Georg Forster
Entdeckungsreise nach Tahiti und in die Südsee 1772-1775
Georg Forster

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7. Kapitel

Reise von Neuseeland nach Tahiti

Nachmittags gelangten wir in die Cook-Straße, liefen sie nach Süden herab und hatten nun den unermeßlichen Ozean, die Südsee, vor uns. Dies große Meer war bereits mehrfach durchschifft worden, die kälteren Gegenden hingegen hatte vor Kapitän Cooks erster Reise mit der »Endeavour«, das ist bis zum Jahre 1770, noch kein europäischer Seefahrer zu untersuchen gewagt. Gleichwohl glaubte man, daß hier ein großes Land liegen müsse, und die Erdbeschreiber, die es in ihren Karten das südliche feste Land (Terra australis) nannten, nahmen an, daß auf der Westseite Neuseeland, auf der Ostseite aber ein Strich Landes, der gegen Amerika hin entdeckt worden sein sollte, die Küsten ausmachen. Da aber Kapitän Cook auf seiner vorigen Reise gefunden hatte, daß Neuseeland nicht mehr als zwei große Inseln und daß weder nach Amerika hin noch bis zum 40. Grad gegen Süden herab Land vorhanden sei, so war das Südland schon in engere Schranken gebracht, wenn auch immer noch weitläufig genug, die Aufmerksamkeit künftiger Seefahrer zu verdienen.

Wir sollten nun den noch unerforschten Teil dieser See befahren und standen jetzt mitten im Winter im Begriff, zwischen dem 50. und 40. Grad südlicher Breite auf Entdeckung neuer Länder nach Osten hin auszugehen. Viele unserer Mitreisenden unternahmen diese gefährliche Reise mit der gewissen Zuversicht, daß wir die Küsten dieses Südlandes bald finden würden, Kapitän Cook aber und verschiedene andere machten sich wenig Hoffnung, neue Länder zu entdecken, ja sie bezweifelten sogar, daß es überhaupt ein solches Südland gäbe.

Am folgenden Morgen waren wir noch in der Mündung der Straße und hatten die hohen schneebedeckten Berge der Südinsel noch immer in Sicht. Große Züge verschiedener Walarten gingen am Schiff vorbei. Sie waren meist ganz schwarz und hatten einen weißen Fleck vor der hintersten Rückenfinne. Wir feuerten auf sie und trafen einen so nachdrücklich am Kopf, daß er nicht mehr tauchen konnte, sondern auf der blutgefärbten Oberfläche des Wassers gewaltig um sich zu schlagen anfing. Er schien ungefähr neun Fuß lang zu sein, war schlank von Körper, hatte aber einen stumpfgeformten Kopf, weshalb ihn unsere Matrosen bottle-nose nannten. Weil wir aber so guten Wind hatten, daß wir in der Stunde drei und eine halbe Seemeile segelten, hielt der Kapitän es nicht für der Mühe wert, den Wal an Bord zu nehmen.

Sobald das Land außer Sicht gekommen war, schwärmte eine unendliche Menge von Albatrossen um uns her. Einige unserer Matrosen, die auf Ostindienfahrern gedient hatten, versicherten ihre Kameraden, daß eine Reise nach Ostindien im Vergleich zu den Mühseligkeiten, die wir auf dieser hier auszustehen hätten, für gar nichts zu rechnen wäre.

Sie erzählten, wie gut und bequem die Kapitäne es sich auf dergleichen Reisen zu machen pflegten, und nach mancher Anekdote und Spötterei darüber gerieten sie auf den närrischen Einfall, daß die abgeschiedenen Seelen all dieser Kapitäne zur Strafe für ihre üppige Lebensweise auf See in diese Albatrosse wandern müßten und nun auf die Südsee verbannt wären, vor der sie sich zu Lebzeiten wohl zu hüten gewußt hätten. Hier müßten sie sich nun, statt ihres vorigen Überflusses, kärglich genug behelfen, und wären nun endlich ein Spiel der Stürme und Wellen.

Die Offiziere, denen das eingesalzene Fleisch noch nicht wieder schmecken wollte, ließen ihren schwarzen Hund schlachten und schickten dem Kapitän die Hälfte davon. Wir ließen die Keule braten und speisten heute zum erstenmal Hundefleisch. Es schmeckt vollkommen wie Hammelfleisch, so daß nicht der geringste Unterschied zu bemerken war. In unseren kalten Ländern, wo Fleischspeisen üblich sind und wo es vielleicht des Menschen Natur oder unumgänglich nötig ist, von Fleisch zu leben, ist es wahrlich sonderbar, daß man einen jüdischen Abscheu vor Hundefleisch hat, da doch das Fleisch von dem unreinlichsten aller Tiere, nämlich vom Schwein, ohne Bedenken gegessen wird. In Betracht seiner schnellen und häufigen Vermehrung scheint die Natur den Hund ausdrücklich dazu geschaffen zu haben, daß er uns zur Nahrung dienen sollte. Man könnte vielleicht besorgt sein, daß es uns wegen der natürlichen Fähigkeiten unserer Hunde schwer ankommen möchte, sie umzubringen und zu essen. Allein in dem Fall bedenkt man nicht, daß ihre großen Fähigkeiten und ihre Anhänglichkeit bloß Folgen der Erziehung sind, die wir an sie wenden. In Neuseeland und, wie ältere Seefahrer melden, auch auf den Inseln der Südsee sind die Hunde die dummsten und einfältigsten Tiere, die man sich vorstellen kann. Sie scheinen dort um nichts klüger und gelehriger zu sein als unsere Schafe, die man für Sinnbilder der größten Einfalt und Dummheit gelten läßt. In Neuseeland werden sie mit Fischen gefüttert, auf den anderen Inseln mit Früchten und Krautern. Vielleicht verändert beides ihre natürliche Anlage, vielleicht bringt auch die Erziehung neue Instinkte hervor. Die neuseeländischen Hunde kriegen, was von ihrer Herren Mahlzeit übrigbleibt, also auch andere Hundeknochen, und so werden die Hunde von klein auf Kannibalen. Wir hatten einen jungen neuseeländischen Hund an Bord, der, als wir ihn kauften, wohl noch nichts als Muttermilch geschmeckt hatte, gleichwohl fraß er von dem heutigen Hundebraten, das Fleisch so gut wie die Knochen, mit großer Gier, während andere, von europäischer Art, die wir vom Kap mitgenommen hatten, beides nicht anrührten, geschweige denn fressen mochten.

Bis zum 16. steuerten wir immer südostwärts und waren stets von Sturmvögeln und Albatrossen und zuweilen auch von grauen Möwen umgeben, und große Haufen von Seegras schwammen vielfältig in der See. An dies alles waren wir aber schon gewöhnt, als daß wir es hätten wagen wollen, Folgerungen daraus zu ziehen. Am 23. waren Wind und Wetter gelinde. Kapitän Furneaux machte sich dies und die Nachbarschaft beider Schiffe zunutze, um zu uns an Bord zu kommen und mit uns zu speisen. Er berichtete dem Kapitän, daß seine Leute sich noch wohl befänden, einen oder zwei Mann ausgenommen, die von ihrem Umgang mit ungesunden Frauenspersonen ekelhafte Nachwehen ausstehen mußten. Diese Nachricht war uns insofern recht unangenehm, weil man daraus entnehmen konnte, daß jene häßliche Krankheit auch Neuseeland schon erreicht hatte, denn nirgends sonst konnten die Leute angesteckt worden sein.

In Betracht der schrecklichen Folgen, welche dies Übel auf die Neuseeländer bringen mußte, hielten wir es der ernsthaftesten Untersuchung wert, ob und bei welcher Gelegenheit sie es wohl von den Europäern hätten bekommen können. Der erste Entdecker des Landes, Abel Janszoon Tasman, kam im Jahre 1642 dahin. Er hatte aber mit den Bewohnern nicht den mindesten freundschaftlichen Umgang. Kapitän Cook war der nächste Seefahrer, der Neuseeland besuchte, aber mehr als hundert Jahre später, nämlich erst in den Jahren 1769 und 1770. Er kam damals mit seinem Schiff »Endea-vour« von Tahiti, wo einige seiner Leute angesteckt worden waren. Da er aber fast zwei Monate unterwegs geblieben war, hatte der Chirurgus Zeit gehabt, die Leute gänzlich zu heilen, und bei der Ankunft an dieser Küste versicherte er dem Kapitän ausdrücklich, daß bei keinem der Kranken noch die geringste Spur des Übels zumerken sei. Trotzdem brauchte der Kapitän die Vorsicht, daß niemand an Land gehen durfte, der unter der Kur gewesen war, und um jede Möglichkeit abzuschneiden, durften auch keine Frauen an Bord kommen. Der dritte Europäer, der Neuseeland besuchte, war der französische Seefahrer de Surville. Er lag am 9. Dezember 1769 in der Doubtles-Bai von Neuseeland und sah die »Endeavour« an sich vorübersegeln, Kapitän Cook dagegen hatte das französische Schiff nicht wahrnehmen können, weil es hinter einem Berge vor Anker lag. Doubtles-Bai liegt aber so weit von Charlotten-Sund, daß die Einwohner dieser beiden Gegenden schwerlich Umgang miteinander haben, folglich läßt sich nicht begreifen, wie die Krankheit von dort schon so weit um sich greifen konnte, wenn man annehmen wollte, daß dies Schiff sie nach Doubtles-Bai gebracht haben sollte. Ein gleiches läßt sich von Herrn von Marion und dem Kapitän Crozer sagen, den französischen Seefahrern, deren Reise 1772 nur Umgang mit den Eingeborenen der Inselbai brachte, die aber am nördlichsten Ende der Nordinsel liegt, ebenfalls äußerst weit von Charlotten-Sund. Unmittelbar nach diesen beiden Schiffen kamen wir nach Neuseeland, allein wir hatten nicht die mindeste Ursache zu vermuten, daß unsere Leute das venerische Übel mit hierherbrächten. Es war bereits sechs Monate her, daß wir das Kap der Guten Hoffnung verlassen hatten, und das war der letzte Ort, wo die Matrosen es möglicherweise hätten bekommen können. Wir hatten aber nicht einen einzigen venerischen Patienten an Bord. Aus all dem zogen wir den Schluß, daß die venerischen Krankheiten in Neuseeland zu Hause und nicht von Europäern hierhergebracht worden sind. Wir haben auch im Verfolg unserer Reise bis jetzt noch keine Ursache gefunden, unsere Meinung hierüber zu ändern. Sollten jedoch, allem Anschein unerachtet, unsere Vermutungen irrig sein, so kommt alsdann eine Schandtat mehr auf die Rechnung der gesitteteren europäischen Nationen, und das unglückliche Volk, das sie mit diesem Gift angesteckt haben, wird und muß ihr Andenken dafür verfluchen.

Bis zum Anfang des Juli blieb der Wind veränderlich, er war mehr als viermal um den ganzen Kompaß herumgelaufen. Am 9. waren wir ungefähr in der Länge, in welcher sich Kapitän Cook auf seiner vorigen Reise unter dem 40. Grad 22 Minuten südlicher Breite befunden hatte. Hier fiel uns ein junger Ziegenbock über Bord, den man zwar wieder auffischte und alles mögliche an ihm versuchte, wie Reiben, Tabakklistiere und dergleichen, aber umsonst, er war nicht wieder zum Leben zu bringen. Am 17. ließ der Kapitän endlich nach Norden steuern. Bisher hatten wir uns nämlich auf der Suche nach dem Südland meist gegen Osten und in den Breiten gehalten, wo es liegen sollte. Auf dieser Fahrt war uns allen aber die Zeit herzlich lang geworden, das einzige, was wir damit gewonnen hatten, war die Gewißheit, daß in den mittleren Breiten der Südsee kein großes Land zu finden ist. Je näher wir den Wendezirkeln kamen, desto besseren Mutes wurde unser Schiffsvolk. Die Matrosen fingen schon an, sich des Abends auf dem Deck mit mancherlei Spielen zu belustigen. Die Wärme und Milde der Luft war etwas ganz Neues, und wir konnten jetzt seit unserer Abreise vom Kap zum erstenmal die Winterkleider ablegen. Am 25. nachmittags sahen wir einen tropischen Vogel, ein sicheres Zeichen, daß wir in das mildere Klima über 30 Grad südlicher Breite gekommen waren.

Am 28. war die »Adventure« uns so nahe, daß wir mit den Leuten sprechen konnten. Sie erzählten uns, daß vor drei Tagen ihr Koch gestorben und daß zwanzig Mann an Skorbut erkrankt seien. Diese Nachricht war uns desto unerwarteter, da auf unserem Schiff kaum Anzeichen von Skorbut vorhanden waren. Um indessen jenen zu helfen, schickte Kapitän Cook einen seiner Seeleute mit der Bestallung als Koch auf die »Adventure«, und verschiedene Herren nahmen die Gelegenheit wahr, ebenfalls hinüberzugehen und dort zu speisen. Sie fanden Kapitän Furneaux mit Gliederreißen, viele seiner Leute aber mit Flüssen geplagt. Unter den skorbutischen Patienten war der Zimmermann am übelsten dran, denn er hatte schon große blaue Flecken an den Beinen. Dieser Unterschied in den Gesundheitsumständen der beiden Schiffe rührte vermutlich daher, daß es auf der »Adventure« an frischer Luft fehlte. Unser Schiff lag höher im Wasser, und daher konnten wir, selbst bei stürmischem Wetter, mehr Luftlöcher offenhalten als jene. Außerdem aßen unsere Leute mehr Sauerkraut, brauchten mehr Maische und machten aus den Malzkörnern Umschläge auf die skorbutischen Flecken und geschwollenen Glieder, was man auf der »Adventure« nie zu tun pflegte. Bei dieser Gelegenheit wird es nicht unschicklich sein, zu bemerken, daß der Skorbut in warmen Ländern am gefährlichsten und bösartigsten ist. Solange wir uns in kälteren Breiten befanden, zeigte er sich nicht oder doch nur bei einzelnen Personen, die von Natur ungesund waren. Allein kaum hatten wir zehn Tage warmes Wetter gehabt, als schon an Bord der »Adventure« ein Patient daran starb und viele andere von den schlimmsten Symptomen befallen wurden. Die Hitze scheint also die Entzündung und Fäulnis zu fördern, und selbst bei denen, die nicht gefährlich krank waren, rief sie große Mattigkeit und Schwäche hervor.

Am 4. August warf eine junge Dachshündin vom Kap zehn Junge, wovon eins tot zur Welt kam. Der junge neuseeländische Hund, den ich bereits erwähnt und der vom Hundebraten so gierig gefressen hatte, fiel sogleich über den jungen Hund her und fraß davon mit der größten Gier. Dies kann zum Beweise dafür dienen, daß die Erziehung bei den Tieren neue Instinkte hervorzubringen vermag. Europäische Hunde werden nie mit Hundefleisch gefüttert und scheinen einen Abscheu davor zu haben. Die neuseeländischen hingegen bekommen von jung auf die Überbleibsel vom Tisch ihrer Herren zu fressen, mithin sind sie an Fisch-, Hunde- und Menschenfleisch gewöhnt, und was anfänglich bei einzelnen Hunden nur Gewöhnung war, ist mit der Zeit allgemeiner Instinkt der ganzen Art geworden.

Am 11. August morgens erblickten wir eine niedrige Insel, die vier Meilen lang und so flach wie die See zu sein schien. Nur hier und da sah man einzelne, gleichsam aus der See aufgewachsene Gruppen von Bäumen, unter welchen die hohen Gipfel der Kokospalme weit über die anderen emporragten. Nach so langer verdrießlicher Fahrt war uns schon der bloße Anblick des Landes etwas Erfreuliches, und obschon an der ganzen Insel nichts besonders Schönes zu sehen war, gefiel sie dem Auge doch wegen ihres von Natur einfachen Ansehens. Das Thermometer hielt sich beständig zwischen 20 und 27 Graden, gleichwohl war die Hitze nicht übermäßig, denn wir hatten bei schönem, hellem Wetter einen kühlen Passatwind. Die Insel wurde Resolution-Eiland genannt, und vermutlich hat auch Herr von Bougainville seinem Tagebuch nach die gleiche gesehen.

Abends kam uns eine andere Insel von gleicher Art zu Gesicht, die Doubtful-Eiland genannt wurde. Da die Sonne schon untergegangen war, hielten wir uns so lange gegen Norden, bis wir ganz an der Insel vorüber waren und nicht mehr befürchten mußten, in der Finsternis auf die Küste zu stoßen. Am folgenden Morgen erschreckte uns das Geräusch von Wellen, die sich kaum eine halbe Meile vor uns schäumend brachen. Wir änderten sogleich unseren Lauf, gaben der »Adventure« durch Signale Nachricht von der Gefahr und steuerten hierauf längs dem Riff hin. Sobald es hell wurde, entdeckten wir eine zirkelrunde Insel und auf derselben einen großen Teich von Seewasser. An der Nordseite war die Insel mit Palmen und anderen Bäumen besetzt, den übrigen Teil machte aber nur eine schmale Reihe von niedrigen Felsen aus, über die die See in einer gewaltigen Brandung hinwegschlug. Kapitän Cook nannte diese Insel Furneaux-Eiland. Als wir an der Südseite des Riffs vorüber waren, erblickte man am nördlichen Ende der Insel ein Kanu unter Segel, und mit Hilfe der Ferngläser ließ sich erkennen, daß es mit sechs bis sieben Leuten bemannt war, von denen einer auf dem Vorderteil stand und mit einer Ruderschaufel steuerte.

Wir setzten unseren Lauf bei günstigem Wind bis Sonnenuntergang fort. Sobald es aber anfing, dunkel zu werden, legten wir bei, weil die Schiffahrt der vielen Inseln und Klippen wegen gefährlich ist, die nicht eher zu sehen sind, als bis man dicht bei ihnen ist. Früh am Morgen gingen wir wieder unter Segel und kamen an einer anderen Insel vorbei, die Adventure-Eiland genannt wurde. Um eben diese Zeit sprachen wir mit der »Adventure« und hörten, daß sie dreißig Mann auf der Krankenliste habe, fast lauter skorbutische Patienten. In unserem Schiffe hingegen waren die Leute fast noch frei von dieser Krankheit, und es wurde alles getan, um sie bei Gesundheit zu halten. Sie aßen fleißig Sauerkraut, ihre Hängematten wurden alle Tage gelüftet, und das ganze Schiff wurde häufig mit Pulver und Weinessig ausgeräuchert.

Nachmittags sahen wir eine Insel gerade vor uns. Der Lage nach mußte es dieselbe sein, die Kapitän Cook auf seiner vorigen Reise Chain-Island oder Ketteninsel genannt hatte. Damit wir diese Nacht nicht wieder beilegen mußten, ließ der Kapitän ein Boot mit einer Laterne vor dem Schiff hersegeln und befahl den Leuten, sobald sie eine gefährliche Stelle antreffen sollten, Signale zu geben. Diese Vorsicht war wegen der vielen Inseln nötig, die man in der Südsee antrifft. Sie bestehen nämlich aus Felsen, die vom Grunde des Meeres senkrecht wie Mauern emporsteigen, und auch da, wo sie am höchsten sind, nicht mehr als höchstens sechs Fuß über die Oberfläche emporragen. Oft sind sie von kreisförmiger Gestalt und haben in der Mitte ein Bassin von Seewasser, rings an den Ufern aber ist das Meer überall unergründlich. Unter den wenigen Gewächsen, die es darauf gibt, mag der Kokosbaum das beste und nutzbarste sein. Einer so armseligen Beschaffenheit und ihres oft nur geringen Umfanges unerachtet, sind manche dennoch bewohnt.

Früh am 15. August erblickten wir einen hohen Pik mit einer flachen Spitze. Der Berg schien ziemlich hoch und der Gipfel gleichsam abgebrochen oder wie die Mündung eines Vulkans ausgehöhlt zu sein. An der Küste war wenig oder gar kein flaches Land zu sehen, wo es aber eine ebene Stelle am Ufer gab, da war das Erdreich, wie überhaupt der ganze Berg, anmutig grün bewachsen. Einer unserer Offiziere, der vom Kapitän Wallis vormals an die Küste geschickt worden, erzählte uns, daß auf diesen Bäumen die Brotfrucht wachse, die in Ansons, Byrons, Wallis und Cooks Reisen so sehr gerühmt worden ist. Die Insel heiße in der Landessprache Maitea, und die Bewohner seien eine ebensolche Gattung von Menschen, wie man auf den Societätsinseln oder auf Tahiti anträfe, welches nur eine halbe Tagereise entfernt liege.

Dies war alles, was wir von der Insel erfahren konnten, denn wir blieben gute vier Seemeilen davon entfernt, und das mochte vermutlich auch die Ursache sein, warum von der Insel kein Kanu zu uns herankam. Da wir wenig Wind hatten, wurde ein Boot nach der »Adventure« geschickt, das den Kapitän Furneaux zum Mittagessen herüberholte. Wir hatten das Vergnügen, von ihm zu vernehmen, daß der Durchlauf, der unlängst unter seinen Leuten eingerissen war, bereits nachgelassen und daß auch am Skorbut keiner mehr gefährlich erkrankt sei. Wir konnten also der Nachbarschaft von Tahiti wegen hoffen, daß dem Übel bald durch frische Kräuterkost gänzlich abzuhelfen sein würde. Bei Untergang der Sonne sah man bereits die Berge dieser Insel aus den vergoldeten Wolken über dem Horizont hervorragen. Jedermann an Bord, einen oder zwei ausgenommen, die sich nicht rühren konnten, eilte begierig an Deck, um die Augen an dem Anblick dieses Landes zu weiden, von dem man die größten Erwartungen haben mußte, weil nach dem übereinstimmenden Zeugnis aller Seefahrer, die dort gewesen sind, nicht nur Überfluß an frischen Lebensmitteln vorhanden, sondern auch die Einwohner von besonders gutherzigem und gefälligem Charakter sein sollten.

Aller Wahrscheinlichkeit nach ist diese Insel von einem Spanier, nämlich von Pedro Fernandez de Quiros, entdeckt worden. Er war am 21. Dezember 1605 von Lima in Peru abgesegelt und hatte am 10. Februar 1606 eine Insel gefunden, die er Sagittaria nannte, die aber das heutige Tahiti gewesen sein muß. An der Südseite, wo er an die Küste kam, fand er keinen Hafen, er begnügte sich also damit, einige seiner Leute im Boot ans Land zu schicken, und diese wurden freundschaftlich aufgenommen. Nach ihm fand Kapitän Wallis diese Insel am 18. Juni 1767 und nannte sie Georg III.-Insel. Eines unglücklichen Mißverständnisses wegen, das bei seiner Ankunft zwischen ihm und den Eingeborenen entstand, ließ er Feuer auf sie geben, wodurch fünfzehn erschossen und eine große Anzahl verwundet wurden. Die gutartigen Leute vergaßen aber den Verlust und die Wunden ihrer Brüder, machten gleich nachher Frieden und versahen ihn mit einem Überfluß an Lebensmitteln, die hauptsächlich aus Wurzelwerk, Baumfrüchten, Hühnern und Schweinen bestanden. Herr von Bougainville kam am 2. April 1768, etwa zehn Monate nach der Abreise des Kapitäns Wallis, auf der östlichen Küste an und entdeckte den wahren Namen der Insel. Er blieb zehn Tage, genoß von den Einwohnern viel Achtung und Freundschaft, die er treulich erwiderte und überhaupt dem liebenswürdigen Charakter dieses Volkes Gerechtigkeit widerfahren ließ. Hierauf legte Kapitän Cook mit dem Schiffe »Endeavour« im April 1769 hier an, um den Durchgang der Venus zu beobachten. Er hielt sich hier drei Monate auf, nahm die Insel rundumher in Augenschein und hatte täglich Gelegenheit, die vorigen Nachrichten von diesem Lande zu prüfen und zu bestätigen.

Wir steuerten nun die ganze Nacht über gegen die Küste hin und unterhielten uns in der Erwartung des Morgens mit den angenehmen Schilderungen, die unsere Vorgänger von diesem Lande gemacht hatten. Schon fingen wir an, die unter dem rauhen, südlichen Himmelsstrich ausgestandenen Mühseligkeiten zu vergessen. Der trübe Kummer, der bisher unsere Stirn umwölkt hatte, verschwand; die fürchterlichen Vorstellungen von Krankheit und Tod wichen zurück, und alle unsere Sorgen entschliefen.


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