

P. Ne, da irrscht de Dir! Denn wenn se Wetterfahnen wären, so müßte der Wind immer jejen de Schnapsläden jehen, denn da drehen sich meine Füße jedes Mal hin. Ne, sehste, Knoller, ick habe den Jrundsatz: ick bekümmere mir um meine Beene jar nich; ick nehme jar keene Notiz von ihnen, ick – ick – ick dhue jar nich so, als wären se in de Welt! Ick denke: wollt ihr jehen, so is es jut, wollt ihr nich, so – na, du wirscht mir verstehen, Knoller? Aber – (er bemüht sich still zu stehen und fährt seinem Freunde mit dem Zeigefinger bei der Nase herum) seh' mal, Kollerken, Eens ärjert mir man von den lieben Jott. Warum is des von die Vorsehung so injericht't, deß man uf den Kopf, oder uf irgend einen andern Theil fällt, wenn die Füße nich mehr wollen? Was kann mein Kopf oder ein anderer unschuldiger Theil davor, deß meine Füße dämlich sind? Was?

K. Pritsche, opponiriere Dir nich jejen Vorsehunkens! Seh' Dir vor, denn wirscht De nich fallen. (Er will gehen, stolpert über die Füße Pritsche's und fällt hin.) Au, Schwerenoth, wat is die Wiese hart!

P. Na, dummer Kerle, verlangste etwa, det die Wiese en Eierkuchen sin soll?

K. (auf der Erde liegend.) Ja, det verlang ick, wenn ick falle.

P. (um ihn herum turkelnd.) Schafskopp, Du bist en Ochse! Seh' mal, wenn Jott hier so 'nen jroßen Eierkuchen herjelegt hätte, wie die Wiese is, damit Du Dir nich weh' dhun sollst, wenn De besoffen bist – besoffen bist –, denn, seh'ste, Knoller, denn müßten wir ooch bei Keil'n in de vierte Scheunenjasse Wiesen fressen statt Eierkuchen! Denn det kannste doch nich – kannste doch nich von 'n lieben Jott verlangen, det er lauter Eierkuchen machen soll?

K. (mit sehr schwerer Zunge, sich vergebens bemühend, von der Erde aufzukommen.) Wat seht mir der liebe Jott an! Vor mir kann er zusammenbacken, wat er will, wenn ick man ufstehen könnte! Eierkuchen kann er ja ooch jar nich backen, wenn er ooch wollte.

P. Wie so meenst Du des?

K. Na, wo soll er denn die Eier herkriejen? Jloobste etwa, deß die Hühner ooch in 'n Himmel kommen? – Wenn ick man ufstehen könnte!

P. Komm' her, ick wer Dir ufhelfen.

K. Dösel, wenn ick da hin kommen könnte, denn brauchtest'e mir nich ufzuhelfen!

P. Na, denn wer ick näher kommen. (Er bückt sich und fällt über seinen Freund fort.) Na, so muß't kommen, sagt Neumann!


II.

Rimpel. Na, meine Damen, wat spielen wir nu? (Er dreht sich die Locken.) Ein forscher Sattlergeselle spielt heute den Peter de Plaisir und ist zu Allen's da, was Sie befehlen.

Plumpich. Wenn Du zu Allem da bist, wat wir befehlen, so schlag' ick »blinde Kuh« vor!

Rimpel. Halt' Deinen Verdauungs-Dhorweg, Töpper! Ofen-Fabrikante, sonst schmier' ick Dir aus!

Dörthe. Na, Rimpel, fangen Se keenen Scandal an, un sagen Se, wat wir spielen wollen.

Rimpel. Ja, wie jesagt, meine Damen, ick bin zu Allen's da! Wünschen Sie z. B. Spanien zu spielen, so weiß ein kluger Berliner die Sache jleich einzurichten. Sie, Dörthe, sind de Christine, un ick stelle den Jrenadier Munoz vor un helfe Ihnen rejieren. Plumpich is Jeneral Sehranno un Sie, Karlineken, sind Isabelle und lassen ihn verstechen.

Karoline. Na, Sattler, Sie werden schon wieder inclusive! Von des Zeuchs, wat Sie da reden, verstehen wir keene Sylbe.

Plumpich. Sein Meester liest immer de Zeitungen laut vor, un wat er nu da ufschnappt, damit dhut er sich dicke.

Rimpel. Ick dhue mir nich damit dicke, aber ick verstehe die Politik aus den Jrunde, ick bin zu Allen's da! Frage mir, wonach De willst, ick will Dir Auskunft jeben.

Dörthe. Kinderkens, det wäre eijentlich so übel nich! Ich möchte jerne Bescheid wissen in der Welt, und höre de Männer jar zu jerne kluch sprechen. Nich wahr, Karline litt Charlotte, Ihr ooch?

Rimpel (dreht sich die Locken). Ick sage Dir, Plumpich, ick kann Dir überall meinen Senf zujeben, ick bin zu Allen's da! Neulich war ick in 'ne Bürjertabajie, drank fünf Weißen un vor drei Jroschen Kümmel, un habe mir mit de vernünftigste Leute unterhalten. In Frankreich is es janz eenfach so: heldenmüthige Nation, Deputirtenkammer, Durscht nach Weißb – nach Freiheit wollt' ick sagen, einen König wegjejagt, einen noch bessern wiederjekriegt, schwüle Luft wie vor'n Jewitter. In England Freiheit durchwech, Widerstand der ersten Kröten, Seemacht, Dampf; in Italien Alterthum, Bilder, juter Papst un viel eekliche Flöhen; in der Schweiz Unruhen durch Schuld von außenher; in Nordamerika Republik, man fragt nach keenen Deibel nich un dhut Allens, wat man will, Ansiedler aus Deutschland, Jlück und Zufriedenheit; in Spanien immerwährender Bürjerkrieg, in Oestreich Metternich, in Preußen allemal Patent un in Baiern Bier, Kunst, Lola Montez un unjeheuer viel Rel'jon. So steht et!

Plumpich. Na aber nu fehlt ja noch –

Rimpel (ihn schnell unterbrechend). Laß das jut sind, Ofen-Fabrikante, Töpper, Lehmkünstler, Knippkielermacher! Ick bin vor Allen's da, aber Euer Packesel will ick doch nich sind, denn Ihr lacht mir nachher aus, weil Ihr keene Nation seid! Ihr seid man blos drei Köchmen un een Schafskopp! Erhaltung der Dummheit und der Nichtswürdigkeit, det merkt Euch, wenn Ihr jetzt wollt vor klug jelten! Ick weeß zwar selbst nich, was des heeßt, aber mein Meester'n sein Sohn is en Auspulkater un der sagt das immer. Sajen Sie mal, Charlotteken, warum sind Sie 'n so verdrüßlich? Fehlt Ihnen ein Kurschneider? Nehmen Sie mir, ich bin vor Allens da!

Charlotte. Sajen Sie lieber, Sie sind für Alle da! Jehen Sie, jehen Sie, Sattler, Sie sind ein Schmetterling, eine Kalitte wie alle anderen Männer!

Rimpel. Ein Schmetterling? Ja, Charlotteken, Sie möjen in einer Hinsicht Recht haben; ich flattre von Blume zu Blume un schneide ihr die Kur, aber immer man aus Spaß, tändelnd, schökernd, kosend. Aber wenn ick mir mal ernstlich niederlasse, die Blume is meine, da kriegt mir keen Deibel nich runter!

Karoline. Aber, Charlotte, bist De nich klug, warum weenste denn?

Charlotte (weinend, steht auf). Ach Jott, Kinder, laßt Euch in Euer Verjnüjen nich stören; ich kann mir nich helfen, ich muß weenen. Mein Aujust – (sie schluchzt.)

Rimpel. Js Ihnen Ihr Dischler unjetreu jeworden?

Charlotte. Er jeht jetzt mit Hofraths Rieke aus de Behrenstraße, un mir sieht er nich mehr an!

Rimpel. Des is Unrecht, ne wahrhaftig, des is Unrecht! Plumpich, wenn wir den Dischler sehen, kriegt er Keile. Sie können sich drauf verlassen, Charlotteken, er besieht Holz!

Charlotte. Ne, das lassen Se sind, Sattler, darum bitte ich Ihnen. Was kann er im Jrunde dafür, daß ich ihm nich mehr anstehe? (Sie weint.)

Rimpel. Weenen Sie nich, liebe Charlotte, Sie sind en hübsches Mächen, Sie werden nich lange ohne Verhältniß bleiben. (Er dreht sich die Locken.) Charlotteken, wenn ick't mir recht bedenke, ick bin vor Allens da! Wir zwee Beede wären am Ende nich so 'n übles Paar abjeben.

Plumpich. Det is vernünftig.

Charlotte. Ach jehen Se, Sattler, Sie haben ein unjlückliches Mächen zum Besten!

Rimpel. Soll mir der Deibel holen, Charlotte, wenn ick Ihnen Witze vormache!

Charlotte. Sie können ja en janz andres Mächen kriegen, Sie sind ein feiner, gebildeter Mann un haben Ihr Auskommen.

Rimpel (dreht sich die Locken). Des is wahr, ich kann mir sehen lassen, ich bin vor Allens da! Ich kann des ooch nicht leugnen, deß mir Manche haben möchte, denn warum, ich habe keene Sorgen, un spiele eine Figur, un weiß mir zu benehmen; ich bin ein forscher Berliner! Aber derowejen kenn' ich keinen Stolz, un wenn ich ooch »ich Jeden jleich an den Hals flieje, un ihm eben so schnell wieder vergesse, so hab' ich doch ein Jemüth wie irjend Eener, un wenn ick mal liebe, so weeß ick warum, und niemals wird ein Mensch mit mir, wenn er sich auf die Länge, da findet er an mir einen Kerrel, keine Rede von Verlassen, weil ich, wenn mir Der redlich kommt, eine Seele, vielleicht mehr als wenn Einer blos auswendig, Charlotte –

Plumpich. Du wirscht Dir verheddern, Sattler!

Rimpel (eifrig). Wie so, Töpper, wie so kannst Du zweifeln? Wenn es einen Menschen jibt, der Ehre hat, so bin ich es; wer mir eine schlechte That nachsagt, das is ein Hundsfott, un Das kannste jlooben, Töpper, (er holt mit der Hand aus) Den zieh' ick en Paar über 't Jesichte, det er den Kurfürschten uf de lange Brücke vor 'ne Zimmtprätzel ansehen soll! Des laß sind, Du dicker Knippkieler! Wer mir an meine Rechenschaft zweifelt –

Plumpich. I, herrjees, wer zweifelt denn schon!

Rimpel (immer im Eifer, halb, um seiner neuen Geliebten zu imponiren). Da kann ick' Dir wie ein Tijer werden, des sag' ich Dir, Ofen-Fabrikante, denn ick habe meine Knochen, und von Furcht is keene Rede! So 'n Kerl wie Du bist, Töpper, wenn der räsonnirt, Den setz' ick mir uf den Zeijefinger un spiele Windmühle mit ihm! (Er holt mit der Hand aus.) Verzieh' Dir, Lehmkünstler! Werde unsichtbar! Verschwinde, Weinjeist! Räsonnire nich, Töpper, denn Du kennst mir noch nich! Eine Knallschote, eine einzije lumpije Maulschelle, un Du suchst Dir verjebens! Von eene einzije Mittelsorte von Backpfeife schießen Dir Deine Beene durch den Kopp, un Du danzt wie 'ne besoffene Flieje acht Daje uf 'n Kopp rum! Ne, da biste schief jewickelt, wenn de jloobst, ick fürche mir vor Dir! Seh' mal, ick bin vor Allens da, so 'n Kerl wie Du bist, den stech' ick in de Tasche, futsch! is er weg, reene futsch is er, Welt, Du hast einen Töpper verloren! Und Du jloobst woll, ick drage Dir nach mein Logis un wickle Dir in Boomwolle oder koofe Dir Busquit! O Herr Jesus, ne: in den Rennsteen laß' ick Dir fallen, versteht sich, Knippkieler, in den Rennsteen!

Plumpich. Na, warum ereiferst'e Dir denn aber! Hat Dir denn Eener jezweifelt?

Karoline. Wir jlooben Ihnen ja, wir kenne Ihnen ja!

Rimpel (sich beruhigend). So muß mir Keener kommen!

Charlotte (streichelt ihn). Sein Sie ruhig, lieber Rimpel!

Rimpel. Sie sind die meinige, Charlotte, dabei bleibt es! Unser Verhältniß is abjemacht; sie sind von jetzt an mein Jejenstand. Kommt rüber, Kinder, kommt rüber zu Höffert's; wir wollen die Sache jleich feiern; ick jebe en parr Schinkenstullen un Kümmel zum Besten! Komm' mit, Plumpich!

Plumpich (gehend). Du hast mir zwar beleidigt, aber ein Töpper is ein Mensch. Komm, Dörthe!


III.

L. Herrjees, Du seh' mal, Schniebeke, seh mal den Rimpel an! der jetzt mit de Charlotte Arm in Arm rüber zu Höfferts!

Sch. Na hat Der sich ooch mal 'ne Liebste anjeschnallt, die Kalitte!

L. Det scheint mir wirklich 'ne ernste Liebschaft zu sind!

Sch. Ja, so scheint et mir ooch. Na, überjens, wat sich der Rimpel aussucht, det is nischt Schlechtes, denn Rimpel is nich der Mann, den man mit 'en Fuß uf die Nase treten kann, un nachher vorreden, man hätte ihm einen juten Abend jewünscht. Rimpel is kein Theekessel, er is ein Mensch, wo schlau is. Er weeß in der janzen Welt Bescheid, den kooft Keener was, det kann ick Dir sagen: wenn Der sich ein Mächen aussucht, so weeß Er warum?

L. Herrjees, die Charlotte hat ja aber schon 'en Kind jehabt!

Sch. Nu ja, des weeß ich! En Kind hat sie jehabt, des is richtig. Aber Du kannst Dir druf verlassen: es war man ein janz kleines.


IV.

Schiereke (sitzt mit einer jungen Hökerin unter einem Baume). Seh' Se mal, Mamsell Kleppern, jetzt is noch heller, lichter Dach, un Allens spielt um uns herum. Aber um Neune is et hier schon stockefinster un Allens janz ruhig.

Kleppern. Na, wenn et finster is, denn is et finster! Denn is et noch so!

Schiereke. Ne, denn is et janz anders, denn erwachen in die Männer Jefühle.

Kleppern. Ach, Herrjees, Neffschandeller, machen Sie mir nich jraulich!

Schiereke. I, ick bin ja keen Neffschandeller, ick bin ja Tambauer bei de Jrenadiere.

Kleppern (mit einer spöttisch-verachtenden Miene). Ach, Herrjees, Tambauer? Det hätt' ick ooch früher rathen können; Sie sind ja man drei Käse hoch, Sie Knirps von Mann! Wachsen Sie doch en bisken, damit Se Pauker werden! Also Tambauer? O Jott, mir trommelt et in de Ohren!

Schiereke. Sein Se janz ruhig! Eh Sie nich dodt sind, hau' ick Ihnen nich det Fell voll.

Kleppern. Nu wird er noch witzig! Nu lassen Se mir ja jehen! Jott, Kleener, sehen Se blos runter nach Ihre Füße, denn wird Ihnen der Witz verjehen! Künftig müssen Se besser ufpassen, wenn Se Kur schneiden wollen. Sie haben ja Ihre Beene aus Versehen uf de Trommel liegen lassen, un de Stöcker anjezogen! (Sie will aufstehen.)

Schiereke. Mamsell Kleppern, nehmen Se sich in Acht, det ick nich einen Wirbel versuche! Bleiben Se doch sitzen, wir danzen nachher zusammen, un ick lasse Ihnen Abendbrod jeben un wat Sie wollen. Natürlich, umsonst is der Dodt.

Kleppern. Aber sajen Sie mir mal, Sie kleener Feuerlärm, wo kriegen Sie denn det Jeld her? Sind det etwa die Zinsen von des Capital, wat Se sich von Ihr Traktement zusammenjespart haben?

Schiereke. Kleppern, Sie werden mir so lange cujeniren, bis ick obstinat werde. Sajen Se mir jetzt, ob ick Ihnen heute freihalten soll oder nich?

Kleppern. Tambauerken, Sie verstehen ooch nich de Probe Spaß, Sie sind höllisch ßanzippel! Kommen Se rüber, wir wollen danzen.

Schiereke. Aber, liebe Kleppern, Sie wissen doch von wegen?

Kleppern (dreht den Kopf weg und singt). Wir winden Dir den Jungferkranz mit veilchenblauer Seide, un führen Dich –

Schiereke. Ne aber Kleppern, bet Singen hilft nischt! Haut, Haut! Entweder, oder!

Kleppern (steht auf und nimmt seinen Arm). Jott, Tambauerken, so kommen Se doch man rüber, un machen Se nich so ville Füselmatenten! Macht Er nich so ville Umstände, als ob 't in de Schlacht gehen sollte! Kommen Se doch man rüber danzen, Sie weißer Schurzfelliste! Wat der Himmel bescheert hat, davon wäscht einen keen Rejen ab!

 

Die Rückkehr.

(Es ist ziemlich finster geworden. Mehrere hundert Männer und Weiber ziehen fröhlich durch die sandigen Wege nach Hause, die meisten Arm in Arm. Halb Betrunkene haben die Flasche in der Hand und kreischen von Zeit zu Zeit ihr Juchhe! die Total-Betrunkenen werden von ihren Freunden geführt. Man singt, schreit und lacht ohne Aufhören.)

Ein Trupp Schuhmacher (mehr brüllend als singend).

Freut Euch des Lebens,
Weil noch das Lämpchen glüht;
Pflücket die Rose,
Eh sie verblüht!

Eine Stimme. Ne, ick sage Dir, Bruder, det hat mir gewurmt! Ick wollte Dir mal den Feinen spielen, un jehe Dir also in die Kneipe, wo Anstand sitzt. Ick denke, Kümmel kannste hier nich drinken, Du wirscht Dir 'n Jlas Zuckerwasser jeben lassen. Wat meenste, wat ick davor habe blechen müssen? Zwee Jroschen Courant! Sag' ick Dir. Wat sag' ick also zu die jrüne Schürze, »zwee Jroschen Courant!« sag' ick. »Na, wenn det Jlas Wasser zwee Jroschen Courant kost't, denn sagen Sie mir mal, wat kost'en denn en Wolkenbruch?«

Eine Frau. Herrjees, August, wo hast'en de Mathilde jelassen?

Der Mann. Na, wo krabbelt'en die Jöre wieder rum? (Schreit.) Thilde! Thilde!

Die Frau. Siehste, so biste! Na komm' Du mir zu Hause, Du besoffener Kerrel! Mit Dir werd' ick Ehe spielen, Du sollst Dir wundern!

Schlosser. Sehste, Kattundrucker, wenn De noch eenen Mucks dhust, so stech' ick Dir 'ne Quabbe, det Du Dir – (er sucht nach einem frappanten Ausdruck) det Du Dir, det Dir, det Du Dir, det Dir dreizehn Dage nicht durschtern dhut!

Kattundrucker. Du bist 'n Schafskopp erster Klasse, mit Eichenlaub! (Sie prügeln sich.)

Ein tiefer Baß. Schwenneberjer, da is Keilerei! (Er streift sich die Aermel auf.) Da wer' ick mir amusiren!

Mehrere Weiber (singen).

Willkommen, o seliger Abend,
Dem Herzen, das froh Dich begrüßt!
Du bist so erquickend, so labend,
Drum sei uns von Herzen gegrüßt!

Tambour. Ne, seh'n Se, Kleppern, wenn ick Ihnen des verjesse, so ...

Kleppern (lacht höhnisch). Ne, bild't sich so 'n Kalbsfellkünstler wat in! Jotteken, anjehender Paukante, Sie jammern mir, wenn Sie jlooben, Der Sechsdreier Auslajen hatte man ein Recht auf ein anständijes Mächen!

Eine Stimme. Juuuchhe! alle Damens sollen leben! – hoch!

Mehrere Weiber. Schön Dank, besoffener Jüngling!

Ein Betrunkener. Liram, Larum, Löffelstiel, Alte Weiber fressen viel!

Sein Freund. Na, Du scheinst mir ooch etwas schwer zu sind?

Der Betrunkene. Ochsich! Ick bin meiner Sinne kaum noch Lehrjunge, viel weniger Meester!

Eine Stimme. Charlotteken, ich saje Dir, es is einmal so! Morjen wird wieder ausjejangen, Du mußt Dir loszumachen suchen, wenn ooch man uf en Stündeken nach de Hasenhaide zu Jenserowsky's! Blauer Montag muß sind, ick bin vor Allens da! Aber amüsirt hab' ick mir heute, det kann ick nich leugnen, amüsirt hab' ick mir wie zwee Jötter!

Plumpich. Rimpel, Du jehst mir zu rasch; meine Beene sind etwas dicker wie Deine.

Rimpel. Jroßer Knippkieler, nimm Dir in Acht, det Du nich in eine Kute trudelst! Töpper, Du scheinst mir anjefeucht't zu sein, fall' nich aus den Thon in den Lehm! Ofen-Fabrikante, Du hast zu sehre einjekachelt, Du hast da oben de Röhre zu ofte aufjemacht! Verzieh' Dir sachte, oder Du fällst in de Kute, Knippkieler! Du hast zu ville span'sch Bittern jedrunken, Deine Constitution fängt an zu wackeln!

Karoline. Stille Rimpel, menajiren Sie sich doch vor die Leute!

Dörthe. Laaßen Sie mir meinen Bräutijam zufrieden! Wenn er was in 'n Kopp hat, wird er hitzig!

Rimpel. Denn bin ick sicher, Der hat nie wat in 'n Kopp!

Plumpich (lacht und spricht mit schwerer Zunge). He, he, he! bet is en Zackermenter, der Rimpel!

Eine Stimme. Herr Jott, et drippelt!

Eine Köchin. Jott, Fridrike, nu rejent et! Siehste wol, det hab ick nu davon, bet ick meinen Spartriehut ufjesetzt habe, nu is er hin!

Friederike. Ach un ick mit meine zeuchne Schuhe, die so dünne sind wie 'n Bogen Postpapier! Na, det wird 'ne scheene Jeschichte werden!

Viele Stimmen (durcheinander). Herr Jesus, der Rejen! Lotte, hebe Dir den Rock uf! Grenadier, fassen Sie mir hier unter, links muß ick halten! Ach, wie naß bin ick schon! Jib den Parrezoll, Karline! Na wat bespritzen Sie mir denn, Stellmacher!

Stellmacher (zu den beiden Köchinnen). Wissen Se wat Mamsellkens, kommen Se hier in det Wirthshaus, un warten Se mit mir den Rejen ab!

Friederike. Himmelscher Vater, det hört heute nich mehr uf, un ick muß punkte Zehn zu Hause sind!

Die Andere. Ach, so komm' doch man mit mir! Wer wird denn so ängstlich sind! Laß Dir 'en Zopp machen, wat schab't det, oder wenn se Dir kündigen, ooch jut, so 'ne Mächens wie wir sind, finden überall en Unterkommen! Nich wahr, Sie fremder Herre?

Stellmacher. Ach, un wie! Kommen Se man hier mit rein, det wird sich Allens machen.

Viele Männer und Weiber (singend).

So leben wir, so leben wir,
So leben wir alle Tage,
In der allerschönsten
Sauf-Compagnie!

Ein Trupp Handwerker. Hurrah! Juchhe!

Rimpel (vor einer Hausthür). Ju'n Nacht, Charlotteken! Jieb mir noch eenen Kuß! (Sie küssen sich.) Na hör' mal, was ick Dir noch sagen wollte wejen Deinen Dischler! det sag' ick Dir, so wie ick ihn zu sehen krieje, besieht er Holz, dabei bleibt es. (Sie küssen sich noch ein Mal.)

Nachtwächter. Na wie is Des hier? Entweder rin oder raus! Ick muß zuschließen, et is Zehne!

Rimpel. Na na, na na, man sachte! Sie kommen doch noch früh jenuch uf de Treppe zum Schlafen! Jun Nacht, Charlotteken, schlaf wohl! Morjen um Achte!

Charlotte. Ick will sehen, ob es möchlich is! Jun Nacht, lieber Rimpel!


Druck von Bernh. Tauchnitz jun.


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