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V

Es ist auch zu zweit ganz schön hier oben, wie?« sagt Frau Edda. Sybille antwortet nicht, sie faßt mit einer weiten Bewegung durch die Luft nach der Freundin und schnurrt. Sie liegen nebeneinander auf dem Felsen unterhalb des Kleinen Teichs, wo sie sich zuerst getroffen hatten. Der Tag ist klar und windstill, daß selbst die blasse Herbstsonne noch wärmen kann. Irgendwo in den weiten Wäldern brennt ein Holzmacherfeuer, dessen Rauchgeruch sich in dem stillen Bergkessel verfangen hat und nun mit dem Duft später Blumen und ersten Fallaubs, mit Nadeln, Harz und feuchtem Moos in der Luft steht. Es ist lange ganz still – dann klingt vom Kamm herüber ein Ruf, eine Menschenstimme, ganz verloren in der ungeheuren Einsamkeit, und führt die beiden zum Leben zurück. Sybille setzt sich mit einem Ruck auf, umfaßt die geliebte Berglandschaft mit einem langen Blick und sagt, ohne die Freundin anzusehen, ins Blaue: »Du hast mir viel geholfen, du, ich hätte nie gedacht, daß kurze vierzehn Tage mich so verändern würden …«

»Man hilft sich immer selbst«, schiebt Frau Edda langsam ein. »Ich habe dir doch gleich zu Anfang gesagt, daß du mir ein Mädel scheinst …«

»Vielleicht werde ich es noch – den Anstoß hast du mir gegeben!« sagt Sybille und fröstelt plötzlich, denn mit einmal hat sich ein Wind aufgemacht und streicht schneidend kalt aus dem nahen Bachbett herauf.

»Es wird kühl«, sagt Frau Edda und beginnt sich gehfertig zu machen. »Wir wollen lieber nicht mehr sitzenbleiben!« Im Bergabgehen spricht Sybille weiter: »Aber darf ich etwas sagen, Frau Edda?« – »Los doch, immer zu, warum so feierlich?« wirft die Ältere über die Schulter zurück. Sybille sucht vorsichtig nach den rechten Worten, dann meint sie: »Du hast mich vieles sehen gelehrt, ich fühle genau, wieviel weiter mir die Welt geworden ist – aber mit dem einen kann ich nicht mit: dieses Überall-und-nirgends-zu-Hause, die Allerweltsheimat – das ist nichts für mich! Heute die Berge, morgen die See, dann die Wüste, zwischen Schnee und Tannen, Palmen und Sand hin und her – nein, das ist nichts für mich! Ich will wissen, wo ich hingehöre! Und wenn ich vieles liebhabe – eins muß mir das liebste sein! An einem Tag wie heute merk ich das so richtig, das ist mein Land, das weht und rauscht und riecht so, wie ich es zuinnerst weiß – das gibt es nicht ein zweites Mal!«

Frau Edda ist stehengeblieben und spricht nun, ohne sich umzuwenden, vielleicht will sie das leise gequälte Lächeln nicht zeigen, das auf ihren Lippen ist und der tiefen Trauer der Augen seltsam entgegensteht: »Du lebst sehr stark in der Natur, das ist schön und gut, es hilft viel, ich will nichts dagegen sagen. Aber du darfst wirklich nicht glauben, daß es so etwas wie diese Berge hier kein zweites Mal gibt! Lieber Himmel, Kindchen! Ich könnte es dir tausendmal zeigen – ganz gleich schön – in der Schweiz, in Italien, im ganzen Balkan; in Nordafrika, im Atlas, aber auch in den Kordilleren, dann natürlich in Nordamerika, in den Rockys und in Kanada – ach, was weißt du, wie oft sich alles wiederholt!«

»Nein, das glaube ich nicht!« meint Sybille ganz ernsthaft. »Zu Hause bin ich nur hier, das habe ich jetzt endlich gemerkt, vielleicht gerade im Widerspruch! Es kann überall anders auch schön sein, das bestreite ich nicht, aber hier weiß ich es, und darum werde ich so ruhig, ja, das ist schon so!«

»Wunderbar!« sagt Frau Edda, es klingt gepreßt. »Wunderbar!« wiederholt sie nach ein paar Schritten etwas freier. »Was willst du mehr, Kind? Nun hast du die Heimat und den Frieden – ein schnelles Glück!«

Sybille merkt die Ironie, sie errötet so heftig, daß sie kurz stehenbleiben muß, um sich zu sammeln, das kleine böse Frauenwort, das ihr auf den Lippen liegt, soll ungesprochen bleiben, es müßte alles vergiften. Sobald sie sich wieder in der Hand hat, sagt sie leise: »Es war kindisch von mir, von einer Selbstverständlichkeit so viel herzumachen – es sind ja auch Dinge, die wirklich nur mich allein angehen …«

Frau Edda lenkt sofort ein, macht auf dem Absatz kehrt und spricht der Freundin in die Augen: »Nicht böse werden, Kind! Ich wollte dir gewiß nicht weh tun, nein, du sollst nur merken, daß es nicht allein um die örtliche Heimat geht – du sagst ja selbst, daß du wissen mußt, ›wo du hingehörst‹ –, das ist mit der Landschaft allein nicht getan! Als Einsiedlerin wirst du ja nicht leben wollen – du kommst an den Menschen nicht vorbei!«

Sybille steht schweigend, ehe sie leise sagt: »Das ist sehr wahr, die Menschen gehören dazu. Aber zu denen findet man wohl, wenn man erst den festen Punkt hat!«

»Nicht immer, Kind! Es kann ein Schicksal sein, immer abseits zu stehen, außerhalb jeder Gemeinschaft, jeder Bruderschaft, jeder Vereinigung, jedes Standes … Die Gleichgestellten sind dir vielleicht langweilig oder gar widerwärtig, und die Oberen wie die Unteren lehnen dich gleicherweise ab, als unebenbürtig …«

»Ja, ja«, flüstert Sybille. »Da ist eine Masse, von der man nichts weiß, man fühlt nur die großen Spannungen, aber es gibt keine Nähe, schließlich hat immer das Scheckbuch das letzte Wort … Ja, das kenne ich!« sagt sie lauter und strafft sich. »Aber für mich gilt es nicht mehr lange! Ich konnte mich nur noch nicht entscheiden, weil ich zwischen lauter Vermächtnisse eingezwängt bin, die ich nicht durchbrechen will, ehe ich sie ganz kenne – das dauert nicht mehr lang! Sobald ich einmal keine Angst mehr haben muß, den guten Onkel Hagen zu enttäuschen …«

»Hängst du so sehr an ihm?«

»Eigentlich nicht – netter alter Herr, der viel mit sich zu tun hat. Aber er verkörpert doch die Erinnerung an meine Mutter und an meinen Vater – damit hält er mich!«

»Nicht allzu fest, wie es scheint«, lacht Frau Edda.

»Na ja, diesmal habe ich ihn doch enttäuscht, fürchte ich, darum bin ich ausgerissen, um mir alles nochmals zu überlegen. Und es hat ja geholfen, ich bin ganz ruhig und vergnügt! Das danke ich dir!«

Damit hängt sie sich an Frau Eddas Arm, sie gehen den breiter gewordenen Weg nebeneinander hinunter mit langen, schwingenden Schritten. Frau Edda hält mühelos mit; in ihren Augen ist nichts mehr von müder Trauer, sie blitzen vergnügt unter dem schrägen Rand des Filzhütchens hervor. »Süß ist sie!« denkt Sybille und preßt den Arm der Freundin fester.

Unten vor der Villa Talblick sehen sie ein Auto stehen, einen nagelneuen Sechszylinder; das Dach ist zurückgeschlagen, sehr sportlich bei dem rauhen Wetter, die beiden Sitze sind mit festem rotem Leder bezogen; neben dem Steuerrad liegt ein Paar schweinslederner Handschuhe, bei deren Anblick Sybille einen leichten Stich fühlt; der kreisrunde Ölfleck auf dem einen Handrücken kommt ihr bekannt vor. Aber das Auto ist ja bestimmt fremd, ein dummer Zufall, nichts weiter.

Es ist kein Zufall: beim Betreten der Villa flattert ihnen Fräulein Gertrud aufgeregt entgegen und meldet Besuch für Fräulein Wohlbrink, Herrn Gottfried Homilius jun., im Auto angekommen … »Zauberhaft!« flötet Fräulein Gertrud, sie wittert bräutliches Glück.

Sybille unterdrückt mit Mühe eine heftige Abweisung. Unter Frau Eddas Lächeln besinnt sie sich, daß dies alles ja überwunden sein sollte. Man wird den dummen Jungen wieder fortschicken, das ist alles … Sie nimmt sich nicht Zeit, in ihr Zimmer hinaufzugehen, sondern betritt ohne weiteres, in Hut und Jacke, den kleinen Seitenraum der Halle, den Gottfried seit einer halben Stunde ruhelos durchwandert. Sie hat ihn früher gesehen als er sie, in der Halle hängt ein großer Spiegel, von dem er nichts weiß; während Fräulein Gertruds Meldung hat Sybille beobachten können, wie Gottfried schnell seinen Kognak gekippt, die Zigarette ausgedrückt, Weste und Maschenbinder strammgezogen hat – »Kleiner Pfau, der sein Rädchen probiert!« mit diesem Gedanken steht sie nun vor ihm, schneekalt im übrigen, Gottfriedchen ist nicht der Mann, der bei ihr noch Affekte auszulösen hätte.

Gottfried läßt sich nicht beirren, schließlich hat er seinen nagelneuen Zweisitzer vor der Tür stehen, die Versicherung war kulant, der Wagen kann sich sehen lassen. Auch der Kognak tut sein Werk – das Leben ist gar nicht so schwer, Mädchen wollen erobert sein …

»Ich wüßte nicht, was wir beide noch zu besprechen hätten«, sagt Sybille statt einer Begrüßung; ich bitte sehr, artig ist das nicht. »Wie hast du überhaupt hergefunden?« sagt sie noch. »Mit der Polizei vielleicht?«

Gottfried zieht nochmals die Weste stramm, aber es hilft nicht, ihm fällt keine Antwort ein, die überlegen genug wäre. Sybille mustert ihn mit einem fremden Glitzern in den Augen; wenn sie wenigstens reden wollte, aber nein, sie schweigt, sie erspart ihm nichts. Da also wird auch Gottfried wehrhaft, er krümmt sich wie ein Wurm, der getreten wird, viel Gift hat er ja nicht, aber er will es nicht bei sich behalten: »Es hat sich nicht vermeiden lassen – du bist als Zeugin vorgeladen, in der Mordsache, du weißt ja!«

»Und du?« fragt Sybille, ohne Wirkung zu zeigen.

»Ich natürlich auch!«

»Haben sie ihn schon?«

»Wen?«

»Na, den Mörder doch, die beiden eben, die wir damals überrascht haben!«

»Nein, das heißt – ich weiß nicht –, vorläufig sollst du vor dem Untersuchungsrichter aussagen. Hier ist die Vorladung, ich habe sie mir für dich mitgeben lassen!«

»Fräulein Sybille Wohlbrink, zu Händen des Herrn Gottfried Homilius jun., zur Zeit auf Reisen!« liest Sybille und fragt böse: »Was soll das? Praktizierst du jetzt als Gerichtsschreiber?«

Gottfried macht eine verächtliche Grimasse, ehe er antwortet: »Mein Freund, der junge Hartmann, macht eben seinen Gerichtsreferendar und hat mir das so ausstellen lassen, weil ich ihm sagte, daß ich dich suchen fahre.«

»Mich suchen? Was hast du davon, ob mich die Vorladung erreicht oder nicht? Sie konnte ja beim Onkel Hagen liegenbleiben – fertig!«

»Ich dachte, es ist dir lieber, ich bringe sie dir, als daß du etwa durch Zeitungsanzeigen gesucht wirst oder gar durch die Polizei …«

»So!« sagt Sybille. »Und wie hast du mich gefunden?«

»Ich fragte, was für Sachen du mitgenommen hast«, erklärt Gottfried, mit merklichem Stolz auf den eigenen Scharfsinn, »und als mir die Jungfer sagte, du hättest noch kein Skizeug und überhaupt nur wenig mit, da dachte ich mir, daß du nicht im Hochgebirge sein wirst, und telephonierte hier an die Gemeindeverwaltungen, ob Fräulein Sybille Wohlbrink gemeldet sei; es klappte gleich bei der ersten, und da bin ich hergefahren. Hier ist die Vorladung!«

Sybille nimmt sie nicht, sie glitzert ihn so durchdringend an, daß er die Augen senken muß und die ausgestreckte Hand langsam zurückzieht.

»Mach mir nichts vor!« sagt Sybille langsam. »Dahinter steckt noch was andres! Los!«

»Was denn andres?« möchte sich Gottfried ereifern, er kommt aber nicht gleich in Fahrt, es klingt falsch. Nun hat Sybille plötzlich begriffen und stößt zu: »Dir paßt es wohl sehr gut, daß ich vor Gericht soll? Hast du nicht auch schon was an die Zeitungen gegeben? ›Aus der Gesellschaft – Skandal in der Jagdhütte‹ oder so?« Nun tritt sie ganz nahe an ihn heran und spricht leise und scharf, es ist wirklich, als schnitte sie sich mit den Worten für immer von ihm los: »Ich will dir was sagen: spar dir die Mühe! Mich kriegst du nicht – mit Skandal genau sowenig wie ohne! Ich werde jedem Menschen sagen, daß ich mich schäme, dich jemals in meiner Nähe geduldet zu haben, du Schuft!«

Da ist es vorbei mit Gottfrieds Fassung, auf einmal zittert ihm die Unterlippe, die Augen umfloren sich, wie ein ertappter Schuljunge sieht er aus. Als Sybille sich zum Gehen wendet, faßt er nach ihrem Jackenärmel: »Hör mich doch«, stammelt er heiser. »Hör mich doch – es geht um die Firma, nicht um mich. Wir stehen vor dem Bankrott, und Kramer, unser alter Prokurist, meinte, wir wären noch zu sanieren, wenn ich reich heirate, und ich wußte doch niemand sonst … keine, die ich lieber hätte«, verbessert er sich rasch, doch Sybille schneidet alles Weitere ab: »Genug und übergenug!« sagt sie. »Treib's nicht zu weit – soll ich dich noch wegen Erpressung festnehmen lassen? – Wenn du wenigstens den Murr zu deiner Schufterei hättest – aber du bist ja so ein Jammerlappen – heb dich fort!«

»Dein Onkel wird unglücklich sein, wenn die Sache nicht vertuscht wird!« wirft Gottfried hastig hin, es ist fast ein Schrei, der Schrei eines Ertrinkenden. Eine faustdicke Lüge natürlich, unter andern Umständen nicht zu rechtfertigen, aber es geht ja um Sein oder Nichtsein der Firma! Und von der letzten Unterredung mit Onkel Hagen weiß Sybille nichts.

»Vertuscht? Ich will nichts vertuschen, ich habe nichts zu vertuschen! Wenn Onkel Hagen darüber unglücklich ist, kann ich ihm nicht helfen. – Und jetzt geh, sonst rufe ich Leute!«

Da rafft er sich zu einem Abgang auf, richtig trotzig stampft er davon, als ganzer Mann dem Untergang entgegen. Sybille sieht ihm ungerührt nach, wie er draußen ins Auto steigt, den Anlasser drückt und losfährt; für sie ist die Firma kein Altar, auf dem sie irgendwas opfern wollte, am wenigsten sich selbst. Aber dann greift es ihr doch ans Herz, daß der Junge glauben konnte, die Ehre des alten Namens sei durch eine Niedertracht zu retten. Es ist viel für den Mädchenkopf, was da geschehen ist, Onkel Hagen wird stark enttäuscht sein, endgültig vielleicht. Plötzlich hat sie das Bedürfnis, sich alles von der Seele zu reden, Rat braucht sie nicht, ihr Entschluß steht ja fest, nur aussprechen will sie sich, Frau Edda wird alles verstehen und ihr sicher recht geben.

In der Halle tritt ihr Fräulein Gertrud mit enttäuschtem Lächeln entgegen: »Der junge Herr schon wieder fort? Ein kurzer Besuch!« Sybille hat eine Handbewegung und ein Achselzucken, es kann alles heißen, besonders das eine, daß sie nicht zu sprechen wünscht. Die Enttäuschung auf Fräulein Gertruds Gesicht vertieft sich, während sie Sybille die Treppe hinauf nachblickt. »Diese Jugend!« denkt das gereifte Fräulein Gertrud. »Wie leichtfertig sie das Glück von sich stößt! Bis es auf einmal zu spät ist, vorbei!«

Oben klopft unterdessen Sybille an die Tür des großen Eckzimmers. Es dauert lange, bis von drinnen, seltsam gepreßt, die Frage kommt: »Wer ist denn da?« – »Ich bin es, Sybille!« Nochmals Schweigen, dann ein leises Hantieren, endlich wird der Riegel zurückgeschoben.

Sybille sieht beim Eintreten sofort, daß Frau Edda geweint hat, ihr Gesicht ist ganz verändert, der kalte Umschlag, den sie eben noch auf die Augen gepreßt hielt, hat nichts geholfen.

»Störe ich?« fragt Sybille von der Tür her. »Willst du allein sein?«

Frau Edda antwortet nicht gleich, sie scheint zu überlegen. Als Sybille sich schweigend wieder zum Gehen wendet, ruft sie ihr halblaut nach: »Nein … bleib … wenn du Geduld hast!«

Sofort ist Sybille neben ihr: »Aber, Liebste – Geduld? Ich bin glücklich, wenn du mich brauchen kannst, das weißt du doch!« Damit drückt sie die Ältere sanft auf die Couch zurück, läuft ins Badezimmer und kommt mit dem frisch gekühlten Umschlag wieder, den sie vorsichtig über Augen und Stirn legt. Frau Edda faßt hoch und drückt sich Sybilles Hand gegen die Wange, es ist eine weiche, hilfesuchende Gebärde, ganz unähnlich der Frau Edda, wie Sybille sie bisher gekannt hat.

Sybille fühlt sich befremdet – »be-frem-det« sagt sie sich innerlich langsam vor, wie sie es immer tut, wenn ihr plötzlich der einfache Wortsinn aufgeht. Befremdet, wie vor einem neuen Menschen. Sie fühlt die Bitte um Beistand genau und wird sich ihr gewiß nicht entziehen – was aber kann es sein, das diese starke Frau so plötzlich aus dem Gleichgewicht bringt?

Auf dem Fußboden nahe der Couch liegt ein Briefumschlag, aufgerissen wohl und hingeworfen in größter Ungeduld. Eine merkwürdige Schrägschrift, wie Degenklingen; eine ausländische Marke, der Stempel nicht zu erkennen, bücken will sich Sybille nicht. So läßt sie die Augen weiterwandern und sieht unter dem Kopfkissen einen Briefbogen hervorragen, eine Ecke nur; die Schrift, die gleiche wie auf dem Umschlag, ist verwischt – durch Tränen?

Frau Edda bleibt stumm und hält Sybilles Hand gegen die Wange gedrückt, Sybille macht mit den freien Fingerspitzen eine leise streichende Bewegung, es ist ein zartes Spiel. Gesprochen wird nicht.

Endlich beginnt Frau Edda zu sprechen. Es sieht gespenstisch aus, wie ihr Mund sich bewegt, während das übrige Gesicht von dem Umschlag verdeckt bleibt. Sybille meint diesen Mund mit den schlaffen, sinnlichen Linien nie gesehen zu haben, und der Schreck darüber ist größer als das Erstaunen über die merkwürdige Frage, die sich formt: »Was verstehst du unter Freundschaft?«

Sybille antwortet nicht gleich, sie ist ganz versunken in den Anblick des fremden Mundes, der Sinn der Frage kommt ihr zunächst nicht zum Bewußtsein. Nun folgt die Erklärung nach: »Ich meine: läßt du deine Freunde gelten, wie sie sind, oder nur so, wie du sie haben willst?«

Sybille schweigt noch immer, aber sie ist aufmerksam geworden, sie denkt über die Frage nach und darüber, wie wenig sie von der Frau da weiß, die sie doch bis vor kurzem mit aller Aufrichtigkeit Freundin genannt hat. Zuerst hat sie den Augen geglaubt – ja, wie ist das nun? Hat sie damit auch alles gebilligt, was in diesem Leben, ihr unbekannt, wer weiß wie weit zurücklag?

»Menschen sind selten ein Ganzes, meist eine Summe von Einzelheiten«, sagt Frau Edda, als hätte sie die Gedanken der Freundin erraten. »Man muß ein arithmetisches Mittel ziehen …«

Ja, gewiß, so ist das, stimmt Sybille innerlich zu; laut aber sagt sie immer noch nichts, sie hat das sichere Vorgefühl, daß sie im nächsten Augenblick vor etwas Ungeahntes, ganz Fremdes gestellt sein wird; die aufgelöste Dame, die da vor ihr auf der Couch unter kalter Kompresse liegt, hat nichts mit Frau Edda zu tun, der weisen, starken Freundin.

»Mein Mann hat geschrieben«, sagt Frau Eddas Mund, doch mit einem zimperlichen Stimmchen, vielleicht soll es amourös klingen, aber Sybille hört den Unterton, so viel Frau ist sie schon: es ist Scham, Frau Edda schämt sich, hier ist der dunkle Punkt in diesem Leben.

»Dein Mann!« sagt Sybille, es ist mehr Feststellung als Frage, sie ist nicht neugierig. Frau Edda aber nimmt es als Frage und beginnt zu erzählen, stockend erst, mit halben Worten und einem gelegentlichen Aufschluchzen, doch bald ist die Hemmung ganz überwunden, sie erzählt und erzählt, immer noch liegend; den Umschlag hat sie weggezogen, doch das Gesicht ist nicht Sybille zugewandt, es blickt, merkwürdig leer, zur Decke hinauf; Sybille hört mit einem Frösteln zu, das sich nur langsam mit Mitleid füllt, sie weiß gar nicht, ob es wirklich auf ihr Zuhören ankommt, vielleicht will die Frau da all das Schwere und Böse, über das sie wohl nie gesprochen, immer nur stumm gegrübelt hat, nun mit Worten aus sich hinausgestellt hören, es in feste Form zwingen, um es – vielleicht, vielleicht! – doch noch überwinden zu können.

Frau Edda knüpft da an, wo sie ihr erstes Gespräch mit Sybille abgebrochen hat, bei der großen Verlorenheit nach des Vaters Tod. Damals, im Haag, hatte sich ihr der Mann genähert, der ihr schon früher gelegentlich aufgefallen war, ohne daß es zu engerer Bekanntschaft geführt hätte: Herr von Schaaper, früherer Herrenreiter, der, nach einem schweren Sturz, nicht mehr in den Sattel stieg, aber noch immer vom Turf lebte, niemand wußte genau, wie; er wurde in der Gesellschaft noch empfangen, man traf ihn da und dort, immerhin war es schon so weit, daß auf die Nennung seines Namens öfters eine kleine eisige Stille folgte, wie die Vorahnung eines nahen Todesurteils: Herr von Schaaper – Sportsmann. Frau Edda fragte sich hinterher oft, wie es hatte geschehen können, daß sie die stumme Warnung bemerkt und doch nicht beachtet hatte, sie war allein, fast ohne Verkehr; die alte Gesellschaftsdame, die sie nach ihrer Vaters Tod aufgenommen hatte, war wohl verblendet durch Kuppelfreude, vielleicht auch bestochen, sie fand an den Besuchen nichts auszusetzen.

Und dann der Tag, an dem der Mann totenblaß, mit wirrem Blick erschienen war, zu einem Abschied, wie er sagte, als ein Verlorener. Edda, zutiefst erschrocken, war in ihn gedrungen und hatte mühsam die Wahrheit aus ihm herausgefragt – vielmehr das, was er für Wahrheit ausgab: Feinde und Neider hatten ihm, um ihn unmöglich zu machen, falsche Karten ins Spiel geschmuggelt; seine leidenschaftlichen Unschuldsbeteuerungen waren nicht beachtet worden, der Skandal war unwiderruflich, ließ als Ausweg nur den Tod. So komme er, um noch einen letzten Blick der Augen mitzunehmen, die Licht auf seinen Lebensweg geworfen, ihn mit einer Hoffnung erfüllt hätten, zu schön, um wahr zu sein …

»Ja, das waren seine Worte«, unterbricht sich Frau Edda, »ich habe sie nicht vergessen; wenn ich sie so wiederhole, erschrecke ich förmlich, daß mich die Schauerromantik damals nicht abgestoßen hat. Aber ich war jung und einsam, welches Mädchen fühlte sich nicht gern als Maria überm Meer – und er war schön! Oh, Sybille, er war schön! Schlank und dunkel, Hände und Füße wie ein Mädchen – man mußte an Stahl denken, wenn man ihn sah, an eine kostbare Degenklinge, blau, mit Gold tauschiert …«

Sybille sieht nachdenklich zu Boden auf den zerrissenen Umschlag, dessen Schriftzüge sie sofort an Degenklingen erinnert hatten. Es berührte sie eigenartig, daß nun Frau Edda denselben Vergleich wählte.

»Er ließ durchblicken, daß Rache im Spiel war«, fuhr Frau Edda fort. »Rache einer Frau, die ihn liebte, ohne daß er ihr Gefühl erwidern konnte, und die sich eines eifersüchtigen Nebenbuhlers als Werkzeug bedient hatte; höllisch geschickt übrigens, denn gegen die Beweiskraft der gezinkten Karten kam er mit seinem bloßen Wort nicht auf, er war aus allen Klubs ausgeschlossen, auf die schwarze Liste gesetzt, unrettbar entehrt. – Unrettbar? – Ja, wenn nicht … wenn nicht ein reines Mädchen den Mut fand … doch wozu das ausdenken, es konnte nie sein … den Mut fand, sich zu ihm zu bekennen: das allein konnte ihm vor sich selbst, dann wohl auch vor der Gesellschaft die Ehre wiedergeben.

»So ist es geschehen«, sagt Frau Edda, »ich habe ihn geheiratet.«

»Und …«, fragt Sybille und bricht ab, denn die Augen der Freundin wenden sich ihr plötzlich zu, ganz leer und trostlos.

»Alles Schwindel«, sagt Frau Edda. »Alles Lüge und Betrug. Des Falschspiels war er längst verdächtig gewesen, da und dort hatte man ihn stillschweigend verwarnt und ausgewiesen und den Skandal nur deshalb unterdrückt, weil niemand mit Schaaper zusammen genannt sein wollte, ja, so weit war es früher schon gewesen. Und schließlich hatten sie ihn überführt, er sollte endgültig unmöglich gemacht werden: da kam er zu mir, ohne den Gedanken an Selbstmord natürlich, er wußte, daß ich etwas Geld hatte, daß ich ihn nicht ungern sah … es machte sich alles fast von selbst.«

Frau Edda bricht ab, die Augen, wieder zur Decke gewandt, füllen sich langsam mit Tränen. Sie sagt noch, ganz rasch: »Ein Jammer ist es geworden, oh …!« dann geht alles in Schluchzen unter, der starke Körper bäumt sich fast darunter. Sybille sieht es entgeistert mit an, ein paar Worte, die sie irgendwo gelesen hat, fliegen ihr durch den Kopf: »So schlägt die Liebe zu …«

Das Weinen wird stiller, vergeht langsam; Frau Edda setzt sich plötzlich aufrecht, trocknet sich die Augen und zwingt sich zur Fassung: »Ich habe es gewollt – ich muß es ertragen. – Das schlimmste ist – er hat mich nicht nur das eine Mal, er hat mich wieder und wieder betrogen und belogen, ich hab' mich von ihm getrennt, jahrelang, einmal fast vier Jahre; dann ruft er mich, wie jetzt, bettelt, schwört … und ich gebe nach, mein Leben ist verdorben, ohne Inhalt, in meinen Kreisen bin ich verfemt – warum soll ich nicht den einen Menschen zu retten versuchen, den einzigen, an dem mir etwas liegt … Verstehst du das?« fragt sie noch, als ihre Stimme wieder zu zittern beginnt.

»Nein!« sagt Sybille mit einem tiefen Aufatmen, sie weiß, daß sie weh tut, aber es soll ein heilender Schnitt sein. »Wenn er wirklich so ist, wie du sagst, verlogen und nichtsnutzig, dann darfst du dein Leben nicht an ihn wegwerfen, es gibt höhere Aufgaben, auch außerhalb deiner Kreise, gerade dort …«

»Und du?« Das ist eine sehr weibliche Frage, Sybille muß es bei sich feststellen, ehe sie fortfährt.

»Ich? Mit mir ist es anders, ich bin noch nicht frei in meinen Entschlüssen, warte nur die paar Monate bis zu meiner Großjährigkeit ab, dann sollst du sehen … Und das eine weiß ich heute schon: ›meine Kreise‹ sind mir nicht die Welt, es wird mich nicht lahmlegen, wenn die mich in Acht und Bann tun …«

Frau Edda macht eine müde Handbewegung, die jede solche Rücksicht weit fort weist, nein, die besten Kreise sind nicht die Welt.

»Man muß irgendwo hingehören, denk daran«, sagt sie, »und man muß Freude an einer Arbeit haben, wenn sie etwas wert sein soll. Und überdies: zu jedem Anfang gehört Geld, wie soll es sonst sein?«

»Das stimmt doch nicht, wir reden ja nicht von Geschäft und Erwerb, es geht doch um die Aufgabe!«

»Die Aufgabe?« lächelt Frau Edda, fast ein wenig höhnisch. »Bevor man selbstlos sein kann, muß man doch wohl selbst etwas zum Leben haben!«

»Hast du das etwa nicht?« Sybille umfaßt mit einem Blick und einer Gebärde die schönen fremden Dinge um sie her, das Zimmer in dem vornehmen Familienheim. »Du zahlst doch hier sicher zehn, elf Mark den Tag«, sagt sie noch.

»Das sollte ich«, nickt Frau Edda und fährt vor Sybilles verständnislosem Blick fort: »Ich bin mit meinem letzten Geld hergekommen, weil ich hier schuldig bleiben kann. Ich bin blank!«

»Aber, Liebste, warum hast du mir nichts gesagt … ich …«, ruft Sybille und springt auf, als wollte sie etwas holen. Frau Edda hält sie zurück: »Laß, es spielt keine Rolle!« Dann fährt sie zögernd fort: »Er schickt ja mir immer wieder etwas … es ist da nur so mancherlei … Er ist doch abergläubisch, wie alle Spieler, und fürchtet sich, eine Glückssträhne könnte abreißen, wenn er im unrechten Augenblick Geld weggibt! Dann bin ich mitunter einige Zeit etwas knapp, aber …« Das Weinen möchte wiederkommen, doch sie überwindet sich mit aller Gewalt und spricht weiter: »Es ist alles so entsetzlich … ich mache es ja seit Jahren durch, aber heute hat es mich einmal so richtig überfallen … dieses ewige Wandern und die Unsicherheit … schließlich bekomme ich im Jahre alles in allem kaum die Zinsen meines Vermögens, das er seinerzeit übernommen hat, und ich weiß niemals, wann und, vor allem, ich weiß niemals … woher das Geld stammt …« Wieder das unterdrückte Weinen, dann: »Von Falschspiel habe ich nichts mehr gehört … aber ich glaube nicht … daß er es gelassen hat!« Das letzte bricht wie ein Schrei heraus, dann weint sie.

»Wie konntest du …«, beginnt Sybille, aber eine heftige Hand gebietet ihr Schweigen. Frau Edda sagt unter Schluchzen: »Du verstehst das nicht – ich habe ihn geliebt – davon weißt du nichts!«

Sybille schweigt verletzt, sie will es nicht gelten lassen, daß man sie als kleines Mädchen in die Ecke schickt. Und die Liebe als Elementargewalt, vor der es kein Entrinnen geben soll? Ach nein, das ist wohl zu bequem, hier könnte Selbstzucht helfen!

»Über Liebe soll niemand richten, der sie noch nicht erfahren hat!« sagt Frau Edda, es ist wie eine Beschwörung, das Mädchen Sybille kann sich nicht ganz verschließen. »Keine von uns weiß, was die Liebe aus ihr machen wird!«

»Wenn ich das glauben sollte – dann lieber Nonne!« wirft Sybille hin, kalt und hart, der Gedanke, auch sie sollte sich wegwerfen können, ist ihr unerträglich. »Eine Wohlbrink!« zuckt es ihr durch den Kopf. Sie strafft sich unwillkürlich.

»Dann geh nur lieber heute noch ins Kloster«, meint Frau Edda, »morgen ist es vielleicht schon zu spät!«

Doch der Spott verfehlt sein Ziel, Sybille hat sich gut in der Hand: »Reden wir nicht von mir – bleiben wir lieber bei deiner Sache! Was willst du tun?«

Da verfliegt Frau Eddas kleines Lächeln sofort, in ihren Augen ist wieder der ratlose Kummer von vorhin, sie spricht zaghaft: »Er ist unterwegs nach Zoppot, wo er zu gewinnen hofft … ich soll auch hinkommen, er fühlt, daß ich ihm Glück bringen würde …«

»Und du?«

»Ich kann ja nicht, ich habe ja das Geld gar nicht … Ah, ich bin es satt«, schreit sie plötzlich auf. »Ich will nicht mehr, genug, genug!« Damit verbirgt sie das Gesicht in den Armen.

Sybille macht keinen Versuch, zu trösten; sie steht auf und beginnt im Zimmer auf und ab zu gehen, erst der Teppichkante, dann den Parkettfugen nach, sieben Schritt hin, sieben Schritt her. Dabei denkt sie alles durch, das eben Gehörte und ihre eigene Sache mit Gottfried. Als sie zu einem Entschluß gekommen ist, bleibt sie kurz stehen und fragt zu Edda hinüber, die ganz still geworden ist: »Hast du Lust, einen Vorschlag anzuhören?« – »Sprich!« kommt es müde zurück.

Sybille setzt sich am Fußende der Couch zurecht, zündet sich umständlich eine Zigarette an und beginnt: »Mir ist eine dumme Sache passiert, ich hatte ohnehin die Absicht, ein wenig zu verreisen, um Verschiedenem aus dem Wege zu gehen …«

»Der Jüngling im Auto?« unterbricht Frau Edda.

»Lassen wir die Einzelheiten, die haben später Zeit«, wehrt Sybille ab. »Sag du mir zuerst: ist es dir Ernst damit, von deinem Mann loszukommen?«

»Ja, natürlich – aber wie soll ich denn, ohne Geld …«

»Laß das Geld beiseite – willst du wirklich los? Ja oder nein?«

»Ja!« sagt Frau Edda und hält Sybilles Blick tapfer aus. Sybille ist hochbefriedigt: »So! Dann ist alles ganz einfach. Ich will verreisen und bin sehr froh, wenn ich dabei nicht allein bleibe, schon meines Onkels wegen – es wird ihn ein wenig trösten. Wohin ich fahre, ist mir gleich, darum mein Vorschlag: wir fahren zusammen nach Zoppot, du setzest dich mit deinem Mann auseinander – im guten, wenn es geht, zum Bösen ist immer noch Zeit. Er soll in die Scheidung willigen, aus seinem Verschulden natürlich, und etwas Geld herausrücken, soviel er eben entbehren kann. Und sowie das geregelt ist, fahren wir weiter, irgendwohin, wo wir die Zeit bis zu meiner Großjährigkeit abwarten können, vielleicht ist bis dahin auch die dumme Zeugensache erledigt und mein Onkel nimmt uns in Gnaden auf. Du bleibst jedenfalls bei mir – wenn es dir recht ist, heißt das!«

»Kindchen, Kindchen!« stammelt Frau Edda und greift nach ihrer Hand, doch Sybille springt auf und beginnt nochmals durch das Zimmer zu laufen: »Ich will nicht länger allein sein, ich habe die letzten Jahre genug gelitten darunter, daß ich keine Vertraute hatte … Und dann wollen wir überlegen, ob wir nicht gemeinsam etwas aufziehen können, wir finden schon was – Kindergarten, Säuglingsheim …«

»Nein, nichts mit Kindern«, klagt Frau Edda. »Da hätte ich Angst!«

»Angst? Die gibt sich!« lacht Sybille. »Du hast ja noch lange Zeit, dich zu gewöhnen! Jetzt handelt es sich vor allem darum, die Männer loszuwerden, den einen, der dich gekapert hat, und den andern, der mich kapern wollte!«

»Aber das Geld … die Rechnung hier, die Reise …«

»Unbesorgt; etwas habe ich bei mir, dann ist da noch mein Bankkonto, Onkel Hagen war immer sehr großzügig mit dem Taschengeld. Morgen lasse ich mir telegraphisch bei der Hirschberger Filiale anweisen, was wir brauchen, wir heben es auf der Durchreise ab!«

Da klopft es, auf Sybilles »Herein!« steckt Fräulein Gertrud die Nase durch den Türspalt und flüstert säuerlich: »Ach, wäre es wohl möglich, das Wandern einzustellen oder doch etwas leiser aufzutreten? In der Halle unten klirren die Kronleuchter, man meint, die Decke kommt herunter!«

»Tausendmal Verzeihung!« sagt Sybille. »Es soll nicht wieder vorkommen! Übrigens: ich muß morgen abreisen, leider, leider!«

Fräulein Gertrud wird nicht froher davon, sie läßt ein wenig Bedauern tröpfeln: »Ach, wie schade! Wir werden Sie alle sehr vermissen, besonders Frau von Schaaper …«

»Ich reise auch!« unterbricht Edda mit ihrer tiefsten Stimme. »Machen Sie zu morgen doch auch meine Rechnung, beste Gertrud!«

Da schließt sich die Tür mit einem langgezogenen »Oh!«. Fräulein Gertrud wünscht offenbar nichts gesagt zu haben.


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