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Der undankbare König

. Ein Einsiedler kam aus seiner Höhle in einen Barbierladen der Hauptstadt, ließ sich von dem Lehrling einen Spiegel geben, kämmte sich den Bart und das Haar und schenkte dem Knaben ein Goldstück dafür. Dann sprach er: »Wie kommt es, daß du allein im Laden bist?«

»Ach Herr, die andern sind alle zum Geschützgießen gegangen, wo auch der König mit seinen Ministern erscheinen wird. Auf dem Platze vor dem Schlosse werden heute die Kanonen gegossen, – das wird ein Fest.«

»Komm, so wollen wir auch dabei sein!« sagte der Derwisch. Darauf schlossen sie den Laden und gingen, das Schauspiel anzusehen.

Als sie zu dem Platze kamen, war der König mit seinem Gefolge schon erschienen. Die Arbeiter nahmen die Schmelztiegel vom Feuer, in denen flüssiges Erz war, und der König warf ein Goldstück dazu.

Still und bescheiden trat auch der Einsiedler heran, tat ein wenig von einem gelben Pulver in die Tiegel und entschwand alsbald mit dem Barbierlehrling aus der Menge des Volkes. Er ging mit dem Knaben in den Laden und sagte: »Ich kehre jetzt heim; wenn der König mich suchen lassen sollte, so tritt zu ihm und sage, du wüßtest meine Höhle und könntest mich holen.« Dann beschrieb er dem Lehrling den Weg genau und zog von hinnen.

Der König verweilte auf dem Platze; denn er wollte das Werk sich vollenden sehen; als die Arbeiter die Schmelztiegel aber ausgossen, fand es sich, daß das flüssige Metall zu lauterem Golde geworden war.

Nun begann der König zu forschen; da sagten die Großen von seinem Hofe: »Wir haben vorhin einen Derwisch gesehen, der sich um die Masse zu schaffen machte. Wohlan, man soll den Mann suchen, und von ihm das Geheimnis erfahren, aus schlechtem Metalle Gold zu machen.«

Nicht lange, und der Barbierlehrling vernahm, daß man den Einsiedler entdecken wolle. Er ging also zum Könige und erbot sich, ihn herzubringen.

Der König rüstete ihm zwei Reitkamele und sandte ihn aus. Nach sieben Tagen kehrte der Derwisch mit dem Knaben an den Hof zurück, und der König sprach zu dem Alten: »Ich wünsche, daß du mich die Kunst lehrst, Gold zu machen.«

Hierauf erhob sich der Einsiedler, nahm eine Pfanne, legte Blei, Zinn und Kupfer hinein und stellte sie an ein Feuer. Nicht lange, und das Metall war flüssig; da streute der Derwisch ein wenig von seinem Zauberpulver darüber und – eitles Gold schwamm in der Pfanne!

Erfreut über diese Kunst, saß der König nun so oft es ihm beliebte in der Kammer des Einsiedlers und ließ sich Gold machen. Er versuchte sich auch selbst in diesem einträglichen Gewerbe, und siehe, es gelang immer, wenn der Derwisch neben ihm saß. Wollte der König ohne ihn die Sache probieren, so übte das Pulver seine Zauberwirkung nicht.

Darüber war er sehr verstimmt, und eines Tages, als er sich wieder vergeblich bemüht hatte, hieß er Rosse satteln und ritt mit seinen Ministern und dem Goldmacher in den Wald.

Da kamen sie an einen Strom, und als sie über den schmalen Steg ritten, lockerte sich der Königsring am Finger des Herrschers und rollte in die Fluten.

Der König war sehr unglücklich und rief: »Wir wollen diesen Platz nicht eher verlassen, als bis ich meinen Ring wiederbekommen habe.«

Das ganze Gefolge stieg aus den Sätteln, und alle waren im Begriff, sich in den Strom zu stürzen, als der Einsiedler herzutrat und fragte: »Was ist dir geschehen, o Herrscher, daß du den Zug an dieser Stelle halten läßt?«

»Der Siegelring meines Königtums ist mir in den Strom gefallen.«

Und der Derwisch erwiderte: »Sorge dich nicht darum, Herr.«

Hierauf zog er ein Stück Bienenwachs aus dem Rocke, formte daraus die Gestalt eines Männleins und warf sie ins Wasser.

Und siehe, mit einem Male kam die Figur wieder aus dem Strome heraus, trug den Siegelring um den Hals und sprang auf den Sattelknopf vor den König.

Fröhlich ritt die Jagdgesellschaft von dannen und kam zu jenen Wäldern, in denen man sich belustigen wollte.

Aber es waren ihrer etliche unter den Höflingen, denen wuchs der Neid ins Herz, und sie sprachen zum Könige: »Herr, du mußt vor dem Derwisch scharf auf der Hut sein. Er hat so große Macht, daß er dich am Ende umbringt und deine Herrschaft an sich reißt.«

»Wieso?« fragte der König.

»Nun, es wäre ihm ein leichtes, Figuren aus Wachs zu kneten und ihnen über dich und uns Gewalt zu geben.«

Als der König diese Worte vernahm, erschrak er und fragte: »Was meint ihr, wie sollen wir mit dem Derwisch verfahren?«

»Es ist am besten, du läßt ihn töten; denn wenn du ihn des Landes verweist, so wird er Rachepläne ersinnen und wiederkommen.«

Am anderen Tage bestellte der König den Einsiedler zu sich und sprach: »Ich habe den Entschluß gefaßt, dich zu töten. Wenn du noch einen Auftrag für Freunde oder Verwandte hast, so sage ihn; denn deine letzte Stunde ist gekommen.«

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»Weshalb wolltest du mich töten, o Herr?« fragte der Derwisch ruhig. »Habe ich dir nicht Gutes erwiesen?«

Allein, es gelang ihm nicht, des Königs Meinung zu ändern. Da griff er zu seinem letzten Mittel: er zog einen großen Kreis auf den Boden des Zimmers; und in diesen großen Kreis zeichnete er einen viel kleineren – so gering an Umfang, daß gerade die Füße des Einsiedlers darin Platz hatten.

»Was soll das?« fragte der König.

»Siehe, o König,« sagte der Derwisch, »dieser große Kreis ist die Herrschaft, die dir gehört; der kleine Kreis aber stellt mein Reich vor. Haben wir nicht beide Platz?«

Aber dem König schien dies ein törichtes Spiel.

»Nehmt ihn fest und führt ihn zum Tode!« gebot er.

Im selben Augenblick verschwand der Einsiedler, und die Arme, die sich nach ihm ausstreckten, griffen in die Luft. Und es ward nie mehr eine Spur des Derwischs gesehen.

Nicht lange danach ward das Reich des Königs mit Krieg überzogen; da fand es sich, daß kein Geld in den Schatzkammern war, der König konnte kein Heer rüsten, und sein Land und seine Herrschaft fielen in die Hände des Siegers.

»O, wie töricht bin ich beraten gewesen!« rief der König in seinem großen Leide. »Ich habe die Wohltaten jenes Derwischs vergessen und mit Undank gelohnt. Er hätte mir meine Kammern mit Gold gefüllt – nun aber ist meine Herrlichkeit zu Staub und Asche geworden.«

So seufzte er in seiner tiefen Reue; aber den Derwisch brachten all seine Tränen nicht zurück.

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