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Prinz Aschenputtel

Ein König hatte drei Söhne, mochte aber den jüngsten nicht leiden und verbannte ihn in die Küche. Auf die Brüder Prinz Aschenputtels häufte er alles Gute und all seinen Reichtum.

Eines Tages wollten diese zwei zur Jagd reiten; da ließ der König ihnen ein paar prächtige Hengste rüsten, mit Gold aufzäumen und mit Scharlachschabracken decken, und wünschte ihnen Weidmannsheil.

Der Jüngste sah mit vielem Kummer hinter ihnen drein, und weil der König ihn auslachte, als er auch ein so schmuckes Jagdpferd haben wollte, nahm er seine geringen Ersparnisse, kaufte sich einen alten Klepper und ritt den Brüdern nach.

Auf dem Wege fand er eine Feder von Perlen und Smaragden, die steckte er voller Freude an seinen Hut.

Als ihn aber die Brüder sahen, schalten sie ihn, warfen mit Steinen nach ihm und nahmen ihm seinen kostbaren Fund ab. Dann jagten sie ihn auf seinem lahmen Pferde von dannen. Sie aber ritten zum Könige und zeigten ihm die herrliche Feder.

Der König wunderte sich sehr darüber und versprach ihnen eine hohe Belohnung, wenn sie den Vogel brächten, der so wunderbares Gefieder trüge.

Da machten sich die Brüder auf, den Vogel zu suchen.

Auch Prinz Aschenputtel erfuhr vom Wunsche des Königs, bestieg sein lahmes Pferd und trabte im Grauen des nächsten Morgens davon.

»Vielleicht,« dachte er, »habe ich Glück und gewinne mir das Herz des Vaters wieder.«

Nach sieben Tagen kam er an eine große Stadt, deren Bewohner waren sehr traurig, schrien und lamentierten.

»Warum seid ihr denn alle so voll Kummer?« fragte Prinz Aschenputtel einen alten Mann, den er vor der Stadtmauer traf.

»Ach, mein Sohn, unsere Stadt wird von einem gewaltigen Löwen geplagt; seit vierzig Jahren kommt er nun schon, immer um diese Zeit, und fordert das schönste Mädchen der Stadt. Wollten wir ihm dieses verweigern, so würde er uns alle vernichten, und unsere Häuser dazu. Darum werfen die Bewohner in jedem Jahre das Los, welches der Mädchen dem Löwen auszuliefern ist. Und diesmal ist es auf die Tochter unseres Königs gefallen. Nun wird sie auf einen Platz außerhalb der Mauern geführt, damit das Ungeheuer sie dort fressen kann.«

Der Prinz saß noch immer nachdenklich neben dem alten Manne; da kam auf einmal die Prinzessin des Weges, sah den fremden jungen Mann und fragte: »Was führte dich an diese Stätte des Unglücks? Fürwahr, der Löwe wird noch in dieser Stunde kommen, um mich zu packen. Wenn er dich aber an meiner Seite sieht, wird er dich noch vor mir zerreißen. Steh daher auf und rette dich, so schnell du kannst!«

Prinz Aschenputtel aber entgegnete: »Mein Leben ist so freudlos, daß ich mich gerne für dich opfern will.«

Kaum hatte er ausgeredet, da wirbelten Staub- und Sandsäulen auf, Wirbelwinde sausten heran, und inmitten des Staubes stand der Löwe und schlug seine Flanken mit dem Schweife, als klängen Kesselpauken.

Prinz Aschenputtel aber zog sein rostiges Reiterschwert und versetzte dem Untier einen Schlag zwischen die Augen, daß er ihm das Haupt spaltete.

Die Prinzessin breitete in großer Freude und Glückseligkeit ihre Arme aus und rief: »Nun komm mit mir zum Könige und laß dich von ihm belohnen, mein starker, mein tapferer Retter!«

Der Prinz aber, eingedenk des Zweckes seiner Fahrt, sagte: »Das kann nicht sein,« setzte sich auf seinen Klepper und ritt zu den Kaufhallen der Stadt, ob er vielleicht den seltenen Vogel gewahre.

Mittlerweile war die Prinzessin zu ihren Eltern gekommen, erzählte, was sich zugetragen hatte, und sofort sandte der König seine Ritter aus, damit sie den Tapferen an seinen Hof brächten.

Als sie ihn gefunden hatten, wurde er unter dem Jubel des Volkes ins Schloß geführt, und alle riefen: »Gib ihm deine Tochter und die Hälfte deines Reiches, o König; denn wo beschiene die Sonne einen Helden wie ihn?«

So wurde er der Gemahl der schönsten Königstochter und lebte ein paar Monate am Hofe.

In einer Nacht aber stand er auf, vertauschte seinen Siegelring mit dem seiner jungen Gemahlin und legte ein Täfelein auf ihr Lager; darauf schrieb er: »Ich bin Aladin, der Sohn des Königs von Indien; wenn du mich liebhast, eile zu mir!«

Danach schritt er aus dem Schlosse, setzte sich in den Sattel und ritt zehn Lage durch Wüsten und Wildnisse.

Am elften Tage kam er in eine Stadt, die ward von einem wilden Elefanten geplagt; dieses Ungetüm kam jedes Jahr einmal, nahm eine von den Töchtern der Stadt, und diesmal war das Los auf die Tochter des Königs gefallen. Die saß schon draußen am Rande der Wildnis und wartete auf den Tod.

Aladin aber ging zu ihr und sagte: »Sei unbesorgt, o Königskind, ich will den Kampf mit dem Ungeheuer aufnehmen!«

Es dauerte nicht lange, so ward die Wüste zu einer Staubwolke, der Elefant stürmte daher, und Prinz Aschenputtel schlug ihm sein Schwert zwischen die Augen, daß die Klinge zwischen den Vorderbeinen wieder herausfuhr; tödlich getroffen, wälzte sich der Elefant in seinem Blute.

Da erhob sich die Prinzessin im Übermaß ihrer Freude und wollte ihren Retter dem König ungesäumt in die Arme führen.

Es geschah nun alles wie in der Löwenstadt: der Jüngling wurde ausfindig gemacht, erhielt die Tochter des Königs, ohne daß er gefragt wurde, zum Weibe, und weil er sich sagte, daß dies doch eine sonderbare Gepflogenheit sei, verließ er seine junge Gattin unter den gleichen Umständen wie die erste.

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Lange Zeit war er unterwegs, da kam er zu der Stadt, in welcher der Vogel mit den Perlenfedern wohnte. Der gehörte der Königstochter – aber kein Mensch verriet es dem Jüngling, bis er zu einem Einsiedler kam. Der sagte: »Die Königstochter hat den Wundervogel in ihrer Kammer, und jeder, der ihn bis jetzt haben wollte, ist ein Kind des Todes gewesen; denn vor den sieben Türen, die zu ihrer Kammer führen, liegen sieben Löwen; und vor der achten halten vierzig gewappnete Ritter die Wache. Wenn du dennoch dein Glück versuchen willst, so richte sieben Lämmer auf dem Flur zu und teile jedes Lamm in zwei Hälften.«

»Das ist eine sehr merkwürdige Geschichte,«

[Druckfehler: Zeile fehlt im Buch] puttel; »aber die Sache mit dem Löwen und dem Elefanten war nicht minder merkwürdig; und ich werde mein Heil versuchen.«

Er tat, wie ihm der Einsiedler geraten hatte, und um Mitternacht trat er zu der Tür im Schlosse, vor der der erste Löwe lag.

Er warf ihm die Hälfte eines gebratenen Lammes zu, und der Löwe ließ ihn ziehen.

So gelangte er an den sieben Ungeheuern vorüber durch die sieben Türen und fand die vierzig gewappneten Ritter schlafend vor der achten.

Er trat also in die Kemenate der Prinzessin; die lag in tiefem Traum auf ihrem Lager, und im Käfig auf dem Fenster saß der Vogel mit den Federn aus Perlen und Edelsteinen.

Da zog er ein Täfelein aus seinem Wams und schrieb darauf: »Ich bin der Prinz Aladin von Indien und nahm dir, während du schliefst, deinen Wundervogel. Wenn du dich nach mir sehnst, so komm eilig in meine Vaterstadt.«

Dann hüllte er den Käfig sorglich in ein Tuch, warf den Löwen die andere Hälfte des Lammes vor und wanderte in die Nacht. Tagelang ritt er wieder durch Wüsten, um seine Heimat zu erreichen. Als er aber endlich in ihre Nähe gekommen war, überfielen ihn seine Brüder, raubten ihm den Käfig mit dem Wundervogel und sprengten damit zum Könige.

»Hier bringen wir ihn,« riefen sie, »und wir haben seinetwegen viel Mühsal und Plagen erlitten.«

Der Jüngste aber kehrte zuletzt auch nach Hause zurück und setzte sich sehr betrübt wieder in die Asche.

Die älteren Brüder und der König behandelten ihn von Stund' an noch übler, und der König sagte: »Was bist du für ein ungeratener Sohn! Da läßt man sich deine Brüder gefallen; sie haben den Vogel mit den Perlenfedern gefunden, haben große Heldentaten verrichtet und sind die Tapfersten im Reiche. Pfui, schäme dich, daß du es ihnen nicht nachtust!«

Dieser Hohn fiel dem armen Prinzen Aschenputtel schwer aufs Herz, und er wußte sich in seinem Jammer keinen Rat. –

Mittlerweile war die Prinzessin, der ihr Vogel geraubt worden war, natürlich längst erwacht und hatte das Täfelein mit der Inschrift entdeckt. Sie lief alsbald zu ihrem Vater und sagte: »Keinen als den Helden, der so kühn in mein achtfach bewahrtes Gemach drang, will ich zum Gatten haben; sicherlich gibt es unter allen Königssöhnen der Erde keinen schöneren und stärkeren als ihn.«

Da ließ der König einen großen Reiterzug rüsten, gab viele beladene Kamele hinzu – und als die sieben Tage vergangen waren, in welchen die reiche Heerfahrt ausgestattet wurde, ging's auf die Reise an den Hof des Königs von Indien.

Nicht lange, so kamen sie vor die Stadt, in der Prinz Aschenputtel den Elefanten erschlagen hatte. Sie erfuhren, was geschehen war, und an dem Täfelein erkannten sie: der Elefantentöter war der gleiche, der den Vogel geraubt hatte. Die junge Gattin des Prinzen aber ließ ebenfalls eine große und reiche Karawane ausrüsten, schloß sich damit der ersten an – und fort ging's auf die Reise an den Hof des Königs von Indien.

Die beiden Herrschaften kamen alsbald zu jener Stadt, in der Aschenputtel den Löwen erschlagen; und die Königstochter befahl, sofort einen Reiterzug zu wappnen, viele Geschenke auf Kamele zu laden, vereinte ihr Gefolge mit den beiden andern und ritt aus – an den Hof des Königs von Indien.

Nun befanden sich aber nicht nur die drei Prinzessinnen, sondern auch die drei Könige selber in der Heerfahrt; denn alle wollten den sehen, der so große Wunder der Tapferkeit verrichtet hatte.

Nach einigen Wochen waren sie am Ziele, gingen alsbald zum Könige von Indien zu Gaste, und als sie beim Mahle saßen, fragten ihn die drei fremden Herrscher: »O Bruder, nun sag' uns, hast du Kinder?«

»Hm,« machte der König von Indien und kraute sich den Bart, »ich habe zwei Söhne.«

»So laß sie vor uns kommen, damit wir sie sehen.«

Es wurde also nach den beiden Prinzen geschickt; die taten feine und parfümierte Gewänder an und kamen ins Schloß ihres Vaters.

Die drei Prinzessinnen aber standen da, und die dritte, der der Vogel gehörte, fragte: »Ist er einer von diesen beiden?«

»Nein, er ist nicht unter ihnen.«

Da fragten die Könige: »Hast du keinen andern Sohn als diese beiden?«

»O ja,« antwortete der König von Indien, dem diese Frage sehr peinlich war, »ich habe noch einen; aber der ist ein Feigling und Dummkopf und muß deshalb in der Asche sitzen.«

»Laß ihn holen!«

Und es ward ein Bote gesandt, der führte den Prinzen Aschenputtel herein.

Die zwei Königstöchter, die ihn erkannten, wurden bei seinem Anblicke sehr froh, und die dritte küßte ihm demütig die Hand. Die drei fremden Könige aber erhoben sich vor ihm und grüßten ihn wie einen Helden.

Darüber wunderte sich der Vater sehr und rief seine beiden anderen Söhne zur Seite; denn die Sache mußte untersucht werden. Er sprach also: »Wer von euch beiden fand die Feder?«

Da blieben sie stumm.

»Wer von euch hat den Elefanten und wer den Löwen erschlagen?«

Sie aber schwiegen.

»Wer von euch trat in das Gemach der Tochter jenes Königs und nahm ihr den Vogel mit der Perlenfeder?«

Sie schwiegen auch diesmal und fanden keine Silbe zur Antwort.

Da trat Prinz Aschenputtel hinzu und rief: »Weshalb überfielt ihr mich und schlugt mich und stahlt mir den Wundervogel? Aber jedes Ding hat seine Zeit! Auch das Übel, das ihr mir antatet! Auch die Verachtung, die ihr für mich hattet!«

Und der König, dem mit einem Male ein ungeheuer großes Licht aufging, wie sehr er betrogen worden war, ließ seine beiden Söhne fesseln und ins Gefängnis werfen.

Weil sich die Geschichte in einem Lande zutrug, in dem jeder Mann so viele Frauen nehmen darf, wie er mag und wie viele ihm sein Vermögen erlaubt, so zog Prinz Aladin mit seinen drei Gattinnen in ein sehr schönes Schloß – denn die Prinzessin mit dem wundervollen Vogel wurde ihm gleich am selbigen Tage angetraut. Und der König, der nicht mehr lange regierte, ernannte Aladin zu seinem Nachfolger. Der aber begnadigte seine gefangenen Brüder unter der Bedingung, daß sie aus dem Lande gingen.

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