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I

Hast du Angst, Gottfriedchen?« flötete Sybille, als sie den Freund neben sich zusammenzucken sah, während der Wagen mit knirschendem Differential durch eine Kurve wetzte. Der blonde Junge sah im Schein des violetten Spritzbrettlämpchens wirklich nicht sehr lebensfroh aus, er starrte mit verkniffenen Lippen auf die Straße voraus und hielt mit den Händen die Knie umklammert. »Wie beim Zahnarzt!« kicherte Sybille und stieß ihn mit dem Ellbogen an. Dabei hatte sie wohl eines der wassergefüllten Schlaglöcher übersehen, das Vorderrad patschte hinein und verriß ihr die Steuerung. Der Wagen wollte schleudern, aber sie fing ihn sofort ab und grinste Gottfried zu, der mit den Händen eine unwillkürliche Bewegung gemacht hatte, wie nach Steuer oder Bremse. »Blödsinnige Fahrerei!« knurrte er böse. »Die Straße ist nach dem Regen die reine Seife, und du haust mit achtzig, neunzig drüber weg … Was soll denn das!« – »Was das soll?« sang Sybille, süßer denn je. »Spaß machen soll es, sonst gar nichts. Das Leben ist doch so entsetzlich langweilig!« – »Mir nicht!« warf Gottfried hin. »Ich habe was zu tun!« – »Was soll ich darauf sagen?« jammerte Sybille. »Ich armes spätes Mädchen kann nur hoffen, daß ich einmal geehelicht werde. Und wenn ich mir in der Wartezeit ein wenig Spaß leiste – ist das gar so schlimm?«

Gottfried grunzte Luft aus wie nach einem Rippenstoß: »Komm mir nicht mit der Walze – spätes Mädchen und so! Willst du mich ganz verrückt machen?« Als er sah, daß Sybille Gas wegnahm und eine enge Schlangenkurve recht vernünftig durchfuhr, schien er es als einen Beweis von reuiger Einkehr zu deuten und legte die Hand auf das schmale Mädchenknie. »Ach, Syb«, bat er, »können wir gar nicht ernsthaft miteinander reden? Immer nur so halb im Spaß, aus dem Handgelenk? Wir gehören doch zusammen, Syb? Wozu das Versteckspiel? Heiraten können wir nicht gleich, nicht vor zwei, drei Jahren, schätze ich. Gut – aber warum sollen wir uns nicht wenigstens verloben, heute noch, jetzt, hier …?«

Sybille ließ den Wagen auslaufen, schaltete den Gang aus und zog die Handbremse. Dann wandte sie sich ihrem Freund zu und sagte andächtig: »Was ein Esel, Gottfried!« Er hatte anderes erwartet, das war unverkennbar, doch sie ließ ihm keine Zeit zu Einwendungen und fuhr fort: »Soll ich wirklich und im Ernst sagen, warum wir uns – heute noch, jetzt, hier – nicht verloben können?« Als sie die ehrliche Trauer in seinen Augen sah, änderte sie den Ton und wurde weicher: »Sei doch vernünftig, Friedl, mach dir doch nichts vor! Es gibt ja nicht nur einen, sondern mindestens ein Dutzend Gründe, zuerst einmal die praktischen, deine Ausbildung ist nicht beendet, du könntest zumindest ein paar Auslandsjahre gut brauchen – da wirst du dich doch nicht mit einer Braut behängen!« – »Das klingt schön, alle Hochachtung!« warf Gottfried ein; Sybille beachtete es kaum. »Aber von allem andern abgesehen«, fuhr sie fort, »bleibt doch das eine, daß ich selbst mir durchaus nicht im klaren bin. Wenn ich mein Wort gebe, denn will ich es auch halten können – das scheint mir hier doch gar nicht so sicher! – Mach keine Schnute, Friedelchen«, bat sie, »wir wollen diese Sache doch einmal klarstellen! Du würdest also in einem oder zwei Jahren die Firma übernehmen, wenn dann noch etwas zu übernehmen ist. Und das hieße dann zu Hause sitzenbleibeu und fürchterlich arbeiten – und da muß ich dir sagen: ich weiß nicht, ob mir die Tradition und all das so viel wert sind. Ich will was erleben, will die Welt sehen, es ist mir hart genug gefallen, so lange im Nest hocken zu bleiben, dem guten Onkel Fritz zuliebe …« – »Nur ihm zuliebe?« fragte Gottfried, es klang etwas gekränkt. Sybille schien ahnungslos: »Natürlich nur ihm zuliebe, er fühlt sich an Papas letzten Willen gebunden, und ich will ihn nicht kränken. Er ist ein lieber alter Herr – und so geschickt«, fügte sie nach kurzem Zögern hinzu. Gottfried griff es auf: »Geschickt? Was hat das damit zu tun?« Sybille wurde etwas ärgerlich: »Na ja doch«, sagte sie. »Er hat sich den Spruch zurechtgelegt: ›Du mußt es lernen, auf eigenen Füßen zu stehen! Ich vertraue dir, mein Kind! Enttäusche mich nicht!‹ Das nenne ich geschickt! Damit hat er in den letzten Jahren meine ganze Erziehung bestritten, ohne Verbot, ohne großen Aufwand – er hält mich bei der Anständigkeit!« – »Das ist doch schön!« rief Gottfried eifrig.

»Vielleicht!« meinte Sybille. »Aber unbequem!« Und als hätte sie damit schon zuviel gesagt, schaltete sie schnell und fuhr los. Gottfried schien über den Sinn ihrer Worte zu grübeln, auch er sprach nichts mehr.

Die Straße führte auf ziemlich hohem Damm durch eine wellige Niederung. Da und dort blinkten die Lichter einzelner Höfe aus den Bauminseln ihrer Gärten. Nach dem abendlichen Aufklaren hatte sich der Himmel wieder umzogen, links, im Westen, stand der Vollmond trübe im Dunst, über dem Bergwald vor ihnen hingen schwere Wolken. Die Allee, an deren Bäumen das Surren der Maschine gleichmäßig aufrauschte, mündete in ein Dorf, die glatte Straßendecke brach in Kopfsteinpflaster ab. Der Lichtkegel des Wagens scheuchte ein Liebespaar aus seiner schönen Heimlichkeit, man sah den Mann beide Arme um das Mädchen legen, das sich eng an ihn drückte. In einem der Höfe bellte ein Hund auf, der wohl gern mit dem verhaßten Störenfried um die Wette gelaufen wäre. Knapp vor ihnen bog ein Einspännerwägelchen von der Straße weg in eines der großen Hoftore ein, ein junger Bauer mit seiner Frau saß darin, und ein Mädel mit hellen Zöpfen zwischen ihnen. Sybille hielt an und sah nachdenklich zu, wie sich die Haustür auftat und in dem erleuchteten Rahmen eine alte Frau erschien, die den Ankömmlingen zuwinkte. Dann wandte sie aufseufzend den Blick wieder dem Lichtkegel des Wagens nach, der starr geradeaus wies, aus dem Dorfe hinaus.

»Ja, ja!« sagte Sybille im langsamen Anfahren vor sich hin. »Ja, ja!« Gottfried sah sie forschend von der Seite an, sie fühlte den Blick und fügte, ohne den Kopf zu wenden, hinzu: »So nach Hause kommen, das wäre was!« Gottfried hatte ein Lächeln voll überraschten Mitleids: »Aber Syb! Das wäre doch wahrhaftig nichts für dich!« – »Ja, das weiß ich, leider!« gab sie unumwunden zu. »Wir sind wohl verdorben dafür, es wäre zu einfach, gleich wieder auf gestern umzustecken. Aber das Neue finden, das ist die Frage!« – »Hm!« machte Gottfried neben ihr, es konnte verschiedenes bedeuten. Sie sah ihn kampflustig an, doch sein kleines Lächeln verschwand nicht. »Kommt jetzt noch die Sache mit dem warmen Nest, in dem du nicht unterkriechen willst?« fragte er. – »Ach, du bist ein Affe!« sagte sie böse und legte unvermittelt Tempo zu.

Gottfried schien eine Eingebung zu haben. »Hör mich!« rief er schnell, ehe der immer höher kletternde Geschwindigkeitszeiger jede Unterhaltung verbot. »Hör mich, Syb! Wollen wir nicht über den Schwarzen Berg fahren?« –»Bei dem Wetter?« fragte Sybille zurück und deutete auf die Wetterwand, der sie entgegenfuhren. Aber Gottfried machte eine wegwerfende Geste und meinte: »Ach was, der Wald ist auch im Regen schön!« – »Gut also, abgemacht!« gab Sybille zu und wollte losbrausen. Gottfried rief ihr noch zu: »Hinter dem nächsten Dorf mußt du mich fahren lassen, ich weiß einen Querweg zu der neuen Bergstraße hinüber!« Und während Sybille ihr Einverständnis nickte, lehnte er sich gottergeben zurück und sah abwechselnd auf den Zeiger, der zwischen fünfundneunzig und hundert pendelte, und auf die nächtliche Straße, die ihnen rasend entgegenstürzte. Sybille fuhr ganz ohne Anspannung, es war nicht zu sagen, ob aus meisterlicher Beherrschung oder aus völliger Gleichgültigkeit; kaum daß sich vor einer ganz engen Kurve der Griff der langen Hand am Steuer etwas straffte.

Als eine stärkere Steigung ein Nachlassen des Tempos erzwang, schien sich auch Gottfrieds Verbissenheit zu lösen, er umfaßte mit einem langen Blick Sybilles Gestalt, die athletischen breiten Schultern, die sich zu den schmäleren und doch ganz weiblichen Hüften verjüngten; die langen Schenkel, die sogar im Sitzen, während sie sich lose zu den Pedalen hinstreckten, ihre Schnellkraft verrieten; die Arme, rund, voll und gebräunt, die so herzhaft zupackten; doch über allem, von festem Hals getragen, diesen Kopf, an dem jede Linie von Mut und Willen zeugte, aber auch von Sehnsucht, von der Mädchensehnsucht, ach ja, nur dem würdigsten Sieger zu unterliegen.

Gottfried fühlte, wie so manches Mal zuvor in unbewachten Augenblicken, eine leise Beklemmung bei dem Gedanken, daß er es unternehmen wollte, die Amazone an sich zu binden, ehe sie einen Blick in die Welt getan hätte. Und wieder meldete sich zutiefst in ihm die Stimme, die er nicht gerne hörte: »Nachher nimmt sie dich sicher nicht!« Nein, was sich da als Selbsterkenntnis gab, konnte ebensowohl bloße Schüchternheit sein, nichts weiter. Gottfried Homilius – Juniorchef des alten Bankhauses Homilius & Co. – war keine alltägliche Partie, er konnte wählen unter den Töchtern des Landes. Gewiß, die Bank stand eben nicht glanzvoll da, der Rückschlag nach der Inflation machte sich allenthalben geltend. Doch wenn wirklich das Schlimme zum Argen kam, dann blieb für einen Homilius immer noch der Schritt in die Hochfinanz oder die Industrie, zu Sorge war kein Anlaß. Und daß das Mädchen sich gegen die Werbung gar so schroff wehrte, das geschah wohl aus Trotz und einer Abenteuerlust, die vielleicht beide zu heilen waren, wenn man es richtig anfing. Und Gottfried ertappte sich dabei, wie er leise durch die Zähne pfiff.

Da hatten sie die Höhe erreicht und sahen unter sich in einem weiten Kessel das Dorf liegen, hinter dem der Weg über den Bergpaß abzweigen sollte. In einem scharfen Nordwest trieben Nebelschwaden und Wolkenfetzen am Monde vorbei und brachten durch den raschen Wechsel von Licht und Dunkel ein eigenes Leben in die Landschaft, eine Stimmung wie zwischen Lachen und Weinen; die Häuser im Tale unten leuchteten in einem Augenblick gastlich auf und ballten sich gleich darauf zu einer dunklen Masse, die mit vielen kleinen Glühpünktchen heraufstierte. Die gewaltige Lehne des Schwarzen Berges jenseits tauchte dunkel auf und verschwamm wieder im Grau, es war wie das Auf- und Zuklappen eines ungeheuren Schlundes, der den Wind als Atem einsaugte und ausstieß.

Sybille sprang aus dem Wagen, um Gottfried ans Steuer zu lassen, und stand einen Augenblick frei im Wind, ehe sie auf der anderen Seite in den Begleitersitz kletterte. »Eine Stunde zehn von Godewind bis hierher«, stellte sie befriedigt fest, »das macht fünfundsechzig Kilometer Stundendurchschnitt!« – »Du bist ja auch gefahren, als ob du was gestohlen hättest«, gab Gottfried ungerührt zu.

»Dir tut wohl dein schöner Wagen leid?« stichelte sie. Aber er ärgerte sich nicht und warf nur hin: »Warum denn – er ist ja voll versichert!« – »Na, fahr du mir einmal was Schönes vor, ich lerne gern was zu«, sagte sie noch.

Aber da löste er schon die Bremsen, das Sinken und Gleiten der Talfahrt begann, der Wagen schwamm wie eine Taucherglocke in dem leichten Nebel. Gottfried fuhr sehr verhalten, Sybille orgelte den Chopinschen Trauermarsch vor sich hin; doch wieder ärgerte er sich nicht, schlug mit der Linken weit ausholend den Takt zu ihrem Gesang und meinte bedeutungsvoll: »Wer zuletzt lacht, lacht am besten, werte Freundin! Warte du nur ab!«

Im Dorf unten fing ein feiner Regen an, gegen den die Scheinwerfer kaum aufkommen konnten: man sah keine zehn Schritte weit, Gottfried mußte ganz vorsichtig fahren. Er machte ein zweifelhaftes Gesicht und meinte: »Vielleicht hättest du doch bei Godewinds übernachten sollen!« – »Ja, nicht wahr?« äffte Sybille. »In Watte gepackt, mit Wärmflasche und Gummischnuller, damit das Kindchen nicht naß wird! Frau Godewind schätzt die Elemente nicht, die Gute!« – »Dann hätten wir wenigstens früher wegfahren sollen«, beharrte Gottfried, »wir kommen tief in die Nacht hinein, es ist keine reine Freude!« – »Sagst du, Gottfried! Aber für mich gibt es nichts Schöneres, als nachts bei recht schlechtem Wetter draußen zu sein, das weißt du doch!« – »Na, da wirst du ja heute auf deine Rechnung kommen!« grinste Gottfried. »Es bleibt also beim Schwarzen Berg!«

Damit bog er hinter dem Dorfe von der Chaussee in eine Bezirksstraße ab. Gleich zu Anfang stand eine gewaltige Pfütze, deren schlammiges Wasser bis zum Dach hochschlug, als der Wagen durchrauschte. Dann ging es über Reste von Pflasterung, und endlich kam ein zäher, spannentiefer Brei, durch den der Wagen mit kleinem Gang mühsam vorwärts keuchte. »Treulich geführt …!« pfiff Sybille. Gottfried tröstete sie: »Es wird gleich besser, sowie es bergauf geht. Hier unten kann das Wasser eben nicht ablaufen!« – »Nur zu!« sagte Sybille. »Wenn es die Maschine aushält – mir soll's recht sein!«

Tatsächlich begann nach etwa einem halben Kilometer die Straße zu steigen und wurde fester. Dafür schlug ihnen nun der Regen in dichten Schnüren entgegen, die Scheibenwischer halfen fast nicht mehr. Die Maschine aber lief unentwegt auf hohen Touren, der Wagen lag gut im Steuer. »Brav!« sagte Sybille, als lobte sie ein fleißiges Tier.

Die Lampen warfen klobige Lichtbalken in die Finsternis, in denen die Tropfen wie Funken wirbelten. Von der Landschaft war nichts zu sehen; wenn nach einem Windstoß der Regen einen Atemzug lang aussetzte, dann tauchte vielleicht seitlich ein Stück des flachen, vergrasten Seitengrabens auf, mit einem Feldrain dahinter, voraus aber reihte sich Pfütze an Pfütze, ein Ende war nicht abzusehen.

Die Straße verengte sich, schließlich mußten sie einen Hohlweg hinauf, an dessen Rändern die Kotflügel fast anstreiften. Gottfried hatte Mühe, den Schwung nicht zu verlieren, sonst mußten sie augenblicklich festsitzen. Als sie oben wieder auf ebenere Strecke kamen, fragte Sybille gleichmütig: »Du, hör mal – deine Kunst in Ehren! –, sind wir eigentlich auf dem richtigen Weg?« – »Natürlich!« sagte Gottfried und spähte voraus. »Da ist ja schon der Wald vor uns! Dann haben wir noch etwa fünfhundert Meter Richtweg, und dann sind wir auf der neuen Straße. Alles in Butter, Syb!«

Kurz darauf hatten sie wirklich die Mauer der alten Randfichten vor sich, die, vom Boden an dicht beastet, nur die schmale Lücke des Richtwegs frei ließen. Der dicke Schotterbelag des Weges war nur in den Gleisen etwas glattgefahren, bei jeder Schwankung wetzten die Reifen schmerzhaft an den scharfen Steinen. Die Wucht des Regens ließ sofort nach, weil der Wind nicht durchstoßen konnte. Oben in den Wipfeln tobte er unvermindert, man sah die Stämme bis zu den Wurzeln beben.

»Fünfhundert Meter bis zur neuen Straße, hast du gesagt?« fragte Sybille nach einiger Zeit. Gottfried knurrte nur etwas Unbestimmtes und spähte starr auf den Weg, der eben zwei scharfe Biegungen machte; dann aber tauchte eine lange, schnurgerade Strecke auf, mindestens ein Kilometer. »Du, da stimmt doch was nicht?« fragte Sybille. »Bist du ganz sicher, daß wir richtig fahren?« – Gottfried antwortete nicht gleich, wandte auch den Kopf nicht. »Ich glaube, wir müssen gleich nochmals nach links!« meinte er. »Bei dem Regen vorhin habe ich vielleicht eine Abzweigung übersehen!«

»Du hast dich verirrt!« frohlockte Sybille und wunderte sich insgeheim, daß Gottfried nicht ärgerlich abstritt, wie er es sonst sicher getan hätte, sondern nur etwas verlegen schien. Er fuhr den Richtweg mit Tempo entlang, daß der Wald aufbrauste, Sybille verfolgte auf dem Kilometerzähler die Strecke: zwölfhundert Meter. Dann mündete der Richtweg in eine Waldstraße. Gottfried bog so selbstverständlich nach links ab, daß Sybille ihren Vorwurf schon zurücknehmen wollte. Doch nach einigen Biegungen landeten sie plötzlich in eine Lichtung, die mit langen Reihen von Schleifholz und mit hohen Klötzerrollen vollgestapelt war. Dazwischen führten sternförmig mehrere Wege auseinander, die gleichmäßig befahren schienen. Gottfried hielt an, besah sich die Lage und sagte dann: »Ja, also: ich hab' mich verfranzt, leugnen hat keinen Sinn!« – »Großartig!« sagte Sybille unberührt. »Und was gedenken der Herr zu tun?« – »Mit dem Wagen aufs Geratewohl herumsuchen möchte ich nicht, ich habe auch nicht allzuviel Benzin. Am besten ist es wohl, ich gehe mit der Taschenlampe suchen! Willst du so lange hier sitzenbleiben?« – »Kein Gedanke«, rief Sybille und angelte auf dem Rücksitz nach ihrem Regenmantel. »Ich komme mit!«

Gottfried schaltete den Motor und die Lampen aus und schlug die Wagentür zu. Dann standen sie nebeneinander und suchten sich an die plötzliche Dunkelheit zu gewöhnen. Hier im Freien peitschte der Wind den Regen wieder stärker, der Mond war nur eine leise Helligkeit hinter den hohen Wipfeln. Gottfried ging in der gleichen Richtung weiter, in der sie zuletzt gefahren waren; sie durchquerten ein Stück Wald und kamen nochmals auf einen Holzplatz, von dem aber alles abgefahren war und an dem der Fahrweg aufhörte.

Sie liefen zum Wagen zurück und machten noch einen ergebnislosen Vorstoß nach links, dann einen nach rechts: hier führte der Weg steil bergauf, sie rutschten in den glatten Stadtschuhen bei jedem Schritt. Dabei wurden Regen und Wind immer stärker, sie mußten sich mit gesenktem Kopf vorwärts kämpfen. Als der Sturm fast den Atem zu nehmen begann, fühlte sich Sybille plötzlich an der Hand gefaßt und in einen Fußweg gezogen, der in den Hochwald hineinführte. Hier im Windschatten drang auch das Licht der Taschenlampe besser durch und zeigte zwischen den Stämmen, wenige Schritte weit weg, eine Hauswand.

Gottfried fuhr mit der Taschenlampe die Umrisse ab: es war ein kleines weiß getünchtes Holzhaus, das frei im Walde stand, auf einem Sockel aus Trockenmauer, der ringsum etwa ein Meter breit vorsprang. Die kleinen Fensterladen waren alle geschlossen, die Tür mußte wohl an der ihnen abgekehrten Wand liegen.

Während sie hinliefen, glaubte Sybille ganz deutlich durch die Bretterverschalung des Giebels Licht schimmern zu sehen, das aber sofort erlosch, als Gottfried an die Tür pochte. »Hallo! Ist da jemand?« rief er mehrmals. Es kam keine Antwort, doch an der Hinterseite des Häuschens schlug plötzlich ein Fensterladen an die Wand, das Geräusch war unverkennbar. Dann klang es wie ein Aufsprung und flüchtende Schritte, die aber in dem Sausen von Regen und Wind schnell erstarben. Sybille sah, wie Gottfried stutzte, und fragte flüsternd: »Was war das? Wo sind wir eigentlich?« Gottfried antwortete nicht, schlich um die Hausecke und stieß mit dem Leuchtfinger wie mit einer Lanze in die Dunkelheit; sie sahen sofort den losen Fensterladen im Winde auf- und zuklappen; Gottfried klopfte nochmals, rief, leuchtete in das Innere und schickte sich schließlich an, über die Brüstung einzusteigen. Auf Sybilles erstaunte Frage meinte er: »Wir sind verirrt und durch und durch naß – da läßt sich der Einbruch wohl verantworten! Du bist doch sonst so großzügig, Syb?« – Damit sprang er in das Zimmer, und Sybille kletterte stillschweigend nach.

Der Raum, in dem sie sich befanden, war unverkennbar die Wohnküche einer Jagdhütte: ein Kochherd mit Bauerngeschirr, eine rundlaufende Wandbank, ein klobiger Ecktisch, an der einen Längswand eine Schlafpritsche mit Heu; auf einem gleichfalls rundlaufenden Sims bunte Bauernteller, Zinnkrüge, über der Tür einige Rehgehörne um die Abwurfstangen eines braven Kronenzehners auf unechter Schale. »Eine Jagdhütte!« sagte Gottfried großartig und stellte im schwächer werdenden Schein der Lampe fest, daß Sybilles Augen vor Freude am Abenteuer glitzerten. Er ließ den dünnen Lichtkegel nochmals rundum wandern, griff Streichhölzer von der Herdkante und war eben dabei, die Petroleumlampe über dem Ecktisch anzuzünden, als von draußen, von der Lichtung her, das Aufbrausen eines Motors ertönte. »Mein Wagen, verdammt!« brüllte Gottfried und war mit einem Satz zum Fenster draußen, Sybille hinter ihm. Sie kamen eben zurecht, das rote Schlußlicht jenseits des Platzes im Walde verschwinden zu sehen, auf dem einzigen Wege, den sie vorhin nicht abgelaufen hatten.

Gottfried machte Miene, dem Glühpünktchen nachzurennen, gab es aber bald auf, denn Sybille, die zunächst mitgerannt war, blieb stehen und schrie vor Lachen. Weit voraus, am Ende des Richtwegs, sahen sie den Wagen in großer Fahrt nach rechts abbiegen, dann war tiefe Nacht um sie, Wind und Regen. Gottfried zerkaute einen ellenlangen Fluch, während Sybille neben ihm hervorquiekte: »Verirrt … in ein fremdes Haus eingebrochen … Auto gestohlen … ich finde das gottvoll! Gottvoll!« Dann wurde sie ernster und nahm Gottfrieds Arm: »Nun sei auch ein wenig galant, mein Trapperchen, zu dem armen kleinen Mädchen in dem großen dustern Wald! Komm ins Knusperhäuschen!«

Gottfried schien erlöst, daß sie selbst den Vorschlag machte; sie wandten sich der Jagdhütte zu, deren erleuchtetes Fenster sie heimelig zu rufen schien. Er wollte sich an der Tür zu schaffen machen, doch als Sybille, die sofort wieder über die Fensterbrüstung geklettert war, ihn anrief, kam er auf dem gleichen Wege nach.

»Nanu!« machte er erstaunt, als er im Ofen schon ein starkes Feuer prasseln sah. »Wie hast du denn das so schnell gezaubert?« – »Es war ja noch Glut, ich brauchte nur nachzulegen«, sagte Sybille. – »Noch Glut?« schrie Gottfried so heftig, daß Sybille erstaunt fragte: »Was ist dir? Warum soll hier keine Glut gewesen sein?«

Wer Gottfried gab keine Antwort und wandte sich wieder der Schlafpritsche zu, die er vorhin schon untersucht hatte. Dann richtete er sich auf und meinte leichthin: »Ich gehe einmal das Haus ab – kommst du mit?« Sybille war gern dabei. Als Gottfried aber die Tür aufklinken wollte, die in die andre Haushälfte hinüberführte, und sie verschlossen fand, zeigte er nochmals eine Erregung, die Sybille übertrieben vorkam. Es zeigte sich, daß an dem alten Kastenschloß einfach der Innenriegel vorgeschoben war, während der Schlüssel von der Außenseite steckte. Die Tür führte in einen schmalen Mittelgang, der das Häuschen von Breitseite zu Breitseite durchquerte und an dessen einem Ende die Haustür lag, während an dem andern eine Leiter in den Oberboden hinaufführte.

Der Wohnküche gegenüber lag ein gleich großer Raum, in den Gottfried nur kurz hineinleuchtete. Sybille konnte zwei eiserne Bettstellen erkennen, eine Waschkommode, einen Schrank, dann wandte sich Gottfried zu der Leiter im Mittelgang zurück, horchte zu der offenstehenden Falltür hinauf und winkte Sybille mit der Hand Schweigen und Vorsicht zu. Dann sprang er schnell die Leiter hoch, fuhr mit der Taschenlampe einmal im Kreise herum, klomm dann vollends durch die Tür und tappte oben hin und her. Gleich darauf hörte ihn Sybille durch die Zähne pfeifen, sie ertappte sich dabei, wie sie sich bibbernd vor Aufregung auf die Fingerspitzen biß. »Was ist?« fragte sie, räusperte sich, weil es gar so piepsig klang, und wiederholte fester: »Was ist?« Als Gottfried nicht gleich antwortete, war sie mit zwei Sprüngen oben auf der Leiter und sah ihn mit der Lampe über einen Heuhaufen gebeugt, der fast den ganzen Dachraum einnahm. Beim Näherkommen erkannte sie zwei zerknüllte Lager auf dem Heu, je eine Wolldecke als Unterlage, zwei andere unordentlich zurückgeworfen, dazwischen auf zwei mit Steinen beschwerten Brettern einige gebrauchte Tassen, Töpfe und Teller mit Wurst und Käseresten und, wahrhaftig, eine Petroleumlampe, deren Zylinder Gottfried eben mit dem Finger prüfte: »Noch warm!« murmelte er. »Offene Lampe mitten im Heu! Schweinebande!« – »Ich habe hier oben Licht gesehen, als wir ankamen, ganz bestimmt!« sagte Sybille eifrig. »Es erlosch, als du zum erstenmal an die Tür klopftest!« – »So?« machte Gottfried gedehnt. »Dann ist alles klar!« – »Was, Friedl, sag, was ist klar?« bat sie. Aber er winkte nur großartig mit der Hand: »Komm nur hinunter, dort können wir alles besprechen.« Damit ließ er sie voranklettern und sprang hinterdrein, nachdem er die Falltür geschlossen hatte.

Unten in der Wohnküche begann Gottfried zunächst alle Ecken abzusuchen, ging dann, ohne auf Sybilles Fragen zu antworten, in die Schlafkammer hinüber und kam mit zwei Paar mächtigen Filzpantoffeln und einigen Wolldecken zurück. »So, nun zieh Schuhe und Strümpfe aus, auch den Rock, hänge alles zum Trocknen und wickle dich solange in die Decke. Ich sehe inzwischen nach, ob ich noch was Eßbares finde!« Damit legte er die Sachen vor Sybille hin und sah erfreut zu, wie sie sich sofort zu den Schuhbändern niederbeugte. Dann ging er mit einem listigen Blinzeln aus dem Zimmer und rumorte an der Falltür, die im Gang unter der Bodenleiter in den Keller führte. Als er wiederkam, beide Arme voll Büchsen und Flaschen, mußte er hörbar Luft schnappen, so völlig verändert trat ihm Sybille entgegen: sie hatte sich die Wolldecke wie einen malaiischen Sarong umgeschlungen, die junge Brust stand klar über dem Rand, die in Kopf- und Fußende gewebten grellroten Streifen aber liefen die Schenkel nieder und ließen die Hüften noch schmaler erscheinen. Ganz unten kamen, schmal und sonnenbraun, die Fesseln vor, die nackten Fersen saßen ganz winzig und hilflos in den riesigen Filzlatschen. Er hatte Sybille oft ohne Mütze gesehen, natürlich, die Schmalheit der Schläfen, die etwas tiefliegenden Augen, das volle, starke Haar, dessen Ansatz mit einem eigenwilligen Wirbel ziemlich weit in die Stirn herunterreichte – das alles war ihm vertraut; und doch war jetzt ein Glanz darüber, ein Schimmer von Fremde, von Übersee, o ja, diese leuchtenden Blicke kamen von weither und konnten wohl ein Glück ohnegleichen schenken.

Gottfried stellte seine Last auf den Tisch nieder und wandte sich der Freundin wieder zu: »Syb! Liebes!« Sie schlug freudig ein und flüsterte: »Du, ich finde das großartig hier! Ich bin sehr glücklich!« – »Mal was andres, nicht wahr?« lachte er zurück und wandte sich den Büchsen auf dem Tisch zu. »Da, sieh her, was ich alles gefunden habe: Tee, Zucker, eine Tube Anchovispaste, Ölsardinen, Emmenthaler, eine Dose Pumpernickel – verhungern werden wir nicht bis morgen früh. Und hier noch was Trinkbares zur Auswahl – einen Nuits St. Georges und Battle-Ax-Rum – beide nicht unbedeutend, wie mir scheint! Setze inzwischen heißes Wasser auf zum Grog …« – »Wasser?« fragte Sybille. »Wo gibt's das hier?« – »Ja so!« machte Gottfried und schien kurz nachzudenken. Dann faßte er einen der Kochtöpfe, riß das Fenster auf, durch das sie gekommen waren, und sprang hinaus in den Regen, der nun in Strömen niederrauschte. Im Augenblick war er wieder da und reichte den vollen Topf zum Fenster herein. »Ich hab' ihn unter die Traufe gehalten«, berichtete er stolz. »Schaden kann es nicht, es wird ja doch gekocht.« Während Sybille den Topf zum Feuer trug, stellte Gottfried die Teekanne zurecht; sie nahm sie ihm mit Nachdruck aus der Hand und kommandierte: »Laß das meine Sorge sein und steh zu, daß du aus dem nassen Zeug herauskommst! Da hast du eine Decke und die Latschen – los!« Damit drängte sie ihn zur Tür hinaus. Er bog den Kopf zurück und küßte ihre Hand, mit der sie seinen Arm gefaßt hielt; sie ließ es mit einem rätselhaften Lächeln geschehen und – nein, es war kein Irrtum –, ein Druck der schlanken Finger genehmigte die kleine Zärtlichkeit.

Als er wiederkam, hatte Sybille den Tisch gedeckt, der Raum war erfüllt von dem Duft eines gut ausgewachsenen Grogs. Als Gottfried ihr das dampfende Glas entgegenhob, hatte sie wieder das Lächeln voll Glück und Weite. »Du siehst exotisch aus, Syb«, sagte er. »Ich kenne dich kaum wieder!« – »Ja, mir ist es auch so, als wären wir weit, weit weg, irgendwo in Wildwest. Meine Mutter hat es ja noch mitgemacht und hat mir oft genug davon erzählt …«

Sie brach ab, und Gottfried verstand, wohin ihre Gedanken gingen. Sybilles Mutter war als Kind deutscher Einwanderer in Amerika aufgewachsen, im eben erst erschlossenen Westen, wo sich ihr Vater als Arzt einer Goldgräbersiedlung ein rasches Vermögen, aber auch einen frühen Tod erarbeitet hatte. Die Witwe hatte nach kaum zwei Jahren wieder geheiratet und sich dadurch das Kind entfremdet. Sybilles Mutter war in vornehmen Internaten aufgewachsen und schließlich zur Vollendung ihrer Ausbildung auf eine längere Europareise geschickt worden. Dabei hatte sie ein Zufall mit Dr. Wohlbrink zusammengeführt, einem jungen Chirurgen, der damals schon weit über die kleine Universität hinaus bekannt war und dem allgemein eine große wissenschaftliche Laufbahn prophezeit wurde. Es war eine stürmische Liebe auf den ersten Blick. Am dritten Tag der Bekanntschaft hatten sie sich verlobt und mit dem gleichen Kabel von der Mutter in Amerika die Einwilligung und die Papiere erbeten. Die Einwilligung war mit Kabel gekommen, die Papiere zwei Wochen später; knapp drei Wochen darauf waren sie Mann und Frau, in einem Glück, das keine Grenzen kannte; es hob den Mann über sich selbst hinaus, er erzwang sich Schlag auf Schlag den Erfolg, endlich den Ruf nach Berlin; das Schicksal schien an der Frau gutmachen zu wollen, was es während der Kindheit versäumt hatte – da schlug es plötzlich und heimtückisch zu. Sybille war eben geboren, den Eltern blieb kein Wunsch mehr, die Übersiedlung nach Berlin wurde in Ruhe vorbereitet, um die junge Mutter zu schonen – da versagte dem jungen Professor bei der letzten Operation, die er in seiner alten Klinik auszuführen hatte, einen Augenblick die Hand, einen kurzen Augenblick nur, vielleicht war es ein Gedanke an das viele Glück daheim, der bis in die Finger durchgezittert hatte; aber diese Finger hielten ja ein Messer, das in krankes Fleisch schnitt; und das Zittern, dieses kleine glückliche Zittern lenkte das Messer in die andre Hand des Arztes, ein feiner Riß im Handschuh, im Finger – und unter der verletzten Hand der kranke, offene Menschenleib, der so nicht im Stich gelassen werden durfte … Dr. Wohlbrink hatte die Operation zu Ende geführt und dem Patienten das Leben gerettet, wohl wissend, daß die verzögerte Behandlung ihn selbst in die Gefahr eines schlimmen Todes brachte. Den hatte er dann durchleiden müssen, in den wenigen klaren Augenblicken noch verschärft durch die Qual des Abschieds von seinem jungen Weib und der Neugeborenen. »Mach ein tüchtiges Mädchen aus ihr!« hatte Dr. Wohlbrink geflüstert, als schon der Schleier der großen Nacht halb über seinen Augen lag. Die Frau hatte es ihm zugeschworen mit einem Kuß auf die erkaltende Stirn und hatte ihr Wort gehalten, hatte sich, dem Toten zuliebe, Mut und Freude zum Weiterleben abgezwungen, solange das Kind sie unerläßlich brauchte. Kaum aber war Sybille so weit gewesen, daß sie auf den eigenen festen Beinen an die Dinge heranzugehen und sie mit eigenen Augen anzusehen begann, da hatte der Mutter Herz zu schlagen aufgehört, wie ein Uhrwerk, das seine Schuldigkeit getan hat. Justizrat Hagen, ein Jugendfreund Wohlbrinks wie auch des Vaters Homilius, hatte die Vormundschaft übernommen, die eigentliche Erziehung der Halbwüchsigen aber in den Händen der alten Esther belassen, der Amme Wohlbrinks, die sich mit ihrer Altersrente schon zur Ruhe gesetzt hatte, auf den Notruf nach Wohlbrinks Tod aber nochmals in den Dienst zurückgekehrt war. Gute alte Esther, die alles wußte, alles verstand – Sybille konnte nie von ihr sprechen, ohne daß ihr die Augen feucht wurden. Auch sie war hingegangen, die letzten drei Jahre bis zu Sybilles Großjährigkeit mußte der Justizrat wohl oder übel die Erziehung allein führen. Er tat es auf besondere Art, er hatte sich im Alter in mancherlei Schrullen versponnen, und überdies war da dieses merkwürdige Testament von Sybilles Mutter, das Mädel solle in Deutschland erzogen werden und »keinesfalls vor der Großjährigkeit nach Amerika fahren«. Der Justizrat nahm es als gegeben an, daß Sybille, mit ihrem Drang nach Weite und Abenteuer, unweigerlich auswandern würde, sobald es der letzte Wille der Mutter erlaubte; nach Amerika, von dem der Justizrat eine eigene Vorstellung hatte; für ihn war es ein Land, in dem die Frauen herrschten, und ein Mädchen, das sich drüben behaupten sollte, mußte darum zu weit stärkerer Selbständigkeit erzogen werden, als sie sonst in Deutschland üblich war. Er kam mit seinem Mündel nicht schlecht aus, es war viel gutes Gefühl auf beiden Seiten, bei Sybille allerdings auch manche Bitterkeit, von der der alte Herr nichts wußte; vielleicht tat er aber nur so. Denn zu helfen war da nicht – Sybille fühlte sich von der ersten Stunde an verlassen, mit dem untrüglichen Scharfsinn einsamer Kinder hatte sie erkannt, daß alle Pflege niemals ihr, sondern vor allem dem Andenken des toten Vaters gegolten hatte, ihm zuliebe hatte die Mutter ausgehalten, dann die alte Esther, jetzt der Justizrat … Das fühlte Sybille, und es war ihr geheimer Jammer in wehrlosen Stunden. Gottfried ahnte etwas davon, seit er sie einmal in Tränen überrascht und ein paar Worte aufgefangen hatte, auf die sie nie wieder zurückgekommen war: der rätselhafte Satz im Testament der Mutter quälte sie, sie verstand nicht, ob ihr damit das Weggehen oder das Bleiben nahegelegt werden sollte, ihr Herz hatte zwischen Deutschland und der Fremde noch nicht entschieden.

So war es ein zwiespältiges Glück, das ihr diese Zufallsnacht in der Jagdhütte bescherte: es war wie ein Vorbote der großen Freiheit, die sie nun bald erwartete, zugleich aber wie eine rührende Lockung des alten Landes. Gottfried verstand sie ohne Worte, und sie dankte es ihm mit einer Aufgeschlossenheit, wie er sie kaum je an ihr erlebt hatte. Als er ihr nochmals zutrank, sah sie ihm über den Rand des Glases weg in die Augen und sagte: »Du, das ist die schönste Nacht meines Lebens – man ist doch ein ganz klein wenig auf sich selbst gestellt, ohne das ewige Zubehör! – Trauerst du eigentlich sehr um deinen Wagen?« setzte sie rasch hinzu. Gottfried schüttelte im Trinken leicht den Kopf, ehe er das Glas absetzte. Dann meinte er obenhin: »Wenn er verschwunden bleibt, ist es nicht schlimm, dann bekomme ich einen neuen von der Versicherung. Aber wenn er sich ausgeplündert und zu Klump gefahren irgendwo fände, das wäre zuwider! Na, reden wir nicht davon!« – »Doch, doch!« beharrte Sybille, »das ist doch endlich mal eine Sache, die das Reden verlohnt! Was, glaubst du, waren es für Leute, die den Wagen geklaut haben? Kesse Jungs müssen es auf alle Fälle gewesen sein – aber glaubst du, daß sie uns was getan hätten, wenn wir ihnen in die Quere gelaufen wären?« – »Das ist schwer zu sagen«, meinte Gottfried. »Sie haben einige Tage hier gewohnt, das steht fest; aber ob es nur obdachlose Landstreicher waren oder vielleicht verfolgte Verbrecher – wer will das wissen? Jetzt nach der Hirschbrunst wird ja eine Hütte wochenlang kaum benützt; Landstreicher hätten sich also sicher gefühlt und fest geschlafen, vor allem wohl auch fest getrunken, der Keller liegt ja reichlich voll. Daß sie uns gleich gemerkt und ihren Rückzug so geschickt gesichert haben – vom Heuboden herunter, die Küchentür gegen den Gang abgeriegelt, weil sie uns vom Eingang her erwarteten, und durchs Fenster hinaus –, das spricht eigentlich dafür, daß sie Grund hatten, auf der Hut zu sein. Schlimmstenfalls, wenn die Besitzer unbemerkt hereinkamen, hatten die beiden immer noch Aussicht, auf dem Heuboden unentdeckt zu bleiben. Das ist alles schon sehr gerissen – andrerseits hatten sie sich Teller und Besteck ins Heu hinaufgenommen, sogar Papierservietten, das sieht Schwerverbrechern nicht ähnlich –, aber daß sie den Wagen sofort in Gang gebracht haben, ist doch wieder sehr verdächtig. Eine merkwürdige Geschichte!« – »Wunderbar!« stimmte Sybille begeistert zu. »Onkel Fritz wird Augen machen!« – »Ja, das fürchte ich auch«, meinte Gottfried zögernd. Sybilles Fröhlichkeit verschwand mit einem Schlag: »Fürchten? Was ist da zu fürchten? Ich habe mir nichts vorzuwerfen! Und da Onkel Fritz ja immer betont, daß er Vertrauen zu mir hat …« Gottfried winkte ab: »Schon, schon! Hätten wir uns nur verirrt, wären hierher geraten und gleich wieder weitergefahren, dann hätte es nichts auf sich gehabt. Aber daß uns der Wagen geklaut wurde und wir nun hier übernachten müssen – das ist schon 'n bißchen happig, wie? – Für den alten Herrn natürlich, meine ich!« setzte er eilig hinzu, als er Sybilles Augen zornig aufblitzen sah, aber es half nichts, sie sagte in der schneidenden Art, die er so gar nicht liebte: »Mein Onkel traut mir zu, daß ich auf mich selbst aufpassen kann – warum sollst du dir also seinen Kopf zerbrechen?« Und als er schwieg, fuhr sie milder fort: »Verdirb mir doch nicht den netten Abend! Was ist denn los? Wir haben uns verirrt und sind in ein fremdes Haus eingedrungen, nicht aus Übermut, sondern weil es wirklich nicht anders ging. Das ist in Amerika drüben so gang und gäbe, daß kein Mensch was dabei findet, solange kein Schaden angerichtet wird. Wir müssen nur einen Zettel mit unserer Adresse hinterlassen und mit der Angabe, was hier geschehen ist und was wir verbraucht haben. Das mache ich gleich!« Dabei begann sie in ihrer Handtasche zu kramen, stellte aber bald fest, daß sie Block und Füllfeder im Köfferchen gelassen hatte, das mit dem Wagen verschwunden war. Gottfried behauptete, auch nichts bei sich zu haben, und sie lachte ihn etwas ärgerlich aus: »Was machst du bloß für ein bekniffenes Gesicht? Deine Hemmungen, Mensch! Der ehrwürdige Name Homilius soll wohl nicht eitel genannt werden! Und dabei kommen wir um die Öffentlichkeit ja doch nicht herum, schon wegen der Verlustanzeige für den Wagen nicht! – Wollen wir eben ein wenig suchen, es ist sicher Schreibzeug da!« Und ehe Gottfried ihr zuvorkommen konnte, sprang sie auf, begann in den Laden und Spinden zu kramen und hielt auch bald mit Siegermiene eine lederne Schreibmappe in Händen. »Laß mich!« wehrte sie ab, als Gottfried sie ihr abnehmen wollte. »Ich will es selbst machen!«

Die Mappe war aus dickem, tief genarbtem Leder, am Rande mit breiten Nähriemen umsäumt. In der unteren Ecke waren die Initialen G. H. in Goldblech aufgeheftet. Sybille strich darüber hin, schnüffelte daran und meinte anerkennend: »Knuffig! Das ist exotisches Leder – Elefant oder Nashorn, dazu das Parfüm, wart einmal! Das ist horseapple von Atkinson! Viel Glanz in dieser Hütte!« Gottfried antwortete nicht, er wetzte offenbar verlegen auf seinem Platz. Sybille schien es nicht zu bemerken, sie schlug eben die Mappe auf und zog zwischen den eingehefteten Löschblättern und Briefbogen einen gebrauchten Umschlag hervor. Gottfried fuhr auf, als wollte er ihn an sich reißen, aber sein Griff faßte nur Luft, Sybille hatte schon gelesen und schleuderte das Papier nun von sich.

Es war totenstill zwischen den beiden. Im Herd knisterte die letzte Glut, draußen plätscherte der Regen in der Traufe, und der Wind harfte immer noch in den Fichten rings um die Hütte. Sybille hatte zwei Schritte gegen den Herd zu gemacht, dort stand sie, am Rande des Lichtkreises, den die Hängelampe immer noch warf. Immer noch fiel die Wolldecke mit den zwei roten Streifen starr und faltenlos von ihren Hüften nieder, die eine Sekunde hatte an dem allen nichts geändert.

Aus dem Halbdunkel am Herd hob sich eine Hand und wies wortlos auf den Umschlag, der mitten auf dem Tisch lag, im besten Licht. Es war ein Brief von irgendwoher, aus Königsberg oder Stettin, adressiert an Herrn Großkaufmann Gerd Homilius.

»Dein Onkel!« flüsterte es aus dem Dunkel, und Gottfried bejahte stumm. »Du wußtest, daß ihm die Hütte gehörte?« flüsterte die Mädchenstimme und dann, auf ein Nicken, weiter: »Hast dich absichtlich verfahren?«

Wieder diese Stille, diese tödliche Stille. Gottfried wagt sich nicht zu rühren, er will nicht lügen, nein, aber er fühlt auch, daß ein niederträchtiges Mißverständnis im Werden ist, das jede Beziehung zunichte machen, weiß Gott welches Unheil stiften wird. Er weiß, daß ihm nach einem Ja keine Zeit mehr zu Erklärungen bleiben wird, er sucht nach einer Zwischenlösung, einem hinhaltenden Wort – da kommt es schon von drüben, voll Verachtung und Kälte: »Schuft!« Und ehe er recht begriffen hat, was geschieht, hat Sybille die nassen Sachen und die Taschenlampe an sich gerissen, ist aus der Küche hinaus und schlägt die Tür der Schlafkammer drüben hinter sich zu.

Gottfried ist mit einem Satz hinter ihr, aber sie hat schon abgeriegelt, läßt ihn klopfen und antwortet nicht. Jetzt hat er Worte, oh, jetzt fehlen sie nicht, aber nichts spricht dafür, daß sie überhaupt verstanden werden. »Syb, hör mich doch, Syb!« bettelt er. »Es ist doch alles Unsinn, was du dir einbildest! Ich hab' doch nichts Unrechtes im Sinn gehabt, Herrgott noch mal! Ein bißchen veräppeln wollte ich dich mit deiner Romantik, nichts weiter, Syb, so gut müßtest du mich doch kennen!« Dann schweigt er, horcht. Als alles still bleibt, klopft er wieder und wird heftiger: »Sei kein Affe, Mädel, mach kein Theater! Du verstehst doch sonst einen Spaß! Was soll denn das Getue! Ist ja alles Unsinn, verdammt!«

Da geht die Tür auf. Sybille steht im Rahmen, mit Baskenmütze, geschlossenem Regenmantel, gehfertig. Als Gottfried ihr den Weg nicht sofort frei gibt, sagt sie mit einer Gleichgültigkeit, die schlimmer trifft als jeder Vorwurf: »Rede dich nicht in den Unschuldskoller hinein! Es war ein dummer und gefährlicher Scherz, wenn es überhaupt einer war, und das hast du selbst gewußt, denn du warst den ganzen Abend verlegen wie ein Schuljunge. Und es war natürlich auch kein Zufall, daß du noch knapp vorher von Verlobung phantasiert hast – ich sollte wohl unter Druck gesetzt werden, durch ein Skandälchen, wie?«

»Jetzt sag noch, daß ich den Autodiebstahl bestellt hatte, um die Versicherung zu betrügen«, warf Gottfried trotzig hin. Es war zu sehen, daß seine Geduld zu Ende war. Doch Sybille blieb unentwegt: »Nein, das sage ich nicht, wir beide haben uns überhaupt nichts mehr zu sagen. – Willst du mir nun die Tür aufschließen? Du weißt doch sicher, wo der Schlüssel ist, wenn du ihn nicht überhaupt in der Tasche hast. Oder soll ich wirklich nochmals durch das Fenster kriechen?«

Gottfried stand zögernd, vielleicht glaubte er noch an die Möglichkeit, es werde sich alles aufklären, beilegen lassen. Doch Sybille ließ ihm keinen Zweifel, sie machte einen Schritt auf ihn zu, der ihn zur Seite jagen sollte, es war unerträglich, dieses Mädchen mußte bezwungen werden, einfach beim Kopf genommen und …

Da schraken sie beide auf und starrten zur Tür, von der ein Pochen klang und eine Befehlsstimme: »Aufgemacht! Polizei!«

Nach einem hastigen, stummen Hin und Her, während sich Klopfen und Ruf schon wiederholten, gab Gottfried etwas unsicher Antwort: »Wir sind durchs Fenster gekommen, Schlüssel haben wir nicht!«

Nun wurde die Stimme draußen unheimlich energisch: »Machen Sie gefälligst keine Flausen, der Schlüssel steckt ja von innen! Das Haus ist umstellt – los jetzt, sonst brechen wir die Tür ein! Eins, zwei und …«

Vor dem »drei« sprang Sybille vor, riß die Tür auf und stand starr, geblendet durch eine starke Lampe. Zugleich schob sich eine Pistolenmündung vor, die scharfe Stimme kommandierte: »Hände hoch!« und Sybille fühlte sich mit Gottfried in die Küche zurückgedrängt. Der Wachtmeister blieb, die Pistole immer noch in der Hand, in der Tür stehen, überzeugte sich erst, daß niemand sonst im Zimmer war, und rief über die Schulter: »Krause, suchen Sie einmal das Haus durch, Sievert soll solange noch draußen aufpassen!« Dann trat er auf die beiden im Zimmer zu und tastete sie mit geübter Hand nach Waffen ab. Plötzlich stutzte er, denn Sybille sagte ganz kühl: »Tun Sie doch die Pistole weg – merken Sie immer noch nicht, daß Sie sich irren?« Während er sie noch prüfend ansah, fuhr sie fort: »Ich heiße Sybille Wohlbrink, Justizrat Hagen ist mein Vormund. Dies hier ist Herr Gottfried Homilius junior, Neffe des Besitzers dieser Jagdhütte. Genügt das?« –»Nein!« sagte der Beamte, allerdings etwas weniger schroff. »Wie kommen Sie hierher, in diesem Aufzug – und durch das Fenster, wie der Herr sagte?«

Jetzt nahm Gottfried das Wort: »Wir wollten im Auto über den Schwarzen Berg, haben uns im Wald verfahren, und weil wir wenig Benzin hatten, suchten wir zu Fuß nach dem Weg. Es regnete sehr stark, wir wollten hier ein wenig unterkriechen und haben dabei zwei Kerle aufgescheucht, die uns sofort den Wagen gestohlen haben …«

»Zwei Kerle?« unterbrach der Wachtmeister heftig. »Haben Sie sie gesehen? Und wo sind sie hin?« Als er den Sachverhalt erfuhr, schlug er die Faust böse durch die Luft: »Ah, Pech! Nun können wir von vorn anfangen!« Dann trat er zur Tür und rief hinaus: »Krause, Sievert! Hereinkommen!« Die beiden Beamten kamen sofort an, und der Hauptwachtmeister gab ihnen die neue Lage bekannt. Gottfried führte auf den Dachboden, zeigte das Lager und erklärte, wie er die Zimmertür gefunden hatte. Als sie wieder hinunterkamen, hatte Sybille neuen Grog aufgegossen und vier Gläser bereitgestellt. Die drei Beamten griffen dankend zu, das vierte Glas blieb unberührt, bis Sybille sagte: »Ich danke, ich möchte nicht trinken – Herr Homilius wird Ihnen Bescheid tun!« Da tranken sie ihr militärisch stramm zu. In der kleinen Verlegenheitspause danach fragte Gottfried: »Nun möchte ich zweierlei wissen: Wie sind Sie darauf gekommen, hier zu suchen, und wie konnte der Schlüssel von innen stecken?« – »Das will ich Ihnen kurz sagen«, meinte der Hauptwachtmeister und strich sich den Bart. »Der Mann, den wir suchen, steht im Verdacht eines Mordes. Er ist zuletzt mit einem jungen Menschen zusammen gesehen worden, auf den keine Fahndung zu passen scheint. Daß die beiden sich hier versteckt haben könnten, hat mir der Chauffeur von Herrn Gerd Homilius verraten, mein alter Kriegskamerad, mit dem ich heute abend zufällig zusammentraf.« – »Kalitta? Was weiß der davon?« fragte Gottfried.

»Der Mann, den wir suchen, ist einer der Handwerker, die seinerzeit hier gearbeitet haben – Kalitta kennt ihn von damals her und hat ihm, weil er ihn für durchaus anständig hielt, auch erzählt, daß der Schlüssel unter der Schwelle versteckt liegt. – Ja, so ist das alles«, schloß er und zog das Koppel fester. »Und jetzt müssen wir weiter. – Wir haben leider nur ein Motorrad mit Beiwagen und können Sie nicht mitnehmen! Wollen Sie uns aber zeigen, wohin der Wagen abgebogen ist? Vielleicht läßt sich auf der neuen Straße die Spur halten.«

Gottfried sah nach Sybille, die schnell einwarf: »Einen Augenblick – wir verwahren nur das Haus und kommen sofort mit!« Dabei goß sie die letzte Glut im Herd mit Wasser aus, stellte das gebrauchte Geschirr zusammen und trat zu den Beamten vor die Tür. Gottfried folgte, nachdem er die Lampe ausgeblasen hatte, schloß ab und schob den Schlüssel in die Tasche. Dann gingen sie zum Holzplatz hinüber, Gottfried zeigte, woher sie gekommen waren, wo sie ihr Auto verlassen und welche Richtung die Diebe genommen hatten. Sie folgten der Spur das Gestell entlang, und jetzt, im Schein der starken Handlampen, merkte Sybille, daß das rote Schlußlicht sie über die Entfernung getäuscht hatte: die Stelle, an der das Auto rechts abgebogen war, lag nur wenige hundert Meter vom Holzplatz weg, durchaus nicht so weit, wie es vorhin geschienen hatte, und war tatsächlich die Einmündung in die neue Straße, an der auch das Motorrad der Beamten stand.

Wieder fühlte sie einen ungeheuren Zorn gegen Gottfried und das jämmerliche Manöver, auf das sie gutgläubig hereingefallen war. Als an der Kreuzung die Beamten mit nochmaligem Bedauern über den Platzmangel Abschied nahmen, konnte sie kein Wort herausbringen und ließ es bei einem Kopfneigen und Händedruck bewenden.

Kaum war das Motorrad abgebraust, fiel sie in weitgreifenden Wanderschritt, hielt aber sofort an, als sie Gottfried an ihrer Seite merkte.

Der Regen hatte aufgehört, die Wolken hatten sich verzogen und wogten weit oben über den Bergkamm. Aber es war nur schwaches Sternenlicht, der Mond war wohl schon untergegangen. Sie konnte Gottfrieds Gesicht nicht erkennen, nur das Weiße seiner Augen und der Zähne sah sie kurz aufblitzen. Aus nächster Nähe sprach sie ihm ins Gesicht, mit einer verhaltenen Heftigkeit, die keinen Widerstand zuließ: »Laß mich allein, du – hörst du? Du weißt gar nicht, was du mir angetan hast! Wir zwei sind fertig miteinander!«

Dann wandte sie sich und ging davon. Hinter ihr klang kein Schritt mehr.


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