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Titelblatt

VII. Heft.
Nachtwächter

Mit einem colorirten Titelkupfer.

Vierte vermehrte und verbesserte Auflage.

Leipzig, 1843.

Verlag von Ignaz Jackowitz.

Berliner Nachtwächter

Berliner Nachtwächter

 

Berliner Nachtwächter

Wer die Berliner Nachtwächter kennen lernen will, muß lange Zeit hindurch seinen Hausschlüssel vergessen, spät in der Nacht nach Hause gehen, und keinen Silbergroschen bei sich haben. Das habe ich denn treulich gethan. Deutschland zu Liebe bin ich lüderlich gewesen; ich habe oft mit fidelen Freunden im Weinhause gezecht, und wenn der größte Philister der Welt, die Uhr, auf Zehn zeigte, und draußen das erste »Piep« erschallte, so bestellte ich eine neue Flasche der Göttertropfen und bat meine Brüder, noch zu verweilen, denn Deutschland fordere von mir die Charakteristik der Berliner Nachtwächter, und was Deutschland fordere, müsse ein rechtlicher Mann thun. Das sahen meine Brüder ein und stießen mit mir auf das Wohl aller Menschen an, die in der Nacht wachen. Und wenn ich dann die Seligkeit im Kopfe und keinen Groschen mehr in der Tasche hatte, so schwankte ich die Straßen entlang, bis ich zufällig die meinige gefunden. Dann schrie ich: »Nachtwächter! Wächter!« und kaum hatte ich also geschrieen, so kam Niemand. – Darauf ging ich eine Ecke weiter und schrie noch stärker: »Wächte–er! Nachtwächte – er!« und gleich darauf kam noch Niemand. »Heiliges Donnerwetter!« fluchte ich, ging noch eine Ecke weiter und schrie aus Leibeskräften: »Wächte – er! Nachtwächte – er! Wächte – er! Nachtwächte – er! und noch ein paar Mal Wächter!« –

Endlich rappelt sich irgendwo eine Stimme auf und ruft: »Hö! – Schrei'n Se doch nich so! Ick ha ja schon lange jeantwort't!«

»Aber sagen Sie, Wächter, wo haben Sie denn gesteckt?«

– »Nu, wo soll ick'n jestochen haben? Ick war ja da um de andr're Ecke!«

»Ach, dummes Zeug! Ich habe ja dort auch gerufen!«

– »So? – Na denn hab' ick't da nich gehört. Wat vor 'ne Nummer?«

»Nummer 78!«

Darauf wandelt er mit mir nach meinem Hause, sucht den Schlüssel heraus und öffnet die Thür, an die ich mich schon gelehnt habe, um schnell hineinzuschlüpfen. Aber der pelzeingehüllte Horn-Bläser und Spieß-Bürger thut so, als könne er den Schlüssel nicht herauskriegen und frägt mich mit einer dumpfen Baßstimme: »Na wie is et'n: Nischt nich?«

»Heute hab' ich all' mein Geld versoffen, aber morgen sollst Du doppelt haben.«

– »Na hör'n Se, wenn der Morjen mal kommen wird, wo Sie Jeld bei sich haben, denn wer ick woll nich mehr sind!«

»Aber, Biedermann, es ist ja noch gar nicht lange her, daß ich Dir ein interessantes Achtgroschenstück gegeben.«

– »Ach richtig, nu besinn' ick mir. Et war jrade an den Abend, wo meine Frau bejraben wurde. – Dieser Abend war der schönste Dach meines Lebens. Ein Achtjroschenstück un keene Frau nich!« Damit läßt er mich hinein.

Meine Leser müssen übrigens nicht glauben, daß ich die Nachtwächter nur gesehen, wenn ich einen sogenannten kleinen oder etwas größern Strich gehabt und daß folglich dieser Charakteristik nicht viel zu trauen sei. Das müssen sie nicht glauben. Ich trank nur zu solchen Zeiten etwas mehr als wenig, wo kein Mondschein im Kalender stand, also die Gaslaternen brannten. Denn es steht sehr oft Mondschein in dem Kalender, den die Herren Trowitzsch und Sohn herausgeben, aber der liebe Gott frägt viel nach Trowitzsch und Sohn, und wenn in jenem Kalender oft der schönste Mondschein steht, so regnet's von dort oben aus den leichenschwarzen Wolken herunter, daß sich die Steine auflösen möchten und der Mensch keine Hand vor Augen sehen kann, und die deutschen Völker nicht ihr Glück finden. Zu solchen Zeiten also trank ich nie zuviel, denn die Gas-Compagnie erkennt den himmlischen Kalender nicht an, sondern nur den Trowitzsch und Sohn'schen, und wenn in diesem der Mond scheint, so lassen sie die Gaslaternen nicht brennen. Und da ich in Berlin oft genug mit meinem Kopf anstoße, selbst bei Tage, so will ich's wenigstens nicht absichtlich thun und trinke daher viel weniger, wenn schlechtes Wetter ist.

Ich habe also auch die Wächter mit dem ungetrübtesten Verstande gesehen, und werde dies meinen Lesern am Rhein und Main, an der Elbe, Weser, Oder, Donau und der Spree durch eine getreue Charakteristik beweisen. Sie wird zwar nur kurz sein, aber desto besser; desto mehr Raum bleibt für die Gespräche und Anekdoten, in denen man sie selbst sieht.

Zehn Uhr hat es kaum geschlagen, so erscheint der Mann der Nacht in vollem Bewußtsein seiner heiligen Pflicht, für die Ruhe der Residenz sorgsam zu sein; er trägt Siebenmeilen-Stiefeln in etwas verjüngtem Maaßstabe, eine ungeheure Pilzmütze, die bis über die Knie reicht und nur für das Gesicht eine kleine Oeffnung darbietet; in der rechten Hand einen zackigen Spieß und an der Seite das berühmte Horn, der Schrecken aller musikalischen Ohren. Zuvörderst nimmt er seine blecherne Pfeife, pipt damit ein Mal und ruft gleich darauf mit dumpfer Stimme: »Zehn ist die Glock!« Um diese Zeit binden die Bürger Berlins ihren Tabaksbeutel zusammen, trinken noch »den letzten Schluck« Weißbier aus den langen Gläsern, brummen »Jun Nacht, Jevatter!« und wandeln aus der Tabagie nach Hause »um neben de Frau Meestern un unter de Kinder noch 'ne Pfeife zu roochen, un denn zu Bette zu jehen, damit morjen nischt versäumt wird.« Die Nachtwächter lassen daher die Hausthüren etwas länger auf, als das Gesetz es fordert, und wenn hier der ehrsame Schuh- und Stiefelfabrikant, dort der sanfte Kleidermacher und da der stattliche Sattler und Tischlermeister hineingegangen sind, so beginnen die Wächter ihr Revier mit langsamen Schritten zu durchmessen, schließen die Thüren, setzen sich je zwei und zwei, oder auch mehr, auf eine steinerne Treppe und unterhalten sich über Politik, Staatsleben, Kunst und Wissenschaft. Das dauert aber nicht lange; zu sehr von ihren ernsten und gewichtigen Amtspflichten angestrengt, wendet sich der Kopf immer mehr und mehr gegen die Brust, schließt die Augen, und ehe noch eine halbe Stunde vergangen, liegen die sorgsamen Wächter der Nacht auf den steinernen Betten und druseln. »Druseln« ist nämlich ein Kunstausdruck für »Schlafen.« –

Wenn nun ein Dieb über die Straße schleicht, in irgend einem Hause interessante Proben seiner Geschicklichkeit abzulegen, und er wird dabei ertappt, so ist er sicher vorher zu dem Wächter gegangen, hat ihn geweckt und ihm in die Ohren geflüstert: »Hören Se mal, lieber Mann, ick will da drüben bei dem abprobirten Optikus und Mechanikus mal en bisken inbrechen; haben Se de Jüte un schlafen Se ruhich ihr Jeschäft aus.« – Ich weiß mir wenigstens keinen andern Fall zu denken, wie der Mann der Nacht »so 'n Spitzbuben bei 't Schlawitken fassen kann;« und daher mag es denn auch wohl kommen, daß selten ein Dieb in der Ausübung seiner Geschäfte gestört wird, wenn nicht die Besitzer der Werkstatt seines Treibens ihn selber dabei erwischen.

Punkt elf Uhr reibt sich der Wächter die Augen und erwacht; dann pipt er wieder sein Revier durch, nimmt seine kurze Tabakspfeife aus der Tasche und erhält sich durch's Rauchen eine Stunde lang munter, weil diese gewöhnlich die jungen Stutzer nach Hause, und ihm mehrere Silbergroschen in den leinenen Geldbeutel führt. Wenn aber der nahe Kirchthurm mit zwölf dumpfen Klängen die Geister heraufbeschwört, so beschwört auch er einen bedeutenden Spiritus aus seiner »Pulle« herauf; überläßt sich dem Friedensbringer Morpheus und flucht dann und wann ein kleines Donnerwetter, wenn ein lüderlicher Mensch ihn »zum Ufmachen« ruft; und eine »Schwerenothszucht!« wenn das furchtbare Element, das Feuer, aus den Fenstern eines Hauses prasselt, und die Bewohner desselben herzzerschneidend um Hilfe rufen.

Die hervorstechendsten Seiten des nachtwächterlichen Charakters sind Pomade und Grobheit; selbst das Feuer vermag ihn nicht in Feuer zu bringen. Mit einer ungeheuren Ruhe setzt er sein Horn an den Mund und stöhnt einen Hilferuf heraus, den seine Collegen beantworten und auf solche Weise die ganze Stadt von dem Unglück benachrichten. Wagt es nun Jemand, den aus seiner Pomade Gestörten zu fragen, wo das Feuer sei, so erhält er die höchst naive Antwort: »Wo 't brennt!« oder »Sehn Se mal nach!« oder »Frajen Se den Tambour, der wird et woll ooch nich wissen!«

Nicht mehr kann man einen Nachtwächter reizen, als wenn man – ohne an die Ironie zu denken, die in diesen Wünschen liegt – zu ihm » Gute Nacht!« oder » Schlafen Sie wohl!« sagt. – »Wie meenen Se 'n das?« fragt er, entrüstet über diese Verhöhnung, und ehe man noch begreifen kann, woher sein Erstaunen gekommen, wirft er eine Grobheit von sich, die den Höflichen noch mehr betroffen macht. Dann aber wartet der beleidigte Wächter die Antwort nicht ab, sondern geht seinen Weg weiter, und raisonnirt: »über so'ne Dummheit, un über so'nen naseweisen Kerrel, der mit 'en Beamten so'ne Witze machen will!« Eine sehr lobenswerthe Seite seines Charakters aber ist die Milde, welche er gegen Betrunkene übt, namentlich gegen solche, die einem höheren Stande als dem seinigen angehören. Ein taumelnder Mensch, dessen Kleidung ihn als zur dienenden Klasse gehörig bezeichnet, wird von dem Wächter mit Hilfe seiner Collegen in die Wache transportirt, woselbst ihm Gelegenheit gegeben ist, auf harten Brettern seinen Rausch auszuschlafen. Bezeichnet aber die Kleidung des Trunkenen einen Bürger, Beamten, Studenten u. s. w., so fragt ihn der Tutende nach seiner Wohnung, bringt ihn bis zum Ende seines Reviers, überliefert ihn dann an den nächsten Nachtwächter mit Angabe der Wohnung des Bachus-Opfers, dieser wieder an den nächsten, und so kommt endlich der Bewußtlose in seine Wohnung, ja sogar in's Bett – ohne am andern Morgen die Möglichkeit begreifen zu können. Da klopft man an seine Thür. »Herein!«

– »Ach, Se nehmen't nich übel; ick bin der Nachtwächter aus de Jruselemmer Straße. Ick habe Ihnen die Nacht bis nach den Dönhof'schen Platz jebracht.«

»Lieber Freund, ich habe einen ungeheuern Katzenjammer.«

– »Ja, det jloob' ick.«

»Also Ihr habt mich nicht ganz nach Hause gebracht?«

– »Na, sind Se denn entzwee?«

»Nein, ich meine: Ihr habt mich nicht bis hierher gebracht?«

– »Ne, wenn Eener in solchen Zustand is, so jeht er immer aus eene Hand in die andre.«

»Ach so! Nun wollt Ihr wohl ein Biergeld haben?«

– »Ja, bester Herr!«

Darauf wird die geöffnete Hand gedrückt, und der Ruhesorger wackelt ab. Kaum sind aber fünf Minuten verflossen, so erscheint ein zweiter, und nennt ebenfalls sein Revier und seinen geleisteten Dienst. Er erhält seine Belohnung.

– » Eenen Silberjroschen? I, bester Herr!«

»Nun, ist das nicht genug?«

– »Nu mein Weech is doch eben so weit jewesen, wie der von meinen Kameraten, un der hat doch en Zweejroschenstück jekricht!«

So geht es fort, bis Alle zufrieden gestellt sind, die so menschenfreundlich für einen hilfsbedürftigen Bruder gesorgt haben, dessen Zustand sie – consuetudo est altera natura – kaum mehr erreichen können. – Wie schon ein Mal gesagt: die Schnapsflasche ist der Central-Punkt aller niederen Volksklassen Berlins, und das Biergeld-Fordern ist nichts als Heuchelei.

 

Scenen und Gespräche.


I.

Wipscher, Damm, Keseritz und Pampel, vier Nachtwächter, sitzen auf einer steinernen Treppe und schlafen.

Ein Herr (schreit). Wächter! Damm!

Keseritz (wacht auf). Na wo ist'en det? Aha, bei Dammen! (Er rüttelt diesen.) Damm, et ruft Eener!

Damm. Ach, laß mir meine Ruhe! Et wird bei Pampeln sind, oder bei Wipschern.

Der Herr. Wächter! Damm!

Damm (steht langsam auf). Na siehste woll, et is doch bei mir. (Er schreit) Hö!

Der Herr (ihm entgegen). Zum Donnerwetter! kommen Sie endlich?

Damm. Ne, zum Donnerwetter komm' ick nich; ick denke, Sie wollen ufjemacht sind.

Der Herr. Ich habe sechs Mal gerufen; das ist ja eine niederträchtige Unordnung! Sie haben wieder geschlafen.

Damm (ein wenig entrüstet). Wat hab ick? Dreck hab' ick, aber nich geschlafen! Wenn ick da hinten bin und fasse an de Klinken, ob de Häuser zu sind, so kann es woll passiren, det ick Ihnen nich höre, wenn Sie hier lispeln.

Der Herr. Ach, Er ist ein ungehobelter Kerl, mach' Er nur auf.

Damm. Wie soden ungehobelt? Ick bin jejen Jedermann artig, wenn ick Eenen ufmache. Na, – Sie wer'n mir doch wat zukommen lassen vor meine Bemühung; Sie wer'n doch nich so durchschluppen ohne en Drinkjeld?

Der Herr (indem er ins Haus geht). Wenn Er künftig besser aufpassen wird, so wird Er auch etwas bekommen.

Damm (ruft ihm geschwind nach). Ach, hören Se 'mal, Se haben hier wat verloren! (Er scheint etwas zu suchen.)

Der Herr (kommt zurück). Wo denn? Was denn?

Damm (noch immer suchend). Ick habe 't janz deutlich jehört, Sie haben en Silberjroschen verloren. Warten Se man, ick were jleich Feuer tuten, damit wir hier Fackeln herkriejen, un den Jroschen wiederfinden. Denn det wär' doch schrecklich, wenn Sie keenen Jroschen mehr hätten! –

Der Herr. Wenn Er künftig noch 'mal solchen Spaß mit mir treibt, so kann Er eine Ohrfeige kriegen. ( Schnell ins Haus hinein.)

Damm ( ihm nachrufend). Na hör'n Se, die Ohrfeige wird er sich fordern. So jnitschich is er nich; – wenn Sie ihm eene jeben, können Se zwee wieder rauskriejen. Det ohrfeicht sich ooch jleich so, da muß ick doch ooch bei sind. Er! Er! Wer is'en sein Er? He? Jebe Er doch seinen Schafskopp von Bedienten en Jroschen, wenn Er noch eenen hat, und nenn' Er sich selbst Er! ( Der Herr ist schon lange in seiner Wohnung, und hört nicht mehr.) Er will 'en Beamten Er nennen? Na, na, stille, Fritze, so schlimm schießen de Preußen nich! Wat is Er denn. Er knickrijer Koofmannsgeselle? Er is woll schonst seit jestern selbstständig geworden? Hat Er vielleicht 'ne Kanarienhecke von zwee Sieen zu verkoofen, Er Döselack?

Keseritz ( klopfe ihn auf die Schulter). Aber Damm, mit wen unterhälste Dir denn da so zutraulich?

Damm ( schließt die Thür und geht mit Keseritz fort, räsonnirt immer zu). So'n Kerl will mir keenen Fennich jeben, un denn noch schimpfen? Ohrfeigen will er mir?

Keseritz. Hat er Dir wat angeboten?

Damm. Ja, Du hörst ja: Ohrfeijen; die kann ick aber nich jebrauchen; davon hab' ick so viel Vorrath, det woll noch en Paar vor ihn abfallen werden.

Keseritz (reicht ihm seine Schnapsflasche). Na, beruhige Dir!

Damm (trinkt sehr lange und giebt dann die Flasche wieder). Ick saje, wenn man nich dann un wann seine Erholung un sein bisken Ruhe hätte, et wäre nich auszuhalten mit so'n Nachtwächter-Posten! (Sie sind bei der steinernen Treppe angelangt.) Na, wat soll'n det heeßen, Wipscher un Pampel? Ihr seid ja wach!

Wipscher. Ja, det weeß der Deibel, wat mir heute in't Blut jekommen is, det ick immer ufwache. – Ick bin heute jar nich uffen Posten.

Pampel. Un ick habe sonnen bösen Droom jehabt, der mir nicht schlafen ließ.

Keseritz. Wat drömte Dir denn?

Pampel. Mir drömte, ick wäre unjeheuer durschtich, un hätte nich en Droppen Schnaps bei mir. Davon wacht' ick uf.

Damm. Na der Droom wird woll nich in Erfüllung jehen.

Pampel (zieht seine Flasche hervor und trinkt). Wenichstens steht et nich zu vermuthen.

Keseritz. Na, Kinder, ick jeh' en bisken nach meine Frau rüber; die hat mir Warmbier in de Röhre jestellt.

Damm. Na ick wer mir mal en paar Minuten ruhen! (Er setzt sich in eine Ecke.)

Wipscher. Det kann meinen Körper ooch nischt schaden. (Thut desgleichen.)

Pampel. Wenn mir man nich wieder so'n böser Droom stört. (Thut desgleichen.)

Keseritz (kommt zurück). Herjees, Kinder, schlaft nich in, et hat eben Feuer jetuut!

Damm. I Du wirst Dir woll verhört haben; ick bin schauderhaft müde.

Pampel. Hat sich wat zu feuern! Dir wer'n woll noch de Ohren jedröhnt haben von den Lärm, der verjang'ne Nacht war.

(Man hört Feuerlärm.)

Keseritz. Na, seht ihr woll? (Geht fort.)

Wipscher (sich aufrappelnd). So 'ne niederträch'je Zucht! Nich 'ne Minute jönnen Se einen Ruhe! (Er stößt in's Horn und geht.)

Damm. Wozu is nu so'n Feuer? Blos damit se einen ruhijen Nachtwächter stören! (Er bläst gleichfalls.)

Pampel. Na et läßt ja schon nach mit den Lärm. Det Feuer wird woll ooch det Ufstehen nich werth sind! (Er bläst.)

Ein Mann. Wo ist 'en das Feuer?

Pampel. Wo't brennt.

(Es ist eine Viertelstunde vorüber. Das Feuer ist gelöscht; die Spritzen kehren heim.)

Damm (bläst noch immer). Tuut, tuut, tuut!

Ein Herr. Aber, Wächter, warum blasen Sie denn noch? das Feuer ist ja schon längst aus!

Damm. Det schad't nischt! Nu hab ick eenmal mein Revier noch mal anjefangen, nu tut' ick't ooch durch! (Bläst) Tuut, tuut, tuut!


II.

Wackel, Rudich und Grunewald (rauchen und plaudern).

Rudich. Na Du liest ja de Zeitung, Jrunewald, Du kannst uns mal erklären, wat 'ne Constution is.

Wackel. Ja, darüber hab' ick schonst lange jejrübelt.

Grunewald. Hast Du'n Schnaps bei Dir?

Wackel. Ja, da haste Eenen! (Gibt ihm die Flasche.)

Grunewald. Erst en Schnaps, denn kommt de Constution. Da haste Deine Pulle wieder. Seht 'mal, 'ne Constution, det is so: da hat der Könich von irgend een Land nich Allens alleene zu sajen, da ....

Rudich. Der Könich soll aber Allens alleene zu sajen haben!

Grunewald. Wie so?

Rudich. Ja, so muß et sind. Eener kann man befehlen, und wenn der Könich nich Allens alleene zu sajen hat, denn pack' in mit Deine Constution.

Grunewald. Na ick will ja noch keene Constution inrichten, ick will se Dir ja man blos erklären.

Rudich. Ne, ne! Wenn der Könich nich Allens alleene zu befehlen hat, denn will ick jar nich hören, wat 'ne Constution is, denn is et Unsinn!

Grunewald. Det is et nich. (Ärgerlich) Wenn wir, det Volk, selber sajen können, wat uns fehlt, un wat wir brauchen, un wo uns Unrecht jedhan wird, denn find' ick det viel vernünftiger.

Rudich. Det können wir doch sajen!

Grunewald. Ja, sagen können wir Allens, aber et nützt nischt.

Wackel. Det is ooch recht jut, denn wenn Allens sollte nach Jeden seinen Kopp jehen, so würde det 'ne schöne Jeschichte werden. Ne, so wie et is, is et am besten!

Grunewald. Na Ihr werd't doch wenigstens jeden Menschen seine Meinung lassen; laßt eenen doch ausreden.

Rudich. Na rede, wat is 'ne Constution?

Grunewald. Also da kommen nu alle Bürjer zusammen, un wählen sich de Besten un de Vernünftichsten unter sich raus, so det Ihr zum Beispiel nich jewählt werden würdet.

Wackel. Keene Witze, weiter!

Grunewald. Wenn nu alle de Besten un de Vernünftichsten jewählt sind, denn nennt man die de Deputirten, un denn kommen se alle in de Deptirtenkammer zusammen, un ....

Rudich. In eene Kammer? Na, da haben wir den Unsinn wieder; wie jeh'n denn die Masse Menschen in eene lausige Kammer rin?

Grunewald. Schafskopp, dee heeßt ja man blos Kammer, det is eejentlich en unjeheuer jroßer Saal mit 'ne Jalleriee drum. Da sitzen se also nu Alle, un nu berathschlagen se, wat del Volk fehlt, un wat et zuviel hat.

Rudich. Ach, wie kann denn det Volk zuviel haben, det is ja Unsinn!

Grunewald. Na, zum Beispiel, Abjaben können se zu viel haben.

Wackel. Ja, det is wahr; det is möglich.

Grunewald, Na, seht Ihr, wenn se nu berathschlagt haben, denn wird en Jesetz entworfen, un denn werden alle Stimmen jesammelt, ob det Jesetz durchjeht oder nich. Un wenn nu die Mehrzahl von die vernünftichsten Bürjer vor det Jesetz is, un et jeht durch, denn is et da, denn kann et keen Könich un keen nischt nich umschmeißen!

Wackel. Nu, det is so übel nich, det läßt sich hören. Wat meenste, Rudich, erklärste Dir mit de Constution inverstanden?

Rudich. I Jott bewahre! Det is Allens man so'ne Rederei, womit se eenen det Maul schmieren. Wenn De doch so vor de Constution bist, Jrunewald, denn saje mir mal, warum sind se denn in Frankreich so unjlücklich? Denn da is doch, so viel ick weeß, Constution, und zwar 'ne janz jehörije!

Grunewald. Wer sacht Dir denn aber, det se in Frankreich unjlücklich sind? Det is 'ne verfluchte Lüje!

Rudich. Mein Wirth sacht mir immer, so stünde et in de Zeitungen. In Frankreich un England jinge et drunter un drüber her!

Grunewald. Ach wat Zeitungen hin, Zeitungen her! Seh 'mal, de Zeitungen, die drucken eene von de and're ab, un jede verändert wo möglich noch en bisken, un de Censure streicht denn ooch noch en bisken, oder recht ville, und so lest man denn Allens janz anders, un ville jefährlicher als et wirklich is. Det kannste Dir zum Beispiel janz deutlich erklären. Seh 'mal, wir sitzen nu hier in de Jäjerstraße. Nu wird in diesem Oojenblick an 't Landsberjer Dhor eenen Mann so 'ne Maulschelle von eenen Andern jejeben, det ihm de Backe uflooft, un een Jandarmerie kommt dazu un packt ihm, un noch een Anderer hat det Janze mit anjesehen, un erzählt det an Eenen bei'n Alexanderplatz; un der von Alexanderplatz erzählt et Eenen an de Neue Friedrichstraße, un der von de Neue Friedrichstraße erzählt et an Eenen von de Spandoer, – denn kannste jloben, heeßt et da schon, an's Landsberjer Dhor is Eenen det Jenicke umjedreht worden; un wenn et hier zu uns her kommt, denn is der arme Mensch, der blos eine jewöhnliche Maulschelle jekriecht hat, von sechs Keerels anjefallen, un uf die niederträchtichste Weise um 't Leben jekommen!

Rudich. Ja, da haste Recht; ufjeschnitten mach woll jenuch werden, aber etwas is immer dran, un ick bleibe bei 'n Könich; ick will keene Constution. Un dabei bleibt et!

Wackel. Ne, ick bin ooch nich vor de Constution, denn ville Köche verderben den Brei.

Grunewald. Ach, Ihr seid Schafsköppe! (Er geht fort.)

Rudich. Det schad't nischt! Da hat Jeder seine Meinung. Jeder hat seinen Kopp vor sich.

Wackel. Ja woll, Rudich! – Willste mal drinken?

Rudich. Ja, laß mir mal eenen blasen!

(Er trinkt.) Un Nu is meine Pfeife aus, Nu schlummert mir. (Er setzt sich zurecht.) Ick wer en bisken druseln.

Wackel. Dhu det! Ick werd't ooch dhun.

(Sie schnarchen.)

Ein Herr. Wächter! Rudich! (Er kommt näher und sieht ihn liegen.) He, Rudich!

Rudich (wacht auf und reibt sich die Augen). Wie so? – Ick will keene Constution!

Der Herr. Ach was soll ich mit seiner Constitution! Schließ er mir No. 39 auf!

Rudich (sucht den Schlüssel heraus und brummt). Na na, na na! Man nich per Er!

(Er schließt die Thür auf und später die Augen zu.)


III.

Deech (wacht zufällig auf und sieht Jemanden gradeüber in ein Fenster des Parterre steigen. Er geht hinüber und zieht den Abenteurer beim Rocke zurück).

Der Herr. Um Gotteswillen!

Deech (schreit). Woll'n Sie jleich runter! Den Oogenblick runter! Wat haben Sie da zu thun?

Der Herr. Um Gotteswillen! Schreien Sie doch nich so!

Deech. Warum soll ick nich schreien? Wollen Sie jleich runter! Sie kommen mit nach de Wache, da wird sich 't zeijen, wat Se vo'n Patron sind.

Der Herr. Lieber Mann, ich bin ja kein Spitzbube.

Deech. Warum sind Sie keen Spitzbube? Da könnte Jeder kommen un sagen, er wäre keen Spitzbube! Sie kommen nu jutwillich mit, oder ick pfeife mir Hilfe!

Der Herr. Ich habe ja hier nur ein kleines Abenteuer; schreien Sie doch nich so!

Deech. Wat Abendeuer! Ick bin hier nich vor de Abendeuer anjestellt; wenn ick Eenen fasse, denn is et en Spitzbube. Det Abendeuer soll Ihnen deuer zu stehen kommen!

(Das Fenster wird geöffnet; eine Dame im Negligé guckt heraus.)

Die Dame. Heiliger Gott, was ist denn hier los?

Der Herr. Denken Sie sich, Madame, der Mann hält mich für einen Spitzbuben und will mich arretiren.

Deech. Na wat wirdten nu werden?

Die Dame (erschrickt, besinnt sich einen Augenblick m» lacht). Ha, ha! (Zu dem Herrn) Du bist es, August? Aber lieber Mann, wie kannst Du solche Streiche machen? Da hätten wir in die größte Verlegenheit kommen können, wenn der Wächter nicht zufällig ein so vernünftiger Mann wäre! Komm nur herein!

Der Herr (kriecht schnell hinein).

Die Dame (zum Wächter). Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, aber diesmal war es nur mein Mann, kein Spitzbube. Gute Nacht! (Sie schließt das Fenster.)

Deech (indem er nach seinem Wachtplätzchen hinübergeht). Na, na!


IV.

Schulze. Nickermann. (rauchen und plaudern.)

Schulze. Sag' mal, Nickermann, det soll ja so ville Unjlück jeschehen sind mit die spanischen Papiere. Wie hängt denn det zusammen?

Nickermann. Det is janz eenfach. Die span'schen Papiere sind gefallen, un da haben sich die Leute weh jethan, die welche hatten.

Schulze. Na aber, wie können se denn de Papiere fallen lassen, det versteh ick nich. Warum halten se se denn nich feste?

Nickermann. I verstell' Dir doch nich, als wärste dumm. Seh' mal, die span'schen Papiere, det sind Scheine uf Jeld, wat die Leute davor jejeben haben, un det sind Schuldscheine von de span'sche Rejierung.

Schulze. Wat is det vor eene Regierung, die span'sche? Et giebt jetzt ville Regierungen, die mir span'sch vorkommen.

Nickermann. Ne, ne, keen dumm Zeug! Det is die Rejierung, wo der span'sche Bitter herkommt. Also sehste, nu is det Kies in Spanien mangelhaft geworden, weil der letzte Könich so ville Cijarren jeroocht hat, un weil die Hunde von Faffen Allens nach sich jezogen haben. Na un Rothschild is jetzt ooch eecklich jeworden, un pumpt ooch nich mehr All un 'n Jeden, un da is die jetzije Rejierung nischt weiter übrich jeblieben, als det se de Papiere fallen ließen, un bumms! da lagen se.

Schulze. Na heben se denn aber nu die Papiere nich wieder uf?

Nickermann. Daran wird woll vor 't Erschte noch nich zu denken sind. Denn nu is 'ne junge Könijin da, na un so 'ne junge Könijin, die will wat wissen. Die läßt wat druf jehen, un drinkt de Putellje Weisbier zu zwee Jroschen, det's man so pufft! Na un denn kabbeln se sich ja doch ooch jetzt wieder?

Schulze. Schonst wieder 'ne Keilerei? Worum is 'ten det nu wieder?

Nickermann. I seh' mal, det is janz eenfach. Der Carlos will Könich sind, un die Könijin will ooch Könich sind. Na, und det siehste in, det jeht nich, denn zwee Könije, det fehlte noch!

Schulze. Na un denn kann ja ooch 'ne Könijin keen Könich werden.

Nickermann. Ne, schwer würd' et halten!

Schulze. Na, wat is nu det aber: en Carliste un en Christinosse? Wat sind 'ten det vor Dinger?

Nickermann. Det will ick Dir sagen. Carlossen seine Soldaten, det sind de Carlisten, die heeßen so, weil se in de Listen injedragen sind; un Christinossen, det sind Christinen ihre, die heeßen so, weil se Ochsen sind.

Schulze. Wie so sind 'ten det Ochsen?

Nickermann. Na wenn se keene Ochsen wären, denn hätten se schon lange den Carlossen seine Listen bei 't Schlawitken jefaßt!

Schulze. I wozu soll'n se'n det? Laß doch den Carlos Könich werden; det kann Dir doch janz jleich sind!

Nickermann. Ne, ick habe mir nu eenmal uf de Christine jesetzt, die muß den Thron behalten, denn die is pfiffich und meent et redlich, aber der Carlos, der is mit 'n Dömelsack geschlagen, un der hat et hinter de Ohren; daruf kannste Dir verlassen, Schulze.

Schulze. Wat mir betrifft, ick bin 'n Carliste!

Nickermann. Na denn jeh' hin, un keil' Dir mit.

Schulze. Det brauch' ick nich; ick kann Carliste sind, ohne mir die Jacke vollhauen zu lassen.

Nickermann. Ach se wird ihnen man leider nich volljehauen, denn der Zumalrakker-regentnie, det is en Kerl uf seinen Posten, der weeß Bescheed. Na, ick sollte man blos en eenzijes Mal Mina sind, ick wüßte woll, wie ick 't machte!

Schulze. Na, wie würdet'sten machen?

Nickermann. Kernen Oojenblick wär' ick in Zweifel, wenn ick mal Mina wäre!

Schulze. Schafskopp, so thu' doch's Maul uf; wie würdet'sten machen?

Nickermann. Det is janz eenfach. Seh' mal, ick nähme mir mal alle meine Soldaten zusammen, un wenn se nu alle zusammen wären, denn jinge ick uff'n Feind los un siegte. –


V.

( Kerschte. Murmel. rauchen und plaudern.)

Kerschte. Hast Du denn schonst davon jehört, det jetzt bei uns alle de Beamten Uniform kriejen sollen?

Murmel. Ja, ick freu' mir sehr druf. Det muß sehr jut aussehen!

Kerschte. Wenn ick det nu Allens inzurichten hätte, denn solteste Dein blauet Wunder erleben. Ick habe mir det unjeheuer fein ausjedacht, wie ick det Allens arranjiren würde.

Murmel. Na erzähle mir mal Deine Ansichten.

Kerschte. Seh' mal, ick stellte nu vor jedet Misterium eenen Copisten als Schildwache, un wenn nu en Hoftath käme, denn müßte er mit seine Federpose jerade stehen; wenn en Jeheimrath käme, müßte er vor de Brust präsentiren, un vor den Minister müßte er die Federpose von de Seite ausstrecken.

Murmel. Na wie lange bliebe denn nu so'n Copiste stehen?

Kerschte. Zwee Stunden, denn würde er von en andern abjelöst. Die Jeheim-Sekerteere det sind de Jefreiten. Un alle Jahr müßte een Beamten-Manöver sind, det heeßt: mit jeschnitt'ne Federn. De Jeheim-Sekerteere wären de Rejementer, de Hofräthe un de Kriechsräthe de Offeziere, un de Jeheimräthe führten se an. – Denn reit't nu der Minister in Blenkarjeer vorbei un führt seine Unterjebene zum Spaß in de Schlacht, wo se sich mit de Federn kitzeln. Een Misterium müßte immer jejen det andere opperiren.

Murmel. Na, aber mir sind doch ooch Beamte. Wat stellen wir 'en vor?

Kerschte. Wir wären de Marketender, un führten det Drinken und Essen.

Murmel. Ja, det is en juter Infall. (Er zieht seine Schnapsflasche hervor.) Weeste wat, wir wollen mal jleich Manöver spielen! (Er trinkt.)

Kerschte (sieht ihm ängstlich zu). Na Du! Laß mir ooch noch wat; sonst hab' ick keene Courage. (Er trinkt.) So! Det wärmt eenen so hübsch! – Na, ick merke schonst, wir wer'n woll bei 't Misterium der innern Anjelegenheiten anjestellt werden!


VI.

Brumms. Kieselrink.

Brumms. Na, Kieselrink, hat Dir denn der jeizige Koofmann, den De da driben in Nummer Viere einjelassen, wieder nischt jejeben?

Kieselrink. Ne, der Kerl denkt immer, man sind't so 'n Nachtwächter uf de Straße!

Brumms. Wenn ick überjens Du wäre, ick würde mir det nächste Mal den ornd'tlich ansehen, wenn er mir wieder nischt jäbe.

Kieselrink. I ick dreh'en det Jenicke um!

Brumms. Ne, det dhu nich; det könnte Dir 'n Jnjurienprozeß zuziehen.

Kieselrink. Ick sage Dir: ick bin Dir so wüthend uf den Kerl, ick schneid' ihn Dir det nächste Mal in lauter kleene Stücke, un denn muß er sich selber uffressen.

Brumms (lächelnd). Ja, det is 'n jutet Mittel, um ihm zu bessern. Denn würd' er woll in sich jehen. Aber ick schlage vor: schließ' ihm doch lieber nich mehr de Dhüre uf. Hau' ihn doch zusammen un schmeiß'en durch't Schlüsselloch!

Kieselrink. Ne, det jenügt mir Allens noch nich; ick weeß, wat ick dhue. Wenn er mir det nächste Mal wieder nich bezahlt, so fass' ick ihn an seine viertehalb Haare, schwenk'en sechsmal um't Brandenburjer Dhor rum; setz' en mit den – uf die Heuschrecke von 't Schauspielhaus; stoß'en mit de Nase draußen in de Pudrettenfabrik, zieh'en unten durch de lange Brücke durch; jag'en in zwee Minuten die janze jroße Friedrichstraße lang; knautsch'en mir zusammen in de Jranitschale an 't Museum; jeb'en noch en halb Dutzend Fußtritte, un stech'en denn in de Charité rin, mit en Zettel wo druf steht: Dieser Mann wünscht sich zu erholen.


VII.

Kneppert. Rix.

Kneppert. Na wat meenste 'n nu dazu, det jetzt de Marcht-Meester: Polzei-Commzarien heeßen sollen? Weeste det schonst?

Rix. Ja, ick hab' et vernommen.

Kneppert. Na, wozu is det nu wieder? Marcht-Meester war ja recht jut!

Rix. Ach, det verstehste nich! Als Marcht-Meester kann mal Eener nich janz so sind, wie er sinn sollte; aber als Polizei-Commzarius muß er jut sind!

Kneppert. Ja, det is wahr! Aber wir sind doch ooch Obrichkeit, die von Jott eingesetzt is. Wir müßten doch eejentlich ooch en bessern Titel haben, als Nachtwächter!

Rix. Ja, wir müßten Schlaf-Commzarien heeßen!


Eingabe eines Nachtwächters an das Criminalgericht.

Hochwohlgeborner könichlicher Direktor!
Königlicher Kriminal!

Wie so, Herr Direktor? Kann ich ein beleidigter Vater sind, oder nicht? Mein Sohn Ludwig Ferdinand Joseph Koppert, 12 Jahr alt, ist vor 4 Wochen arretirett, zur Polezeih jehführet, und kann ihn aus meiner Arbeit nicht müssen, denn wenn ich des Nachts mein Amt verwalte, wie mir dieses Verhältniß bereits zwölf Jahr lang zu Theil jeworden ist, so muß ich meinen Sohn, Ludwig Ferdinand Joseph Koppert, am Dage haben, Das muß ich, Herr Kriminal! Er muß mir als Loofbursche wat verdienen, denn außer ihm wünschen noch mehr zu essen, und davor hat ihn der liebe Gott seine Füße gegeben!!! Mein Aeltester muß sich mit die Räumung von Appartemanks nothwöndig satt machen, und Jeder muß wat mit anschaffen. Ich nähre mir mit Leidwesen! Herr Kriminal!

Als rechtschaffener Feld Kriegs Knecht fordere ich meinen Sohn Ludwig Ferdenand Joseph Koppert 12 Jahr alt in meiner Wohnung zurick! Denn ich habe 22 Jahr als Kriegs-Mann gespielt, und für dieses Spiel von redlichen Eltern erzogen, ärgert mir zwar nicht, doch glauben kann ich, meinen Sohn frei zu verlangen als Jüngling!! Dieser sowohl, als meine 4 Stück Söhne im Ganzen, sollen mein Könichlich Preußisches Blut auch noch nach meinen Tod als ein Bürger und Soldat in Könichlich Preußischen Staaten fortpflanzen, handeln! –! –!

Dieser Jugendfehler kann ihm doch nicht daran hindern!!! Denn er hat den Seegen, den Verstand jetzt noch nich am hochheiligen Altare erhalten! Es ist ein Jüngling, aber er ist noch dumm!

Deshalb bitte ich gehorsammst um Entlaassunk meines Sohnes, und wenn mir dieses als Königlich Preußscher Vater in der Welt nicht mehr verjönnt ist, dann verlange ich einen neuen Termin zur Vernehmung! – Mit Hochachtung und Ehre bleibt bis in den Todt

Berlin, am 16ten April 1832.

treuer Familien-Vater

Nachtwächter Gottfried Koppert,
und seine Gemahlin
Christine Karoline Koppert,
gebohrne Plautze.

 

Anekdoten.


Das Geschenk.

Ein Nachtwächter, der sich erst kürzlich verheirathet hatte, trug eine viel größere Pelzmütze als früher. »Na sag' mal,« fragte ihn ein College: »warum trägst'en jetzt so'nne fürchterliche Pelzmütze? De Leute sollen woll jlvoben, Du hätt'st ville drunter?« – »Ne,« antwortete ein Dritter, »die hat ihn seine Frau jeschenkt, damit die eh'lichen Jeheimnisse verborjen bleiben

»Ach so, nu merk' ick! Wenn mal sein amtlicher Horn entzwee jeht, denn kann er mit seinen Kopp noch besser tuten


Das geht doch noch!

»Du!« sagte ein Wächter zum Andern, der neben ihm auf einer Treppe lag, »jeh' mal vor mir nach de andre Ecke, un hole mir en halb Quart Jurjelverjnüjen! Ick bin so müde, ick mach mir nich rüppeln.« – »Ne,« antwortete der Andere, »det geht nich; et fehlen man noch zwee Minuten an Drei; un denn muß ick hier oben den Reisenden wecken.« – » Na, na, Du bist ja unjeheuer pünktlich! denn hol' mir wenichstens en Viertelquart; dazu wird doch woll noch Zeit sind!«


Die hitzigen Getränke.

Als die Cholera in Berlin ihre Opfer forderte, sagte ein Nachtwächter zu seinem Collegen: »Det is doch schauderhaft, det man jetzt keene hitzigen Jetränke drinken darf. Nu muß man sich den kalten Kümmel runterwürjen!« Dabei netzte et seine Kehle.


Der Erste.

Ein Nachtwächter saß gewöhnlich auf der Treppe eines Hauses, in dem viele junge Leute wohnten, die ihm des Nachts oft Beschäftigung und selten Biergeld gaben. »Na!« fragte eines Nachts sein College, der ihn halb träumend dort fand, »haben Dir heute schonst viele von Deine Schafsköppe jestört?«

»Ne!« antwortete er, »Du bist der Erste.«


Der Politikus.

Als Don Pedro und Don Miguel Krieg gegen einander führten, äußerte ein Wächter: »Ne, det is doch höchst unrecht von den Don Pedro, wie er sich jejen Miguellen benimmt! Erst hat er mit ihm jebrochen, – un nu will er sich nich mal überjeben


Trost.

Wächter Kalbach besuchte einst bei Tage seinen besten Freund und Kameraden, der des Nachts mit ihm vor einem Hause schlief. Er kletterte mit Mühe die Treppe hinauf und fand seinen Mann. Als der Besuch zu Ende, begleitete ihn sein Wirth noch bis zur Treppe; Kalbach aber trat fehl, stürzte alle Stufen hinunter und blieb unten auf der Flur liegen. »Du!« rief ihm der von oben gemüthlich zu, »laß det jut sind! Zu Ostern zieh' ick parterre!«


Resignation und Durst.

Eines Nachts schlich leise ein Herr über die Straße, und man konnte deutlich bemerken, daß er Etwas unter seinem Mantel verberge. »Hö!« rief der Nachtwächter, der zufällig die Runde machte und einen Dieb zu ertappen glaubte, »halten Se mal stille! Sie haben da wat Verdächtiges unter'n Mantel!«

»Ganz Recht!« lächelte der Herr und holte eine Flasche Wein hervor, »ich habe einen Geldkasten gestohlen.« – »So?« antwortete der Wächter, nahm ihm die Flasche weg, trank sie leer und gab sie ihm dann mit den Worten wieder: »Den Kasten können Se behalten; det Jeld habe ick confiszirt!«


Versehen.

Knorpel. Na, det weeste doch schon, Schmolinger, det sich Schmidt jetzt mit 'ne Frau versehen hat?

Schmolinger. Ja, det weeß ick, det er sich mit 'ne Frau versehen hat. – Ick kenn se.


Falscher Glaube.

Zwei Horn- und Spießträger saßen eben recht behaglich vor einem Hause und plauderten, als eine Frau mit zwei Eimern langsam vorüberging, deren Duft auf die Geruchsnerven eben nicht angenehm wirkte. »Na Schwerenoth!« schrie der Eine, »halte se sich hier nicht acht Dage uf, eh' se een Been über't andre sitzt! Jlobt se denn, wir haben Treu un Nujlischen in de Nase, det wir zwee sonne Emmer jar nich merken können?«


Die Geschichte.

Ein äußerst pomadiger Nachtwächter saß im Kreise mehrerer Collegen, und erzählte mit der größten Ruhe eine Geschichte, die durchaus nicht enden wollte, und sogar die Phlegmatischen ungeduldig machte. Sie hielten es indessen noch lange aus. Endlich aber nahm Einer aus seiner hölzernen Dose eine Prise und sagte: »Hör' mal, Wupdich, nu sei so jut un beeile Dir en bisken mit Deine Jeschichte; ick verreise det andre Monat!«

Contraria.

Zwei dieser ehrlichen und biedern Leute brachten dem stillen Morpheus zusammen ein tüchtiges Opfer, und hatten bereits fünf Stufen einer steinernen Treppe heruntergeschlafen, so daß sie auf der letzten lagen, und mit ihren Nasen den Vorübergehenden eine Serenade brachten, d. h. schnarchten. Endlich weckt Einen von ihnen der Durst; er fährt seinem Collegen mit der Hand in's Gesicht und frägt ihn: »Reseleer, haste keenen Wachholder?« Dieser reibt sich die Augen, legt sich aber gleich wieder zurecht und antwortet: »Wat Wach- Holder! Schlaf Schafskopp


Irrthum.

Ein Nachtwächter pfiff eben die eilfte Stunde, als er an der Uhr eines Gasthofs bemerkte, daß es bereits halb zwölf war. »Die Uhr jeht doch woll vor!« bemerkte er zu einem seiner Collegen. – »Ne,« antwortete dieser, »die Uhr jeht nich vor; Du jehst nach


Naive Anfrage.

Die sorgsamsten Wächter haben die Gewohnheit, bevor sie eine Thüre schließen, in die Hausflur hineinzugucken, die aber leider oft so finster ist, daß sich irgend ein nächtlicher Taschenspieler sehr gut versteckt halten kann. Bei solcher Action erblickte indeß ein Wächter hinter der Hausthür ein Dienstmädchen mit ihrem Dragoner, die sich in der vollkommensten Umarmung befanden. – » Na!« weckte der Pelzbeamte das zärtliche Liebespaar und redete den männlichen Theil desselben an: »Ick schließe zu! Wollen Se nu drin bleiben, oder wollen Se' rauskommen?«


Die vier Vögel.

Ein betrunkener Kerl sah beim Nachhause-Schwanken auf einer Haustreppe vier Nachtwächter zusammengekauert liegen, stellte sich vor sie hin und rief: »Na nu seh' em Mensch an, wat ick gefunden habe! En Nest mit junge Nachtwächter; drei können schon tuten

In demselben Augenblicke stand einer von den vier Pelz-Vögeln auf, zog dem Betrunkenen mit dem Spieße tüchtig eins über den Rücken und sagte: »Drei können schon tuten, un der Vierte schlägt schon recht hübsch


Folgen des Hamburger Brandes.

Nach dem Brande von Hamburg sagte ein Nachtwächter zum Andern: »Du, weeßte, wat jetzt nach den Brand in Hamburg am billigsten jeworden is?«

»Ne!«

»Det will ick Dir sagen: det Roochfleesch


Logik.

Zwei Wachter erzürnten sich, nachdem sie auf einer Treppe nebeneinander geschlafen hatten. »Tobias,« sagte der Eine, »ick scheide von Dir uf immer; ick kann Dir nich mehr leiden.«

»Du!« sagte ein Dritter, »Du derfst Dir dadrum nich mehr scheiden, det leid't der Staat nich!«

»Ach wat!« erwiderte Jener, »'ne Verbindung, die ick mir alleene, nach eignen Willen jemacht habe, die kann ick ooch alleene uflösen. Da hat mir der Staat en Dreck zu sagen!«


Zum Beispiel.

A. Hör' mal, Bremmer, heule hab' ick in de Zeitung jelesen, det da in Ostindien en Fürscht jestorben is, un bet sich dieserhalb seine 8 Frauen lebendig verbrennen lassen mußten.

B. Ach Herrjeeses! Un mehr als 8 Frauen hatte Der nich, der Fürscht? Na, ick danke, ick habe an Eene Janz hinreichend.

A. Ja, ne ick wollte Dir man sagen: da in Ostindien is et doch en wirklichet Unjlück vor 'ne Frau, wenn ihr Mann stirbt, weil se sich muß verbrennen lassen. Da haben't doch unsre Frauen besser, denn die haben doch Trost, zum Beispiel: andere Männer!


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