Georg Forster
Entdeckungsreise nach Tahiti und in die Südsee 1772-1775
Georg Forster

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17. Kapitel

Zweiter Aufenthalt auf den Gesellschafts-Inseln

Ein rascher Wind führte uns schnell von Tahiti weg. Noch betrachteten wir die schöne Insel, als sich auf unserem Deck ein unerwarteter Anblick zeigte. Es war eins der schönsten Mädchen, das den Vorsatz gefaßt hatte, mit uns nach ihrer Heimatinsel Raiatea zurückzufahren. Sie hatte sich bei O-Tus letzter Anwesenheit auf dem Schiff versteckt gehalten und kam erst wieder zum Vorschein, als wir auf offener See waren. Außer ihr ging auch Maheine mit seinem Bedienten und zwei Leuten von Borabora mit uns. Ihre Gesellschaft half uns während der Überfahrt nach Huaheine die Zeit verkürzen. Das Mädchen hatte die Kleidung eines Offiziers angezogen und gefiel sich darin so gut, daß sie diese Tracht gar nicht wieder ablegen wollte. Sie trug keine Bedenken, in Gesellschaft der Offiziere zu speisen, und lachte über das Vorurteil, das die Insulanerinnen abhielt, ein Gleiches zu tun.

Am folgenden Morgen lag die Insel Huaheine vor uns, und nachmittags kamen wir in dem nördlichen Arm des Hafens Warre vor Anker. Die Insulaner brachten Schweine zum Verkauf, forderten aber Beile dafür, die nun schon so selten bei uns geworden waren, daß wir sie für wichtigere Gelegenheiten aufsparen mußten. Ori, der Befehlshaber der Insel, kam in einem kleinen Boot ebenfalls zu uns und brachte dem Kapitän ein Schwein, ein Brustschild und einige Pfefferwurzeln. Abends wurde es gänzlich windstill, und da das Schiff nahe am Ufer lag, konnten wir an dem abendlichen Zeitvertreib der Insulaner von Bord aus Anteil nehmen. Wir sahen, wie sie in den nächsten Hütten um ihre Lichter, die aus öligen, auf einen Stock gespießten Nüssen bestehen, herumsaßen und vertraulich miteinander plauderten.

Wir gingen morgens ziemlich früh an Land und nach den salzigen Seen, die man unweit des Hafens antrifft. Vom Meere sind sie nur durch ein schmales Felsenriff getrennt, das mit Kokospalmen bewachsen ist, obschon es nur wenig über die Oberfläche des Meeres emporragt und kaum mit Sand bedeckt ist. Von diesem Riff an wird der Boden rings um den ganzen See morastig und vertieft sich zum Ufer hin, das aus bloßem Schlamm besteht. Auf dem See gab es Scharen von Enten, denen aber nicht beizukommen war, weil man befürchten mußte, in dem Schlamm zu versinken. Auf dem Rückweg wurde unser Diener, der einen Sack mit Pflanzen und einen anderen mit Eisengeräten trug, wenige Schritte hinter uns von einigen Insulanern angefallen und zu Boden geworfen. Da wir dies aber gerade noch gewahr wurden, machten die Räuber sich eilfertig aus dem Staube. Dies war das zweitemal, daß unsere Leute angegriffen worden waren, überhaupt schienen die hiesigen Insulaner unter der schläfrigen Regierung des alten Ori ausschweifender zu sein als ihre Nachbarn auf Tahiti.

Ori kam uns diesmal noch weit abgelebter und untätiger vor als bei unserem ersten Besuch. Seine Seelenkräfte schienen merklich abgenommen zu haben. Seine Augen waren rot und entzündet und der ganze Körper mager und schäbig. Die Ursache blieb uns nicht lange verborgen. Wir bemerkten nämlich, daß er dem Trunke ergeben war und von der stärksten Art des berauschenden Pfeffergetränks große Portionen zu sich zu nehmen pflegte.

Am anderen Morgen gingen wir wieder nach den Landseen und brachten eine Menge Korallen, Muscheln und Seeigel mit zurück, die die Eingeborenen für uns aufgelesen hatten. Den Tag darauf bestiegen wir einen Berg, der ganz mit Brotfrucht-, Pfeffer- und Maulbeerbäumen, sowie mit Ignamen (Yams) und Arumwurzeln bepflanzt war. Ziemlich weit den Berg hinauf fanden wir ein Haus, dessen Bewohner, eine alte Frau und ihre Tochter, uns gastlich bewirteten. Wir gaben ihnen einige Glaskorallen, Nägel und rote Federn, welch letztere sie weit richtiger als zu Tahiti einschätzten. Man hielt sie für bloßen Flitterstaat und wollte daher auch nicht Nutzbares dafür hergeben. Daß die Bewohner von Huaheine und Tahiti so verschiedener Meinung über den Wert der roten Federn waren, rührt anscheinend daher, daß das Volk dort wohlhabender ist als hier. Auf Huaheine müssen die Bewohner bei der Bestellung der Felder die Berghänge mit einbeziehen, und da es ihnen auf diese Art saurer wird als den Tahitiern, ihren Unterhalt zu beschaffen, können sie nicht dem Luxus nachhängen.

In den folgenden Tagen wurden wir verschiedentlich und auf eine verwegene Art bestohlen. Eine Gesellschaft von Offizieren war zum Vogelschießen nach einem Berge gegangen und hatte einen Seesoldaten mitgenommen, um sich ein paar Gerätschaften nachtragen zulassen. Als der Soldat den Beutel einmal niederlegte, hatte ihn ein Eingeborener augenblicklich erhascht und rannte mit ihm davon. Am folgenden Tage wohnten die Herren einem Hiva bei, und glücklicherweise trafen sie den Dieb unter den Zuschauern. Er gestand sein Vergehen und versprach, für das Entwendete einige Brustschilde bringen zu wollen. Dies Anerbieten ließen sie sich gefallen, und am folgenden Tage stellte sich der Mann auch ein. Ein anderer, der ein Pulverhorn zu stehlen suchte, wurde ertappt und bekam eine volle Ladung Schläge. Die Insulaner ließen sogar die Tahitierin, die mit uns hierhergekommen war, nicht unangetastet. Als sie es sich einmal am wenigsten versah, wurde sie in einem Hause überfallen und sollte die europäische Kleidung, die sie ständig trug, mit Gewalt hergeben. Zum Glück kamen einige unserer Leute hinzu und verjagten die Räuber. Das arme Mädchen wagte sich fortan nie wieder ohne Begleitung an Land.

Indessen waren das der Drangsale, die unsere Schöne hier erleben mußte, noch nicht alle, und ihr widerfuhr ein recht schmählicher Schimpf. Sie wohnte nämlich in Gesellschaft einiger Offiziere einem Hiva bei, aber unglücklicherweise hatte man ihre eigene Geschichte als Gegenstand des Stückes gewählt und suchte ihre romanhafte Entweichung von der Insel lächerlich zu machen. Sie wollte vor Scham und Tränen vergehen, und es kostete viel Zureden, daß sie bis zum Ende des Stückes aushielt. Die letzte Szene, in der die Aufnahme, die sie bei ihren Eltern finden würde, dargestellt wurde, fiel gar nicht schmeichelhaft für das trostlose Mädchen aus.

Am folgenden Tage blieben wir den ganzen Vormittag über an Bord, nach Tisch aber gingen wir mit Kapitän Cook an Land und nach einem großen Hause, das wie eine Karawanserei von verschiedenen Familien bewohnt wurde, die hierhergekommen waren, um in unserer Nähe zu sein. Es befanden sich einige Befehlshaber darunter. Wir hatten uns noch nicht lange mit ihnen unterhalten, als einige Insulaner die Nachricht brachten, daß der erste und zweite Leutnant und einer unserer Lotsen völlig ausgeplündert worden seien. Diese Botschaft verbreitete unter den Insulanern allgemeinen Schrecken, und die meisten suchten sich aus Furcht vor unseren Maßnahmen durch die Flucht zu retten. Wir selbst waren um das Schicksal unserer Gefährten nicht wenig besorgt, weil das tahitische Wort Matte sowohl prügeln als auch totschlagen bedeutet. Unsere Besorgnis dauerte jedoch nicht lange, denn wir sahen die Herren unbeschädigt und in voller Jagdausrüstung wiederkommen. Sie erzählten, daß man sie unversehens überfallen und mit Gewalt ihrer Vogelflinten beraubt und auch mit Schlägen sehr mißhandelt habe. Endlich sei dann ein Befehlshaber hinzugekommen, durch dessen Vermittlung die Räuber die abgenommenen Flinten und andere Sachen zurückgegeben hätten. Ganz vergnügt, daß die Geschichte einen besseren Ausgang genommen hatte, als zu besorgen stand, kehrten wir an Bord zurück, bemerkten aber, daß die Insulaner sich aus dieser Gegend größtenteils entfernten.

Am folgenden Tage ließ Ori durch Maheine den Kapitän wissen, daß die gestrige Tat durch dreizehn Insulaner begangen worden sei, er aber ohne des Kapitäns Hilfe nicht imstande sein würde, die Bösewichte zu bestrafen. Er möchte ihm also bewaffnete Leute schicken, alsdann wolle er noch einige seiner Krieger aufbieten und gegen die Rebellen marschieren. Kapitän Cook rief die Offiziere zusammen und überlegte die Sache mit ihnen. Da gestand denn der zweite Leutnant offenherzig, daß von ihrer Seite der erste Angriff geschehen sei. Einer von ihnen habe ein paar wilde Enten geschossen und einen von den Insulanern gebeten, sie aus dem Wasser zu holen, dieser aber, der es vorher schon mehrmals getan hatte, wollte sich nicht länger als Pudel gebrauchen lassen. Dies habe der Offizier übelgenommen und den armen Kerl so lange geprügelt, bis er sich dazu bequemte. Er sei hierauf halb schwimmend, halb gehend durch den dicken Schlamm bis zum Wasser vorgedrungen, als er aber die wilden Enten erreicht gehabt, sei er damit nach dem jenseitigen Ufer geschwommen. Unser Seemann habe nun sein Gewehr mit einer Kugel geladen und nach dem Insulaner geschossen, zum Glück aber nicht getroffen. Hierauf habe er zum zweitenmal laden wollen, aber die anwesenden Insulaner hätten dem Schützen das Gewehr abgenommen; er habe zwar um Hilfe gerufen, sie seien aber ebenso wie er umringt gewesen. Gleichwohl habe einer von ihnen sein Gewehr abfeuern und einem Insulaner ins Bein schießen können, die übrigen hätten diese Gewalttat aber durch unbarmherzige Prügel gerächt. Maheines Knecht, ein starker, untersetzter Kerl, habe für unsere Herren ganz verzweifelt gekämpft, sei aber von der Menge überwältigt worden.

Durch dieses Geständnis bekam die Sache ein ganz anderes Gesicht, demungeachtet wollte der Kapitän den Befehlshaber um seine Meinung fragen, und er bat meinen Vater, ihn zu begleiten, weil dieser mehr von der Eingeborenensprache verstand. Ori eröffnete ihnen, auf die Häuser der Leute loszugehen, die sich vermutlich auch gegen ihn aufgelehnt hätten. Er wolle ihre Schweine und alle übrigen Habseligkeiten wegnehmen und uns zur Schadloshaltung preisgeben. Mit dieser Erklärung kam Kapitän Cook ans Schiff zurück und beorderte eine Mannschaft, die mit Dr. Sparman, meinem Vater und mir aus siebenundvierzig Mann bestand, ihn zu begleiten. Wir marschierten mit Ori nach der Gegend, wo die Gewalttätigkeit vor sich gegangen war. Je weiter wir vorrückten, desto größer wurde der Zulauf von Insulanern. Ihre Zahl belief sich in kurzem auf etliche hundert Mann, und sie fingen schon an, aus den nächstgelegenen Häusern Waffen zu holen. Ori selbst schleppte einen zehn Fuß langen Speer mit sich, dessen Spitze aus dem zackigen Stachel eines Rochen bestand. Nachdem wir zwei Meilen weit vorgedrungen waren, wurde haltgemacht, und wir erfuhren durch Maheine, daß die Insulaner uns einzuschließen und vom Schiff abzuschneiden gedächten. Kapitän Cook ließ sich aber nicht abschrecken, sondern befahl nur, daß der Haufen, der uns nachfolgte, nicht weiter vorrücken solle. Ori hingegen mußte weiter mit uns ziehen. Nach einem Marsch von drei Meilen stießen wir auf einen Scheideweg. Der eine Weg ging über einen steilen Felsen, der andere schlängelte sich um den Fuß des Berges herum. Der Kapitän wählte den ersten, doch das Hinaufsteigen war sehr mühsam, auf dem anderen Wege aber fanden wir Tritte in den Felsen gehauen, vermittels derer man bequemer nach der Ebene hinabkommen konnte. Dieser Paß war für die Sicherheit unserer Rückkehr so wichtig, daß der Kapitän ihn durch einige Leute besetzen lassen wollte, da er aber sah, daß der größte Teil des Insulanerhaufens trotz Oris Befehl langsam nachrückte, hielt er es für klüger, den ganzen Plan aufzugeben und geradenwegs umzukehren. Die Insulaner ließen sich leicht davon überzeugen, es geschehe nur, weil der Feind so weit entfernt sei und man ihn nicht mehr verfolgen wolle. Auf der Hälfte des Rückweges kamen wir an einem großen Hause vorüber, worin uns Ori Kokosnüsse vorsetzen ließ. Dann brachten Eingeborene junge Pisangsprossen, zwei Hunde und ein Ferkel herbei, außerdem wurde uns noch ein großes Schwein gezeigt, aber gleich wieder weggetrieben. Darauf eilten wir nach dem Strande und kamen dort gegen Mittag an. Der Kapitän ließ die Gewehre pelotonweise in die See abfeuern, und wir vergnügten uns an dem Erstaunen der Eingeborenen, die nicht vermutet hatten, daß die Kugeln so weit reichten und daß wir mit unseren Flinten ein anhaltendes Feuer abgeben könnten. So lief die geplante Kriegsexpedition ohne Blutvergießen ab, wie es diejenigen unter uns gewünscht hatten, denen das Leben ihrer Mitmenschen keine Kleinigkeit zu sein dünkt. Andere hingegen schienen ganz unzufrieden damit zu sein, daß es nicht zum Totschlagen gekommen war.

Unser Feldzug mochte die Insulaner abgeschreckt haben, an Bord zu kommen. Am anderen Morgen aber erhielten wir von unseren Bekannten mancherlei Geschenke. Unter anderen besuchte uns auch ein Befehlshaber namens Morurua, der eine besondere Zuneigung zu meinem Vater gefaßt hatte, in Begleitung seiner Frau und aller Angehörigen. Keiner kam mit leeren Händen, und daher ließen auch wir niemand unbeschenkt von uns gehen. Am folgenden Morgen, als wir absegeln wollten, kam er nochmals an Bord und nahm mit vielen Tränen Abschied.

Am 24. mittags ankerten wir bei der Insel Raiatea im Hafen Hamaneno. Der Befehlshaber Orea kam an Bord und schien höchst vergnügt über unsere Wiederkehr. Nachmittags machten wir einen Spaziergang am Strand, wo eine unzählige Menge von Kanus aufs Land gezogen und jedes Haus und jede Hütte vollgepfropft mit Menschen war, bei denen es an nichts fehlen sollte, denn überall lagen große Vorräte der ausgesuchtesten Lebensmittel dazu bereit. Wir wußten, daß es auf diesen Inseln eine Gesellschaft von Leuten beiderlei Geschlechts gebe, die Errioys genannt werden, und daß sie sich zuweilen von weit und breit her versammelten, eine Insel nach der anderen besuchten und überall bis zur Ausschweifung schmausten und schwelgten. Als wir zu Huaheine vor Anker lagen, hielt sich dort eine Karawane von mehr als siebenhundert solcher Errioys auf, und eben diese waren es, die wir jetzt hier antrafen. Sie hatten sich eines Morgens mit etwa siebzig Kanus von Huaheine nach Raiatea übersetzen lassen und hier an der Westseite Quartier genommen. Es waren Leute von gewissem Ansehen und schienen alle zum Stand der Befehlshaber zu gehören. Sie waren durchweg stark und wohlgebaut und nannten sich Kriegsleute. Die Mitglieder sind alle durch die engsten Bande der Freundschaft miteinander verbunden. Es scheint fast, daß von jeder vornehmen Familie eine oder mehrere Personen in diese Gesellschaft eintreten, deren Grundgesetz ist, daß keines ihrer Mitglieder Kinder haben darf. Da aber in diesem heißen Lande der Trieb zur Fortpflanzung sehr stark sein muß, so hat man nach und nach die Heiraten zugelassen. Um aber doch den Zweck des ledigen Standes beizubehalten, ist man darauf verfallen, die unglücklichen Kinder gleich nach der Geburt umzubringen.

Zu gewissen Zeiten reisen die Errioys von einer Insel zur anderen. Dann schmausen sie die besten Früchte und verzehren eine Menge von Schweinen, Hunden, Fischen und Hühnern, welche die Tautaus zur Bewirtung dieser Schwelger herbeischaffen müssen. An einer guten Portion des berauschenden Pfefferwurzelgetränks darf es bei solchen Gelegenheiten auch nicht fehlen, denn diese Herren zechen sämtlich gern. Überhaupt halten sie es mit allen Arten sinnlicher Freuden, und daher ist Musik und Tanz allenthalben ihr Zeitvertreib. Diese Tänze sollen des Nachts sehr ausschweifend sein, doch wird nur den Mitgliedern der Gesellschaft der Zutritt gestattet.

Die Errioys sind zum Teil ebenso verheiratet wie Maheine sich mit Toperris Tochter verehelicht hat, andere pflegen sich Beischläferinnen zu halten. Manche mögen sich freilich auch mit gemeinen Huren abgeben, deren es auf allen diesen Inseln so viele gibt. Diese Art von Ausschweifung ist aber nicht so unerhört, sondern unter den zivilisierten Europäern weit verbreiteter als hier. Sollte man also nur daher Anlaß genommen haben, die Errioys zu beschuldigen, daß sie einander wechselweise ihre Weiber preisgeben, so würde das ebenso sein, als wenn man wegen der liederlichen Lebensart einzelner Europäer behaupten wollte, daß es in Europa eine Klasse von Leuten beiderlei Geschlechts gebe, die ihre Tage in einer steten Befriedigung sinnlicher Lüste zubrächte. Von dem Vorwurf des Kindermordes hingegen sind die Tahitier nicht freizusprechen, so unerklärlich es auch scheinen mag, daß eine Nation von so sanften, mitleidigen und zur Freundschaft gestimmten Herzen zugleich der äußersten Grausamkeit fähig sein soll.

Sobald wir Gewißheit davon hatten, daß eine so widernatürliche Barbarei wirklich unter den Errioys verübt werde, verwiesen wir unserem Freunde Maheine, daß er es sich zur Ehre anrechnete, einer so verabscheuungswürdigen Gesellschaft anzugehören. Es gelang uns, ihn zu überzeugen, daß es unrecht sei, und er versprach, sich von der Gesellschaft lossagen zu wollen, sobald er Vater werde. Es gereichte uns einigermaßen zum Trost, von ihm zu vernehmen, daß die Errioys selten Kinder bekämen.

Bei all ihrer Schwelgerei vergaßen die hier versammelten Errioys doch die Gastfreiheit nicht, sondern luden uns ein, an ihrem Mahl teilzunehmen, da wir aber eben vom Tisch aufgestanden waren, gingen wir lieber spazieren und kehrten erst gegen Abend nach dem Schiff zurück, das Maheine, das Mädchen und die übrigen Insulaner inzwischen verlassen hatten. Am folgenden Morgen besuchten uns viele Insulaner in ihren Kanus, und die Frauensleute kamen nicht nur in Menge an Bord, sondern ließen es sich auch die Nacht über bei unseren Matrosen gefallen. Zu Huaheine waren dergleichen Besuche ungleich seltener gewesen, wenigstens hatten sich dort meist nur solche Insulanerinnen dazu verstanden, die auf der Insel fremd waren.

Am nächsten Tag hatten wir vornehmen Besuch auf dem Schiffe. Orea und seine Familie, Boba, der Vizekönig dieser Insel, O-Taha und Taina-Mai, die schöne Tänzerin, machten unsere Gesellschaft aus. Boba ist ein großer, wohlgebildeter Mann, von Borabora gebürtig und mit O-Puni, dem dortigen König und Eroberer der Inseln Raiatea und Taha, verwandt. Maheine hatte uns erzählt, daß O-Puni diesen jungen Menschen zu seinem Nachfolger ausersehen und ihm seine einzige Tochter Maiwerua zugedacht habe, die ungemein schön und erst zwölf Jahre alt sein soll. Boba war damals ein Errioy und hielt sich die schöne Tänzerin Taina-Mai als Beischläferin. Da sie uns schwanger zu sein dünkte, sprachen wir mit ihr über den Brauch, wonach die Kinder der Errioys umgebracht werden müssen. Das Gespräch war aber sehr kurz, teils weil es Mühe kostet, diese Insulaner überhaupt und die Frauenzimmer besonders aufmerksam zu halten, teils wir noch nicht genug von ihrer Sprache konnten, um moralische und philosophische Begriffe darin auszudrücken. Was wir also mit unserer mangelnden Beredsamkeit aus Taina-Mai herauslocken konnten, war dieses: daß unser Eatua (Gott) in England vielleicht über die Gewohnheiten der Errioys böse sein möchte, daß der ihrige aber kein Mißfallen daran habe. Indessen versprach sie, daß sie, wenn wir aus England kommen und ihr Kind abholen wollten, es am Leben erhalten werde, doch verstände es sich, daß wir ihr ein Beil, ein Hemd und einige rote Federn dafür geben müßten. Alles das sagte sie aber in einem lachenden Ton, so daß wir kaum hoffen durften, es sei ihr Ernst. Auch war es umsonst, länger mit ihr davon zu sprechen, denn sie verfiel von einem Gegenstand auf den anderen, und wir mußten froh sein, daß sie uns so lange zugehört hatte.

Nachmittags gingen wir an Land, um einem Tanzspiel beizuwohnen, in welchem sich Oreas Tochter Poyadua sehen lassen wollte. Die Zahl der Zuschauer war beträchtlich, und die Tänzerin fand auch bei den Europäern großen Beifall. Die Zwischenspiele wurden durch Mannspersonen dargestellt. Obschon wir nicht jedes Wort verstanden, konnten wir doch unterscheiden, daß die Namen von Kapitän Cook und anderer Herren in den Gesängen vorkamen. Die Handlung schien eine von den Räubergeschichten darzustellen, deren wir einige auf diesen Inseln begegnet waren. Ein anderes Intermezzo stellte den Angriff der Krieger von Borabora dar, wobei derbe Schläge mit einem Riemen ausgeteilt wurden, daß es nur so klatschte. Das dritte Zwischenspiel war seltsamer als alle übrigen. Es stellte eine Frau in Kindswehen vor und erregte bei den Zuschauern überlautes Gelächter. Der Kerl, der diese Rolle hatte, machte alle Posituren, die die Griechen in den Hainen der Venus Ariadne bei Amathus bewunderten. Ein anderer großer und starker Kerl stellte das neugeborene Kind dar und gebärdete sich dabei so possierlich, daß wir herzlich mitlachen mußten. Diese Vorstellung schien den Damen das meiste Vergnügen zu machen. Sie konnten sich auch den Eindrücken ohne Bedenken überlassen, weil nach hiesiger Sitte nichts darin vorkam, was sie in Verlegenheit hätte setzen können, wie es wohl unseren europäischen Schönen geht, die bei den Schauspielen oft nur durch den Fächer schielen dürfen.

Am folgenden Morgen unternahmen wir einen Spaziergang nach Süden. Der Weg führte uns zu einem großen steinernen Gebäude, das Marai no Parua, Paruas Begräbnisplatz, genannt wurde. Die Eingeborenen versicherten uns, daß Parua ein Eri sei. Das Gebäude war sechzig Fuß lang und fünf Fuß breit. Die Mauern bestanden aus großen Steinen und waren sechs bis acht Fuß hoch. Wir kletterten hinüber, fanden aber den inneren Hof nur mit einem Haufen kleiner Korallensteine angefüllt. Wir kehrten erst gegen Sonnenuntergang an Bord zurück. Orea hatte sich während unserer Abwesenheit bei Kapitän Cook zu Gast gebeten und eine ganze Bouteille Wein getrunken, ohne davon im mindesten berauscht zu scheinen.

In der Nacht wurden aus den Booten, die an dem Ankerwächter befestigt waren, einige Ruder, Bootshaken und kleine Anker gestohlen. Sobald man sie am Morgen vermißte, ließ der Kapitän den Befehlshaber Orea davon unterrichten. Dieser fand sich auch sogleich bei uns ein und holte den Kapitän in seinem Boote ab, um die Diebe aufzusuchen. Nachdem sie ungefähr eine Stunde weit gerudert waren, ging er im südlichsten Teil der Insel an Land und brachte alles Gestohlene von dorther wieder zurück. Nachmittags tanzte Poyadua wieder, und es schien fast, als ob sie ihre übrigen Gespielen diesmal ausstechen wollte, jedenfalls hatte sie sich mehr als gewöhnlich geschmückt und mit einer Menge von europäischen Glaskorallen behängt. Als der Tanz zu Ende war, bat Maheine uns, ihn morgen auf seinem eigenen Grund und Boden zu besuchen. Er hatte uns schon oft erzählt, daß er auf dieser Insel Landeigentum besitze, und wollte die Gelegenheit, dies zu beweisen, um so weniger ungenutzt lassen, als verschiedene unserer Schiffsgesellschaft noch immer daran gezweifelt hatten. Wir fuhren also am folgenden Tag in zwei Booten nach dem nördlichen Distrikt der Insel. Orea begleitete uns mit seiner Familie, und nach zwei Stunden langten wir glücklich an. Maheine bewillkommnete uns und ließ gleich Anstalten zu einer Mahlzeit machen. Während der Vorbereitungen hierzu gingen mein Vater, Dr. Sparman und ich zum Botanisieren auf die benachbarten Berge. Nach Verlauf zweier Stunden kehrten wir zurück, und während das Essen aufgetragen wurde, erzählte uns Kapitän Cook, wie es bei der Zubereitung hergegangen war.

Drei Kerle ergriffen ein Schwein, das ungefähr fünfzig Pfund schwer sein mochte, legten es auf den Rücken und erstickten es, indem sie ihm einen dicken Stock quer über den Hals drückten. Um alle Luft im Leibe zu verschließen, stopfte man dem Schwein ein Büschel Gras in den Hintern. Nach Verlauf von zehn Minuten war das Schwein tot. Während dieser Zeit hatten zwei andere Feuer angemacht, um den sogenannten Ofen zu heizen, der aus einer Erdgrube bestand, worin eine Menge Steine gepackt waren. An diesem Feuer wurde das tote Schwein gesengt, und zwar so gut, als hätten wir's in heißem Wasser gebrüht. Darauf wurde es zurückgebracht und auf frische Blätter gelegt, um es auch von innen zu reinigen. Dazu wurde der Bauch geöffnet, der äußere Speck abgelöst, auf grüne Blätter beiseite gelegt und dann das Eingeweide herausgeschnitten und weggeschafft. Nachdem das Schwein nun noch einmal innen und außen gereinigt worden war, legten sie einige heiße Steine in den Bauch und in die Brusthöhlung und stopften frische Blätter dazwischen. Mittlerweile war der Ofen genügend durchgeheizt, man nahm also die Steine bis auf die unterste Schicht weg und legte das Schwein mit dem Bauch darauf. Fett und Speck wurden in einem langen Trog neben das Schwein gestellt. In das Blut warf man einen heißen Stein, damit es sich verdickte, dann wurde es in kleinen Klumpen in Blätter gewickelt und mit Brotfrüchten und Pisangs neben das Schwein gelegt. Hierauf bedeckten sie alles mit frischem Laub, mit dem Rest der heißen Steine und schließlich mit einem Erdhaufen. Nun breiteten die Leute neben dem Haus eine Menge grüne Blätter auf die Erde. Nach Verlauf von zwei Stunden und zehn Minuten wurde der Ofen geöffnet und alles herausgezogen. Die Gäste setzten sich rund um die Blätter, die Eingeborenen an das eine und wir an das andere Ende. Da wo wir saßen, wurde das Schwein aufgetragen, dort aber, wo die Eingeborenen saßen, wurde das Fett und das Blut hingesetzt, was sie auch allein verzehrten und für ungemein schmackhaft hielten. Dagegen ließen wir uns das Fleisch nicht weniger gut schmecken, weil es in der Tat ganz vortrefflich zubereitet war. Kaum war das Schwein zerlegt, als die angesehensten Befehlshaber und die Errioys darüber herfielen und ganze Hände voll Blut und Fett auf einmal verschlangen, während die armen Tautaus, die in Menge um uns herumstanden, sich mit dem Zusehen begnügen mußten, denn für sie blieb auch nicht ein Bissen übrig. Unter allen Zuschauern waren Oreas Frau und Tochter die einzigen, die etwas bekamen, und beide wickelten ihre Portionen sorgfältig in Blätter, um sie an einem abgesonderten Platze zu verzehren.

Der Kapitän hatte vorsorglich einige Flaschen Branntwein mitgenommen, der mit Wasser verdünnt das Lieblingsgetränk der Matrosen, den sogenannten Grog, ausmacht. Die Errioys und einige andere vornehme Insulaner fanden dies Gemisch stark und fast ebensosehr nach ihrem Geschmack wie das berauschende Pfefferwasser, sie tranken also tapfer davon und setzten noch etliche Gläser Branntwein obendrauf, was ihnen dann so wohl behagte, daß sie sich bald nach einem Ruheplätzchen umsehen und ausschlafen mußten. Um fünf Uhr nachmittags kehrten wir zum Schiff zurück, badeten aber zuvor des heißen Wetters wegen in einer schönen Quelle.

An den folgenden Tagen suchten wir auf den Bergen nach Pflanzen und fanden auch hin und wieder noch unbekannte Arten. Bei unserer letzten botanischen Exkursion erfuhren wir eine sehr wichtige Neuigkeit. Ein Insulaner, der eben von Huaheine zurückkam, brachte die Nachricht mit, daß dort zwei Schiffe vor Anker lägen, wovon eins größer sei als das unsrige. Er selber sei an Bord des kleineren Schiffes gewesen und von den Leuten betrunken gemacht worden. Wir erkundigten uns nach dem Namen der Kapitäne, worauf er antwortete, der Befehlshaber des größeren sei Tabane, der in dem kleinen heiße Tonno. Da dies die Namen waren, die die Insulaner den Herren Banks und Furneaux gegeben hatten, stutzte Kapitän Cook und fragte weiter, von welcher Statur diese Herren seien. Der Insulaner versetzte, Tabane sei groß, Tonno aber kleiner, und auch dies stimmte. Wenn aber Kapitän Furneaux wirklich zu Huaheine war, mußte er von den Eingeborenen erfahren haben, daß Kapitän Cook in der Nähe sei, und da er unter dessen Befehl von England abgesegelt war, war es seine Pflicht, ihn aufzusuchen. Bei unserer Rückkehr erfuhren wir am Kap, daß Kapitän Furneaux lange vor der Zeit, als er bei Huaheine gelegen haben sollte, von der Tafelbai abgesegelt sei, Herr Banks aber Europa gar nicht verlassen habe. Die ganze Sache war also eine bloße Erdichtung, womit die lieben Insulaner uns vielleicht auf die Probe setzen wollten, ob wir uns vor anderen Seefahrern fürchten würden.

Am folgenden Tage brachten die Eingeborenen Haufen von Lebensmitteln an das Schiff, weil sie hörten, daß wir morgen, am 4.Juni, schon wieder absegeln wollten. Wenn sie auch alles sehr wohlfeil anboten, so war doch unser Vorrat an Beilen und Messern bereits dermaßen erschöpft, daß der Büchsenschmied neue Waffen anfertigen mußte, die aber zu grob und wenig nütze waren. Das galt besonders von den Messern, deren Klingen aus eisernen Tonnenbändern zusammengestümpert wurden. Die einfältigen Leute waren aber doch damit zufrieden. Dafür, daß sie uns bisher die Taschen ausgeleert oder manches entwendet hatten, machten wir es jetzt doppelt so arg mit ihnen, denn wir hintergingen sie gar bei offenen Augen.

Unter den Bewohnern der Sozietäts-Inseln gibt es hier und da Personen, die von den Traditionen, von der Mythologie und von der Sternkunde ihrer Nation Kenntnis haben. Maheine hatte sie oft als die Gelehrtesten seines Landes gerühmt und sie Tata-o-Rerro genannt, das man etwa als Lehrer übersetzen könnte. Im Distrikt Hamaneno fanden wir nun einen solchen Mann, der Tutawai hieß und den Beinamen eines Tata-o-Rerro führte. Es tat uns leid, daß unsere Abreise schon so nahe bevorstand, aber mein Vater verwendete die letzten Stunden darauf, diesen wichtigen Fall zu erforschen, und dem hochgelehrten Tutawai schmeichelte es, daß er Gelegenheit fand, seine Wissenschaft auszukramen. Im ganzen scheint die Religion dieser Insulaner das sonderbarste System von Vielgötterei zu sein, das jemals erdacht worden ist. Nur wenige Völker sind so elend und so ganz mit den Bedürfnissen ihrer Selbsterhaltung beschäftigt, daß sie darüber gar nicht an den Schöpfer denken und sich einen wenn auch noch so unvollständigen Begriff von ihm machen. Diese Begriffe scheinen zu jenen Zeiten, da sich Gott den Menschen unmittelbar offenbarte, durch mündliche Erzählungen unter allen Völkern verbreitet worden zu sein. Vermittels einer solchen Offenbarung hat sich denn auch auf den Gesellschafts-Inseln ein Funken davon erhalten, daß sie an ein höchstes Wesen glauben, durch welches alles Sichtbare und Unsichtbare erschaffen worden ist. Die Geschichte zeigt aber, daß alle Völker, wenn sie diesen unbegreiflichen Geist näher untersuchen wollten, gewöhnlich zu den törichtesten Anschauungen verleitet wurden. Daher geschah es, daß die Eigenschaften der Gottheit durch beschränkte Köpfe gar bald personifiziert oder als besondere Wesen vorgestellt wurden. So entstand jene ungeheure Zahl von Göttern und Göttinnen. Ein Irrtum gebar den anderen. Ebenso, dünkt mich, ist es auf den Sozietäts-Inseln zugegangen, man verehrt dort Gottheiten aller Art, und jede Insel hat eine besondere Göttergeschichte. Tutawai fing damit an, daß er sagte, der höchste Gott und Schöpfer habe auf jeder Insel einen besonderen Namen, auf Tahiti und Eimeo werde er O-Ruahattu genannt. Sie glauben auch, daß jeder Mensch ein besonderes Wesen in sich habe. Dies Wesen nennen sie Tih, so wie wir es Seele heißen. Ihrer Vorstellung nach bleibt es nach dem Tode übrig und wohnt in den hölzernen Bildern, die um die Begräbnisplätze gestellt werden. Der Mond soll durch eine weibliche Gottheit erschaffen worden sein. Sie regiert diesen Weltkörper und wohnt in den wolkenähnlichen Flecken dieses Planeten. Daß übrigens die tahitische Göttin des Mondes nicht die keusche Diana der Alten, sondern vielmehr die phönizische Astarte sein müsse, werden meine Leser nicht in Abrede stellen. Die Sterne sind durch eine Göttin hervorgebracht worden, die Tetu-matarau genannt wird, und die Winde stehen unter der Botmäßigkeit des Gottes Orri-Orri.

Außer diesen höheren Gottheiten gibt es noch eine Menge von geringerem Range, von denen einige Unheil stiften und Menschen im Schlafe töten. Diese werden bei den vornehmsten Marais durch den Hohenpriester der Insel verehrt. Die Gebete werden aber nicht laut ausgesprochen, sondern nur durch die Bewegung der Lippen angedeutet. Der Priester sieht dabei gen Himmel, und man glaubt, der Eatua komme zu ihm herab und rede mit ihm, bleibe aber dem Volke unsichtbar. Die Opfer, die den Göttern dargebracht werden, bestehen aus Schweinen und Hühnern und allen Arten von Lebensmitteln. Die niedrigen, besonders aber die bösen Geister werden nur durch eine Art von Gezisch verehrt.

Kapitän Cook hat über die Religionsverfassung dieser Inseln eine wichtige Entdeckung gemacht, wovon mir aber bei unserem Aufenthalt nichts bekannt geworden ist. Ich will sie deshalb mit den eigenen Worten des Verfassers hier einrücken: »Da ich (sagt Kapitän Cook) nicht ohne Grund vermutete, daß die tahitische Religion Menschenopfer vorschreibt, ging ich einmal mit Kapitän Fumeaux nach einem Marai oder Begräbnisplatz in Matavai und nahm einen meiner Leute mit, der die Landessprache ziemlich gut verstand. Etliche Eingeborene folgten uns. Auf dem Platz stand ein Tupapau oder Gerüst, worauf ein Toter nebst einigen Speisen lag. Ich fragte, ob die Pisangs und andere Früchte dem Eatua dargebracht worden seien, ob man dem Eatua Schweine, Hunde, Hühner u.s.f. opfere. Auf alle diese Fragen wurde bejahend geantwortet. Nun fragte ich, ob man dem Eatua auch Menschen opfere. Ein Tahitier antwortete gleich, Taata-ino, d.h. böse Menschen würden geopfert, nachdem sie erst zu Tode geprügelt worden seien. Ich fragte, ob man nicht zuweilen auch gute Leute auf diese Weise umbrächte. Nein, nur Taata-ino. Werden auch Eris geopfert? Er antwortete, die haben ja Schweine, sie dem Eeatua hinzugeben. Ich verlangte noch zu erfahren, ob ein unbescholtener Tautau, der weder Schweine noch Hunde habe, dem Eatua geopfert würde. Ich bekam aber immer die erste Aussage zu hören, man opfere nur Bösewichter. Nachher habe ich auch von O-Mai erfahren, daß sie dem höchsten Wesen wirklich Menschenopfer darbringen. Seiner Aussage zufolge kommt es nur auf den Hohenpriester an, wen er zum Opfer auswählen will. Wenn das Volk versammelt ist, geht er allein in das Haus Gottes. Sobald er wieder herauskommt, erzählt er, daß der große Gott einen Menschen zum Opfer verlangt habe. Er sagt hierauf, wen das traurige Los getroffen habe, vermutlich fällt diese Wahl aber allemal auf jemand, der dem Priester verhaßt ist. Der wird dann sofort totgeschlagen, und wenn es nötig sein sollte, wird der Priester wohl so viel Verschlagenheit besitzen, dem Volke einzureden, er sei ein Bösewicht gewesen.«

Die Priester dieses Volkes bleiben lebenslang im Amt, und ihre Würde ist erblich. Außer den Priestern gibt es in jedem Distrikt einen oder zwei Lehrer, deren Tutawai einer war, die dafür sorgen, daß die Kenntnisse in der Geographie, Astronomie und Zeitrechnung nicht verlorengehen. Der Name eines Lehrers wird auch denen beigelegt, die sich auf die Heilkräfte der Kräuter verstehen, die hierzulande gegen mancherlei Krankheiten angewandt werden.

Kaum war unser gelehrter Tutawai in seinem Unterricht so weit gekommen, als die Anker gelichtet wurden. Wir verließen diese Insel am 4. Juni um zehn Uhr morgens. Der König von Raiatea besuchte uns noch mit einigen seiner Verwandten. O-Rea war mit seiner Familie gleichfalls an Bord, und auch Maheine stellte sich mit den Seinigen ein. Die guten Leute weinten alle recht herzlich, am meisten aber der arme Maheine. Er lief von einer Kajüte zur anderen und umarmte einen jeden, ohne ein Wort sprechen zu können. Als das Schiff endlich anfing zu segeln, mußte er sich von uns losreißen und in sein Boot steigen, doch blieb er aufrecht stehen und sah uns unverwandt nach. Wir waren schon weit über das Felsenriff hinaus, als er die Hände immer noch nach uns ausgestreckte, und das dauerte fort bis man ihn nicht mehr unterscheiden konnte.


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