Georg Forster
Entdeckungsreise nach Tahiti und in die Südsee 1772-1775
Georg Forster

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19. Kapitel

Nachricht von unserem Aufenthalt auf Mallikolo und Entdeckung der Neuen Hebriden

Am 18. Juli früh um acht Uhr hatten wir das Nordende der Aurora-Insel (Maiwo) erreicht und erblickten allenthalben, selbst auf den höchsten Bergen, eine große Menge von Kokospalmen. Überhaupt war das ganze Land, soviel man des Nebels wegen unterscheiden konnte, mit Waldung bedeckt. Mit Hilfe der Ferngläser entdeckte man auch Eingeborene und hörte sie einander zurufen. Als wir um das Nordende herumgekommen waren, steuerten wir längs der Westküste nach Süden. Der Sturm dauerte zwar noch immer fort, doch war auf dieser Seite der Insel die See nicht so unruhig, weil nach allen Gegenden hin Inseln lagen. Gerade vor uns lag die Isle des Lepreux des Herrn von Bougainville, und den ganzen Tag über lavierten wir zwischen dieser und der Aurora-Insel (Maiwo).

In dieser Gegend wagte sich nur ein einziger Insulaner mit seinem kleinen Kanu in die See, und bald darauf wurden wir noch drei andere gewahr. Andere saßen auf den Felsen und gafften von dorther das Schiff an. Die in den Kanus ruderten dicht zu uns heran, aber sie wollten nicht an Bord kommen. Als wir wieder seewärts segelten, verließen sie uns. Die Insel, die in Bougainvilles Karte südlich der Pfingstinsel angegeben ist, kam am folgenden Morgen in Sicht, war aber so sehr in Wolken gehüllt, daß sich weder ihre Gestalt noch ihre Höhe unterscheiden ließen. Am nächsten Morgen war das Wetter klar, so daß wir Bougainvilles südlichste Insel sehr deutlich sehen konnten. Unter den Wolken, womit die Gipfel eingehüllt waren, bemerkten wir dickere Massen, die aus Rauch zu bestehen und von einem brennenden Berge herzukommen schienen.

Noch am gleichen Tage entdeckten wir auch gegen Westen Land. Als wir das nordwestliche Ende jener Insel, auf der wir einen Vulkan vermutet hatten, erreichten, blieb kein Zweifel übrig, denn nun konnten wir von dem Gipfel eines tief im Lande gelegenen Berges deudich weiße Dampfsäulen mit Ungestüm in die Höhe steigen sehen. Die südwestliche Küste bestand aus einer großen Ebene, auf der zwischen den Bäumen unzählige Hüttenfeuer hervorblinkten.

Gegen Mittag kamen wir der Küste ziemlich nahe und sahen, daß viele Insulaner bis an den Leib ins Wasser wateten. Einer von ihnen hatte einen Speer, ein zweiter Bogen und Pfeil in den Händen, die übrigen waren mit Keulen bewaffnet. Doch winkten sie uns mit grünen Zweigen. Nach Tische machten wir endlich Anstalten zum Landen und schickten zwei Boote aus, um einen Hafen zu sondieren. Am Südende dieser Bai waren einige hundert Insulaner versammelt. Als wir von den Booten Zeichen bekamen, daß guter Ankergrund vorhanden sei, liefen wir durch Korallenriffe in den Hafen ein. Darauf kamen unsere Lotsen an Bord zurück und berichteten, die Eingeborenen seien bis dicht an die Boote gekommen, hätten mit grünen Zweigen gewinkt und mit der Hand Wasser geschöpft und über ihre Köpfe gegossen, und weil der Offizier dies als Freundschaftszeichen angesehen, habe er dies in gleicher Weise erwidert.

Als wir in die Bai eingelaufen waren, näherten die Eingeborenen sich dem Schiffe, winkten mit grünen Zweigen und wiederholten ohne Unterlaß das Wort Tomarro, das mit dem tahitischen »Tayo« die gleiche Bedeutung haben mochte. Dabei waren sie aber mit Bogen und Pfeilen und auch mit Speeren bewaffnet, schienen folglich auf beides, Krieg und Frieden, vorbereitet zu sein. Wir ließen ein paar Stücke tahitisches Zeug herab, die sie begierig nahmen, zugleich aber auch einige Pfeile als Gegengeschenk aufs Schiff reichten. Ihre Sprache war von allen uns bekannten Südsee-Dialekten so verschieden, daß wir auch nicht ein einziges Wort davon verstanden. Ihre Arme und Beine waren lang und dünn, die Farbe der Haut schwarzbraun und die Haare schwarz und wollig gekräuselt. Sie hatten gleich den Negern flache, breite Nasen und hervorstehende Backenknochen, dabei eine kurze, platte Stirn. Manche hatten Gesicht und Brust schwarz gefärbt, und einige trugen kleine, aus Matten verfertigte Mützen, sonst aber gingen sie allesamt gänzlich nackt. Ein Strick war das einzige, was sie um den Leib gebunden hatten, und zwar so fest, daß er einen tiefen Einschnitt machte. Fast alle anderen Völker haben aus Schamhaftigkeit zur Bedeckung des Körpers Kleidung erfunden, hier aber waren die Geschlechtsteile der Männer nur mit Zeug umwickelt und aufwärts an den Strick gebunden, mithin weniger verhüllt als sichtbar gemacht.

Seit unserer Ankunft im Hafen hatten die Insulaner das Schiff von allen Seiten umringt und schwatzten lebhaft untereinander. Kaum sahen wir einem ins Gesicht, so plauderte er uns ohne Aufhören etwas vor, fletschte auch wohl aus Freundlichkeit, obgleich nicht viel besser als Miltons Tod, die Zähne dazu. Dieser Umstand, nebst ihrer Häßlichkeit und schwarzen Farbe machte, daß sie uns beinahe wie ein Affengeschlecht vorkamen. Doch sollte es mir herzlich leid tun, Rousseau und den seichten Köpfen, die ihm nachbeten, durch diesen Gedanken auch nur einen Schattengrund für sein Orang-Utan-System gegeben zu haben.

Als es dunkel wurde, kehrten die Eingeborenen nach dem Lande zurück und zündeten dort eine Menge von Feuern an. Am späten Abend kamen sie mit brennenden Fackeln schon wieder ans Schiff, allein der Kapitän befahl, daß nichts eingekauft werden sollte. Einige von uns meinten, daß die Insulaner bei diesem späten Besuch nur ausforschen wollten, ob wir auf der Hut wären. Gegen Mitternacht gingen sie wieder an Land, und man hörte sie die ganze Nacht singen und trommeln.

Am anderen Morgen kamen sie schon bei Tagesanbruch mit ihren Kanus herbei. Vier oder fünf von ihnen wagten sich unbewaffnet aufs Schiff und gingen überall dreist und unbesorgt umher, stiegen auch hurtig in dem stehenden Tauwerk bis zum Mastkorb hinauf. Als sie wieder herunterkamen, führte der Kapitän sie in seine Kajüte und schenkte ihnen Medaillen, Nägel, Bänder und Stücke von rotem Boy. Hier lernten wir sie als das verständigste und gescheiteste Volk kennen, das wir bisher in der Südsee angetroffen hatten. Sie begriffen unsere Zeichen und Gebärden so schnell, als ob sie schon wer weiß wie lange mit uns umgegangen wären, und in wenigen Minuten lehrten auch sie uns eine Menge Wörter aus ihrer Sprache verstehen. Die kleinen Spiegel, die wir ihnen schenkten, gefielen ihnen vorzüglich. Sie fanden viel Vergnügen daran, sich selbst zu begaffen, und verrieten also bei all ihrer Häßlichkeit noch mehr Eigendünkel als die schöneren Völker auf Tahiti und den Sozietäts-Inseln. Sie hatten Löcher in den Ohrlappen und im Nasenknorpel, durch den sie ein Stäbchen oder auch Stücke von Alabaster gesteckt hatten. Ihre schwarzbraune Haut wurde im Gesicht durch ein schwarzes Geschmier noch dunkler gemacht. Das Haar war kraus und wollig, der Bart stark und gekräuselt.

Wir waren in voller Unterredung, als der erste Leutnant in die Kajüte trat und dem Kapitän berichtete, daß ein Insulaner seinen Pfeil auf einen Matrosen gerichtet habe, der sein Kanu zurückstieß, weil das Schiff schon gedrängt voll war. Der Leutnant hatte noch nicht ausgeredet, als einer von den Insulanern durch das Kajütfenster hinaussprang und nach seinem Landsmann schwamm, um ihn zu besänftigen. Der Kapitän ging unterdessen mit einer geladenen Flinte an Deck und schlug auf den Insulaner ein. Darauf richtete dieser seinen Pfeil auf den Kapitän. Die Insulaner, die sich draußen befanden, riefen denen in der Kajüte etwas zu, und diese stürzten sich einer nach dem anderen zum Kajütenfenster hinaus. Mittlerweile hörten wir einen Flintenschuß und eilten an Deck. Der Kapitän hatte auf den Insulaner eine Ladung Hagel abgefeuert und ihn mit einigen Körnern getroffen. Der Eingeborene ließ sich aber nicht abschrecken, sondern nahm einen anderen Pfeil vor. Sobald er von neuem zielte, schoß ihm der dritte Leutnant das Gesicht voll Hagel, worauf er alle Lust weiterzufechten verlor und hurtig ans Land zurückruderte. Ein anderer Insulaner schoß noch einen Pfeil aufs Deck, der im Tauwerk steckenblieb, dann ruderten alle Kanus nach dem Lande, und die Insulaner, die noch an Bord waren, stürzten sich in die See, um ihr Heil in der Flucht zu versuchen. Um ihren Schrecken noch zu vergrößern und eine Probe von unserer Gewalt zu geben, wurde eine Kanonenkugel über sie weg zwischen die Bäume auf dem Lande gefeuert. Kaum hatten sie das Land erreicht, so hörte man in verschiedenen Gegenden Lärm trommeln und sah die armen Schelme truppweise beisammen hocken, um Rat zu halten, was bei so kritischen Zeitläufen zu tun sei.

Um neun Uhr ließen sich wieder einige Kanus sehen, und sobald wir mit einem grünen Zweig winkten, kamen sie näher heran, um einige Geschenke in Empfang zu nehmen, womit sie sich an Land zurückbegaben. Wir folgten ihnen in zwei Booten und wateten durch das seichte Wasser an den Strand. Unsere Seesoldaten formierten sich angesichts von wenigstens dreihundert Insulanern. Ein Mann, der dem Aussehen nach ein Befehlshaber war, gab seinen Bogen und Köcher einem anderen in Verwahrung, kam unbewaffnet an den Strand und reichte uns zum Zeichen der Freundschaft die Hand. Darauf ließ er ein Ferkel herbeibringen und übergab es dem Kapitän. Wir gaben ihnen zu verstehen, daß es uns an Brennholz fehle. Sie wiesen uns einige Bäume an, die wir gleich umhauen und in Stücke sägen ließen. Der Strand war nicht mehr als fünfzehn Schritte breit, um also einigermaßen gedeckt zu sein, ließ der Kapitän eine Linie ziehen und den Insulanern andeuten, daß sie jenseits derselben bleiben müßten. Dies beobachteten sie genau, doch vermehrte sich ihre Anzahl von allen Seiten. Im Vertrauen auf das neugeschlossene Bündnis wagten wir uns mitten unter die Wilden. Wir wünschten Waffen einzukaufen, fanden sie aber nicht dazu geneigt, doch hörten alle ihre Bedenken auf, sobald wir ihnen Schnupftücher, tahitisches Zeug oder englischen Fries dafür anboten. Außer den Bogen und Pfeilen hatten sie auch Keulen an einem aus Gras gedrehten Strick über die Schulter hängen.

Unsere Holzhauer wurden ihrer Geschicklichkeit wegen sehr bewundert. Es kamen auch einige Weiber zum Vorschein, hielten sich aber in einiger Entfernung. Sie waren von kleiner Statur und dabei von dem unangenehmsten Äußeren, das uns in der Südsee vorgekommen ist. Die Erwachsenen und vermutlich Verheirateten trugen Matten, die von den Hüften bis zu den Knien reichten, die anderen hatten nur eine Schnur um den Leib, woran ein Strohwisch befestigt war, der statt einer Schürze wenigstens das Notwendigste bedecken sollte. Die Kinder gingen völlig nackt. Von den Frauen hatten sich einige das Haar mit gelbem Puder bestreut, andere das Gesicht und sogar den ganzen Körper damit bestrichen, was gegen die dunkle Farbe ihrer Haut einen häßlichen Kontrast gab. Die Schminke machte aber ihren ganzen Staat aus, wenigstens sahen wir nicht eine einzige, die Ohrringe, Hals- oder Armbänder gehabt hätte, nur den Männern schien solches Putzwerk vergönnt zu sein. Wo aber dies der Fall ist, da sind die Weiber gemeiniglich verachtet und leben in der größten Sklaverei. Dies schien auch hier zuzutreffen, sie trugen zum Beispiel große Bündel auf dem Rücken und schleppten auf die gleiche Art oft mehr als eins ihrer Kinder herum. Die Männer wollten ihnen auch nicht erlauben, näher zu uns zu kommen, und die Weiber waren sich dessen so gut bewußt, daß sie von selbst entliefen, wenn wir uns ihnen näherten.

Gleich nach Tisch gingen Kapitän Cook und mein Vater nach der Nordseite des Hafens, um unseren Ankerwächter wiederzuholen, den die Eingeborenen gestohlen und dorthin verschleppt hatten. Während der ganzen Zeit ließ sich am Strande kein einziger Eingeborener sehen. In den Wäldern aber hörte man oft Schweine quieken, folglich mußte die Insel damit ziemlich versehen sein. Unsere Leute gingen eine Landspitze hinauf, wo sie eine umzäunte Pflanzung von Pisang, Brotfruchtbäumen, Kokospalmen und anderen Gewächsen und nicht weit davon ein paar elende Hütten antrafen. Es waren Dächer aus Palmblättern, die auf einigen Pfosten ruhten, aber so niedrig, daß man darin nicht aufrecht stehen konnte. Von hier aus gingen unsere Herren bis zum äußersten Ende der Landspitze, von wo aus sie drei Inseln sehen konnten. Sie erkundigten sich bei den Eingeborenen nach den Namen jener Inseln und erfuhren, daß die größte, auf der wir einen Vulkan bemerkt hatten, Ambrym, die andere mit dem zuckerhutförmigen Berge Pa-uhm und die südlichste Api genannt werde. Nun fragten wir die Eingeborenen, wie ihre eigene Insel hieße. Mallikolo war die Antwort. Der Kapitän ließ das Boot zwei Meilen weit in die Hafenbucht hineinrudern. Am innersten Ende war der Strand mit Manglebäumen besetzt, frisches Wasser aber nirgends zu finden, obschon es wahrscheinlich ist, daß zwischen diesen Manglebäumen ein Strom läuft. Entdecken aber konnte man ihn nicht, weil es unmöglich war, einen Weg durch diese Art von Bäumen zu finden, deren niederhängende Äste überall neue Wurzeln schlagen und auf solche Art zu neuen Stämmen werden. Bei der bis zum Abend anhaltenden Hitze dieses Tages kamen unsere Leute äußerst ermüdet an Bord zurück. Unterwegs hörten sie Trommeln und sahen die Insulaner um ihre Feuer tanzen.

In der Nacht fischten unsere Leute mit ziemlichem Glück. Unter anderem war uns ein neun Fuß langer Hai sehr willkommen, weil wir von frischen Lebensmitteln nur noch ein paar Yams übrig hatten. Ein Matrose hatte zwei große Seebrachsen gefangen, mit einer bewirtete er seine Tischkameraden, die andere schenkte er den Leutnants. Der Kapitän bekam einen Teil des Hais, womit wir uns am folgenden Tage zugute taten. Das Fleisch der Haifische ist zwar kein Leckerbissen, doch war es besser als unser Pökelfleisch, und die Not lehrte uns, es schmackhaft zu finden. Am folgenden Morgen lichteten wir die Anker. Ehe wir aber zum Riff hinauskamen, trat Windstille ein. Wir mußten also unsere Boote aussetzen und uns hinausbugsieren lassen. Die Insulaner machten sich den Aufschub zunutze und führten uns mit allen ihren vierzehn Kanus eine Menge Waffen zu. Gegen Mittag waren wir endlich zum Hafen hinausgelangt und entfernten uns mit Hilfe eines aufsteigenden Seewindes von Mallikolo. Nun ging die Fahrt nach Ambrym, nach der Insel, auf der wir einen feuerspeienden Berg gesichtet hatten.

Die Mahlzeit von frischen Fischen, woran sich heute die gesamte Besatzung etwas zugute getan hatte, hätte einige beinahe das Leben gekostet. Alle Leutnants, dazu ein Unterpilot, einige Kadetten und der Schiffszimmermann hatten miteinander zwei rote Seebrachsen verzehrt. Wenige Stunden darauf zeigten sich die heftigsten Symptome einer Vergiftung. Das Übel fing mit einer gewaltigen Hitze im Gesicht an, darauf folgte unerträgliches Kopfweh, Erbrechen und Durchfall. In allen Gliedern fand sich eine solche Betäubung ein, daß sie kaum stehen, geschweige denn gehen konnten. Ein Schwein, das von den Eingeweiden der Fische gefressen hatte, bekam die gleichen Anfälle, dabei schwoll es erstaunlich auf und lag am folgenden Morgen tot im Stall. Einige Hunde, die den Rest der Eingeweide gefressen hatten, mußten auf die gleiche Art dafür büßen. Sogar ein kleiner Papagei, der beim Essen auf der Schulter seines Herrn zu sitzen pflegte, starb an einem kleinen Bissen, den er bekommen hatte. Zum Glück war der Schiffsarzt dem Schicksal seiner Tischgenossen dadurch entgangen, daß er diesen Mittag an unserem Tisch gespeist hatte, also konnte er nun den Kranken Hilfe leisten.

Nachmittags gelangten wir auf unserer Fahrt an die nordöstlichsten unter den Eilanden. Sie waren durchweg weit kleiner als Mallikolo, Ambrym und Api, demungeachtet fanden wir die meisten bewohnt. Dies konnte man besonders abends feststellen, wenn selbst auf den steilsten Felsen Feuer zu sehen waren. Diese gefährlichen Inseln wurden dem Professor der Sternkunde Dr. Shepherd in Cambridge zu Ehren Shepherds Eilande genannt. Gegen Sonnenaufgang segelten wir nach Süden nach einigen kleinen Inseln. Zwischen einer dieser Inseln und einem hohen, säulenförmigen Felsen segelten wir mitten durch und nannten den Felsen seiner Form wegen das Monument. Von hier aus steuerten wir auf ein im Süden entdecktes großes Land zu. Nachmittags waren wir fast bis an die Insel gekommen, als der Wind mit einem Male aufhörte und die Seeströmung das Schiff unaufhaltsam gegen Westen forttrieb. So befanden wir uns in dieser Nacht wieder in einer gefährlichen Lage, doch mit dem Unterschied, daß der Mond sehr hell schien und wir deutlich sehen konnten, wie schnell uns die Flut auf das Eiland zutrieb. Wir mußten befürchten, an dem Nordende zu scheitern, und um so schrecklicher zu scheitern, da die Küste aus hohen und beinahe senkrechten Felsen bestand. Bis gegen zehn Uhr blieben wir in der fürchterlichsten Ungewißheit über unser Schicksal. Die Wellen warfen das Schiff im Kreise herum, und das Geräusch der tobenden Fluten hallte fürchterlich vom Felsen zurück. Endlich trieb uns die Strömung, zwar knapp genug, doch ohne Schaden an den Klippen vorüber.

Sobald es Tag wurde, segelten wir zwischen den beiden Inseln hindurch. Eine Menge von Insulanern kamen mit Bogen, Pfeilen und Wurfspießen bewaffnet an den Strand, um uns anzugaffen. Das Eiland hatte in der Mitte einen ziemlich hohen Hügel, an dessen Fuß man bebautes Land entdeckte, dazu ein Gebüsch von Kokospalmen, Pisangs und anderen Bäumen, in deren Schatten wir einige Hütten, am Ufer aber verschiedene auf den Strand gezogene Kanus gewahr wurden. Das größte Eiland lag weiter gegen Süden und erstreckte sich zehn gute Seemeilen weit. Es war wie die beiden vorigen ziemlich bergig. Finstere Wälder wechselten mit großen freien Strecken ab, die ihrer goldgelben Farbe wegen den europäischen reifen Kornfeldern ähnlich sahen. Überhaupt dünkte uns dies Eiland von der ganzen Gruppe das schönste und zu einer europäischen Kolonie besonders geeignet zu sein. Wir fanden es nicht so stark bewohnt wie die nördlichen Inseln, die wir hinter uns gelassen hatten. Dieser Umstand würde die Gründung einer Kolonie erleichtern, und wenn sich jemals bei Kolonisten menschenfreundliche Gesinnungen vermuten ließen, so könnten sie hier mit wenig Mühe wahrhafte Wohltäter der Eingebornen werden. Kapitän Cook nannte die große Insel Sandwich (Efate), die gegen Norden gelegene Hinchingbrook und die östliche Montague, dem Ersten Lord des Admiralitätskollegiums und seinen beiden Söhnen zu Ehren.

Den Nachmittag und die ganze Nacht hindurch steuerten wir gegen Südosten. Bei Tagesanbruch befanden wir uns vierzehn Seemeilen von der Insel Sandwich und ebensoweit von einem der vor uns liegenden Eilande. Auf unserem Schiff sah es nicht viel besser aus als in einem Hospital. Die vergifteten Patienten waren immer noch übel dran, das Bauchweh und die Schmerzen in den Knochen wollten nicht nachlassen, außerhalb des Bettes konnten sie vor Schwindel kaum den Kopf aufrecht halten, und wenn sie sich niederlegten, dann vermehrte die Bettwärme das Gliederreißen dermaßen, daß sie kein Auge schließen konnten. Dabei schälte sich die Haut am ganzen Körper ab, und auf den Händen bildeten sich kleine Geschwüre. Manche klagten weniger über Schmerzen als über Mattigkeit, sie krochen blaß und abgezehrt umher. Von den Leutnants war nicht ein einziger imstande, Wache zu tun, und weil ein Unterpilot und mehrere Kadetten ebenfalls von diesem Fisch gegessen hatten, mußte die Schiffswache wechselweise dem Konstabel und zwei Unterpiloten anvertraut werden.

Seit der Abreise von Mallikolo hatten wir recht frischen Passatwind gehabt. Sobald wir aber nicht mehr weit von der letzten neuen Insel waren, ließ der Wind nach. Am anderen Morgen hatten wir Windstille, und die Matrosen fingen an zu glauben, daß das Eiland verhext sein müsse, weil wir trotz aller Mühen nicht herankommen konnten. Nachmittags wurden zwei Haifische gefangen, die mit Pilot- und Saugfischen als ihren gewöhnlichen Begleitern das Schiff umschwammen. Eins dieser gefräßigen Tiere schien ein rechter Epikuräer zu sein, dennn wir fanden in seinem Magen vier junge Schildkröten von achtzehn Zoll Durchmesser nebst der Haut und den Federn eines Tölpels, und gleichwohl hatte er sich nicht enthalten können, auch das fette Schweinefleisch an unserem Angelhaken zu kosten. Kaum war er an Deck gezogen, als er in wenigen Minuten zerteilt, gebraten und gegessen war. Der andere wollte sich losreißen, wurde aber von den Offizieren totgeschossen, denn ihnen war soviel wie den Matrosen daran gelegen, daß er nicht entkäme.

Am folgenden Morgen, den 10. August, gegen zehn Uhr, entstand Lärm, daß das Schiff in Brand geraten sei. Die fürchterliche Nachricht verbreitete plötzlich allgemeinen Schrecken. Überall sah man verstörte Gesichter, und es dauerte eine ganze Weile, ehe Anstalten zum Löschen gemacht wurden. Der unvermutete Anblick einer drohenden Gefahr läßt uns zu schneller Überlegung und tätiger Wirksamkeit gewöhnlich nicht Stärke genug. Geistesgegenwart und Entschlossenheit sind dann sehr schätzbare, aber ebenso seltene Eigenschaften, und es war also kein Wunder, wenn sie den meisten fehlten, denen die Führung des Schiffes oblag. Doch kann es auch für den Standhaftesten nicht leicht eine härtere Prüfung geben, als sich in einem brennenden Schiffe zu befinden. Ein Sturm, selbst an der gefährlichsten Küste, ist lange nicht so schreckensvoll, weil man da noch Hoffnung hat, wenigstens das Leben zu retten. Bei dem heutigen Feuerlärm war jedoch der Schreck das Schlimmste. In der ersten Bestürzung glaubten wir, daß das Feuer in der Segelkammer ausgebrochen sei, es zeigte sich aber, daß in der Kajüte des Proviantmeisters die Lampe nur ein Stückchen Zeug entzündet und daß man wegen des entstandenen Qualms ein größeres Unglück befürchtet hatte.

Nachmittags gelangten wir an die Westseite der Insel und segelten die Küste entlang. Am Strand liefen dreißig bis vierzig Eingeborene mit Bogen, Pfeilen und Speeren bewaffnet herum. Als wir die Südspitze der Insel erblickten, fing es an dunkel zu werden, und da zugleich der Wind nachließ, wendeten wir seewärts, um nicht durch eine Strömung an die Küste zu geraten. Die Matrosen mußten jeden Morgen und Abend das Deck waschen, damit es bei der großen Hitze nicht zusammentrocknete und leck wurde. Ein Seesoldat, der zu diesem Zweck Wasser aus der See schöpfen wollte, hatte das Unglück, über Bord zu fallen. Er konnte nicht schwimmen und würde also verloren gewesen sein, wenn das Schiff nicht augenblicklich in den Wind gerichtet und Stricke hinausgeworfen worden wären. Glücklicherweise hatte er noch soviel Besinnung, eines der Taue zu ergreifen, so daß er herausgezogen werden konnte. Die Furcht vor dem Tode und die Anstrengung, diesem zu entgehen, hatten ihn so abgemattet, daß er sich kaum auf den Füßen halten konnte. Seine Kameraden brachten ihn in den Schlafraum, zogen ihm trockene Kleider an und gaben ihm ein paar Schlucke Branntwein, worauf er sich bald wieder erholte. So brüderlich pflegen die Soldaten einander beizustehen, unter den Matrosen ist das ungleich seltener.

Am nächsten Morgen ging der Kapitän mit zwei wohlbemannten Booten nach dem Lande ab. In dem einen kommandierte er selbst, in dem anderen der Lotse. Beide wollten einen Platz zum Wasserfüllen suchen. Sie fuhren dem Schiff gegenüber an Land, wo wenigstens sechzig Eingeborene versammelt waren. Sobald sie sich dem Ufer näherten, wateten die Insulaner durch das Wasser und stellten sich rund um die Boote. Der Kapitän teilte Geschenke an sie aus, fuhr aber bald weiter, um jenseits einer flachen Landspitze zu kommen. Die Boote lagen dann etwa eine Stunde lang hinter der Landzunge, ohne daß wir etwas von ihnen gewahr wurden. Die Eingeborenen hingegen sah man von allen Seiten nach jener Bai zusammenlaufen. Ehe wir es uns versahen, fielen einige Flintenschüsse. Man säumte also nicht, ein drittes Boot zu Hilfe zu schicken, und feuerte zugleich aus einer Drehbrasse eine Kugel nach der Landspitze. Der Knall erschreckte die Eingeborenen, die wir sehen konnten, so daß sie eilfertig ins Gebüsch rannten. Einige brachten aus der Gegend, wo der erste Schuß gefallen war, einen Toten oder Verwundeten herangeschleppt. Endlich kam der Kapitän in seinem Boot zurück. Ein Matrose war an der Backe und an der Hand verwundet, und Kapitän Cook erzählte uns den Verlauf dieses unglücklichen Vorfalls folgendermaßen:

Kaum waren die Boote um die Landzunge herumgekommen, als sie einen guten Landeplatz fanden. Der Kapitän stieg mit noch einem aus und fand einige hundert Eingeborene, mit Bogen, Pfeilen, Streitkolben und langen Speeren bewaffnet, vor sich. Um sich ihr Zutrauen zu erwerben, verteilte der Kapitän allerlei Kleinigkeiten unter sie und beschenkte besonders einen Mann, der dem Anschein nach über die anderen etwas zu sagen hatte. Eben diesem gab er durch Zeichen zu verstehen, daß wir Wasser und Lebensmittel nötig hätten. Der Befehlshaber schickte augenblicklich einige Insulaner fort. Sie kamen auch bald zurück und brachten ein Bambusrohr voll Wasser, ein paar Kokosnüsse und eine Yamwurzel mit. Sie mußten das Wasser irgendwo aus der Nähe geholt haben, schienen aber verhindern zu wollen, daß unsere Leute selbst den Ort untersuchten. Da ihre Zahl überdies ständig zunahm, hielt der Kapitän es für klug, sich wieder einzuschiffen. Allein sein Rückzug war gleichsam das Signal zum Angriff, denn ehe das Boot vom Lande abgestoßen werden konnte, hatte schon einer von den Eingeborenen ein Ruder weggenommen. Zwar riß ein anderer es ihm aus der Hand und warf es den Unsrigen zurück, dagegen aber versuchten andere, das Brett, auf dem unsere Matrosen ins Boot gegangen waren, ans Ufer zu ziehen, noch andere suchten das Boot auf den Strand zu schleppen. Da ihr Befehlshaber den ganzen Angriff zu kommandieren schien, wollte der Kapitän Feuer auf ihn geben, allein seine Flinte versagte. Die Eingeborenen säumten nun nicht, das Boot von allen Seiten mit Pfeilen und Speeren anzugreifen. Ein Wurfspieß fuhr einem Matrosen in die Backe. Der Kapitän ließ also aus wirklicher Notwehr auf die Eingeborenen feuern. Es dauerte zwar eine geraume Zeit, bis eine Flinte losgehen wollte, doch wurden gleich durch die ersten Schüsse zwei Insulaner getroffen. Die übrigen ließen sich aber nicht abschrecken, sie rannten nur einige Schritte zurück, kamen herzhaft wieder und erneuerten den Angriff mit Steinen und Pfeilen. Nun fing das zweite Boot ebenfalls an zu feuern, aber auch da waren nur zwei oder drei Flinten brauchbar. Obschon in England die besten Feuersteine vorhanden sind, werden die Truppen doch mit den schlechtesten von der Welt beliefert. Es ist unerhört, wie die Lieferanten auf Kosten des Allgemeinwesens Reichtümer zusammenzuscharren suchen.

Ein Rohrpfeil traf den Lotsen auf die Brust, verursachte aber nur eine Prellung. Die verwundeten Insulaner krochen auf allen vieren ins Gebüsch, und sobald das große Geschütz zu spielen anfing, lief der ganze Trupp eilfertig davon. Als der Kapitän das ihm zu Hilfe geschickte dritte Boot ankommen sah, kehrte er zum Schiff zurück und ließ durch die beiden anderen Boote die Bai sondieren. Ich glaube, daß die Eingeborenen nicht die geringste Feindseligkeit im Sinne gehabt haben. Nur das mochte sie aufbringen, daß mit einem Gewehr auf ihren Anführer gezielt wurde. Gleichwohl war das den Unsrigen auch nicht zu verdenken, und so scheint es denn ein unvermeidliches Übel zu sein, daß wir Europäer bei unseren Entdeckungsreisen den armen Wilden allemal hart fallen müssen.

Nach dem Frühstück lichteten wir den Anker, um tiefer in die Bucht zu gehen, wo unsere Boote einen guten Ankerplatz gefunden hatten. Die Küste der Bai war mit vielen tausend Palmen bedeckt, die einen herrlichen Anblick boten. Schon freuten wir uns, hier vor Anker zu kommen, als der Kapitän das Schiff unvermutet wenden und ostwärts um den Sattelberg steuern ließ. Dieses Vorgebirge nannten wir wegen des Angriffs der Insulaner Traitors-head, d.i. Verräter-Kap. Mittlerweile kam gerade jene Insel, die wir schon am 28. Juli entdeckt hatten, im Süden wieder zum Vorschein, und der Kapitän entschloß sich, dorthin zu segeln. Ein günstiger Wind begünstigte unsere Fahrt nach der neuen Insel, auf der wir des Nachts verschiedene Feuer gewahrten, darunter eins, das stoßweise in die Höhe schlug, wie die Flamme eines feuerspeienden Berges zu tun pflegt.

Das Eiland, wohin wir unseren Lauf richteten, hatte eine Kette hoher Berge. Vor dieser lag eine Reihe niedriger Hügel, von denen der äußerste ein Vulkan war, wie wir in der vergangenen Nacht vermutet hatten. Aus seinem Schlund sah man von Zeit zu Zeit eine Säule von dickem Rauch gleich einem Baume emporsteigen. Sooft eine neue Rauchsäule zum Vorschein kam, hörte man ein dumpfes Geprassel wie von einem fernen Donner. Um acht Uhr wurden die Boote ausgesetzt und der Lotse ausgeschickt, einen Hafen ostwärts vom Vulkan zu sondieren. Während sie mit einem günstigen Winde hineinliefen, sahen wir zwei Kanus mit Eingeborenen von der Küste abstoßen, um den Unsrigen zu folgen, und ein drittes Kanu segelte in der Ferne am Ufer. Unsere Leute winkten, daß wir ihnen mit dem Schiffe folgen möchten. Wir steuerten also in den Hafen, der eine enge Einfahrt hatte, erschraken aber nicht wenig, als das Senkblei auf einmal nur viereinhalb Faden angab, doch vertiefte sich das Wasser gleich darauf wieder auf vier, fünf und mehr Faden. An der seichten Stelle war eine Felsenklippe vorhanden, an der wir leicht hätten scheitern können. Der Hafen an sich war rund und klein, aber sicher und bequem, und hatte an der Ankerstelle vier Faden Tiefe.


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