Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Titelblatt

Guckkästner

VI. Heft.
Zweite Lieferung

Mit einem colorirten Titelkupfer.

Dritte verbesserte Auflage.

Leipzig, 1845.

Verlag von Ignaz Jackowitz.

Guckkästner

 

Guckkästner.

Dorothea. Ludwich, heute wer'n wir nich viele Jroschens besehen; Petitpierre'n sein Baronmeeter steht uf Veränderlich.

Guckkästner (nimmt die Schnapsflasche aus dem Guckkasten und trinkt). Ich jloobe, es wird naß fallen.

Dorothea. Wenn De Dir man det Drinken abjewöhnen könntest!

Guckkästner.. Laß mir, Jattin; ein jeder Mensch hat sein Streben. Et wird finster; stech' de Lampe an!

Dorothea (thut, wie ihr befohlen). Du, Ludwig, da kommt schonst wieder eine Schandarre auf uns los; die wird woll wieder was zu erinnern haben.

Guckkästner. Laß' se man kommen, ick werde ihr bedienen! Sie find't mir jrade in eine Stimmung, wo ick saujrob werden kann.

Ein Gensd'arme. Ich habe Euch schon so oft jesagt, Ihr sollt hier nich de Straße versperren. Versperrt doch hier nich die Straße! Wenn nachher Leute in Euern Kukasten sehen, so kann Einer überjefahren werden, wenn ein Wajen vorbeikommt und ihm überfährt. Stellt Euch doch besser da an de Beeme ran, damit Ihr nich die Straße versperrt!

Guckkästner. (seine Wuth mit Mühe bezähmend). Wie so?

Gensd'arme. Des Abends is hier starke Passage, wenn viel Leute jehen.

Dorothea (schiebt den Kasten fort). Na, is es nu so jut, Herr Schandarre?

Gensd'arme. So is es jut. (drohend) Un wenn Ihr nachher Eure Bilder erklärt, denn schreit nich so, denn Ihr sprecht so immer so'n Zeuchs zusammen, was de Leute ranlockt un worüber sie lachen. (Er geht.)

Guckkästner. (wird kupferroth vor Wuth; nachdem der Gensd'arme fort ist). Wie so?

Dorothea. Na mäßije Dir, Ludwig! Du kannst dir immer nich halten. Du wirst dir noch mal in't Unjlück bringen, denn mit de Schandarren is nich zu spaßen.

Guckkästner.. I zum Donnerwetter, da kann der Deibel jelassen bleiben! Spricht mir dieser Mensch von Zeuchs, was ich zusammen spreche! Seh doch! Als ob er man alleene Soldat is! Oho, wir haben ooch zweeerlei Duch jedragcn; wir haben ooch den Feldzuch mitjemacht! Seh' doch Eener! En ander Mal wer ick ihm noch mehr meine Meinung sagen. Dieser Kiek in de Welt! (Ein paar Knaben gehen vorüber.) Kommen Se näher, meine Herren Musjes! Einen Sechser das Loch! Sie werden sich amusiren. So, treten Se näher! Dorotheee, zieh de Strippe los! Jetzt jeht es an, rrrr! Sie sehen hier die Appartemanks .... wollen Sie nich noch Theil nehmen, Musje? Einen Sechser das Loch! So, jetzt jeht es an! Sie sehen hier die Appartemanks des schönen Schlosses Schönbrunnen, in welches sich die höchsten Personen aller Potenthaten versammelt haben. Es ist hier nämlich ein Mojement, wo etwas Conjreß stattfindet, und in welchem die Wohlfahrt der Völker verhandelt werden könnte.

Ein Junge. Warte'n Se mal, ick komme jleich wieder! (er geht bei Seite und stellt sich bald darauf wieder vor das Glas.)

Guckkästner. In diesen Appartemanks kommen Dinge zum Vorschein, wovon die Weltjeschichte wenige Beispiele aufzuweisen hat. Boneparte hatte Europa en bisken in Unordnung jebracht, wie man dies immer bei Genies bemerkt, daß sie etwas liederlich sind. Dieser jroße Mann erfand sojar mehrere neue Königreiche, wojejen es ihm nicht drauf ankam, alte zu zerstören, oder sie wenigstens etwas knapper zu machen. Während seiner kriejerischen Laufbähne ritt er zuweilen bis dichte vor ein Fürstenthum und befahl seinen Soldaten, dasselbe zu nehmen, indem er äußerte: dieses gehört mich! In diesen Appartemanks wird also Europa wieder in die alte Lage versetzt, indem man die Landkarte verändert und Alles in die jehörige Politik vertheilt. Auch für das Wohl Deutschlands wird Sorje jetragen; denn Sie werden bemerken, daß Einer schreibt.

Ein Gensd'arme (im Vorübergehen). Rrrr! ein anderes Bild!

Guckkästner. Wie so? Das kann ich janz alleene sagen. Dieser Scherz war jar nich schanddarmsch. Rrrr! ein anderes Bild. Hier sehen Sie den längst verstorbenen Kaiser von Rußland, Peter den Jroßen, in dem Zustande des Lebens. Er steht auf einen Hügel bei Petersburg und schaut trüben Blickes hinunter in das weite Land, das ihm die Natur geschenkt hat, und es tritt eine stoße Thräne in sein Auge. Er tröstet sich aber, daß sein Land noch nich cultevirt is, indem er zu seinen Liebling Menzelkoffer sagt: dieses Land hat ungeheuer viel Zukunft!

Ein Junge (zum andern). Hast Du Des verstanden?

Zweiter Junge. O ja! Peter der Jroße meent, et wird noch wat dazu kommen.

Erster Junge. Ach so!

Guckkästner. Rrrr! ein anderes Bild! Hier versetze ich Ihnen in das früheste Alterthum vor Christi, indem ich Ihnen eine der berühmtesten Jejenden Aegyptens zeige. Mit jlühenden Antlitze sitzt in der Ecke des Schlafsopha's die Frau von Potenpfarre; sie streckt ihre beiden Arme aus und ihr Auge scheint Etwas zu erwarten. Joseph aber der Jetraideminister, welcher bei den sieben fetten Kühen schonst an die sieben magern dachte, läßt seinen Mantel fallen und eilt der Thüre zu. Man sagt, es wäre rausjejangen.

Zweiter Junge. Vielleicht hat er'n Riejel vorjeschoben?

Guckkästner. Dieses sind Vermuthungen, auf welche sich der Historihker nicht einlassen darf; rrrr! ein anderes Bild! Hier werden Sie bemerken die berüchtigte Höllenmaschine, in welche mehrere Personen verwickelt waren.

Erster Junge. Herrjees, det sieht ja wie 'ne Papajenoflöte aus.

Guckkästner. Dieses hat die Vorsehung vielleicht mit Willen jethan, indem sie Fieskien dadurch anzeijen wollte, daß er auf das letzte Loch pfeift. Im Hinterjrunde an de rechte Seite werden Sie diesen bei eenzjer Haar Königsmörder bemerken. Er scheint eine trübe Stimmung zu besitzen, und er ärjert sich wahrscheinlich darüber, daß er einen Bock jeschossen hat. – Rrrr! ein anderes Bild! Sie werden bemerken, daß dieses ein doppeltes Bild is, denn es hat in die Mitte einen Strich. Auf die eine Seite sehen Sie Fiskien in einem französischen Gefängnisse, aus welchem er nich raus kann. Neben ihm sitzt seine Jeliebte Nüna Laßaffe und ist eben mit einem Trost für ihn beschäftigt, indem sie auszudrücken scheint, est il possible, is es möchlich uf deutsch? Fieski frächt ihr voll Zerknirschung über seinem Fehler, den er bei der Sache bejanjen, ob sie ihm verziehen habe, worauf ihm Nüna Laßaffe in einem lauten Jammerton antwortet, daß sie ein Auge zudrücken werde. Sie hat ihm darauf nie wieder jesehen. Auf die andere Seite sehen Sie den Fieski wie er eine kurze Pfeife Toback roocht und sich eben julejottdienieren lassen will. Kurz darauf fällt schon sein Kopp in de Sehne, bevor er eine Rede an das versammelte Publikum jehalten hat. Ein Paar Kerrels drunter sind jerührt und erjreifen Taschentücher.

Dritter Junge. Sajen Se mal, wa is denn det eejentlich vor'n Ding, worauf Fieski jericht wurde?

Guckkästner. Die Julejotldiene, des ist so. Man nimmt zwei marmorne Säulen und verbindet sie durch eine Strippe, während man ein scharfes Beil dran macht. Dieses Letztere muß aber zujänglich sein, damit der Verbrecher seinen Kopp durchstechen kann, und auf ein Brett lejen. Sobald nu der Verbrecher ein Brett vor den Kopp hat, so nimmt man einen Scharfrichter und läßt ihm an de Strippe ziehen. Sobald dieses jeschehen, fällt der blutende Kopp in de Sehne, der Scharfrichter aber dreht sich um un schreit Fiflera! Und dieses is Julejottdiene. – Rerr! ein anderes Bild! Hier bemerken Sie den Raub der Rabinerinnen, ein äußerst vortreffliches Portrait nach David und Rubens; das Orjenal befindet sich in der Sammlung des Schumachers Kletschke in Bromberg. Es ist die Scene darjestellt, wo die Rabinerinnen aus ihrem älterlichen Hause verführt werden; ihre noch übrig jebliebenen Gespielinnen sehen ihnen traurig nach. – Rerr! ein anderes Bild! Hier präsentirt sich Ihnen der jroße Exercierplatz bei Berlin, eine reizende Sandfläche, wobei die Abwechselungen vermieden sind, und auf welchem sich der Zirkel ohne Pike befindet. Rechts auf einem jesprenkelten Schimmel sitzt die berühmte Mamsell Knebel und macht eben etwas Jrazie, während sie links die Knaben beobachtet, welche einen Drachen steijen lassen.

Zweiter Junge. Der Drachen steigt ja aber nich!

Guckkästner. Ich weiß nich, woran das liegt. Sie haben ihn wahrscheinlich aus spanisches Papier jemacht, und dieses wird wohl zu dünne sein. Unten an den Drachen werden sie ein rothes Schild bemerken. – Rrrr! ein anderes Bild! Hier sehen Sie seiner Majestät Ferdinante von Coburg in seiner Mondirung als neuerwählter König der Portujaller. Er steigt eben bei Lissabonbon an das Ufer und besieht sich die Jejend, die ihm sehr spansch vorkommt. Ein Doctor, welcher die Halsbräune kurirt, kommt auf ihm zu un sagt: Ju'n Morjen!

Erster Junge. Sajen denn die Andern nich Ju'n Morjen, die da stehen?

Guckkästner. Nein, die Andern sagen J'un Nacht. In Portugal kommt Dieses auf Ansichten an, welche man von der Zeit hat. Rrrr! ein anderes Bild! Hier präsentirt sich Ihnen ein französisches Runkelrübenjebäude zu Paris, in welchem der neue Zucker faberjeziert wird. Mehrere Pärskammern stehen dabei un lecken alle zehn Finger danach, in der Ecke aber sitzt ein Engländer un denkt: es ist doch man Syrop. – Rrrr! ein anderes Bild! Dieses ist das berühmte Aathen in Jriechenland, eine Stadt, welche namentlich in der letzten Zeit sehr berühmt jeworden ist.

Dritter Junge. Det is 'ne Stadt? Ick seh ja man en paar Häuser!

Guckkästner. Lassen Sie des jut sind, et wird sich schon noch machen, denn Jlück hat die Stadt nu mal, dieses kann ihr kein Mensch nich ableugnen. Hätte sie sich des woll unter die dämlichen Kerrels wie Demosterich, Sokratztes, Alcibierdes und Perihkles einfallen lassen, deß ihr noch einst die Ehre zu Theil werden wird, einen achten baierschen Könichsohn zu kriejen? Wenn damals der delfische Orakel dieses einen Aathener jeprofetet hätte, der Aathener hÄtte die Madam Pipia einen Katzenkopp jeieben, det sie sich mit sammst ihren Dreifuß um und dumm jedreht hätte, un ihr dabei jesagt: mach' mir keene Wipkens vor, Delphine! – Rrrr! ein anderes Bild! Hier präsentirt sich Ihnen eine projectirte Eisenbahn.

Erster Junge. Wie so? Det is ja flaches Land! Da seh' ick feen Eisen un keene Bahn.

Guckkästner. Nu eben, der Künstler hat blos das Project aufgefaßt, und dieses mit einer Meisterschaft ausgeführt. Im Vorderjrunde steht ein Wagen un wart't auf Dampf, im Hinterjrunde bemerken Sie ein paar Akstionärsch, die bedenklich dhun, weil't nich so schnell jeht, wie se jloobten.

Dritter Junge. Sagen Se mal, wo soll'n die Eisenbahn hinjehen?

Guckkästner. Von Petersburch nach London, eine Bahn mit Hindernissen. – Rrrr, ein anderes Bild! – Hier jenießen Sie ein bibelsches Bild: Susanna in Bade. Dieser von verschiedenen Künstlern behandelte Jejenstand is hür auf neue Weise als wie sonst aufjefaßt un behandelt. Statt von zwei alten Juden wird die Schöne von einem blühenden Jünglinge überfallen. Das Jemälde ist des besten Pinsels würdig. Es zeicht nicht alleene das Feuer der jewöhnlichen Darstellung, sondern auch ein weit schöneres Einverstandniß der Figuren. – Rrrr! ein anderes Bild! – Hier präsentirt sich Ihnen der spanische Vice-Minister Mendezappel in einen Stoobmantel, weil es noch früh am Dage is. Er liecht in den Fenster seines Schlosses, roocht einen Cijarro und wart't aus das Vertrauen der spanischen Nation. Auf die andere Seite in de Ecke steht Dum Carlos und wart't jleichfalls auf das Vertrauen.

Erster Junge. Was is denn mit det Vertrauen jemeent?

Guckkästner. Ich jloobe Jeld, aber es ist möchlich, daß ich mir irre. So viel is gewiß, deß der Bürjerkriech schrecklich is. Der Vater haut seinen eichenen Sohn todt, un die Mutter lacht dazu; es ist Schauder erregend; Dorotheee, einen Schnaps!

Erster Junge. Wer sacht denn des, Carlos oder Mendezappel?

Guckkästner. Keiner von Beiden; die drinken blos span'schen Bittern, sondern ich sag' es. Dorotheee, einen Schnaps!

Dorothea. Herrjees, laß' doch det Drinken sind, Ludwig! Du wirst wieder schräch, un denn nachher redste lauter Unsinn zusammen.

Guckkästner (mit strengem Tone). Dorethee, werde sichtbar mit Kümmel, oder Du empfängst eine Maulschelle!

Die drei Jungen. Na wat soll denn det? Wir wollen Bilder sehen, wir haben unsern Sechser bezahlt!

Guckkästner. Ruhig! Meine Privat-Verhältnisse dürfen Ihnen nich incommodiren; sie sind jleich beendigt. Doretheee, wirscht de nu rausrücken mit de Pulle?

Dorothea. Ne, ne, ick muß davor sorjen, det de Dir nich übernimmst.

Guckkästner (gibt ihr eine Maulschelle und ergreift die Flasche). Wenn De jloobst, det ick unter'n Pantoffel stehe, so irrste Dir. (er trinkt.)

Dorothea (greift ihrem Gemahl in die Haare). Was? Er knickbeenrijer Jnvalite will seine Frau keilen? Er untersteht sich mir jradezu in's Jesichte zu schlagen? (sie gibt ihm einige Maulschellen.) So'n Kerl, den ick blos um't Renummeh jeheirathet habe, will sich hier vor de Leute wat sehen lassen! (sie schlägt ihn wieder; mehrere Menschen versammeln sich und lachen.)

Ein Gensd'arme. Na wat is das hier? Macht hier keinen Skandal nicht auf de Straße! Ausenander, sag ich!

Guckkästner. Wie so, Herr Schandarm?

Dorothea. Det sind hier eheliche Verhältnisse, Herr Schandarme; ick dächte, det wär unsere Sache. Det Einmischen in de Ehe verbitten wir uns!

Mehrere Stimmen. Ja wohl, das ist ihre Sache!

Die drei Jungen. Na wie is es mit unsern Sechser?

Guckkästner. Rrruhig, ein anderes Bild! – Hier rejardiren Sie jefällichst auf dem hintern Theil des Thierjartens, welcher eine Menge neue Anlagen gekricht hat, und wo man nicht rauchen derf. Links in de Ecke, nah am Hofjäger, sehen Sie jefälligst die berühmte jroße Buche, welche von die Thierjärtner niemals beschnitten wurde, weil sie über zwanzig Aeste un so un so viel Blätter hat. Würde sie indessen zu viel ausschlagen, so würde man ihr umhauen.

Dritter Junge. Sajen Se mal, wozu sind denn die vielen blauen Schilder an de Wege?

Guckkästner. Die Alleen sind alle bezeichnet, damit man sich auch in Jottes freier Natur daran erinnert, deß man immer unter eine jerechte Obrigkeit steht. Uebrigens is dieses sehr nützlich, denn wenn sich früher Eener verlief im Dhierjarten, so wußte er niemals, wo er sich befand; wenn sich aber jetzt Eener verlooft, so weeß er doch wenigstens, deß er in der jroße Querallee oder in de kleine Sternallee ist, wenn er sich ooch nicht zurecht finden kann.

Erster Junge. Na übrigens, hübsch sind de Anlagen!

Guckkästner. O ja, aus Berlin kann bei diesen Anlagen noch etwas werden. – Rrrr! ein anderes Bild! – Hier präsentirt sich Ihnen das berühmte Binger Loch.

Zweiter Junge. Wo denn? Ick seh' ja nischt als jlattes Wasser!

Guckkästner. Sein Sie doch nich so dämlich! Jlooben Se etwa, des Loch soll oben in't Wasser sind? Sie können dasselbe nicht bemerken, weil es unten is; auf der Oberfläche ist es blos strudlich. Dieses ist eben so, wie mit manchen Staat. Rrrr! ein anderes Bild! Hier werden Sie sehn, wie die russische Armee über den Balken zieht, wahrend der Spannung mir der türkischen Pforte. Die Weltjeschichte sagt, es soll um eine Dardanelle herjekommen sind. Man seht deutlich die Pijonirsch uf mehrere Roßschweife stoßen, welche sich ihnen feindlich entjejenstellen. Jeduld überwindet Sauerkraut, denken aber de russischen Truppen, un so kommen se jlücklich über den Balken, ohne sich en Splinter einzureißen. Im Vocderjrunde scheint der türkische Halbmond mit des letzte Viertel; im Hinterjrunde janz benebelt werden Sie einije Kosacken bemerken. Sie lejen sich lang über die Pferde und scheinen siejestrunken, der Eine hat eine Pike auf einem Türken, weil ihm dieser mit seinen krummen Säbel beleidigt hat; die janze Scene is durch jriechsches Feuer beleuchtet und macht sich imposant. – Rrrr! ein anderes Bild! – Hier erblicken Sie den Propheten Jonas im Wallfisch.

Dritter Junge. Na hör'n Se, wenn det en Wallfisch is, denn bin ich' ne Schwalbe! Det is ja en Haus!

Guckkästner. Janz recht, es ist ein Wirthshaus. In diesem Wirthshause lebte Jonas drei Dage, als er aber am dritten nicht bezahlen konnte, schmissen sie ihm raus und sagten: »Atje lieber Profeete, jrüßen Se Ihre Frau Gemahlin!« – Rrrr! ein anderes Bild! – Hier präsentirt sich Ihnen die Bullewarze von Paris, eine anmuthigte Plantage mit Bäumen und Verzierungen, auf welche sowohl die vornehme Welt promenirt wie die niedrige, denn in Paris sind Alle jleich jültig, weil se eine Karte haben.

Zweiter Junge. Na wir haben ja hier 'ne Masse Karten un sind doch nich Alle jleich!

Guckkästner. Det s schonst richtich, wir haben Karten, aber den Trumf haben blos die Minister. Im Hinterjrunde sehen Sie jefälligst Ludwig Philippen, den König der Franzosen, wie er eben ein neues Mysterium bildet.

Erster Junge. Wo is denn det?

Guckkästner. Dieses können Sie nich sehen, es verliert sich unter de Menge. – Rrrr! ein anderes Bild! – Hier erblicken Sie mehrere merkwürdije Thiere, welche in der Menajerie zu Versalz bei Paris der Ansicht des Publikums preisjejeben werden. Die kleine Schlange in der Ecke ist die jroße Königs- oder Abjottsschlange, sie is bunt jesprenkelt und wird von den schwarzen Indianern als Abjott verehrt, weshalb man ihr den Namen Abjottsschlange jejeben hat, weil sie in diesen Landstrichen kein Christenthum haben. Sie lebt nur selten in Menajerien, sondern lieber unter Jottes freien Himmel, wo sie selber ihre Nahsungssorjen bekämpfen kann, indem sie auf einem Boom sitzt und auf die Vorüberjehenden lauert. Sobald nu Einer des Wejes kommt, zeigt sie ihren schändlichen Character, indem sie ihn umringelt und die Jlieder im Leibe entzweebricht, bevor sie ihm mit Haut und Haare verschluckt und ihm auf diese Weise um's Leben bringt. In Jndijen bezeichnet man dieses mit dem Worte: jefräßig.

Dritter Junge. Warum heeßt se denn Königsschlange?

Guckkästner. Vermuthlich, weil sie die jrößte is, doch kann dieses auch andere Jründe haben. An ihren Jeburtsort erreicht sie eine Länge von 25 bis 30 Ellen, in de Menajerieen aber zieht sie sich zusammen, weil keen Platz is. – Neben ihr werden Sie bemerken den jroßen Oehlefanten, eines der merkwürdigsten Thiere, welches im Süden jedeiht und schon von den verstorbenen Römern als Schlacht benutzt wurde.

Zweiter Junge. Wo liegt denn Süden?

Guckkästner. Dichte unter Norden. Der Oehlefante hat von Natur eine dicke Haut und eine lange Nase bekommen, die man Rüssel nennt, und welche er statt der Hände jebraucht. Er langt sich damit Allens wat er haben will, schmeißt seinen Feind in de Höhe, un zieht wunderbarer Weise den Proppen von einer Flasche, worauf er Schnaps drinkt.

Erster Junge. Det find' ick nich wunderbar, det kann ja jeder Eckensteher!

Guckkästner. Sehr richtig bemerkt, aber die Eckensteher zählt man unter den Menschen, und die Oehlefanten zählt man unter das Vieh. Von Natur aus ist der Oehlefante sehr jemüthlich, aber wenn man ihn reizt, so wird er eeklich und trampelt mit seine dicken Beene so lange auf einen herum, bis man Au schreit und nicht mehr is. Jefangen wirb er so: man stellt ihm an einen Boom, läßt ihm einschlafen und sägt denn den Boom um. Hierauf fällt er auf die Erde und man kann ihn dreist mitnehmen.

Erster Junge. Läßt er sich denn zahm machen?

Guckkästner. Wie ein Kind, alleene er behält seine Mucken.

Erster Junge. Herjees! ick möchte mir woll sonen Elefanten fangen; dct muß hübsch sind!

Zweiter Junge. Ja, ick werde meinen Vater drum bitten. Man nimmt blos einen Elefanten, en Boom un 'ne Säje, denn hat man 'en.

Guckkästner. Dieses sind dumme, kindliche Wünsche! Nich weit von dem Oehlefanten werden Sie bemerken eine Jemse, welche unjeheuer springen kann, und deshalb in Berlin 300 Dhaler Jage kriegen könnte, wenn Sie nich die 12 Monate Urlaub vorzöge. Sie hält eben ihre vier Beene dichte zusammen un steht auf einen Alpen. Dieses Thier lebt sehr unstät und zeugt seine Jungen selbst.

Dritter Junge. Na wat reden Sie denn da zusammen? Ick seh' ja man blos 'ne Felsenspitze, von de Jemse is nich de Probe da!

Guckkästner. Ach richtig! Ich habe Ihnen verjessen zu sagen, deß sie schon wechjesprungen is. Neben dieser Jemse präsentirt sich Ihnen ein Klapperstorch, welcher die Kinder bringt.

Die drei Jungen (lachen). Ach Herje! Da komme Se zu späte, lieber Mann! Det wissen wir schon, wie sich det verhält!

Guckkästner (zur Dorothea). Nu sehste, Frau, so weit is et schonst jekommen, daran is doch blos det junge Deutschland schuld. Ick bin en alter Kerrel, Doretheee, aber ick bin noch bis heute in Zweifel, wo unsere Kinder hergekommen sind.

Dorothea. Na mach' man keene schlechten Witze!

Guckkästner. Du hast freilich Anno 13 und 14 als Marketendern mitjemacht, und da ... na laß' det jut sind, olle Pflanze, stech' mal de Spiejeljläser vor. (Dorothea thut wie ihr befohlen.) – Rrrr! ein anderes Bild! – Hier präsentiren sich Ihnen mehrere Maulaffen!

Die drei Jungen. Herjees, bet sind wir ja!

Guckkästner. Ja, det sind Sie!

Dritter Junge. Na, den Witz hätten Se sich ooch sparen können!

Guckkästner. Halten Sie das Maul und sagen Sie einen alten Kriejer nich, was er dhun soll. Abwechselung muß sind, sagt Klopstock. (Dorothea nimmt die Spiegelgläser wieder fort.) – Rrrr! ein anderes Bild! – Hier sehen Sie den Meerbusen von Ocean, ein unjeheures Wasser, welches Wellen schägt, so jroß wie der Marienkirchthurm un kaum so hoch, und durch welches die Sonnenlinie jeht. Diese wird eben ausjebessert, weil sie vorijes Jahr so strapziert wurde, deß sie entzwee jing. Im Hinterjrunde bemerken Sie mehrere Linienschiffe mit hundertunfufzig Kanonen, welche die Engländer Parade reiten, damit die Russen Respekt kriejen. Im Westen sinkt de Sonne.

Zweiter Junge. Wat singt se'n?

Guckkästner. Keine dumme Bemerkungen, Musje! Die Engländer singen Jott seeft det Kind, halten dabei ihre Rechte aufrecht, un essen Pudding. – Rrrr! ein anderes Bild! – Auf diesem Bilde, welches von einem Maler nach der Natur gezeichnet is, präsentirt sich Ihnen die schöne Stadt Königsberg in Preußen bei brillanter Erleuchtung. Sie sehen vorne den Fluß, an welchem sie liegt, die Prüjel, über welche sieben Brücken führen, und sich in den frischen Hafer ergießen. Ferner bemerken Sie in der Ferne das Achmiralitäts-Collejum und die Uneversetät, wo die Studenten studiren, nich weit davon das Rejirungsjebäude, den Kneiphof un die Börse; auch der lange Schloßteich is zu sehen, in welchem schon König Ottokar von Böhmen jeanjelt hat – Vorne geht einen Mucker! Doretheee, ein Schnaps!

Dorothea (reicht ihm die Flasche). Da!

Guckkästner (trinkt). So, oller Junge, jetzt biste vernünftig! – Rrrr! ein anderes Bild! – Hier präsentirt sich Ihnen die prachtvolle Stadt Philiadelphi in Nordamerika; im Hinterjrunde sehen Sie scheene Jebirge und blühende Landschaften, aber rings um de Stadt ist eine Freiheit angelegt, in welcher sich die Bewohner jlücklich fühlen. Die Fijuren, welche Sie im Vorderjrunde bemerken, sind deutsche Auswanderer, die ihr heimathliches Vaterland verlassen haben, weil se sich nich mehr ernähren konnten un jedrückt wurden.

Zweiter Junge. Na mein Vater hat ja aber immer aus de Zeitung vorgelesen, det es so schlecht in Amerika is!

Guckkästner. Det is richtig! Die Zeitungen lügen uns des vor, damit de Leute nich auswandern sollen, aber es ist doch besser in Amerika, (er sieht sich um.) da is Freiheit. Rrrr! ein anderes Bild! – Hier präsentirt sich Ihnen der Mond, wie er von inwendig aussieht, und zwar nach der neusten Beobachtung des berühmten Theeleskofen Herschel. Sie werden bemerken, daß er kleiner is als unsere Erde, und –

Dritter Junge. Ja, det seh ick, det er kleener is als unsere Erde!

Guckkästner. Sie haben einen schnellen Ueberblick, aber stören sie mir nich!

Erster Junge. Wie kann denn det aber de Mond sind, er brennt ja nich?

Guckkästner. Sie sehen ihn hier bei Dage, wo er niemals scheint. Die Menschen sind umjekehrte Mondte: die scheinen bei Dage un sind blos bei Nacht. Der Mond is eben so bewohnt wie unsere Erde, nur daß die Menschen da Flügel haben, welche wir entbehren, weshalb sie sich auch keine Hauser bauen, sondern Nester wie die Vöjel!

Zweiter Junge. Lejen Se denn ooch Eier?

Guckkästner. Dieses hat Herschel nich bestimmt; die Mondbewohner können also ihre Jungen zeugen, wie se wollen, und dieses werden sie auch wahrscheinlich dhun. Sobald der Mond abnimmt, so fliegt der größte Theil der Mondbewohner in die Atmopsfähre hinein und sucht Sterne.

Erster Junge. Ordens?

Guckkästner. Nein, jroße Sterne, um sich niederzulassen.

Dritter Junge. Na, hören Se mal aber, lieber Mann, wer aus des Bild den Mond raus erkennt, der muß bessere Ojen haben wie ick. Det sieht ja aus, als wenn Eener blos mit den Finjer rumgeschmiert hat! Man kann ja jar nischt unterscheiden!

Guckkästner. Janz richtig! Ich habe bis jetzt die Vermuthungen noch nich mitmalen lassen; wenn Sie überjens einen Herschelschen Theeleßkof bei sich hätten, denn würden Se vielleicht noch manches bemerken, was ein unbewaffnetes Auje nich sieht. – Rrrr! ein anderes Bild! – Hier werden Sie sehen – na, was is denn det??

Zweiter Junge. Herjees, Männiken, Ihre Frau is besoffen!

Guckkästner. Nu seh een Mensch an, hat det Weib die janze Pulle leer jedrunken! (Er betrachtet die Flasche.) Aber ooch nich en Droppen drin gelassen, so 'n schlechtes Weibstück!

Dritter Junge. Seh'n Se mal, se lacht Ihnen aus!

Guckkästner. Lassen Se se man lachen, ick wer ihr nachher zu Thränen rühren! Ein schreckliches Laster, der Soff! Meine Herrn, ich warne Ihnen.

Dorothea singt):

Det beste Leben hab ick doch,
Ick kann mir nich beklagen

Guckkästner (ärgerlich). Stille! Warte man, ick wer Dir nachher det beste Leben anstreichen, du sollst dir schon beklagen können! (Mehrere Menschen versammeln sich und lachen.)

Ein Gensd'arme. Na was is hier los?

Guckkästner. Wie so?

Dritter Junge. I seh'n Se mal, die Frau von den Mann hier is besoffen! (Der Gensdarme führt Dorothea nach der Wache.)

Guckkästner. Schön! Rrrr! ein anderes Bild! Hier werden sie sehen die denkwürdichte Schlacht bei Bellaaljanks, oder wie die Engländer es nennen Vaterloo. Der Herzog von Wellinkthon kommt eben von vrone un zieht mit seine Engländer jejen Buneparten; – aber wie kann der Mensch ihr mitnehmen – Dampf steicht auf, die Kanonen krachen, die Dodten rühren sich nich, es geht heiß her, die Pferde irren ohne Menschen, die Jeplessirten schreien nach Schmerz; Einer rechelt hier seinen Tod aus, der Andere da, Buneparte hält sich noch immer, bis rückwärts der Marschall Vorwärts kommt, und ihm den Ausschlag jibbt. Diese fürchterliche Schlacht habe ich mitgemacht, meine Herren!

Erster Junge. Ick seh' Ihnen ja aber nich! Sie liejen woll da unter de Dodten?

Guckkästner. Nein, ich bin um de Ecke! Ich schlage mir eben mit drei französche Drajoner.

Zweiter Junge. So! na denn wer'n wir woll Ihnen nich mehr zu sehn kriejen.

Guckkästner. Sie liejen bereits alle Drei an de Erde un bitten um Pardon; ich bewillije sie diesen un reite jeschwinde zu eine Marketendern, welche Sie da vorne sehen, um mir zu erholen. Die Marketendern is meine jetzije Jemahlin.

Dritter Junge. Die eben nach de Wache jebracht is?

Guckkästner. Ja, sie lebt jern unter Soldaten und erinnert sich der vielen Kämpfe, welche sie mitjemacht hat. – Rrrr! ein anderes Bild! – Hür sehen Sie die äjyptische Finsterniß.

Die drei Jungen. Na, wir sehen ja nischt!

Guckkästner. Sein Se nich so dumm! Wollen Se etwa Licht haben, um de Finsterniß zu sehen?

Zweiter Junge. Na aber wie so is des 'ne äjyptische Finsterniß? So sieht ja 'ne deutsche Finsterniß ooch aus!

Guckkästner. Janz natürlich, de deutsche Finsterniß hat auch viel Aehnlichkeit mit de äjyptische: Dieses liegt in der Verwandtschaft. Jetzt verziehen Se sich, Ihr Sechser is alle, rekommandiren Se mir. (schreit.) Immer ran, meine Herrschaften, einen Sechser das Loch! Herjes, et rejent, na det fehlt noch! (Er packt zusammen und trägt seinen Kasten auf den Schultern fort.) Verfluchtet Leben! Aber heute will ick mir ooch Eenen kofen, der soll nich vor de Lanjeweile sind!


 << zurück weiter >>