Georg Forster
Entdeckungsreise nach Tahiti und in die Südsee 1772-1775
Georg Forster

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22. Kapitel

Dritter und letzter Aufenthalt zu Königin-Charlotten-Sund in Neuseeland

Bei unserer Ankunft an der neuseeländischen Küste wurden wir von schweren Regengüssen und heftigen Windstößen empfangen, welches eben kein freundliches Willkommen zu nennen war. Nachmittags fuhren wir nach der Gegend, wo die beiden vorigen Male die Zelte gestanden hatten. Wir wollten nachsehen, ob die Flasche noch da war, die mit einem Brief an Kapitän Furneaux unter einem Baum vergraben worden war. Beim Aussteigen fanden wir einen Schwarm Seeraben, die auf einem über das Wasser hängenden Baum genistet hatten. Wir schlossen daraus, daß die Bucht seit langer Zeit nicht von Menschen besucht worden sei. Nachdem wir die Seeraben verscheucht und einige ihrer Jungen mit den Händen gefangen hatten, stiegen wir an Land. Nun änderte sich unsere Vermutung auf einmal, wir durften nicht zehn Schritte gehen, um überdeutlich wahrzunehmen, daß sich nach unserer Abreise ein europäisches Schiff hier aufgehalten hatte. Eine Menge von Bäumen fanden wir mit Sägen gefällt. Auch die Flasche war fort, und die Gärten, die wir angelegt hatten, waren verwildert. Bei Sonnenuntergang ließ der Kapitän eine Kanone abfeuern, um die Eingeborenen von unserer Ankunft zu benachrichtigen.

Bei Tagesanbruch zogen wir das Schiff tiefer in die Bucht und brachten es dicht ans Ufer. Wir schlugen die Zelte eben da auf, wo sie früher gestanden hatten. Nachmittags begleiteten wir Kapitän Cook nach Cannibal-Cove. Sellerie und Löffelkraut wuchsen hier häufig, und der Kapitän hatte es sich zum Gesetz gemacht, dergleichen heilsame Krauter einzusammeln. Gegen Abend kehrten wir mit einer vollen Bootsladung zurück. Nun wurde abermals eine Kanone abgefeuert, da sich noch kein Eingeborener hatte sehen lassen. Nachdem wir noch einen Tag vergebens auf die Ankunft der Insulaner gewartet hatten, nahmen wir uns vor, sie selber aufzusuchen. Als wir am 24. hierzu Anstalten machten, zeigten sich zwei segelnde Kanus im Eingang von Shag-cove, allein sobald sie das Schiff sahen, nahmen sie die Segel ein und ruderten in größter Eile davon. Diese Scheu machte uns natürlich nur noch begieriger, sie zu sprechen. In dieser Absicht fuhr Kapitän Cook mit uns nach Shag-cove, aber auch dort war niemand zu finden. Schon wollten wir umkehren, als vom südlichen Ufer eine Stimme erscholl und einige Leute auf den Bergen zum Vorschein kamen. Nicht weit davon lagen mehrere Hütten unter den Bäumen, und unterhalb waren Kanus auf den Strand gezogen. Hier stiegen wir an Land, aber die Insulaner besannen sich eine Zeitlang, endlich wagte es einer, zu uns herabzukommen, und sobald er nach Landessitte unsere Nasen mit der seinigen berührt hatte, folgten seine Kameraden. Sie hatten abgetragene Strohmäntel an, und man konnte sie schon von ferne wittern. Unter den Leuten waren uns drei oder vier bekannt, und wir fragten sie nach anderen Bekannten. Die Antwort darauf war verworren, und nur soviel brachten wir heraus, daß sie von einer Schlacht sprachen und daß ihre Landsleute das Leben dabei eingebüßt hätten. Ihre sichtbare Verlegenheit dabei ließ uns vermuten, daß sie mit der Mannschaft irgendeines europäischen Schiffes in Streit geraten sein müßten, und natürlich fiel uns dabei die »Adventure« ein. Doch suchten wir zuerst ihr Zutrauen zu gewinnen, und wir sagten ihnen, daß wir Fische zu kaufen begehrten. Sie liefen zu ihren Kanus und brachten eine Menge Fische zum Vorschein. Für unsere Kleinigkeiten bekamen wir so viel, wie unsere ganze Mannschaft zu einer Mahlzeit brauchte. Sie wurden endlich so zutraulich, daß sie versprachen, am anderen Morgen allesamt an Bord kommen zu wollen.

Sie kamen am anderen Morgen in fünf Kanus und verkauften uns eine große Menge schmackhafter Fische. Dann brachten sie allerhand Stücke aus grünem Stein hervor, und als auch diese verkauft waren, kehrten sie an Land zurück. Dort war ein Teil unserer Mannschaft mit Wasserfüllen, Holzhauen und dergleichen beschäftigt, und Herr Wales hatte seine Sternwarte aufgerichtet. Hier boten die Eingeborenen ihre Kostbarkeiten von neuem an und nahmen nach einem so gelungenen Tage ihr Nachtquartier auf dem nächsten Strand. Am folgenden Morgen gingen sie wieder auf Fischfang und versorgten uns nun Tag für Tag mit frischem Vorrat. Am liebsten hielten sie sich aber bei den Arbeitern am Strande auf, weil einige, besonders ein paar Seesoldaten, Vergnügen daran fanden, stundenlang mit ihnen zu sprechen. Dieser vertraute Umgang machte die Insulaner so offenherzig, daß sie ihren neuen Freunden eine Geschichte erzählen, die uns allen sehr auffallend vorkam. Es habe nämlich, so erzählten sie, vor einiger Zeit ein fremdes Schiff hier vor Anker gelegen, dessen ganze Mannschaft in einem Treffen mit den Eingeborenen erschlagen und gefressen worden sei.

Diese Nachricht war fürchterlich genug, uns zu erschrecken, zumal wir befürchten mußten, daß die »Adventure« gemeint sei. Um mehr Licht hineinzubringen, fragten wir die Wilden nach verschiedenen Umständen und entdeckten bald, daß unsere Vermutung immer mehr außer Zweifel geriet. Nun merkten sie aber, daß dieser Gegenstand uns besonders am Herzen liegen müsse, sie weigerten sich also auf einmal, mehr davon zu sagen. Dies machte Kapitän Cook immer neugieriger, etwas Zuverlässiges vom Schicksal der »Adventure« zu erfahren, er rief deshalb ihren Anführer Piterre und einen anderen Wilden in die Kajüte und fragte sie so deutlich als möglich. Beide leugneten aber, daß den Europäern das geringste zuleide geschehen sei. Indessen blieb noch die Frage, ob sie auch recht verstanden hatten, was wir wissen wollten.

Wir schnitten deshalb zwei Stückchen Papier in Gestalt zweier Schiffe aus, die die »Resolution« und die »Adventure« darstellen sollten. Dann zeichneten wir den Hafen auf einen größeren Bogen und zogen die Schiffe soviel mal in den Hafen und wieder heraus, als wir darin geankert hatten und wieder abgesegelt waren. Nun hielten wir eine Zeitlang ein und fingen dann an, unser Schiff nochmals hineinzuziehen. Hier unterbrachen uns aber die Wilden, schoben unser Schiff zurück und zogen das Papier, das die »Adventure« darstellte, in den Hafen und wieder heraus, wobei sie an den Fingern abzählten, seit wieviel Monden das Schiff abgesegelt sei. So erfuhren wir, daß unsere ehemaligen Reisegefährten von hier abgesegelt waren, doch blieb uns noch rätselhaft, wie sich ihr Bericht von einem Treffen zwischen den Insulanern und Europäern mit der Versicherung reime, daß unseren Landsleuten kein Leid widerfahren sei. Wir suchten uns endlich damit abzufinden, daß unsererseits ein Mißverständnis vorliegen müsse. Und wirklich kamen wir über diesen Punkt erst nach unserer Rückkehr zum Kap außer Zweifel. Dort erzählte man uns, daß die »Adventure« bei ihrer letzten Anwesenheit in Neuseeland ein Boot mit zehn Mann eingebüßt habe. Hoffentlich wird es meinen Lesern nicht zuwider sein, von diesem traurigen Vorfall etwas Bestimmteres zu vernehmen.

Nachdem Kapitän Furneaux durch Sturm und Nebel von uns getrennt worden war, sah er sich genötigt, am 9. November 1773 auf der nördlichen Insel von Neuseeland, nämlich in der Bai Tolage, vor Anker zu gehen. Von hier segelte er am 16. wieder ab und langte am 30., wenige Tage nach unserer Abreise, in Königin-Charlotten-Sund an. O-Mai, der Insulaner von Raiatea, der sich an Bord der »Adventure« befand, erzählte mir in England, er sei der erste gewesen, der die Inschrift am Baum entdeckt habe. Er zeigte die Inschrift dem Kapitän, der gleich nachgraben ließ und die Flasche mit dem darin befindlichen Briefe fand. Er machte nun auch unverzüglich Anstalten, die Reise fortzusetzen. Schon war sein Schiff segelfertig, als er noch ein Boot nach Gras-Cove abschickte, um eine Ladung Löffelkraut und Sellerie von dort zu holen. Das Kommando wurde dem Leutnant Rowe anvertraut. Dieser junge Mann hatte die Vorurteile der seemännischen Erziehung noch nicht abgelegt. Er sah z.B. alle Einwohner der Südsee mit einer Art Verachtung an und glaubte dasselbe Recht über sie zu haben, das sich in barbarischen Jahrhunderten die Spanier über das Leben der amerikanischen Wilden anmaßten. Seine Leute landeten in Gras-Cove und fingen an, Kräuter abzuschneiden. Vermutlich hatten sie ihre Röcke ausgezogen, wenigstens erzählten uns die Eingeborenen in Königin-Charlotten-Sund, daß einer von ihren Landsleuten den Unsrigen eine Jacke gestohlen habe. Darauf habe man sofort Feuer auf sie gegeben und so lange damit fortgefahren, bis die Matrosen kein Pulver mehr gehabt hätten. Als die Insulaner dies gewahr wurden, seien sie sofort auf die Europäer losgerannt und hätten sie bis auf den letzten Mann erschlagen.

Als das Boot zwei Tage ausblieb, schickte Kapitän Furneaux den Leutnant Burney in einem anderen wohlbemannten und stark bewaffneten Boot ab. Dieser erblickte am Eingang der East-Bai ein großes Kanu voll Insulaner, die aus allen Kräften davonruderten. Die Unsrigen ruderten hinterdrein, allein aus Besorgnis, eingeholt zu werden, sprangen die Neuseeländer sämtlich ins Wasser und schwammen nach dem Ufer. Leutnant Burney kam diese Flucht befremdend vor, und als er das leere Kanu erreicht hatte, sah er leider nur zu deutlich, was vorgefallen war. Er fand in diesem Fahrzeug verschiedene zerfetzte Gliedmaßen seiner Schiffskameraden und einige ihrer Kleidungsstücke. Nach dieser traurigen Entdeckung ruderten sie noch eine Zeitlang umher, bis sie in Gras-Cove ankamen. Hier war ein Haufen von Eingeborenen versammelt, die sich gegen ihre Gewohnheit beim Anblick der Europäer in wehrhafte Verfassung setzten. Der seitwärts gelegene Berg wimmelte von Menschen, und an vielen Orten stieg Rauch auf, der vermuten ließ, daß das Fleisch der erschlagenen Europäer zu einer festlichen Mahlzeit zubereitet werden sollte. Dieser Gedanke erfüllte selbst die hartherzigsten Matrosen mit Grausen, doch im nächsten Augenblick entbrannte ihre Rachgier. Sie feuerten und töteten viele der Wilden, trieben sie auch zuletzt vom Strande weg und schlugen ihre Kanus in Trümmer. Dann stiegen sie ans Land und durchsuchten die Hütten. Sie fanden mehrere Bündel Löffelkraut und sahen Körbe voll zerstückelter Glieder, unter denen sie die Hand des armen Rowe deutlich erkannten. Die Hunde der Neuseeländer fraßen von den umherliegenden Eingeweiden. Vom Boot waren nur einzelne Stücke zu sehen, Leutnant Burney vermutete daher, daß die Wilden es zerschlagen hätten, um die Nägel herauszuziehen. Nach einem solchen Verlust, den Kapitän Furneaux um so empfindlicher fühlte, weil Leutnant Rowe sein Verwandter war, segelte er am 22. Dezember aus dem Königin-Charlotten-Sund ab und passierte das Kap Hoorn, ohne irgendwo Land zu sehen oder vor Anker zu gehen, bis er am 19. März 1774 das Kap der Guten Hoffnung erreichte. Vom Kap kehrte er nach England zurück und langte am 15. Juli um eben die Zeit zu Spithead an, als wir auf der anderen Hemisphäre mit der Entdeckung der Neuen Hebriden beschäftigt waren.

Die Neuseeländer sind von jeher allen Nationen, die zu ihnen gekommen, gefährliche Feinde gewesen. Der erste Entdecker dieses Landes, Abel Jansen Tasman, ein Holländer, verlor vier seiner Matrosen an einem Ankerplatz, den er dieses Vorfalls wegen die Mörder-Bai nannte. Die Eingeborenen nahmen einen der erschlagenen Matrosen mit sich und wissen also seit 1642, wie das Fleisch eines Europäers schmeckt. Den Engländern haben sie nach dem soeben erzählten Bericht noch weit ärger, den Franzosen aber schlimmer als allen übrigen mitgespielt, indem sie den Kapitän Dufresne Marion mit achtundzwanzig Mann erschlagen und gefressen haben. Ein Trupp von Wilden nahm den Augenblick wahr, als die Holzhauer bei der Arbeit waren, überfiel sie und ermordete alle bis auf einen Matrosen, der quer über die Landzunge davonrannte, sich in die See stürzte und, obgleich von Wurfspießen verwundet, nach den Schiffen schwamm.

Ich lenke nunmehr wieder in den Bericht ein. Die Aussage des Anführers Piterre hatte uns über die glückliche Abreise der »Adventure« völlig beruhigt. An einem schönen Tage machte der Kapitän eine Fahrt ins Innere der West-Bai, um nach den Schweinen und Hühnern zu sehen, die wir dort zurückgelassen hatten. Aber am Strand war nicht eine Spur von ihnen zu finden, und es schien keine menschliche Seele in diese Gegend gekommen zu sein. Wir konnten also annehmen, daß die Tiere sich in den Wald begeben hatten und daß sie sich dort ungestört vermehren würden. Nach dieser kleinen Ausfahrt blieb das Wetter immer so stürmisch und regnerisch, daß wir erst wieder am 2. November an Land und zwar nach Gras-Cove gingen. Ohne das geringste von dem traurigen Vorfall zu wissen, wovon diese Bucht der eigentliche Schauplatz gewesen war, stiegen wir in allen kleinen Buchten aus und liefen einzeln weit im Lande umher. Von Einwohnern war nicht eine Spur zu sehen. Abends um acht Uhr gelangten wir wieder an Bord, wo unterdessen aus einer anderen Gegend der Bai viele Wilde zu Besuch gekommen waren. Statt der Fische, die Piterre uns zuzuführen pflegte, hatten sie nichts als Kleidungsstücke, Waffen und andere Merkwürdigkeiten mitgebracht. Da aber diese Art des Handels bereits zu weit eingerissen war, verbot der Kapitän, ihnen etwas von diesen Artikeln abzunehmen. Am nächsten Tage kamen sie wieder, aber der Kapitän blieb bei seinem Entschluß, und sie mußten unverrichteterdinge wieder abziehen. Diese Beharrlichkeit war nötig, da die Insulaner augenblicklich aufhörten, Fische zum Verkauf zu bringen, sobald sie sahen, daß Waffen, Zierat und dergleichen besser bezahlt wurden.

Die Gier, womit unsere Mannschaft dergleichen Artikel einhandelte, war auch in der Tat zu einer Art Raserei angewachsen, und sie scheuten sich nicht, diese durch die niederträchtigsten Mittel zu befriedigen. Eine Gruppe, die mit einem Bootsmann an Land war, scheute sich nicht, einen armen Wilden in seiner Hütte zu berauben. Sie nahmen seine Sachen mit sich und nötigten ihn, einige Nägel dafür anzunehmen, um der Gewalttätigkeit den Anschein eines Tauschhandels zu geben. Die Einheimischen waren aber dreist genug, diesen Vorfall dem Kapitän zu klagen, der die Täter nach Verdienst bestrafen ließ. So ist es mehr oder minder auf allen Reisen zugegangen, und namentlich hat es die Mannschaft der »Endeavour« (die Kapitän Cook auf seiner ersten Reise kommandierte) nicht um ein Haar besser gemacht. Zu Tahiti bestahlen sie die Gemahlin des Tuborai, und auf Neuseeland behaupteten sie öffentlich, daß alles Eigentum der Wilden von Gott und von Rechts wegen ihnen zukomme.

Da die Neuseeländer sahen, daß von ihren Sachen nichts mehr anzubringen war, verließen sie uns am 4. November bis auf eine einzige Familie, die seit zwei Tagen des stürmischen Wetters wegen nicht einmal für sich, geschweige denn für uns hatte Fische fangen können. Wir trafen sie heute in der Indian Bai, wo sie aus Mangel an besserer Nahrung Farnkrautwurzeln aßen. In jeder Hütte brannte ein Feuer, das den ganzen Raum mit Rauch füllte. Die Leute mochten die Unbehaglichkeit einer solchen Atmosphäre nicht ganz empfinden, weil sie gewöhnlich platt auf der Erde lagen, mir aber kam der Aufenthalt in den Hütten ganz unerträglich vor, wenngleich andere Europäer keine Bedenken trugen, der Liebkosungen einiger scheußlicher Weibsbilder wegen hineinzugehen. Vielleicht wird man glauben, daß nur der rohe Matrose diesem tierischen Instinkt nicht habe widerstehen können, allein das tyrannische Element, worauf Offizier und Matrose in gleichem Maße umhergeschleudert werden, scheint auch in dieser Beziehung allen Unterschied zwischen beiden aufzuheben. Die Nationen, die wir auf den Neuen Hebriden und auf Neukaledonien besuchten, hatten sich klüglich vor allen unanständigen Vertraulichkeiten gehütet, eben deshalb wandten sich die Herren nun mit desto größerer Zudringlichkeit an die ekelhaften Schönen in den unreinlichen, rauchigen Hütten Neuseelands.

Am 5. folgte endlich wieder ein schöner Tag. Der Kapitän fuhr mit uns nach dem Ende der Bucht, und nachdem wir eine Strecke gerudert waren, erblickten wir in der Ferne einige Fischerkanus, deren Mannschaft eiligst davonruderte, als sie uns gesichtet hatten. Da wir sie nach einer Durchfahrt in die offene See fragen wollten, mußten unsere Matrosen ihre Kräfte anstrengen, um sie einzuholen. Dies erfolgte auch bald. Die Fischer waren bereits bei uns an Bord gewesen, sie taten denn auch sehr freundlich und verkauften uns eine Menge Fische, wegen der Durchfahrt aber schienen sie uns nicht zu verstehen. Wir begegneten darauf einem anderen Kanu und erfuhren nun, daß der Arm, in dem wir fuhren, bald in eine große Bai endige. Wir steuerten darauf zu und gelangten in eine große Bucht, deren Ufer von Menschen wimmelte. Wir landeten gerade dort, wo die meisten standen, und begrüßten ihre Anführer durch Berührung der Nasen. Der Chef der Befehlshaber sagte uns, daß er Tringho-Buhi heiße. Er war ein kleiner Mann, schon bei Jahren, aber noch sehr munter. Sein Gesicht war in Schneckenlinien punktiert und zeichnete sich dadurch vor den anderen aus.

Die Leute merkten bald, daß uns sehr um Fische zu tun sei, und da ihnen nicht weniger daran gelegen war, sie loszuwerden, wuchs die Zahl der Verkäufer mit jedem Augenblick. Tringho-Buhi aber schien mit dem Zulauf der Menschen nicht zufrieden zu sein, weil der Preis der Fische in dem Maße fiel, in dem die Menge dieser Ware zunahm. Nachdem wir hier ungefähr eine Viertelstunde zugebracht hatten, hielten wir es für klug, uns wieder einzuschiffen. Und das war in der Tat desto ratsamer, weil der Haufen jetzt über zweihundert Mann stark war, weit stärker als die Zahl sämtlicher Bewohner an den Buchten von Königin-Charlotten-Sund zusammen. Zum Glück wußten wir damals noch nichts von dem Schicksal des Leutnants Rowe und seiner Gefährten, sonst würde uns die unerwartete Ansammlung der Wilden desto mehr erschreckt haben, je wahrscheinlicher es war, daß sie der Gegend nach an dem grausamen Blutbad teilgenommen hatten.

Die Bewohner dieser Bai versicherten uns, daß der Seearm, in dem wir uns befanden, ins Meer münde. Wir setzten also unsere Fahrt fort und sahen nach einigen Windungen, daß das Wasser nordwärts strömte. Wir sahen auch schon, wie der Seearm mit dem Meere zusammenhing, er ergoß sich nämlich in die Cook-Straße. Hätten wir jetzt um das Kap Koamaru segeln können, so würden wir in kurzer Zeit das Schiff wieder erreicht haben, aber das ging wegen des widrigen Windes nicht. Ebensowenig durften wir die Nacht auf dem Lande verbringen, weil die Bewohner uns noch nicht genug bekannt waren, also blieb uns nichts anderes übrig, als zurück zu rudern. Gegen zehn Uhr abends langten wir ganz ermüdet und entkräftet beim Schiffe an.

Am folgenden Tag fiel nebliges Wetter ein, der ehrliche Piterre ließ sich aber dadurch nicht abhalten, mit seinen Gefährten zu uns zu kommen. Kapitän Cook glaubte ihm für seine Dienste eine öffentliche Anerkennung schuldig zu sein, er rief ihn in die Kajüte und kleidete ihn von Kopf bis Fuß nach europäischer Weise. Wir nahmen ihn in seinem ungewohnten Staat mit auf die Jagd und dann wieder an Bord zum Mittagessen. Für einen rohen Wilden betrug er sich bei Tische ungemein sittsam und manierlich. Gegen Abend kehrte Piterre mit seinen Gefährten ans Land zurück, und am anderen Morgen kam er nach wie vor mit frischen Fischen zu uns.

Die Matrosen ergänzten nun den Vorrat an Trinkwasser, schafften eine Menge Brennholz an Bord, besserten das Tauwerk aus und setzten die Segel instand. Die Wilden hatten uns so reichlich mit Fischen versorgt, daß wir mehrere Fäßchen voll einsalzen konnten. Außerdem ließ der Kapitän kurz vor der Abreise noch eine Menge Seeraben und andere Vögel schießen, damit wir unterwegs frischen Proviant hatten. Am Nachmittag des 9. November wurden die letzten Anstalten zur Abreise getroffen, und am folgenden Morgen um vier Uhr verließen wir Neuseeland zum dritten und letzten Male.


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