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Titelblatt

VI. Heft.
Zirngibler und Guckkästner

Sechstes Heft
Erste Lieferung.

Mit einem Titelkupfer.

Dritte vermehrte Auflage.

Leipzig, 1838.

Verlag von Rostosky und Jackowitz.

Berliner Guckkästner

Berliner Guckkästner

 

Warnung!

Eine große Anzahl deutscher Zeitschriften hat er sich zur Pflicht gemacht, ihren Lesern Mittheilungen aus diesen Heften zu liefern. An die Redacteure und Verleger wenden wir uns mit der Bitte: rechtlich zu handeln, und, wenn es durchaus sein muß, nur Einzelnes und mit genauer Angabe der Quelle abdrucken zu lassen. Die Namen derjenigen Redacteure und Verleger aber, welche sich nicht schämten, den vollständigen Inhalt dieser Hefte nachzudrucken, sogar mit Abbildung des Kupfers und ohne Angabe des Originals, werden wir öffentlich bekannt machen, sobald sie dergleichen Betrügereien wiederholen sollten.

Ad. Brennglas.
Rostosky und Jackowitz

 

Zirngibler.

Ueber diesen Namen muß ich zuvörderst, namentlich dem Publikum, das nicht so glücklich ist, in Berlin geboren zu sein, Licht geben. In Spree-Athen wurde vor vielen Jahren ein Mann, d. h. damals ein Kind, in die Welt gesetzt, dessen Vater Zirngibl hieß, das folglich, außer einigen unbedeutenden Vornamen, auch Zirngibl genannt wurde, und bis auf diese Sekunde selbigen Namen beibehalten hat. Aus dem Kinde wurde ein Knabe, aus dem Knaben ein Jüngling, und aus dem Jünglinge ein Mann, wie solches nicht selten zu geschehen pflegt, wenn männliche Kinder ein Alter von vierzig Jahren und darüber erreichen. Bis hierher also wäre nichts Besonderes geschehen, das die Aufmerksamkeit der Welt auf viel besagten Herrn Zirngibl gerichtet hätte, allein nun kam es mit Riesenschritten, denn er wurde Buchdrucker und – was noch viel mehr sagen will – er wurde auch Verlags-Buchhändler!

»Wer sagte Das? Ich glaube gar, ich bin's allein?«

Gedruckt in diesem Jahre. – Kennt ihr Treuenbrietzner und ihr andern Europäer dieses gewichtige, spekulative, ewige Wort? Wem hätte je ein so übergroßer Gedanke durch den Kopf fahren können, wem anders, als ihm? In welchem Sterblichen wäre eine solche unendliche Idee aufgeblitzt, wäre nicht der sterbliche Zirngibl geboren!! Und hat er auch nicht selbst jene vier zeitzertrümmernden Worte erfinden können, so waren es sicher seine Vorfahren, und er muß den Lorbeer um die verdienstvolle Stirn tragen, der seinen großen Ahnen vorenthalten wurde. Zürne nicht Zirngibl mit der Vorwelt, daß sie keinen Brennglas hatte, der so schnell dem Verdienste seine Kronen austheilte, bemitleide sie lieber wie die zukünftigen Jahrhunderte, welche gleichfalls diesen Mangel erdulden müssen.

Nun zu Dir Deutschland! Hast Du schon ein Werk von einem halben Bogen gesehen, das den Titel führte: »Fünf sehr schöne neue Lieder – gedruckt in diesem Jahre«? Das ist Zirngibls Verlag, das sind jene Werke, durch welche er die gebildeten Köchinnen, Hökerinnen, Hausknechte und Stiefelputzer Deutschlands, für ein Paar Dreier mit der poetischen Literatur ihres Jahrhunderts bekannt macht. Scheußlich sind die Werke ausgestattet – auf scheußlichem Papier scheußlicher Druck – aber was fragt man bei »Heinrich schlief bei seiner Neuvermählten,« »Ein Schlosser hat mal'n G'sellen g'habt,« »Det beste Leben hab' ick doch« und bei »Bürgers Leonoren« nach der Ausstattung Obschon oft bei der Leonore eines Bürgers nach der Ausstattung gefragt wird. D. V.? Den Inhalt der herrlichen fünf oder sechs Lieder will man kennen lernen, und nach ihm singen; denn Gesang erhebt auch die hausknechtlichen und stiefelputzenden Herzen, wenn sie Sontags Nachmittag in der freien Natur aufklopfen, und erhebt sie in die endlosen Himmel der Freude, bis sie wieder niedergerissen werden durch gleichgestimmte Feminina: Köchinnen, Hökerinnen u.sw. –

Zirngibl hat also einen ungeheuer großen Absatz, und kann sogleich auf einem großen Fuße leben. Seine Druckerei ist fortwährend beschäftigt, und Hunderte von kleinen Individuen bieten seine Verlagsartikel in allen Häusern, auf allen Märkten, auf allen Landstraßen feil – und diese kleinen Individuen nenne ich Zirngibler. Sie sind gekleidet wie jeder vollkommene Straßenjunge. Charakterisiren werde ich sie am besten durch eins ihrer Gespräche, welche zu belauschen man oft Gelegenheit findet.

 

Gespräch.

Lebell. Peter. Fritze.

Peter. Na Du bist en rechter Theekessel jewesen, Lebell, det de Dir bei Die mit eenen Dreier hast abspeisen lassen. Die Mamsell hätte wenigstens drei Heinrichs schlief bei be Neuvermählte jenommen!

Lebell. Ach, Schafskopp, wat soll denn die mit so'nne Menge Heinrichs machen?

Peter. Det jeht Dir nischt an, det wird se schon wissen! Wenn se Dir man bezahlt, denn kann se damit machen wat se will.

Lebell. Na, se hat aber jar nich nach Heinrichs schlief bei de Neuvermählte jefragt, det stand blos mit druf uf die sechs neue Lieder, die meine Mutter noch in ihren alten Kommodenkasten zu liegen jehabt hat. Sie fragte blos nach »Freien is keen Pferdekoof« un da könnt' ick' ihr nich mehr anschmieren, weil ick man eenen Pferdekoof bei mit hatte.

Peter. Du, ick habe noch Eenen, draje ihr den geschwinde nach!

Fritze. (kommt dazu). Jebt euch keene Mühe; nu nimmt se nischt mehr, ick habe ihr eben det beste Leben beijebracht, det heeßt mit eenen illumnirten Nanten dabei, sonst hätt' se't nich jenommen.

(Ein Dienstmädchen geht vorüber.)

Mamsellken, heda, koofen se mir wat ab! Janz neue Lieder, jedruckt in diesen Jahr, eben erst aus de Fabrik jekommen, fühlen se mal an, se sind noch janz frisch. Sechse vor'n Dreier! Suchen Se sich aus!

Dienstmädchen. Hast Du: »Willkommen o seeliger Abend«! darunter?

Peter. Ne, damit kann ick nich dienen, ick habe meinen letzten selijen Abend da driben bei den Schuhmacher verkooft, der immer besoffen is. Aber warten se mal! He Lebell, Fritze, habt ihr keene selige Abende mehr?

Beide. Ne, die sind uns ausjejangen.

Fritze. Da mußt Du Dir an de alte Elisabethen wenden, die hat ooch keene mehr.

Peter. Mach' keene schlechten Witze! Na, Mamsellken, ick werde Ihnen morgen früh en paar selige Abende in't Haus bringen, suchen Se sich derweile wat anders aus, nehmen Se'n »Jungfernkranz,« den können Se ja woll ooch jebrauchen?

Dienstmädchen. I wat soll ick'n damit? Der is ja janz aus de Mode jekommen.

Peter. Na wenn Se det meenen, denn will ick Ihnen en »Siegerkranz« jar nich anbieten. Aber wie is et'n mit »en hübsches Kind von funfzehn Jahren?«

Dienstmädchen. Ne, ne, laß' man, ick koofe keens.

Peter. I warum denn nich Mamsellken? Det hübsche Kind sollten Se doch von mir nehmen, det is so so selten; da können Se manchmal Jahre warten, eh' ick Ihnen wieder eens bringen kann.

Und so weiter.

 

Guckkästner.

Es giebt nur wenige solcher Leute in Berlin, aber die Wenigen sind so originelle Käutze, besonders beim Erklären ihrer Bilder, daß ich sie nicht unbeachtet lassen darf. Abends, wenn die Sonne untergegangen ist, und die Gaslaternen aufgehen, stellen sie ihren Schemel an eine Straßenecke, wo die Passage am lebhaftesten ist, namentlich unter den Linden, in der Königsstraße, u. s. w., rufen sich mit lauter Stimme einige Kunstliebhaber heran, und geben den schlechten Gemälden, welche man durch Vergrößerungsgläser betrachtet, einen großen Reiz durch die Beschreibung derselben. Sie sprechen den größten Unsinn mit einem Ernst, der durch das monotone Wiederholen ein und derselben Worte entstanden, und von so komischer Wirkung ist, daß man sich des lauten Lachens nur mit Mühe enthalten kann. Letzteres ist aber sehr nöthig, wenn man keine Grobheiten einstecken will, denn der Guckkästner und seine neben ihm stehende Frau bilden sich nicht wenig auf ihre historischen Kenntnisse ein, welche sie mit ernstgerunzelter Stirne an den Tag legen. Ich werde hier aus meinen, seit mehreren Jahren in Berlin gesammelten Guckkastenscherzen, eine Scene zusammenstellen, die, wenn auch hier und da mit hellen Farben gezeichnet, doch nicht den Reiz geben kann, welchen eine solcher Scenen in der Wirklichkeit darbietet.

Guckkästner. Schauen Se auf, meine Herren, jetzt jeht's los! dumme Jungens, drängt Euch nich so rander, laßt de Musjes ran, jeder muß vor sein Loch alleene bezahlen! Schauen Se auf, meine Herren! Hier werden Se sehen die große Schlacht bei Leipzig, wo de Preußen ihre Ehre wieder kriegen, –

Ein Junge. Ick seh' ja die Ehre nich, wo isten die?

Guckkästner Schafkopp, die kann man nich jewahr werden, die haben de Leitnants in den Mund. Also hier sehen Se die jroße Schlacht bei Leipzig; im Hinterjrunde auf einen Hügel steht der Kaiser Napoljon, un sieht durch seinen Opernkucker zu. Sein Adjudant sprengt heran und sagt: Majestät, de Schlacht is verloren! Schön, sagt er – Rrrr! ein anderes Bild! – Dieses stellt die Schlacht bei Leipzig vor, wie se vorbei is. Die drei Monarchen lassen sich auf ein Knie nieder, un heben ihre Blicke uf den Himmel, als wollten sie sagen: Schön Dank! Hinten scheint de Sonne.

Mehrere Jungen. Na, wat soll'n det dumme Zeug!

Guckkästner. Ruhig Jungens! Wat haben Se wieder vor, Musje's?

Die Jungen. I, hier schubsen uns immer welche von unsere Jläser wech, die nich bezahlt haben!

Guckkästner. Nimm de Karbatsche, Frau, un haue se wech! Keiner darf in ein Andern sein Loch sehen! jeder sieht in sein eigenes Loch, un bezahlt enen Sechser. – Rrrr! ein anderes Bild! – Hier werden Se sehen den jroßen Jroßsultan, umjeben von allen seinen Dardanellen. Der da rechts mit die weiße Hosen, det is sein Leibdardanelle. Hinten überjibt sich der Mond durch de Wolken!

Ein Junge. Ick denke, es heeßt: der Mond bricht durch de Wolken!

Guckkästner. Nein, det is zu jemeene, auf vornehm heeßt et überjeben! – Rrr! ein anderes Bild! – Hier werden Sie die Schlacht bei Jena in Augenschein nehmen; auch werden Sie bemerken, wie die preuß'sche Armee auskratzt. Vorne liecht Eener, der nich mit kann, weil ihm ein Franzose dodtjeschlagen hat!

Zweiter Junge. Wo is denn Der, der ihn dodtjeschlagen hat?

Guckkästner. Das weiß ich nich – un das jetzt Dir auch ein Schmutz an! – Rrr! ein anderes Bild! – Sie werden sehen, das dies ein doppeltes Bild is, denn in die Mitte is ein Strich. Auf die eine Seite sehen Sie den Studenten Sand, wie er keine Collejen mehr hört, und sich einen Dolch kooft. Er nimmt Abschied von die Natur, weil ihm die Menschheit nich versteht. – Auf die andere Seite sehen Sie ihm, wie er den Kotzebug ermordet. Seine Frau Gemahlin kommt dazu, und erhebt von hinten ein fürchterliches Jeschrei; Sand riecht Lunte, und will entfliehen, die Jandarmerie packt ihm aber.

Erster Junge. Det is schade!

Guckkästner. Dummer Junge, mach' nich sonne naseweise Bemerkungen; nimm Dir in Acht, det se Dir nich inspunnen! – Rrr! ein anderes Bild! – Sie werden wieder bemerken, daß dieses ein doppeltes Bild is, denn es hat in die Mitte einen Strich. Sie sehen hier einen Kerker; die Mauern sind zehn Ellen dick, un die Thüre is zu, damit Keiner nich raus kann. Sand sitzt in die eine Ecke und is sehr niederjeschlagen, weil er am andern Dage hinjerichtet werden soll, was ihm sehr störend is. Er tröstet sich ebend mit seiner Guirtare un singt das Lied: So leben wir, so leben wir, so leben wir alle Dage! – Auf die andere Seite sehen Sie Sandten auf den Rabenstein. Er kniet auf beide Knieen vor den Scharfrichter, welcher ein blutendes Schwerdt in die Hände hält. Er hat den Kopf so jeschickt herunterjeschlagen, daß es Sand nich bemerkt hat; Sand sacht eben zu ihm: wollen Sie nu so jut sein, ängstijen Se mir nich länger! worauf ihm der Scharfrichter antwortet: fühlen Se nur jefälligst hin, Ihr Kopf is schonst runter!

Zweiter Junge. Wenn Des man keene üble Foljen vor Sandten jehabt hat?

Guckkästner. Nein, vor Sandten nich, aber – wir wollen ein anderes Bild nehmen. Hier sehen Sie die jroße Bundestagsversammlung, wie sie Alle zusammen sitzen.

Erster Junge. Weiter nischt?

Guckkästner. Nein! – Rrr! ein anderes Bild: – Hier werden Sie sehen den berühmten römischen Redner Sokratztes, wie er sich vor zwei Silberjroschen Jift hat jeben lassen, und einen janzen Becher voll jekricht hat. Er stürzt ihn mit die Worte herunter: leb' wohl du theures Land, das mir geboren! Seine Schüler stehen in einer Ecke, halten sich die seidenen Schnuppdücher vor die Oogen, un thun so, als wären sie jerührt. – Rrr! ein anderes Bild! – Hier haben Sie einen prachtvollen Anblick, meine Herrschaften; dumme Jungens, wackelt nich so, sonst jeht die Lampe aus!

Zweiter Junge. Na, denn jießen Se wieder Eenen uf de Lampe, det thun Se ja ofte!

Guckkästner. Halt's Maul, un misch Dir nich in Familienanjelegenheiten! Hier werden Sie sehen in das Innere der jroßen van Akenschen Menarjerie, wo sie mehrere furchtbare Insekten erblicken werden, die nur von Raub leben, weil sie nischt verdienen können. Denn unter die Thüre is keine Jewerbefreiheit.

Erster Junge. Da seh' ick ja aber jar keene Ochsen drunter!

Guckkästner. Nein, die stehen janz vorne, die können Sie nich sehen, weil es Vergrößerungs-Jläser sind. Bemerken Sie jefälligst im Hinterjrunde die Behälter mit die dicken eisernen Stäbe. Einige der wilden Thiere ziehen herum, andere liejen an die Erde; rechts sehen Sie einen Seebär, der seine Nothdurft verrichtet.

Zweiter Junge. Is denn keen Publikum da?

Guckkästner. Auf dieses Bild nich, wie es in de Wirklichkeit is, weiß ich nich. Wenn van Aken hier Publikum haben will, kann er sich was malen lassen. Aber jeben Sie Acht, dieses Bild is noch sehr intressant! In die Mitte von die wilde Thiere bemerken Sie den ersten Buchhalter von van Aken, wie er die Bestien erklärt; wenn Sie erlauben, werde ich Ihnen Des mittheilen. Schauen Sie auf, meine Herren! hier werden Sie sehen den jroßen afrikanischen Löwen, der in eine Jegend jefangen jenommen is, wohin noch kein menschlicher Fuß gerathen is. Er is der König der Thiere, hat auch ein euer majestätisches Ansehen un is sehr jrosmüthich, doch muß er sich zuvor satt jefressen haben.

Erster Junge. Det gloob' ick, denn können mehr Leute jroßmüthig sind!

Guckkästner. Schafskopp, der Löwe is doch aber keine Leute; er is blos ein unvernünftijes Thier, un deß se ihm zum König jemacht haben, dadran sind blos de Naturforscher schuld. Lassen Sie Sich jetzt jefälligst von den Buchhalter weiter erklären: Hier werden Sie sehen die jroße Hyjene, welche man im mittelländischen Meere findet, und das niederträchtigste Thier is, was der liebe Jott erschaffen hat. Sie buddelt die Dodten aus die Erde, un frißt sie lebendig.

Zweiter Junge. Jott bewahre mir!

Erster Junge. Na graule dir man nich! Dir thut se nischt, du bist ja noch nich dodt; warte de Zeit ab!

Guckkästner. Hier werden Sie sehen den jroßen Barribal, der nur an das Vorgebirge der juten Hoffnung jedeiht; seine Haut is so schauderhaft dick, daß er niemals naß wird, und wenn er in den jrößten Rejen spazieren jeht. Wenn er fressen will, macht er jedesmal das Maul auf.

Zweiter Junge. Det dhu ick ooch.

Guckkästner. Schade, daß Du keen Barribal jeworden bist! (fortfahrend.) Hier werden Sie ferner sehen den jroßen neun Pfundländischen Seehund, ein Liebling des Herzogs von Wellinkthon, der Herrn Aken bei seinem Anblick seinen ungetheilten Beifall über diese Erfindung äußerte, nämlich der Herzog von Wellinkthon. Er frißt unjeheuer viel Fleisch, und hat ein starkes Fell; sonst besitzt er keine hervorstechende Eigenschaften, als daß er sehr dumm is.

Erster Junge. Det is manches Vieh!

Zweiter Junge. Ja, det mußt Du am besten wissen!

Erster Junge. Det ick Dir nich 'ne Bremse steche, damit Du ooch 'ne Menajerie anlejen kannst.

Zweiter Junge. Na des dhu mal!

Erster Junge. Sehr jern! (schlägt ihn in's Gesicht) Da haste eene! nu brauchste Dir blos noch en paar wilde Thiere anzuschaffen, dann biste van Aken.

(Sie prügeln sich.)

Guckkästner. Stille! kein fremdes Amusemang während der Vorstellung! (fortfahrend.) Hier werden Sie endlich sehen die jroße Klapperschlange, welche nur in einen Welttheil gefunden wird, den ich jegenwärtig jrade vergessen habe.

Erster Junge. Jefunden wird se? Wer hat sie denn da verloren?

Guckkästner. Das sag' ich nich. Sie hat eine sehr bunte Haut un klappert immer, aus welchen Jrunde man ihr auch den Namen Klapperschlange jejeben hat. Ihr Appetit ist schrecklich un ihr Rachen is viel jrößer, als er aussieht; sie kann einen janzen europäschen Ochsen, ohne zu knabbern, mit Haut un Haare verschlucken, weshalb man sich vor ihr sehr in Acht nehmen muß. Sie erreicht ein hohes Menschenalter, und wächst bis zu ihrem siebenten Jahre; nachher wird sie immer jrößer.

Zweiter Junge. Na nu haben Se aber genug an der Manejerie erklärt! Nu weiter!

Guckkästner. Ja, de überlichen Thiere finden Sie ooch in Büffels Naturgeschichte, oder wenn Sie einen Raps haben, ooch da. Jetzt ein anderes Bild – Dorotheee, jieb mir mal de Pulle! (er trinkt.) Hier werden sie sehen den jrosen Kaiser Napoljon, wie se ihm nach Nummer Sicher jebracht haben. Er steht mit verschränkten Armen auf die Insel Sankt Heleena und sieht runter in dasselbe Meer, was auch sein Königreich bespült. Seine treuen Jenerale, die ihm nie verlassen haben, sind alle um ihn her versammelt, un scheinen seine Jefühle zu theilen.

Erster Junge. Herjees, ick seh' ja keenen: Boneparte steht ja ganz Mutterseelen alleene!

Guckkästner. So? (er sieht nach.) Ach richtig! es ist jrade der Moment aufgefaßt, wo se alle fort sind. – Rrr! ein anderes Bild! – Hier werden Sie sehen das herrliche Paradies, in das wir noch leben könnten, wenn die Verführung nich wäre. Die beiden nackenden Menschen, die sich bis uf's Hemde ausjezogen haben, sind Adam und seine Frau, Madam Eva. Sie haben sich hinter einen Busch verstochen, weil sie jenascht haben, un Jott ihnen aufsucht. Sie werden Jott im Hinterjrunde bemerken, wie er mit den Erzbengel Jabriel die Sünder sucht, un sie nich finden kann. Wie er sie nich finden kann, so ruft er Potz Schwerebrett, wo seid Ihr denn? – Rrr! ein anderes Bild! – Hier beobachten Sie seine Herrlichkeit den Papst Aderjahn den siebenten, wie er in de Peterskirche zu Rom jesalbt wird! Sie müssen hier übrijens nich jlooben, das sie ihm ein Stück Salbe von Treu un Nuglischen uffen Kopp lejen, nein, sie jiesen ihm etwas Prowanser Oel un Essig über den Schädel, damit er jenießbar wird. Nachdem dieses geschehen is, setzt er sich aus seinen Jroßvaterstuhl un läßt sich von die höchsten Personen seine Beene küssen.

Erster Junge. Pfui!

Guckkästner. Möchten Sie keine hohe Person sind, und ihm die Beene küssen?

Erster Junge. Ja, 'ne hohe Person möcht' ick woll sind, aber die Beene küssen, pfui!

Zweiter Junge. Sie hätten ihm lieber sollen det Prowanser Oel und den Essig uf de Beene jießen, denn wären se inmarjinirt jewesen.

Guckkästner. Rrr! ein anderes Bild! Hier, meine Herrschaften, erblicken Sie die Ermordung der Söhne Edewartens von Richard und Hildebrand den Dritten.

Zweiter Junge. Na, aber, ick seh' ja keene Ermordung! Die Jungens schlafen ja wie de Kürassiere!

Guckkästner. Dummer Junge, die Ermordung is noch im Hinterjrunde. Auf jeden Jungen kommt ein Mörder, un des is hinreichend. Der Eine von die schändliche Menschen jreift eben in das Bettzeug un sieht nach, ob das Inlett von Seide oder Leinwand is. Der Andere steht hinten, un is sehr böse, daß Der zögert, un sagt zu ihm: Na nu, Jottlieb, nu spute Dir und steche zu, sonst wird et zu späte. – Die Naturjeschichte is übrijens sehr jerecht jejen de Prinzen; je mehr damals jemordet wurden, je mehr wer'n jetzt geboren. – Rrr! ein anderes Bild! – Hier werden Sie sehen die jroße Schlacht bei Antwerpen, wo sich der brave Jeneral Schassee mit den Ellbogen auf einem Steine stützt, und die Beljer zusieht. Holland is in Noth, un schießt doch noch vor! – Die Beljer haben alle Hände voll zu thun, un loofen sich bald de Beene ab. – Das Merkwürdigste bei diese Schlacht is aber, daß die Franzosen die Festung einnehmen, und Schassee sich überjeben muß. Dieses nennt man Sympathie!

Zweiter Junge. Sajen Se mal, wer issen der lange Dünne da, der eben turkelt?

Guckkästner. Das is der Herzoch von Orlejans, der älteste Sohn von die berühmte Jungfrau von Orlejans. Er kann sagen: ooch da gewesen, un in'n Jraben jelejen! – Rrr! ein anderes Bild! – Hier versetze ich Ihnen in das Alterthum zurück, indem ich Ihnen eine schöne Jegend von das berühmte Jriechenland zeije, die alleweile nich mehr vorhanden is, weil de Türken un de Russen da so jewerthschaft haben. Es stellt die jroße Schlacht von Therrmohnpielen vor, wo sich der Feldheer Niohnedas seinen Paß nich hat visiren lassen. Rechts steht der bekannte Redner Demosterich, un hält eine pikante Rede an die Soldaten, worauf diese aber nich achten.

Zweiter Junge. Mußte man denn damals ooch schon Pässe haben, wenn man reisen wollte?

Guckkästner. Ne, das jrade nich, aber Niohnedas war ein Jelehrter, un nebenbei ein sehr pfiffijer Mensch.

Erster Junge. Ach so!

Guckkästner. Ja! – Rrr! ein anderes Bild! – Hier erblicken Sie die Kanalje la Mansche, und auf ihr die janze Enjelsche Flotte. Sie haben keinen Begriff, was Dieses für eine ochsige Flotte is! Sie is, wenn man alle die Schiffe zusammenrechnet, sojar jrößer als die Preu'sche Seemacht, welche sich erst vor einijen Jahren durch das Dampfschiff bei Moabit verjrößert hat. Ein herrlicher Anblick, diese Enjelsche Flotte mit den vielen Mästen und Fahnen, und die rothen Uneformen; erlauben Sie, daß ich Ihnen die Sonne dazu scheinen lasse – (er dreht) – so; nu jenießen Sie die Flotte mit Sonnenschein!

Zweiter Junge. Können Se nich ooch Mondschein machen?

Guckkästner. Nein, in Enjeland jiebt es keinen Mondschein, weil se da de Jaslaternen erfunden haben. – Rrr! ein anderes Bild! – (freudig). Hier sehen Sie den alten Fritzen, wie er mit seine Soldaten Berlin verläßt und Schlesijen besetzen will. Eben holt sich der alte Dessauer Bescheed, wohin es jehen soll; Fritze jiebt ihm zur Antwort: in den siebenjährijen Kriech!

Beide Jungen. (schreien): Ach der alte Fritze, hurrah! der alte Fritze! det war doch noch en jroßer Könich, der alte Fritze;

Guckkästner. Nun ja, et war en jroßer Könich, aber schreit doch nich so, damit wir hier keine Störung erdulden.–> Rrr! ein anderes Bild! – Hier sehen Sie einen Teele-Jrafen!

Zweiter Junge. Det sieht ja nach jar nischt aus! Wozu wird denn son Ding gebraucht?

Guckkästner. Ja, det hab' ick noch nich rauskriejen können. Ick weeß blos so ville, det es viel Jeld kostet; ob dieses aber der Zweck is, kann ich nich sajen, weil ich kein Bürger bin, un folglich keine Rechenschaft zu fordern habe.

Erster Junge. Det haben wir Alles nich verstanden, wat Sie da jesacht haben!

Guckkästner. Det schadt't nischt! Wenn ick Alles so sprechen könnte, wie ick wollte, würd' ick nich mit den Kukasten rumjehen! –

Zweiter Junge. Na, man weiter, man weiter! Keene unnütze Redereien, die zu nischt führen! Ick möchte vor meinen Sechser voll haben un Allens sehen, un ick muß ooch bald zu Hause, sonst werden meine jebratenen Kartoffeln kalt, die mir meine Mutter in de Röhre jesetzt hat.

Erster Junge. Na weene man nich! et stehen noch Kartoffeln in de Röhre!

Guckkästner. – Rrrruhig ein anderes Bild! – Hier werden Sie sehen die beiden spanischen Städte Siewillja und Matritt, beide unter der Herrschaft eines Rejenten, der mir jejenwärtig unbekannt is.

Erster Junge. Mir ooch!

Zweiter Junge. Mir ooch! – Herrjees! det Bild steht ja verkehrt!

Guckkästner (sieht nach). So? Na, das schadt nischt! Manchmal kann man dadurch einen eben so richtigen Bejriff von der Laje einer Sache haben, als wie von vorne! Sehen Sie sich jefälligst die Kuppeln von die vielen Thürme an, un bemerken Sie jefälligst unten unter die Leute, daß es daselbst mehr Faffen und Mönche als Menschen giebt. Wollen Sie vielleicht die Prozession mal mit Fackelschein jenießen, welche Sie da in Matritt sehen?

Beide Jungen. Ach ja!

Zweiter Junge. Fackeln Se aber nich so lange, sonst werden meine jebratene Kartoffeln kalt!

Guckkästner. Haben Sie keine Bange, es dauert keine Ewigkeit mehr! (er dreht). Hier jenießen Sie die Prozession mit Fackelschein; wenn Sie sich satt jesehen haben, haben Sie die Jüte, mir davon zu avertüren. Dorotheee, meine Pulle!

Dorothea. (heimlich zu ihm). Ludwich, du saufst wieder heite wie ne Bombe! (sie giebt ihm die Flasche). Seh' mal, die Thräne is noch det Janze, wat von zwee Silberjroschen übrich is. Wenn det so fortjeht, so versaufst du noch unsern janzen Kukasten.

Guckkästner. (streicht ihr die Wangen). Laß dir dadrum keene jraue Haare wachsen, oller Junge! Ick weeß, du meenst et jut mit mir, aber du saufst noch besser, als ick. (er greift in die Westentasche). Hier haste de Einnahme von heute; jeh rüber nach'n Keller, un laß dir en halb Pfund Doppelten jeben. Aber komm schnell wieder!

Zweiter Junge. Sie da! die Fackeln werden jleich ausjehen, se fangen schon an, duster zu brennen!

Guckkästner. Schadt' nischt, meine Frau wird jleich aufjießen! Uebrijens wollen wir nu ein anderes Bild vornehmen! Rrr! ein anderes Bild – Hier werden Sie sehen die beiden verschütteten Städte Herkulani und Pompejum, wie sie vor die Verschüttung ausjesehen haben. Mehrere Jelehrten buddeln eben in de Erde un finden nischt; im Hinterjrunde bemerken Sie den Vesuv, wie er eben Feuer spuckt. Wat Sie da runterfließen sehen, sind lauter kleene Steene, die man Lafa nennt.

Erster Junge. Na det is mir aber noch nich vorjekommen, det Steene fließen sollen! Die Steene, die ick bis jetzt jesehen habe, die waren so hart wie – wie – Steen.

Guckkästner. Lassen Sie det jut sind; jejen die Natur darf man sich nich uflehnen, sie erreicht Wunder, von die wir keenen Bejriff haben, wie Sie dieses auf des andre Bild sehen werden. Rrr! ein anderes Bild! – Dieses is der furchtbare Klooß zu Rhodus; eine eiserne Fijur, die so jroß is, daß sie mit den Kopp an de Wolken stoßt. Die Jriechen haben diesen Menschen da uffjestellt, damit die jrößten Seeschiffe zwischen seine Beene durchjehen konnten. Sollten Sie es jlauben, daß in seinen kleinen Finger eine Treppe befindlich is?

Zweiter Junge. Ne!

Guckkästner. Ja, sie is drin befindlich. Die Rhodusser bedienten sich dieser Treppe, um raufzujehen. Wenn sie oben waren, so konnten sie bis nach Berlin sehen, obgleich Rhodus viele tausend Meilen von uns entfernt is.

Zweiter Junge. Na, det gesteh' ick aber, der arme Kerel dhut mir leed. Ick möchte nich immer so mit meine Beene über't Meer stehen!

Guckkästner. Wenn Sie von Eisen wären, würden Sie ooch nischt dabei empfinden – Rrr! ein anderes Bild! – Hier werden Sie bemerken den berühmten Thurm zu Pissa, welcher schief is: sein oberstes Ende steht eine halbe Meile weit schräch. Man is darüber noch im Unreinen, ob der Baumeister dieses so beabsichticht hat, oder ob er von der Last der Jahre so jebeucht is.

Erster Junge. Wenn det schräje Ende aber mal runterfällt, so werden ja die Leute da unten dodtjeschlagen!

Guckkästner. Das steht zu vermuthen; doch wissen die Italiener recht jut, daß man nich jleich umfällt, wenn man auch mal schräch is. – Dieser Witz is von mir, meine Herren!

Beide Jungen, (lachen).

Guckkästner. Worüber lachen Sie meine Herren? Lachen Sie über meinen Witz?

Beide Jungen Na det sollte uns fehlen, über sonnen dummen Witz zu lachen. Ne, wir lachen darüber, det Sie den Witz jemacht haben wollen.

Guckkästner. Dumme Jungens, halt das Maul, un laßt jeden Menschen seine Eigenschaften. – Rrr! ein anderes Bild! – (heimlich zu seiner Frau). Dorotheee, mir is janz schwiemlich nach den Schnaps jeworden; der Kümmel dochte nischt; jieb mir mal von die neue Sorte. (er trinkt).

Erster Junge. Na, erklären Sie uns doch!

Guckkästner. Ich bin eben dabei. Dieses hier is der Sankt Jorthard! das höchste Gebirje in der Schweiz, welches Land seinen Namen von den berühmten Schweizerkäsen jekricht hat. Auf den einen Felsen bemerken Sie gefälligst einen Jemsenjäger, der nach einer Jemse schießt un ihr nich trifft.

Zweiter Junge. Herrjees! lieber Mann, Sie turkeln ja hin und her, un der Kukasten ooch.

Guckkästner. Ja, des is von den Schuß!

Zweiter Junge. Ach so! Aber den Schuß scheinen Sie janz alleine gekriecht zu haben, denn die Jemse steht noch immer uf det Jebirje. – Dieser Witz is von mir, lieber Mann!

Guckkästner. Naseweiser Junge, wie kannst Du Dir unterstehen, schon Witze zu machen? Wat jetzt vor'ne Zeit is, det is unerhört; zu meiner Zeit durfte sich keen Mensch über det ufhalten, wat er sah' un wat man ihm zeichte. Junge, Du loofst in Dein Unjlück, wenn De Witze machst! Man muß blos ein ruhiger Zuschauer sind.

Zweiter Junge. Na, na, so jefährlich wird et nich sind! Haben Sie doch ooch Witze jemacht!

Guckkästner. Rehsennire nich noch, Bengel! Mit mir is det was Anderes; ick kann Witze machen, denn mein Vater war von! Ick habe zu Hause noch unser Wappen zu liejen.

Zweiter Junge. Ach det is janz ejal. Wappen oder nich Wappen! Mein Vater is nich von, un ick mach doch en Witz, wenn mir eener infällt.

Guckkästner. (kupferroth.) Der verfluchte Junge läßt det Rehsenniren nich sind! Junge, ick schlage Dir hinter de Ohren, det De Dir um un dumm drehen sollst! (er will ihn schlagen).

Dorothea. (hält ihren Gemahl zurück). Aber Ludwich, mach' doch hier keenen Skandal! Laß doch den dummen Jungen reden so ville er will, du hälst uns ja man uf. (leise). Ludwich, du bist besoffen!

Guckkästner. Rrr! ein anderes Bild! – Hier werden Sie sehen wieder eine Scene aus die Schweiz, wo die Schweizerkäse her kommen, welche die vornehmen Leute essen. Wir gewöhnlichen Leute müssen unsre Kuhkäse schlucken, oder höchstens mal Holländschen, wenn wir Jeld dazu haben. Links steht der berühmte Willem Tell un hat einen jroßen Flitzbogen in de Hand. Der Landvocht Jeßleer mit die schauderhafte Viehsjonomie, welchen Sie rechts erblicken werden, hat ihn befohlen, seinen kleenen Jungen den Borschdorfer Appel von 'n Kopp zu schießen, weil er die Stanje da hinten nich jejrüßt hat, worauf Jeßler seinen alten Filzhut hat ufstechen lassen.

Erster Junge. Na, warum soll denn Tell sonne Stange mit 'n Hut jrüßen, da müßte er ja besoffen sind!

Guckkästner. Besoffen? was wollen Sie damit sajen? Wie so müßte er jrade besoffen sind?

Erster Junge. Nu, ick meene man, et wär' doch dumm von ihm jewesen, wenn er die Stanje jejrüßt hätte!

Guckkästner. Dumm, da haben Sie Recht, dumm wär' es jewesen. Wenn ich Tell jewesen wäre, ich hätte den Jeßleer eine Maulschelle jejeben! Was hat er aber zu thun? Er schießt seinen kleenen Jungen wirklich den Borschdorfer Appel von'n Kopp runter, und sieht nachher Jeßleeren jroß an, als wollte er sagen: siehste woll, du imfamer Kerrel, det ick jut schießen kann!

Zweiter Junge. Na, wat dhut denn nu Jeßleer?

Guckkästner. Darnach hast Du nischt zu frajen, das jeht Dir ein Schmutz an! Jeßleer kann dhun wat er will, davor is er Landvocht. Aber Tell kann ooch thun was er will, davor is er Tell. Auf das nächste Bild werden Sie das bemerken.

Dorothea. (leise). Aber Ludwich, wat redtst Du vor dummes Zeuch zusammen! Den Oojenblick setze Dir hin, un schläfst en bisken aus; de janze Kundschaft jeht zum Deubel, wenn ick Dir länger erklären lasse!

Guckkästner. (setzt sich). Wo hast 'n de Pulle, Dorothea?

Dorothea. Halt's Maul un mach' mir nich ärjerlich! (mit hell kreischender Stimme). Ein anderes Bild meine Herrschaften! – Hier werden Sie sehen die Bergschlucht bei Kiesnacht wo der berühmte Willem Tell den Landvocht Jeßleer einen Pfeil in seine Brust schießt. Jeßleer sinkt von das Pferd und sagt im Sterben: na warte Tell, des soll Dir nich jeschenkt sein! Hinten scheint die Sonne! – Ein anderes Bild meine Herrschaften! – Hier erblicken Sie die jroße Jule-Revlution zu Paris, welche drei Daje jedauert hat, und dann alle war. Die Bürjer empörten sich, weil der Könich Ludwich Philipp ihnen hat die Ordonanzen wegnehmen wollen, un der Minister Polenjacke ihnen dieses erklärt hat. Sie werden jefälligst bemerken wie den Soldaten einige Steene jejen den Kopp fliegen, und das dieses einen unanjenehmen Eindruck auf sie macht. Ueberall liegen die Dodten und Verwundichten, welche von den königlichen Kujeln plessirt sind. Der da rechts mit den rothen Stock und die Fahne is der alte Lafajette. Er führt die Bürjer an, und will mit ihnen das Schloß der Talljerinnen besetzen. Die königlichen Jrenadiere empfangen sie mit einer Salve aus ihren Jewehren. Lafajette läßt sich aber dadurch nich irre machen un schreit: Vivat die Libertee! un Bumms, da hat er die Talljerinnen!

Zweiter Junge. Hat er se denn noch?

Dorothea. Ne, er hat sie an Carl des Zehnten überjeben, einen Könich aus dem Hause der Bonbons.

Guckkästner. (zu seiner Frau.) Ach, rede doch nich son dummes Zeuch zusammen. Wenn de keen Jedächtniß hast, denn scheer' Dir vonn Kasten! (er steht auf.) Carl der Zehnte, meine Herren, das ist der, welchen die Pariser abjesetzt haben. Derjenije, welchen meine Frau abgesetzt hat, das is Ludwich Philipp, der jejenwärtije König von Frankreich. Meine Frau, kann aber keenen Könich absetzen, also bleibt er noch ne Weile! (er schiebt seine Frau bei Seite.) Wech da! Laß mir man wieder. – Rrr! ein anderes Bild! – Hier stellt sich Ihnen das berühmte Kolloßeum bei Rom dar. Sie müssen nich jlauben, daß dieses eine Tanz-Tabajie is, wo die alten Römer für Sechs-Dreier einen Jalopp mit ihre Liebstens riskirt haben. Nein, dieses ist weiter nischt als ein Jebäude, welches der Kaiser Fesperjahn von eine fürchterliche Menje Juden hat bauen lassen, und worin er sich von die römischen Schauspieler unter Jottes freien Himmel wat vorspielen ließ. Das Kolloßeum is eins von den jrößten Jebäuden, welche je ein Mensch erbaut hat. Es hat alleine über elf Millionen Zuschauer jefaßt, un noch nich mal so viele!

Erster Junge. (lacht.) Der Witz is jut!

Guckkästner. Ja, der is von mir. – Rrr! ein anderes Bild! Hier sehen sie das Jejentheil von das Koloßeum, nämlich: die kleine Spittelkirche in Berlin, welche auf die Leipzigerstraße stoßt. Wenn es regnen will, so wird sie eingewickelt, un in den Dhorwech da nebenan jebracht, damit sie nich naß wird.

Zweiter Junge. Det soll schon wieder en Witz sind! Machen Se schnell, det Se fertig werden un reißen Se lieber keene Witze, sonst giebt mir meine Mutter jebratene Ohr-Feigen statt jebratene Kartoffeln! – Det war ooch en Witz!

Guckkästner. Das Maul halten und mir nich stören! – Rrr! ein anderes Bild! Hier werden Sie sehen die jroße Schlacht bei Praja, welches in Polen liecht. Vorne sehen Sie die Sensenmänner, welche sich sehr tapfer halten. Meine Frau kann ein Lieb darauf. Dorotheee sage mal det Lied her!

Dorothea.

»Wat sind denn det vor Sensenmänner,
Wovon so oft in Zeitung steht?«
Fragt Hans, der neben Petern geht.
»Ick bin just keen polit'scher Kenner!« –
»Det weeßt De noch nich? Na, so höre,«
Spricht Jener drauf und sieht ihn an,
»Die trajen Sensen statt Jewehre
Un jehen in de Schlacht voran.
So'n Kerl kann wat vor sich bringen;
Drum heeßt's ja in de Zeitung schon
So wie sie in die Feinde dringen.
Entsteht sogleich 'ne Sensation

Erster Junge. Det Lied is hübsch; det möcht ick auswendig lernen. Det jefällt mir besser wie meine Sprüche, die ick immer des Sonnabends hersagen muß.

Guckkästner. Na, nu is es jut; nu weiter! – Sie sehen auf das Bild noch den berühmten Feldmarschall Stiebitz, der sehr berühmt is. Er sitzt auf einen Feldstuhl un sieht die Sache mit an; wie er sieht, daß es nich mehr recht jehen will mit de Russen, drehter sich um, un läßt Retriren blasen. – Die Inserjenten, oder wie sie immer die Leute nennen, mit eenen Worte: Die Polen haben die Schlacht jewonnen und freuen sich.

Erster Junge. (lachend.) Na, wat is denn det! Sehen Se mal, hier kitzelt mir immer Eener!

Guckkästner. Rrruhig! ein anderes Bild! – Hier stellt sich Ihnen die Bestürmung von Warschau dar. Es jeht blutig her un Tausende von Menschen fallen wie todt hin. Die Russen haben nach un nach die Ueberhand jewonnen, un Polen is verloren.

Erster Junge. (weint.

Guckkästner. Na wat weenst Du denn, dummer Junge?

Erster Junge. Ach Jott, ach Jott! hier hat mir Eener meine Mütze von'n Kopf jenommen, un is damit ausjekratzt.

Guckkästner. Nu so loof ihm doch jeschwinde nach un seh zu, det Du se wiederkriechst! (zu dem andern Jungen) Du, loof doch mit ihm!

Zweiter Junge. Wozu denn? Der kann alleene jehen. Ick will wünschen, det er se wiederkricht.

Erster Junge. (kommt zurück und weint noch mehr.)

Guckkästner. Na, hat er se Dir nich wieder jejeben?

Erster Junge. Ne, Wie ick mir meine Mütze wiederforderte, sagte er: et wär seine, un jab mir noch en Katzenkopp, det ick mir um un dumm drehte.

Guckkästner. Na, denn haste doch etwas jekricht. – Nu plinse nich länjer un seh wieder rin; es is sogleich alle. – Rrr! ein anderes Bild! – Hier zeige ich Ihnen den schönen Anblick der Stadt Potsdam mit ihre Umjebungen. Das Haus, was sie im Hintergrunde sehen, ist das Schloß Sangssussi, welches der alte Fritze nach den siebenjährigen Krieg hat bauen lassen, um seine Feinde zu überzeugen, daß er noch Groschens hatte. Das kleine Gebäude nebenbei is das Sangssossischen: ein sehr jeschmackvolles Haus. Rechts sind die Brauhausberje, auf deren höchsten Standpunkt man eine reizende Aussicht jenießt, das heißt bei Daje, wenn man was sehen kann. Bei Nacht is es in Potsdam immer janz finster! – Rrr! ein anderes Bild! – Hier werden Sie ..... Kotz Schwerebrett, det war ja det Letzte. Na nu is es alle, meine Herrschaften; nu jehen Se nach Hause un rekommandiren Sie mir. Haben Se sich amesirt an meine Kunstwerke?

Erster Junge, (indem er fortgeht.) Die janze Jeschichte war nich en Dreier werth!

Zweiter Junge. Nich'n Pfennich!

Guckkästner. I Ihr verfluchte Jungens! nu ick mir hier vor eenen Jroschen de Zunge entzwee gereedt habe, wollt Ihr Euch nich amisirt haben? Dorotheee! nimm mal den Stock un zieh die Kanalljen en Paar über't Kreuz!

Beide Jungen. (retitirend.) Aeh! wir werden uns ooch jleich krijen lassen, er dämlicher Bildermatz!

Guckkästner. Nein, das is um die Crepanse zu kriejen! (ruft die Vorübergehenden an) Immer rann, meine Herren un Damen, einen Sechser das Loch! Solche verfluchte Jungens! Dorotheee, jieb mir mal meine Pulle her! (er trinkt.)

Dorothea. Immer rann meine Herren und Damen, einen Sechser das Loch! So! treten Se näher!

Guckkästner. Sind alle Löcher besetzt?

Dorothea. Ja!

Guckkästner. Schauen Se auf, meine Herren, jetzt jehts los! Hier werden Se sehen die jroße Schlacht bei Leipzich, wo de Preußen ihre Ehre wieder kriejen. Im Hinterjrunde auf einen Hügel steht der Kaiser Napoljon, und sieht durch seinen Opernkucker zu. Sein Adjudant sprengt heran un sagt: Majestät de Schlacht is verloren! Schön, sagt er!

Und so weiter!


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