Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Titelblatt

V. Heft.
Berliner Fuhrleute

Mit einem colorirten Titelkupfer.

Dritte durchaus vermehrte und verbesserte
Auflage.

Mit einem colorirten Titelkupfer.

Leipzig, 1843.

Verlag von Ignaz Jackowitz.

Berliner Fuhrleute

Berliner Fuhrleute

 

Berliner Fuhrleute.

Diese zerfallen, ihrer geschäftlichen Bestimmung nach, in drei verschiedene Klassen, in Charlottenburger, Fiaker und Sandbuben. Wie dieselben sich auch in ihrem Charakter und in ihrer Ausdrucksweise unterscheiden, wird der geneigte Leser bald erkennen, wenn er die nachfolgenden flüchtigen Skizzen an seinem Auge vorübergehen läßt.

 

Charlottenburger.

Unter diesem Namen sind diejenigen Fuhrleute bekannt, welche mit ihren Wagen vor dem stolzen Brandenburger Thore halten und das Publikum nach Charlottenburg fahren. Dieser freundliche Ort liegt zu Ende des Thiergartens und wird von den Residenz-Bewohnern zu allen Jahreszeiten lebhaft besucht. Er hat eine schöne breite Straße mit zahllosen Gasthäusern und öffentlichen Gärten, ein Schloßtheater, einen Polizei-Commissarius und mehrere Gensd'armen. Man genießt hier, so zu sagen, die freie Luft, darf nicht rauchen, mustert gegenseitig die Kleidung, amüsirt sich auf solche Berlinische Weise bis die Sonne untergeht, und fährt dann wieder nach der Stadt zurück, deren Siegesgöttin alle Heimkehrende mit dem Rücken willkommen heißt.

Die Charlottenburger sind, ohne dem Straßenpöbel zu nahe treten zu wollen, unstreitig die roheste Klasse aller Berliner Plebejer. Bei ihnen schimmert nicht einmal, wie bei den Eckenstehern, durch ihren physischen und geistigen Schmutz die Gemüthlichkeit durch, sondern sie sind das vollständigste personificirte Register aller Gemeinheit. Saufen, Spielen und Gedankenstrich –, so heißen ihre Tugenden, in denen sie sich täglich zu vervollkommnen suchen, und ihre blassen Gesichter und todten Augen sind das sprechendste Bild innerer Nichtswürdigkeit.

Ihr Umgang untereinander ist ganz charakteristisch. Maulschellen sind bei ihnen Versicherungen der Freundschaft, sich Fußtritte geben heißt bei ihnen höchstens: unangenehm werden, und wenn sie sich Augen aus- und Arme und Beine entzweischlagen, so grollen sie miteinander. Von dem vielen Anschreien haben sie eine widerlich heisere Stimme bekommen, und es ist, wenn auch komisch, eben nicht angenehm, ihre verschiedenen Exclamationen zu hören, von denen ich hier einige mittheilen will.

»Lude! hest De schonst heute zu ne Prise Toback verdient? Bei det schlechte Wetter kommt keen Mensch un keen Ochse, ick sitze hier janz alleene!«

»Na suchen Se doch nich so lange um det bisken Jeld. Joseph! leichte mal hier her mit de Luterne, der Baron hat een Sechser verloren!«

»Kilian! mach' de Sitze reene, Schaafskopf! wollen wir spielen.«

»Wisch mal hier den Dreck wech, Pamuffel! Aber nimm Dir in Acht, bet De Dir nich drunter vermengelirst!«

»Talbot! nimm mal den Proppen ab, laß mir Eenen runterwürgen!«

»Loos mal da unter die Heerde Rindvieh, Jottschalk! Aber mach Dir een Zeichen, damit wir Dir wieder raus finden!«

»Crischtjan! hier woll'n se Keilerei haben! ick habe aberscht Anhang; die janze Choßee steht mir bei!«

»Hat Keener keenen Schwamm nich?« – »Ne haben dhuen hab' ick keenen, aber kriejen kann et sind, det ick welchen dhue!«

»Madamken! mit den Keerel fahren Se nich, den sein Wagen stuckert Ihn zusammen wie Karmnade! Fahren Se mit mir, bei mir wer'n Se jut ufgehoben.«

»Lude, Dein Pferd –! Setz' Dir drunter un seh' nach 'n Himmel!«

»Heda, Herr Jraf! Sein Se doch kenn Theekessel und setzen Se sich in den seine Nußschaale. Komm'n Se bei mir, hier könn'n Se vor 3 Silberjroschen eine Kalesche jenießen!«

»Mein Wagen is schon janz voll! Jehen Se da hinten hin nach den Schimmel, det is mein Vater!«

Und so weiter, und so weiter. Lassen sich ein paar Personen in ihrer Nähe sehen, so umzingeln sie dieselben und offeriren ungestüm ihre schlechten Wagen; ist dies aber nicht der Fall, so trinken sie zusammen oder setzen sich in einen ihrer Rippenbrecher und spielen Karten. Dabei fallen natürlicherweise Streitigkeiten vor, die aber bald durch Faustschläge und andere Real-Injurien wieder beseitigt werden.

Mit ihren Pferden, im Militairdienst grau geworden und bei den Auktionen auf dem Opernplatze für ein Billiges erstanden, gehen sie mehr als unmenschlich um. Man sieht nicht selten einen Wagen, in welchem 12 Personen sitzen, von solch einem unglücklichen Thiere gezogen, dem die Rippen über eine halbe Elle hervorstehen. Damit jagen sie nun hinaus und zurück, futtern ihre Pferde homöopathisch und trinken dafür allopathisch Branntwein. Abends, nach vollbrachtem Tagewerke, gehen sie in gemeine Häuser und bringen ihren Verdienst durch.

Ihr Lieblingslied ist:

Branntwein drinken, Schaafkopp spielen,
Det is mein Plaisir
Uf de Wagens hier.
Hexel fressen, Wasser soofen
Muß mein Pferd, un düchtig loofen:
Denn bringt's Jroschens mir;
Det is mein Plaisir!

   

Knuffen, buffen, Toback roochen,
Det is mein Plaisir
Uf de Wagens hier.
Eene lumpijte Perschon
Fehlt hier blos noch, Herr Baron,
Fahren Sie mit mir!
Det is mein Plaisir!

   

Eenen Dag wie alle Dage,
Det is mein Plaisir
Uf be Wagens hier.
Un jehts endlich mal zum Himmel,
Reicht mir Petrus einen Kümmel:
Bruder, biste hier?
Det is mein Plaisir!

 

Fiaker.

Die zunehmende Bevölkerung und Cultur Berlins und der gesteigerte Verkehr von Fremden, welche die Eisenbahnen und die jetzige geistige und politische Bedeutsamkeit der preußischen Residenz herbeilocken, haben die sechszig engen, unbequemen und erschrecklich langsamen Einspänner, Droschken genannt, verdrängt und an ihrer Statt gegen tausend Fiaker in Bewegung gesetzt. Ist diese nun auch nicht so schnell wie die Wienerische, wo alle Bewegung in den Fiakern zusammengedrängt ist, so erfüllen sie doch billige Ansprüche für einen außerordentlich billigen Preis, und haben den großen Vorzug vor ihren süddeutschen Collegen, daß Derjenige, welcher statt der eigenen zwei, vier oder acht fremde Füße benutzen will, nicht erst zu feilschen braucht. Die treffliche Berliner Polizei hat den Fiakern eine Taxe gesetzt, welche sie nie überschreiten dürfen, ihnen mithin jede Willkühr abschneidet, und den Fremden der oft so unangenehmen Begegnungen mit solchen ungebildeten Leuten überhebt.

Eben durch diesen geringen Verkehr mit dem Publikum, und theils durch ihre Jugend als specieller Stand, entbehren die Berliner Fiaker aller Eigenthümlichkeit. Sie sind nicht fröhlich, nicht traurig, nicht besonders höflich, nicht besonders grob, nicht roh und nicht polirt, nicht so dumm, daß sie sich foppen ließen – das thut kein einzelner Berliner! – und nicht so gewitzt, daß sie Andere foppen könnten. Sie haben ihren bestimmten Lohn, ihre bestimmte Zeit, ihre bestimmte Frau oder Liebste, und rechnen so bestimmt auf einen monatlichen Ueberschuß durch Trinkgelder und durch ihr schlechtes Gedächtniß, welches sie zuweilen die Marke an den Passagier zu geben versäumen läßt, daß sie kaum eine heitere Miene zeigen, geschweige sich lebhaft bedanken, wenn man ihnen statt der gesetzlichen fünf Silbergroschen noch einen liberalen sechsten in die große Hand legt. Eben so wenig aber merkt man einem Fiaker Verdruß ab, wenn ihn ein Passagier von süßer Unterhaltung mit einem braunwangigen und rotharmigen Dienstmädchen abruft, oder wenn er sein Glas Weißbier nicht austrinken darf, das er so eben vor einem Victualienkeller, deren es in Berlin Tausende gibt, an den Mund setzt; oder wenn er seinen Kameraden eben eine höchst wichtige Mittheilung machen wollte, die nun, auf wer weiß wie lange, unterbrochen wird, oder endlich, wenn er seinem in freundschaftlicher Hochachtung zugethanen Pferde den Futtersack wieder abnehmen muß, den er ihm so eben vorgebunden hatte. Es ist einmal seine Pflicht, zu fahren, sein Schicksal, gestört zu werden. Wann, wie, wo und was? diese Fragen existiren für ihn fast gar nicht. Er kann Hunger und Durst, Wind und Wetter ertragen; die Liebe macht ihm auch wenig Qual; er fährt »die Menschen« zu Reisen und zu Vergnügungen aller Art, ohne zu murren, und dämmert ja ein Mal ein Gedanke an seine Sklaverei in der Seele auf, so zieht er die Augenbrauen zusammen, klopft seinem Pferde den Hals und sagt zu ihm: »Dir jeht et noch schlechter als mir, Hans, nich wahr?« Das Pferd nickt mit dem Kopfe, der Berliner Fiaker ist beruhigt, setzt sich wieder auf den Bock und schaut theilnahmlosen Blickes in die bunte Welt hinein.

 

Sandbuben.

Die reizenden Umgebungen Berlins, bieten den erwachsenen Straßenjungen einen Nahrungszweig, der, obgleich nicht sehr viel Früchte tragend, doch zu Kümmel und Brod genügend abwirft. Früh Morgens setzen sich je Zwei und Zwei dieser ohne Gewerbeschein handelnden Jünglinge in ihren kleinen Bretterwagen, legen Spaten und Molle neben sich, und fahren hinaus vor das Thor, um von dem für sie so sehr besorgten Boden ihre Waare zu entnehmen und aufzuladen. Die Sandfuhrpferde sind der Superlativ der Charlottenburger, d. h. ihre Rippen stehen noch weiter hervor, sie ächzen und stöhnen, ziehen aber geduldig den belasteten Wagen, auf den sich noch ihre Herrscher setzen, nach der Stadt zurück. In der Stadt selbst halten die Sandkutscher vor jedem Hause still, der Eine bleibt auf dem Sande sitzen, der Andere aber nimmt die gefüllte Molle auf die Schulter und bietet schreiend den Inhalt feil. »Kooft Sand, Sand! Madamken, heute keenen Sand?« – »Nein!« – »Na denn man immer jüh!« Mit diesen Stereotypen wandeln sie von einem Hause zum andern, bis der Waaren-Vorrath sein Ende erreicht hat, und das eingenommene Geld in den Taschen klimpert.

Sie sind nicht gar so roh wie die Charlottenburger, aber auch nicht zart, und wer sich ein ziemlich vollständiges Register aller Schimpfnamen und gemeinen Redensarten anlegen will, dürfte einen Tag mit ihnen herumfahren und lauschen. Da geschehen Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen sich unsere Schulweisheit nichts träumen läßt! Auf ihr Inneres hallen sie nichts und auf ihr Aeußeres gar nichts; sie sind innen und außen Lumpen.

Sie singen:

Hier, Fritze, is de Molle!
Doch mach' se nich zu volle;
Streich' ab noch mit de Hand –
»Kooft Keener keenen Sand?«

Schon bei den frühsten Schimmer
Fahr' ick zum Kreuzberch immer,
Da ist de Waare schön,
Der Vorrath ooch nich kleen.

Hab' ick den Sand in'n Wagen,
So dhu ick sachte fahren
Mit Hansen nach de Stadt,
Wo man de Jroschens hat.

Un hab' ick Kies bekommen,
Wird Eener mal jenommen;
Rasch in de Tabajie:
»Na denn man immer jüh!«

 

Scenen aus dem Leben der Fuhrleute.


Die Charlottenburger.

I.

Hiob. Dunnerwetter! heute is höllisch heeß!

Lude. Zieh' Dir'n Pelz an.

Caro. Denn wer ick Dir uffen Pelz kommen!

Hiob. Du, Schaafskopp, willst mir uffen Pelz kommen? Sonne Motte wie Du bist, die zerdrück' ick, wenn ick mir umdrehe.

Caro. Fang' nich an zu schimpfen, Du weeßt, darin bin ick Meeter; ick bin der Jemeenste von Euch, det wird mir Keener streitich machen.

Moritz. An mir denkste woll nich, Caro?

Caro. O ja! Du bist noch der Eenzige, der sich mit mir messen kann.

Lude. Hat Keener keene Pulle nich, woraus man sich wat entnehmen kennte?

Tobias. Haste all wieder Durscht? Lude, Du wirscht noch mal en Säufer werden.

Lude. Halt's Maul, Tobias, sonst bin ick 'ne Schwalbe un setz mir über Deine Oogen!

Caro. Der Witz is jut! Ich versteh' mir uf jute Witze!

Hiob. Dein Vater muß det aber woll nich verstanden haben, sonst wärscht Du nich. Det Jemeene muß Dir Jeder lassen, aber uf Witze nimm Dir keenen Jewerbschein, sonst jehste zu Jrunde.

Lude. Ick fraje nu noch mal: hat Keener keene Pulle nich? Mir durschtert!

Hiob. Wenn Ihr Jeder en Sechser spuckt, so kann Jeder en orndtlichen Hieb aus meine Pulle nehmen, aber zuerscht muß ick mir benetzen.

Die Andern. Ne, denn laß man! Det woll'n wir noch beschlafen!

Hiob. Na denn –, und bleibt meine Freinde!

Tobias. Hör mal, Caro, Du leest ja de Zeitungen, kannste uns nich erzählen, wie't in de Fremde aussieht?

Caro. O ja, in Schpanjen is et jetzt sehr eeklich.

Lude. Det is nischt Neies. Wer hatten sich da erzürnt?

Hiob. Frajt doch den Dämel nich! Wat versteht denn der Rumdreiber von Politikerei! Ick wer't Euch Alles haarkleene auseinandersetzen: setzt Euch aber mal erscht zusammen, un zwarscht hier uf meinen Zweespänner. So! Sitzt Ihr Alle?

Die Andern (setzen sich auf einen Wagen). Ja!

Hiob (springt herunter). Na denn bleibt ruhig sitzen. (Er läuft fort.)

Die Andern (laufen ihm nach, fassen ihn und prügeln ihn jämmerlich durch).

Hiob (wischt sich das Blut ab). Na nu hört uf mit den Spaß. Nu mach ick Ernst; kommt Alle uffen Wagen!

Moritz. Vexirste uns noch eenmal, denn biste jewesen!

Alle (setzen sich).

Hiob. Seht mal, in Schpanjen is der Könich jetzt dodt. Nämlich eenen Dach kricht er det Nasebluten un de Auszehrung, un wie er an andern Dach ufwacht, is er dodt. So wie er nu dodt is, so stehen sämmtliche Tobacksfabrikanten uf un machen Resolution, weil se keene Cijaren mehr los werden; – un uf den Thron sitzt keene Seele.

Moritz. Na un nu?

Hiob. Wie so denn?

Moritz. Na, wer nu kommt?

Hiob. Ja, nu is doch noch ein Infam da, der war sehr viel jeloofen, und war müde geworden, un wollte sich't uf den Thron bequem machen. Die Wittwe aber, Madam Ferdenanten, wollte det Jeschäft alleene fortsetzen, und sacht zu ihm: Karlos, verzieh' Dir! Darauf verschwindt er, sucht sich seine Anhenger ......

Lude. Wurde er jehangen?

Tobias. Ne, se warten noch –, damit de Strippe nich deier wird.

Hiob. Halt de Schnauzen un laaßt mir ausreden!

Tobias. Ja.

Hiob (wütend). Ruhich!

Lude. Ne! (Alle steigen wieder vom Wagen herunter.)

(Allgemeine Prügelei.)

Ein Gensd'arme (faßt den Tobias beim Kragen). Auseinander!

Tobias. Ja, Herr Jensdarmerie, ick alleene kann doch nich auseinander jehen! Die Andern halten mir ja feste.

Gensd'arme. Ihr mußt hier Alle auseinander! Zaruck da! Keine Keilerei darf hier nicht Statt finden! (Die Prügelei läßt nach.)

Lude. Ick denke, vor Berlin derff man sich keilen?

Gensd'arme. Nirgends! Nicht drinn und nicht draußen!

Lude. Det is doch ooch komisch! Nich ma vor't Dhor jönnen se einen Keile.

Gensd'arme. Nicht räsonnirt, oder ich laß ihm arritiren!


II.

(Mehrere Charlottenburger sitzen in einem Wagen und spielen Karten.)

Brommler (promenirt unter den Bäumen und singt):

Du, Du liegst mir im Herzen,
Du, Du liegst mir im Sinn!
Du, Du machst mir viel Schmerzen,
Weißt nich, wie jut ich Dir bin!
Ja, ja, ja, ja!
Weißt nich, wie jut ich Dir bin!

   

Du, Du jloobst, Du bist schöne.
Des, des jloobe nur nich!
Du, Du hast krumme Bcene,
Düs, düs verdrießißet mich!
Ja düs, ja düs
Verdrießißißißißet mich!

   

Morchel. Wat hast Du'n ausgespielt, Schwabb?

Schwabb. Ick? Kreiz-Dame! – Heda, Madamken, wollen Se fahren? Ne, die will nich; die seht sich 'n Dhierjarten an, del kost't nischt.

Kruke. Der Stich is ja meine!

Morchel. Wat is Deine? Jibste den Stich her, oder ick stech' Dir eene, die Dir Keener streitich machen soll.

Peter. Kruke, Du hast bedrojen! Ick habe't gesehen, Du hast Dir de Zehne rausjezogen aus't Spiel, un hast 'ne andre hinjeleecht.

Kruke (lacht). Ick bin en Zahnarzt, wenn ick de Zehne so jeschickt rausziehe. Del nennt man überjens nich bedriejen, det nennt man: fein spielen.

Morchel (giebt ihm eine merkwürdige Maulschelle).

Kruke. Wat willsten damit sagen?

Morchel. Det nennt man keine Maulschelle, det nennt man streicheln.

Kruke (schlägt den Morchel mit der Faust unter die Nase, daß diese blutet). Det nennt man einen jelinden Nasenstüber.

Morchel (reißt ihm in der Wuth eine Hand voll Haare aus dem Kopf). Und dieses nennt man kämmen!

Kruke (wirft ihn mit beiden Händen aus dem Wagen auf die Erde). Un dieses nennt man Adje!

(Pause.)

Schwabb. Na, wozu sind'n nu die Witze? Sowat hält man uf, un stört det Spiel. (Zu Morchel) Komm wieder ruf, Bruder!

Morchel (liegt noch unten und stöhnt). Ach, O!

Kruke (sieht hinunter). Na den scheint die Erschütterung anjejriffen zu haben.

Morchel (mit gebrochener Stimme). Ach – ich kann keenen – Aten holen – ick sterbe.

Kruke. Na denn wünsch' ick Dir verjnüchtet Fejefeuer! Ick wer Dir'n Monement uf't Jrab setzen! – Un in de Dodtenliste soll kommen: Morchel, Fuhrjeselle, 27 Jahr, Hinfälligkeit.

Morchel (wie oben). Ick – sterbe; – laß mir man wieder – ufstehen, – Dir schlag' ick den Kopp in!

Peter. Er scheint sich schonst widder zu erholen.

Kruke. Unkraut verjeht nich.

Schwabb. Na Du sei übrigens janz ruhich! Wenn der da unten widder zu Kräfte kommt, un reicht Dir eene, denn kannste Deinen Kopp uffen Exerzierplatz suchen.

Peter. Den sein Kopp uffen Exerzierplatz? Ne, da find't er'n janz gewiß nich! Daruff möcht' ick wetten, det den sein Kopp in eene von die Schnapsbuden fliecht.

Schwabb. Da kannste Recht haben! Den sein Kopp drinkt noch drei Dage nach seinen Dode.

Morchel (erhebt sich langsam). Wer is denn an't Jeben?

Schwabb. Ick war zuletzt Schaafskopp.

Morchel (auf den Wagen steigend). Du hast Dir wenich verändert.

Schwabb. Na fängste schon wieder an schlechte Witze zu machen? Du hast woll lange nich unten jelejen? – Heda, Herr Baron! wollen Se mit de Madam Baronin ufsteigen? (Er springt hinunter.)

Peter (ebenso). Herr Baron, fahren Se mit mir! Den seine Pferde sind zu steif! Die haben schonst Anno dreizehn bei Leipzich mitjefochten! Man kann jar nich in Zweifel sind, wenn man det unjlückliche Pferd ansieht, det et en Freiheitskrieg mitjemacht hat. Sehn Se dajejen mal meinen Schimmel! Det is en Vieh, wat?

Schwabb. Halt's Maul! Herr Baron, lassen Se sich mit den sein Schimmel nischt weiß machen. Sehn Se mal, wie knickerbeenich der da steht. Wenn det Vieh nich noch die Paar lumpige Füße hätte, et käme nich von de Stelle!

Brommler (den Herrn am Arm haltend). Herr Jraf, dhun Se mir den Jefallen un setzen Se sich nich in den seine Nußschale! Steigen Se bei mir ein! Bei mir können Se vor drei Silberjroschen eine Kalasche jenießen! Un det Pferd, wat der Kerl hat! Det Pferd hat jar keenen Vater jehabt, un de Mutter war en Esel.

Schwabb. Dämlijer Kerl: mein Alexander hat det letzte adlije Pferderennen mitjemacht!

Brommler. Ja, det is wahr; et war als Hinderniß da; der Reiter kam nich von'n Fleck mit des Thier. (Er läßt den Herrn los und läuft zwei Damen entgegen.) Meine Damens, wenn Se nich wollen zu Karmnade zusammenjestuckert werden, denn steijen Se in meine Kalasche! Bei mir fehlen man noch zwee lumpije Perschonen, denn jetzt et ab!

Eine Dame. I der Wagen is ja noch ganz leer!

Brommler. Det täuscht! Det blend't blos so in de Sonne. Un denn sehn Se, Madamken, wenn erscht Zwee drin sitzen, denn steigt Allens nach. Der Herr da steigt jleich bei mir ein. (Dem Herrn zurufend) Nich wahr, Herr Jraf, Sie fahren mit mir? – Sehn Se, meine Damen, det is'n Jraf, mit den wer'n Se sehr jut fahren; der Mann besitzt 'ne schöne Unterhaltung, den kenn' ick.

Der Herr. Ich will einsteigen; aber ich steige gleich wieder aus, wenn Sie nich augenblicklich fahren. (Steigt ein.)

Brommler (hilft ihm). Ick sage Ihnen, Exlenz, wir sind schon unterwejens. (Nach einer kleinen Pause.) Den Oojenblick jeht et ab! (Einem andern Herrn zurufend) Sie da! Heda, Sie! Hier jeht et ab! (Läuft hin.) Hören Se mal, bester Herr, det schöne braune Pferd da, wo die drei Herrschaften drinn sitzen, det bin ick. Haben Se de Jüte un fahren Se mit?

Der Herr (im Wagen). Ich steije aus, wenn Du nich augenblicklich fährst!

Brommler (halblaut). Na na, ooch noch Du! In die jlücklichen Zeiten der Unschuld, wo wir uns Alle Du nannten, leben wir nich mehr. (Reibt sich die Augen.) Schöne, schöne, Herr Jraf, jleich! Mir is man blos wat in de Oogen jeflogen. (Rufend) Heda, Sie! Hören Se mal: Sie! Hier jeht et in diesen Oogenblick ab!

Der Herr (entrüstet). Willst Du nun fahren oder nich?

Brommler (mit größter Ruhe). Ja, wie jesagt, den Oojenblick. Ick will man blos noch den Riem hier anschnallen. (Rufend) Sie da! Hier! – (Zum Herrn) Wie jesagt, wir sind schon unterwejens. (Rufend) Sie da! Hier! Hier jeht et ab! (Für sich, aufsteigend) Ne, der jetzt ooch spazieren. Na denn hilft et nischt. (Halblaut) Denn mußt Du fahren, Brommler, wenn Sie wollen so jut sind, Brommler. (Nimmt die Peitsche) Hühl Olle hüh! (Fährt sehr langsam und sieht sich noch immer nach Passagieren um.) Heda, Herr Baron! Na? Ne! Allens looft! Det verdammte schöne Wetter!


Zwei Fiaker.

(Sie füttern ihre Pferde mit Commisbrod und essen mitunter selbst davon.)

Breet. Sage mal, wat meenstDu'n, Sterke? Nich wahr, Du bist derselben Meinung?

Sterke. Erscht mußte Dir äußern.

Breet. Ick meene, det unser Staat immer unjeheuer fortschreit.

Sterke. Er schreit immerfort? Wie verstehsten det?

Breet. Fort-schrei- tett! Denn wie wir noch bei Henochs dienten un nich mehr als 60 Droschken waren, det sind noch kaum 20 Jahre her, un anjetzt sind wir jejen dausend Firackers.

Sterke. Det is janz natürlich, weil viel jejen unsere Langsamkeit jeschrieben wurde un jesprochen. Endlich mußte doch am Ende de Pollezei hören un Conkerrenz machen.

Breet. Also nützt det Räsenniren doch wat?

Sterke. Det versteht sich am Rande. Wenn nich räsennirt würde, so bliebe Ailens beim Alten. Denn die Minister, die denken nich dran, wat zu ändern, wenn et det Volk nich verlangt. Aber so wie det Volk will, so müssen se; da wäscht ihnen keen Rejen ab.

Breet. So?

Sterke. Ja woll! Un seh' mal, wat sich Allens seit dunnemals verändert hat. Wir haben en neuen König, wir haben Eisenbahnen, et sind mehr Fromme jeworden, Zeitungen sind verboten worden, wir haben 'ne Constution, un der rothe Adlerorden vierter Klasse jeht noch so jut wie früher.

Breet. Du, is'n det wahr, det wir 'ne Constution haben?

Sterke. Ob! Stark haben wir eene! Ick habe selbst mal so 'nen Landständer von unter de Linden nach de Constution jefahren. Der Mann schlief de janze Zeit über, un bei de Constution mußt' ick'n wecken. Wie er ufwachte, rieb er sich de Oogen un sagte: allerunterthänigst!

Breet. Na det freut mir überjens, det wir det durchjesetzt haben, det wir 'ne Constution haben.

Sterke. Ja, wat wer'n wir nich, wir setzen Allens durch.

Breet. Na, hör' mal, überjens, ick jloobe: wir Beede haben nischt zu beijetragen!

Sterke. Ne, wir verhielten uns ruhig, weil wir nischt davon verstehen. Aber wer wat davon versteht, un trägt nischt dazu bei, det is en Schuft.

Breet. Ueberjens in Allens sind wir ooch nich besser jeworden. 'Ne Constution mögen wir haben, aber de Salzkuchen sind alleweile bei weiten kleener als vor Zeiten.

Sterke. Ja, det machen die ochsijen Steuern, die rujeniren det arme Volk janz un jar. Die reichen Leute müßten viel jeben un de armen wenig oder jar nischt; aber bei uns is det jrade umjekehrt. Nach Verhältniß jeben de reichen Leute wenig, un de armen viel. Un denn seh' mal zum Beispiel det Briefporto an, daran kannste sehen, wie man jar keene Ahnung davon hat, wie det schändlich is. Seh' mal, ick habe 'ne Familie, die kümmerlich von meinen Verdienst lebt; wir leben den Dag circa mit fünf Kinder von 6 Silberjroschen, un nu muß ick neulich, weil meine Schwester selije jestorben war, an meinen Bruder nach Königsberg schreiben, un ick hatte natürlich keen Velinpapier, un so koste mir der Brief so ville, det ick beinah 3 Dage mit meine Familie davon hätte leben können. Det is niederträchtig!

Breet. Ja, wer kann davor? Ick nich.

Sterke. Ick ooch nich, aber de Minister können davor, un mit die müßte man en Wort deutsch reden können! Denn det jloob' ick, die enfinden det nich! Die jeht et jut, die haben keenen Bejriff von det Elend, wo se mittendrinn Minister sind. Die jeben blos immer Jesetze un Jesetze, det hört jar nich uf, un verbieten un verbieten; aber ob det Volk wat zu knabbern hat, det is ihnen Wurscht. Denn sonst müßte det längst andersch sind, wenn se so sehr sorgten, wie se immer sagen. Bei jeder Jelegenheit heeßt et: Det jlückliche Volk un Heil Dir un Hallelujah! Ja Prostemahlzeit! Kuchen sind wir, aber nich jlücklich! Ick spucke wat in alle Weisheit un Jnade, so lange die Hunde von den adeljen Herrn vorne bei uns in't Haus besser zu fressen kriejen, als meine Kinder un ick un meine Frau.

Breet. Ja, über die ville Weisheit, die se immer in de Zeitungen consemiren, da lacht ja schon Jeder drüber, der nich jrade weent. So dumm sind wir nich mehr, det wir jlooben, ohne zu sehen. Da sprachen neulich zwee Jelehrte in meinen Wagen, un die sagten, vor allen Dingen sei Freßfreiheit nöthig ...

Sterke. Preßfreiheit willste sagen!

Breet. Wie so?

Sterke. Nämlich die Rejierungen haben Preßfreiheit; aber des Volk hat keene Preßfreiheit.

Breet. Na aber die Jelehrten sagten, sie jehöre det Volk durch den Bundestag, un sie könnten sie fordern.

Sterke. Des mag sind.

Breet. Im Janzen, sag' ick Dir, licht allens Unheil an uns selbst; denn wir Deutsche sind Scha...

Ein Herr (einsteigend). Kutscher!

Breet. Ja, jleich! (Er steigt auf den Bock und dreht den Kopf fragend nach dem Passagier.)

Der Herr. Linden, Nr. 14!

Sterke, (leise zu Breet). Scharmante Leute, wollteste woll sagen?

Breet (abfahrend). Ne, Scha ... (Der Wagen rollt und macht das letzte Wort unverständlich.)


II.

R. Hör' mal, eejentlich is doch unser Zeschäft ochsig langweilig!

B. Ne, vor mir nich! Det kommt Allens druf an, ob man ein jescheidter Mensch is, oder ob man sich mit einen Schafskopp zu schmeicheln hat.

R. Na aber sage mir, wie is det möglich, det man sich de Langeweile dabei verdreiben kann, wenn man den janzen Dag über entweder still sitzen muß oder rumfahren?

B. Det weeß ick recht jut zu machen! Seh' mal, ick mache überall, wo ick vorbeikomme, meine Bemerkungen. Komm' ick durch de Königsstraße, so wundre ick mir, det da am meisten Jedränge is, un det et in de Kaiserstraße leer is, freut mir sehr. Muß ick durch de neue Friedrichsstraße fahren, so denk' ich: wir hoffen un hoffen, un wenn ick durch die Aujuststraße fahre, so wundere ick mir, wo die vielen Kinder herkommen. Bin ick uf de Schloß-Freiheit, so denk' ick mir, die beeden Wörter passen nich recht zusammen, un bei 't Museum les' ick die Inschrift, wo 'ne Constitution drinn is, bei die et hinten aber noch nich janz richtig is, un sage zu mir: Jott, wat sind doch die Jelehrten vor Ochsen, det se ihre Nasen noch immer in die dodten Sprachen stechen! Komm' ick bei 't Zeughaus vorbei, so denk' ich: Wie is es möglich, daß man schon vor Erfindung der vierten Klasse so jöttlich jebaut hat! An 't Opernhaus laß ick bloß des h weg, un bei de Uneversetät denk ich: na, die wird ooch schon mal aufjeputzt werden, wenn erst alle die prächtigen Casernen fertig sind, vor die sich Berlin nich genug bedanken kann! Im Janzen freu' ich mir immer, wenn ich so durch die stolze un schöne Residenz jage....

R. Jage?

B. Na, ick meene: fahre! Also denn freu' ick mir immer, daß ich ein Berliner bin; un wenn ick ooch man de Academie der Kürze wejen Demie nenne, so ruf' ick doch an 't Brandenburjer Dhor janz un jar: Viktoria!

R. Na aber hör' mal, wenn Du Dir bei alle Häuser so ville denkst, denn fährste woll unjeheuer langsam?

B. Ick fahre denselben Drabb, den jetzt in Berlin Allens vorwärts jeht, zwischen Andante un jar nich.

 

Sandbuben.


I.

Jochen. Det weeß der Deibel! det heite Keener an unsern Sand anbeißen will. Mir hungert wie'n deutschen Dichter, un wir haben noch keenen Sechser zu 'ne Schrippe.

Fritze. Du hast noch keenen rechten Aki bei't Verkoofen; jib mir de Molle, ick will Dir schonst zeijen, wie man zu Jroschens kommt. Jib her! (Er nimmt die Molle.) Hier in det Haus wer ick mal jleich anfangen. Hier wohnt de Jusdiezreethin, die consemirt wat ehrliches von Sand. Die schauert alle acht Dage det Acktenzimmer von ihren Mann, sonst fressen ihm de Mäuse immer de Jründe aus de Erkenntnisse wech. (Er geht in ein Haus.)

Jochen (schreit). Kooft Sand, Sand!

Fritze (klingelt im Hause; die Köchin der Justizräthin öffnet). Heite keenen Sand, Mamsellken?

Köchin. Ne, wir haben erst jestern welchen jekooft.

Fritze. Jestern? I, nehmen Se denn jetzt von en Andern Ihren Jebrauch? det is doch unrecht, det Se mir nich treu bleiben, Mamsellken. Zeigen Se doch mal, wat Se vor Waare jekooft haben, det wird scheener Sand sind. Ach, da steht er ja in det Faß. Na nu sehn Se mal, Mamsellken, wat Se da jemacht haben! Sehn Se mal meinen Sand, un denn nehmen Se den da in Oojenschein; sehn Se mal die vielen Steener, die da drinn sind. Ne, janz unpartheiisch, abersch da haben Se sich verplempert.

Köchin. Na, halte Dir nich auf hier!

Fritze. I worummen nich, schönet Mamsellken? Ick weeß doch, Sie sind mir jut, denn ick bin en hübscher Junge, un Sie haben schonst lange 'ne Sehnsucht nach mir.

Köchin. Mach', daß Du fort kommst; meine Madam kommt!

Fritze. Det is mir jrade recht, de Madam kann mir ooch leiden. Jun Morgen, Frau Jusdiezreethen! heite keenen Sand? Sehn Se mal, de Mamsell Köchin hat jestern so'n Schofel jekooft, un ick weiß, Sie sind meine Kundschaft, Frau Jusdiezreethen, Sie wer'n mir nich abspenstich werden.

Die Justizräthin. Ich kaufe heute keinen Sand.

Fritze. I Se koofen doch welchen! Den können Se ja doch da nich jebrauchen. Sajen Se mal, um Jotteswillen, Frau Jusdiezreethen, wat wollen Se'n mit den Sand da machen? Da wirde der Jusdiezrath scheene borschtich werden, wenn er sich so'n paar Steener in de Füße träte.

Köchin (macht die Thür auf). Nu jehste, jleich!

Fritze. Also is et Ernst? Wollen Se mir wirklich durch de Lappen jehn, Frau Jusdiezreethen? Machen Se sich keenen Menschen zu Feinde; jeder Mensch kann eenen nützen. Wenn Se von mir Sand nehmen, un et jibt mir mal Eener 'ne Maulschelle als Injurje, so soll se keen Anderer haben, als Ihr Mann, Frau Jusdiezreethen.

Die Justizräthin. Dummer Peter!

Fritze. Dummer Peter! Ne, so heeß ick nich, ick bin ja: der kleene Fritze!

Die Justizräthin (zur Köchin). Nimm nur eine Molle; man wird ja den Bengel nicht los!

Köchin. Hier sind sechs Dreier: schütte hier den Sand rin.

Fritze. So, det is verninftich! Na leben Se wohl, Frau Jusdiezreethen, un nehmen Se Ihren Jebrauch von mir; ick komme bald wieder mit ran. Un bei de Ohrfeige bleibt et, die kricht Ihr Mann, so wie ick se fort habe. Adje! (Indem er geht.) Na, denn man immer jüh!

Jochen (sieht ihn). Richtig, ooch wat verkooft! Heidi!

Fritze. Ja, det hat abersch Hitze gekost. Hett ick nich die Ohrfeige versprochen, wär' nischt draus jeworden. Aber so wie ick de Jusdiezreethen von de Ohrfeige munkelte, lenkte se in, un jab kleene bei.

Jochen. Ich habe Dir aber derweile doch noch bessere Jescheffte jemacht; laß Dir verzehlen! Seh' mal: ick sitze hier so uffen Wajen un schreie Sand aus, so kommt een junger Wippdich mit jestreeften Vatermord, un 'ne Schleefe an de Binde wie'n Dhorflijel, un pst! mir zweemal. Ick sage: wat woll'n Se'n? »Hör' mal!« sacht er, »willste Dir een Zweejroschenstick verdienen?« I, sag' ick, allemal derjenichte welcher! »Jut,« sacht er, »hier haste eenen Brief; den soste da driben in bet jrüne Haus eene Treppe hoch abjeben, entweder an de Köchin, oder an de Madamme, aber ja an keenen Mannsperschon! Wenn so Eener kommt, denn frachste, ob er keenen Sand koofen will. Mach' Deine Sache klug! hier haste en Zweejroschenstick!« Jut! Det fasse ick also un schlendere riber, jeh' de Treppe ruf un klingle. Macht mir en Mann uf mit 'ne Brille; ick also pfiffig, ick frage ihn: heite keenen Sand? »Ja,« sacht er, »komm man rein!« Un so zieht er mir rein, un macht hinter mir de Dhüre zu. »Hör' mal,« sacht er, »willste Dir en Vierjroschenstick verdienen?« Ick seh' ihm an, ick denke, wat soll det heite heeßen: is heite der jingste Dach, oder spukt et bei die Beeden? Ick sage also: en Vierjroschenstick? Warum dieses nich? »Hör' mal,« sacht er, »ick habe durch't Fenster jesehen. Dir hat en Mann da driben einen Brief jejeben, den De hier an de Madam jeden sollst,« Sie haben 'ne jute Nase, sag' ick. »Hier haste en Vierjroschenstick, jib mir den Brief,« sacht er. Zck laß also det Vierjroschenstick in de Tasche verschwinden, un kitzle den Brief aus den Sand raus. Hier is er! sag' ick. Daruf macht nu der Mann den Brief uf, un lest ihm, un wird kupperroth, un flucht 'ne janze Menge Schwerenothen, un wie er damit fertich is, so sacht er zu mir: »Hier haste noch en Vierjroschenstick, Junge, aber dhu mir ooch en Jefallen.« Ick lasse det Jeld also wieder verschwinden un saje, wat woll'n Sie'n? »Jeh wieder riber,« sacht er, »un sage zu den Herrn, der Dir den Brief jejeben hat, de Madam hätt'n Dir selbst abjenommen, un hätte sich unjeheier jefreit, er möchte man jleich riber kommen; ihr Mann wäre nich zu Hause!« Jut, sag ick, un jeh' mit meinen Sand wieder ab. Ick sehe mir iberall uf de Straße um, un sehe aber keenen. Mit eenmal pst! mir wieder wat, steht der mit den jestreesten Vatermord da hinter de Hausdiere. Ick mache also en unjeheier verjnichtet Jesichte, un jehe zu ihn hin. »Na?« fracht er mir. Ja, sag' ick, wenn Se noch een Zweejroschenstick spucken, denn wer' ick Ihnen wat sajen, wat Ihnen freien soll. »Hier haste eens, jeschwind, jeschwind!« Na, man sachte, denk' ick, Deine Keile wirste frih jenuch kriejen, un saje zu ihm det, wat mir der Mann oben mit de Brille jesacht hat. »Wat?« schreit er, un springt vor Freide wie'n Bock, «Junge, hier haste noch en Zeejroschenstick!« Un mit diesen Worten jibt er mir eens un verschwindt, un rennt ruf.

Fritze. Js er schonst wieder runter?

Jochen. Ne, der wird ooch woll vor't Erschte noch oben bleiben; ick jlobe, der Mann mit de Brille wird ihm 'ne Bulljon-Suppe aus seine Knochen schlagen, un ihm dann zu Mittach einladen. Seh' mal, det is jewiß 'ne heimliche Liebschaft, un ...

Fritze. Ach, laß et sind, wat et will! Jib mir man de Helfte von det Jeld ab, hörste!

Jochen. I, Du bist woll nich recht bei Troste! Det hab' ick alleene durch 'ne Liebschaft verdient. De Liebschaften jehören nich zum Sand!

Fritze. Du hast det in unser Jeschäft verdient, un wenn ick zufällich hier jesessen hätte, hätt' ick Dir ooch müssen Dein Dheel abjeben.

Jochen. Ne, det hättste jewiß nich jedhan! Jenuch, ick behalte det vor mir!

Fritze (packt ihn). Bengel, verdammter! willste mir meinen Dheel jeben, oder nich? Ick schlaje Dir dodt!

Jochen. Ne, det laß man sind. Ick habe ja man nur jespaßt. Hier haste Deinen Dheel. Nu woll'n wir aber en bisken Pause machen, un den Wagen hier stehen lassen, un da driben in de Distellir-Anstalt frihsticken.

Fritze. Det is en vernünftiger Jedanke! Komm, Jochen!

Jochen. Na, denn man immer jüh! Die unjlückliche Liebe soll mir sehr amüsant schmecken.


II.

Niklas (tritt mit der Mulde Saud in eine Küche und bleibt verwundert stehen). Ne, so 'ne reizende Köchin habe ich noch nich jesehen!

Köchin. Na machen Se man keene dummen Witze un schütteln Se den Sand hin!

Niklas. Sie sind wahrhaftig noch schöner als es möglich is, Mamsell.

Köchin. Sie sind so dumm wie möglich.

Niklas. Ick wäre dumm, wenn ich nich sähe, deß Sie des liebenswürdigste Wesen unter'n blauen Himmel sind.

Köchin. Ich wünschte, Sie wären über'n blauen Himmel.

Niklas. Mir is schon so, als ob Ihr Wunsch in Erfüllung jejangen wäre, denn Engel kriegt man uf Erden nich zu sehen.

Köchin. Sie sind en Engel mit en B vor.

Niklas. Des Bee! will ich bei Ihnen jerne missen, wenn ick nur Eh' fordern dürfte.

Köchin. Sie sind woll bedrunken?

Niklas. Mir scheint ooch, ich sehe Allens doppelt, denn mit zwee Oogen kann man unmöglich so viel Reize sehen!

Köchin. Meine Reize wer'n Ihnen nich incommediren!

Niklas. Des dhun se woll, sie lassen mir keene Ruhe.

Köchin. Ich wollte, Sie hätten die ewije Ruhe!

Niklas. Denn sollten Sie mir erhören, wenn Sie det wünschen.

Köchin (höhnisch lachend). Sie wären mir der Rechte!

Niklas. Ick wünsche ooch nich Ihr Linker zu sein, sondern zwischen Beeden.

Köchin. Nu machen Se, deß Se fortkommen!

Niklas. Ich wer' mein Fortkommen suchen, um Ihnen meine Hand bieten zu können, schöne Mamsell.

Köchin. Wenn Sie de Hand bieten, wollen Se blos Jeld vor Sand haben.

Niklas. Sie verkennen meinen Werth.

Köchin. Ne, Sie müssen mehr als en Pfennig werth sind, denn wenn ich Ihnen besäße, würde ich Ihnen jleich wechseln.

Niklas. Mir wär' es lieber, Sie nähmen mir ein, als deß Sie mir ausjeben wollen.

Köchin. Wie Medezin kommen Sie mir allerdings vor.

Niklas. Wie Lebensbalsam, nich wahr?

Köchin. Ne, wie 'n Brechmittel.

Niklas. Det Sie mit mir brechen wollen, det beweist, deß unser Liebesverhältniß im Jange is.

Köchin. Ein Liebesverhältniß wie die Taube mit den Stoßvogel!

Niklas. Ja, sehr richtig. Ick möchte Ihnen allerdings vor Liebe uffressen.

Köchin. Des wär' mir insofern erwünscht, als Sie mir denn in 'n Magen hätten.

Niklas. Denn wünscht' ich nur offenen Kopp zu haben.

Köchin. Ihr Kopp is sehr offen, denn Sie haben en jroßen Mund un jroße Ohren.

Niklas. Des is natürlich: weil ich keen Wort von Ihnen verlieren möchte, un nich jenug Worte für Ihre Schönheit finden kann.

Köchin. Für Ihre Schönheit find' ich jleich en Wort: Fledermaus!

Niklas. Richtig, Sie sind des Licht, um des ich schwärme, aber blos, um Talg zu naschen.

Köchin. Jerathen Sie mir man nich in de Haare!

Niklas. Wo? Ick bin ja nich böse uf Ihnen. Ick möchte lieber Ihr Haar selbst sind.

Köchin. Worum?

Niklas. Denn würden Sie mir lecken un streicheln.

Köchin. Ne, ick ließe Ihnen abschneiden.

Niklas. Ick wachse immer wieder.

Köchin. Denn laß ick mir köpfen!

Niklas. Lassen Se sich lieber herzen! (Er faßt sie um die Taille.)

Köchin (sich sanft wehrend). Sie sind en Narr.

Niklas. Närrisch vor Liebe. (Den Mund spitzend.) Wie is es'n? Eenen?

Köchin (läßt sich einen Kuß geben). Na freilich, zwee jewiß nich! Nu schütteln Se man den Sand da hin, un bringen Se übermorgen wieder welchen.

Niklas (indem er's thut, für sich). Wieder 'n Kunden mehr.

Köchin. Hier is 't Jeld!

Niklas (nimmt's). Schönsten Dank, Engel! (Sie zärtlich betrachtend.) Na atjes, Holde! Der Kuß macht mir so lange jlücklich, bis ick Ihnen wiedersehe. (Indem er geht.) Uebermorgen zum ersten Male uf Bejehren wiederholt!

Köchin. Ne, det Stück spielt nich mehr!

 

Anekdoten.


Anfrage.

Einem Charlottenburger fehlte zur Abfahrt nach dem Orte seiner Bestimmung nur noch eine Person, als sich ein äußerst dicker Herr vor seinen Wagen stellte und mitfahren wollte. Der Fuhrmann sah ihn erst eine Weile an, schüttelte mit dem Kopfe und fragte dann den Wohlbeleibten: »Nehmen Se't nich übel; wollen Sie janz mit?«


Berechnung.

Vier Herren fuhren eine Viertelstunde in einem Fiaker, hielten dann vor einem Hause still, bezahlten und bedeuteten, indem sie ausstiegen, den Kutscher, auf sie zu warten, weil sie wahrscheinlich weiter fahren würden. Nach einer Viertelstunde kam aber nur einer der Herren wieder, und gab dem Roßbändiger 5 Silbergroschen. »Det is noch nich richtig,« bemerkte dieser. »Wie so?« fragte der Herr, »Du hast eine Viertelstunde hier gewartet; das macht 5 Silbergroschen.« – »Ja, det is richtich,« erwiederte Jener, »aber et macht 20 Silberjroschcn. Ick habe ja uf vier Personen warten müssen


Der Geschmack des Hundes.

Ein Sandfuhrjunge spielte mit seinem Hunde, als eben ein schrecklich magerer Herr vorüberging. Aus Uebermuth zeigte der Junge auf diesen, und rief seinem Hunde: Allo, putsch! Fass ihn! »Verfluchter Bengel!« rief der Magere, »wirst Du das wohl sein lassen!« – »I, lassen Se man,« war die Antwort, »mein Hund knabbert jar zu jerne an Knochens.«


Gasbeleuchtung.

»Du!« rief eines Abends ein Fiaker seinem Collegn zu, »wie kommt des, deß die Jaslaternen von Dach zu Dach immer früher ausjelöscht werden? Wenn des so regelmäßig fortjeht, so werden se se mal eenen Dag auslöschen müssen, wenn se noch jar nich anjestochen sind!«


Vergleiche.

Zweien Charlottenburgern nahte sich der dritte, der durch Zahnübel eine sehr dicke Backe bekommen hatte. »Herrjees!« schrie ihm A. entgegen, »Lude, wat haste vor 'ne jeschwollne Backe! Kerl, wie sehst Du aus! Uf de eene Seite biste en Amtmann, un uf de andere en Jelehrter!« – »Un in de Mitte jar Nischt!« fügte B. hinzu.


Der Telegraph.

S. Seh mal, Fritze, die Teele von Jrafen! Wie der immer Faxen macht, bald hierhin, bald dahin! Herrjees, jetzt schlägt er die Hände über'n Kopp zusammen! Na, da is jewiß wieder Revolution in Frankreich!

F. I Jott bewahre, unser Telejraph, der sagt jar nischl Wichtijes. Sehste, da schlägt er schon wieder die Hände uber'n Kopp zusammen! Ihn friert!


Speculation.

Zwei Fiaker unterhielten sich über die neue Verordnung, nach welcher den Juden nicht mehr erlaubt ist, christliche Vornamen führen zu dürfen. »Du!« sagte der Eine, »wenn man nach 50 Jahren wird uf de Straße jehen un einen Juden fragen: wie heißen Sie 'n? un der wird antworten: Heinrich oder Fritze, so wird man ausrufen: Jott, was muß das für en alter Jude sind!«


Das Leckermaul.

Zwei Charlottenburger foppten sich mit ihren schlechten Pferden. »Du!« rief der Eine, »binde doch Deinem Darius vor'n Dreier Speck unter'n Schwanz, damit er doch en bisken Fett am Leibe hat!« – »Ach, ick merke schonst,«erwiederte der Andere und schmunzelte, »Du hast noch nich jefrühstickt.«


Auch das hilft nichts.

Ein Witzling, der das mühsame Schleppen eines Droschkenpferdes auf der Straße mit ansah, rief dem Kutscher zu: »Legt doch lieber spanische Fliegen vor Euren Wagen; die ziehen besser!« – »Ne, det dhun se nich,« antwortete der Droschkist gelassen, »det Pflaster is zu schlecht.«


Muthmaßung

Vor einer Material-Handlung stand einer jener süßen Jünglinge mit gebrannten Locken und brauner Schürze. Ein Sandfuhrjunge kam eilig an ihn herangelaufen, und fragte, ob hier nicht eine Apotheke sei. »Wie so?« fragte der Zuckerabschlagende. Ruhig weiter gehend antwortete der Kleine: »Nu ick globte't, weil hier en Brechmittel vor de Dhür steht.«


Das Ehepaar.

Ein alter, gebrechlicher Mann wollte mit seiner jungen Frau in einen Fiaker steigen; sein Führer war aber fest eingeschlafen, und weder durch Rufen, noch durch Rütteln zu erwecken. »Na, wahrhaftig!« rief endlich der Ehemann, »an dem Kerl ist ein Nachtwächter verdorben!« Bei diesen Worten erwachte der Kutscher endlich, rieb sich die Augen, sah sich seine beiden Passagiere an und sagte: »An mir en Nachtwächter verdorben? Na, denn können Sie mir woll en Horn ablassen?«


Bemerkung.

Zwei Sandigen stritten sich untereinander. »Wenn det wahr is,« rief der Eine, »so laß ick mir meinen Kopf abreißen!« – »Det jlob' ick,« antwortete der Andere, »dabei verlierste nich ville.«


Vier.

Ein Straßenzögling setzte sich auf den hintern Tritt einer halben Kutsche, die ein Charlottenburger mit einem schwächlichen Rosse beförderte. »Verfluchter Junge!« rief dieser, »willste wech! Willste runter, Ochse verdammter! Siehste denn nich, det schon drei drinnsitzen?«


Unerhört!

Einem Droschkisten passirte ein merkwürdiges Schicksal, – sein Pferd ging nämlich durch. Ohne den Zügel anzuziehen, saß er erstaunt da. Die Dame aber, welche sich in der Droschke befand, wurde ängstlich und schrie: »Um Gotteswillen, lassen Sie mich heraus!« – »Bleiben Se ruhig sitzen,« entgegnete der Phlegmatische: »ick kenne mein Pferd besser; det is nischt als Verstellung.«


 << zurück weiter >>