Georg Forster
Entdeckungsreise nach Tahiti und in die Südsee 1772-1775
Georg Forster

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

16. Kapitel

Nachricht vom zweiten Besuch auf der Insel Tahiti

Kaum hatten die Leute vom Lande her das Schiff wahrgenommen, so kamen auch schon verschiedene Kanus, um uns mit Früchten willkommen zu heißen. Unter den ersten, die uns an Bord besuchten, waren zwei junge Leute, die dem Rang nach mehr als die anderen sein mußten. Wir baten sie, in die Kajüte zu kommen, und hier wurde sogleich mit Maheine Bekanntschaft gemacht. Der Landessitte nach mußten sie ihm ein Geschenk von Kleidern machen, sie zogen also ihre Oberkleider aus und gaben sie ihm. Er hingegen zeigte ihnen seine Merkwürdigkeiten und beschenkte sie mit ein paar roten Federn, die sie als eine große Seltenheit sehr erfreut annahmen.

Gegen acht Uhr ließen wir in der Matavai-Bai den Anker fallen, und gleich war auch eine ganze Flotte von Kanus um uns herum, in der uns unsere alten Bekannten Fische, Brotfrucht, Äpfel, Kokosnüsse und Pisangs zu Markte brachten und uns zu geringen Preisen überließen. Die Fische brachten sie uns lebendig in einem Trog, der zwischen den Doppelkanus unter Wasser hing und vorn und hinten mit einem Flechtwerk aus Baumzweigen versehen war. Wir ließen nun wieder einige Zelte aufschlagen, um die astronomischen Beobachtungen, den Handel, das Holzhauen und das Wassereinnehmen zu erleichtern. Der Kapitän, Dr. Sparman und mein Vater gingen an Land. Ich aber mußte noch an Bord bleiben, denn ich fühlte mich so matt und elend, daß ich kaum stehen konnte. Aber ich erlaubte mir die kleine Abwechslung, vom Kajütenfenster aus zu handeln, und brachte auf diese Art einige neue Fischarten an mich, während die Herren bei ihrer Rückkehr nichts Neues vorzuweisen hatten. Was sie uns vom Lande erzählten, lautete sehr vorteilhaft. Sie hatten alles weit besser angetroffen als bei unserer ersten Anwesenheit, das Grün in voller Pracht, viele Bäume noch mit Früchten beladen, die Bäche wasserreich und eine Menge ganz neuer Häuser. Maheine, der mit ihnen gegangen war, kam nicht wieder an Bord. Er hatte einige von seinen Verwandten getroffen, vornehmlich eine Schwester namens Teioa, eine der schönsten Frauen auf der ganzen Insel, die mit einem vornehmen Mann von Raiatea namens Nuna verheiratet war. Ehe Maheine an Land ging, hatte er seine europäische Kleidung abgelegt und die schönen neuen Kleider angelegt, mit denen er von seinen Landsleuten beschenkt worden war. Die Freude, die er dabei äußerte, bewies, daß ihm seine vaterländische Sitte doch über alles gefiel. In der Tat war es ganz natürlich, daß ein Mensch von den Gesellschafts-Inseln das glückliche Leben, die gesunde Nahrung und die einfache Tracht seiner Landsleute der ständigen Unruhe, den ekelhaften Speisen und der groben, engen Kleidung europäischer Seeleute vorziehen mußte.

Maheine fand auf Tahiti alle Glückseligkeit und Freude, die er nur je erwarten konnte. Jeder begegnete ihm mit Achtung und sah ihn als ein rechtes Meerwunder an. Man bewirtete ihn mit den ausgesuchtesten Speisen, er bekam verschiedene Kleider geschenkt, und indem er unter den Nymphen des Landes herumschwärmte, fand er nicht selten Gelegenheit, auch jene Art des Vergnügens zu schmecken, die er zur See hatte entbehren müssen. Empfindlich für jede sinnliche Lust, wie alle Kinder der Natur, aber lange des Anblicks seiner hübschen Landsmänninnen beraubt und durch den Umgang mit unseren Seeleuten vielleicht noch mehr als sonst zur Sinnlichkeit gestimmt, mußte ihm die Gelegenheit, sich auch hierin einmal Genüge zu tun, sehr willkommen sein. Er hatte also alle Ursache, sich durch den Umgang mit den schönen Insulanerinnen fesseln zu lassen. Überdies konnte in einem so warmen Klima das Schiff kein angenehmes Nachtquartier für ihn sein; warum hätte er sich in eine enge, übelriechende Kajüte einsperren sollen, da er am Lande die reinste Luft und den Wohlgeruch der Blumen einatmen konnte.

So glücklich aber auch Maheines Los sein mochte, so gab es doch auch an Bord Leute, die sich für recht beneidenswert hielten. Gleich am ersten Abend kamen nämlich mehrere Insulanerinnen aufs Schiff, mit denen die ganze Nacht hindurch allerlei Ausschweifungen getrieben wurden. Ich habe schon bei einer anderen Gelegenheit bemerkt, daß diese liederlichen Weibspersonen von der niedrigsten Klasse sind; das bestätigte sich jetzt noch augenscheinlicher, weil diese Personen die gleichen waren, die sich bereits bei unserem ersten Aufenthalt mit den Matrosen einließen. Dies beweist offenbar, daß die H... hierzulande ebenfalls eine besondere Klasse ausmachen. Sie ist jedoch bei weitem nicht so zahlreich, und die Sittenverderbnis ist nicht so allgemein, wie unsere Vorgänger dies zu verstehen geben. Es würde abgeschmackt sein, wenn etwa O-Mai seinen Landsleuten erzählen wollte, in England wisse man wenig oder nichts von Zucht und Ehrbarkeit, weil er dergleichen unter den gefälligen Nymphen in Covent-Garten und Drurylane nicht angetroffen hat.

Am Tag nach unserer Ankunft hatten wir überaus treffliches Wetter. Ich fuhr an Land und versuchte nach den Zelten zu gehen, war aber kaum fünfzig Schritte weit gekrochen, als ich umkehren und mich niedersetzen mußte, um nicht ohnmächtig zu werden. Man brachte mir Äpfel zum Verkauf, die so reizend aussahen, daß ich dem ausdrücklichen Verbot des Arztes zuwider einen zu mir nahm. Hierauf ging ich wieder an Bord. Während dieser Zeit hatten unsere Leute große Boniten und eine Menge Früchte eingetauscht, so daß reichliche Portionen an die Mannschaft ausgeteilt werden konnten. Einem der Insulaner war mittlerweile die Lust angekommen, etliche Nägel zu stehlen. Ich fand ihn bei meiner Rückkehr in Ketten, weil aber viele Landsleute Fürbitte für ihn einlegten und für seine Freilassung viele Boniten anboten, wurde er wieder in Freiheit gesetzt. Das liederliche Gesindel, das die vorige Nacht an Bord zugebracht hatte, war diesen Abend zeitig wieder da und hatte so viele andere mitgebracht, daß jeder Matrose seine eigene Dirne haben konnte. Das war ihnen recht, denn sie hatten gerade heute das St.-Georgsfest nach altem Brauch gefeiert, das heißt, dem Schutzheiligen des Landes zu Ehren sich tapfer bezecht. Nach Beendigung der Bacchanalien brachten sie nun noch die ganze schöne, mondhelle Nacht im Dienst Cytherens hin.

Dr. Sparman und mein Vater kamen erst nach Sonnenuntergang an Bord zurück. Sie waren über One-Tree-Hill nach Parre gegangen, hatten dort Tutahas Mutter und Happai, des Königs Vater, angetroffen und sie mit einigen Geschenken bewillkommnet. Ein Eingeborener lud sie in sein Haus ein und bewirtete sie mit einer guten Mahlzeit. Auf dem Rückweg fanden sie die beiden Ziegen, die Kapitän Furneaux dem König geschenkt hatte, unweit von dessen Haus. Sie hatten ein feines, seidiges Haar bekommen, und die Ziege hatte bereits zwei Junge geworfen, die ebenso munter waren wie die beiden Alten. Wenn die Eingeborenen fortfahren, diese Tiere so sorgfältig zu warten, dann werden sie bald daran einen neuen Beitrag zu ihrem Unterhalt haben. Am folgenden Morgen fand ich mich durch den verbotenen Genuß des Apfels außerordentlich erquickt, und Kapitän Cook, der noch immer an seiner Gallenkrankheit litt, hatte die gleiche Wirkung dieser herrlichen Frucht gespürt. In wenigen Tagen war die Krankheit bis auf eine geringe Schwäche behoben.

Um Mittag besuchte uns der König O-Tu mit seiner Schwester Taurai und mit seinem Bruder. Sie brachten dem Kapitän einige Schweine zum Geschenk, und der König schien bei weitem nicht mehr so mißtrauisch und so schüchtern wie ehemals zu sein. Man belohnte seine Freigebigkeit mit einigen Beilen, aber es mußte ihm und seiner Gesellschaft wohl hauptsächlich um rote Papageienfedern zu tun sein. Ohne Zweifel mußten Maheines Berichte dem König Anlaß gegeben haben, sich danach zu erkundigen. Wir durchsuchten also unseren ganzen Vorrat an Merkwürdigkeiten und fanden eine Menge solcher Federn, hielten es aber nicht für ratsam, sie alle auf einmal zu zeigen. So wurde dem König und seiner Schwester nur ein Teil dieser Kostbarkeiten gezeigt, deren Anblick schon hinreichend war, sie in frohes Erstaunen zu setzen. Man braucht diese Federn hierzulande hauptsächlich zur Ausschmückung der Kriegerkleidung.

Am folgenden Tage besuchten uns mehrere Befehlshaber der Insel, darunter auch unser alter Freund Potatau nebst seinen Gemahlinnen. Auch diese mußten schon von unserem Reichtum an roten Federn gehört haben, denn sie brachten eine Menge Schweine mit und tauschten sie gegen die kleinsten Läppchen des Federzeugs. Es war ganz augenfällig, wie sich die Umstände der Eingeborenen während unserer achtmonatigen Abwesenheit gebessert hatten. Das erste Mal konnten wir nur mit genauer Not einige wenige Schweine von ihnen bekommen, diesmal aber waren unsere Decks so voll davon, daß wir uns genötigt sahen, einen Stall zu bauen. Solchermaßen hatten sich die Leute von ihrem Krieg mit der anderen Halbinsel, dessen traurige Folgen sie bei unserer ersten Anwesenheit im August 1773 noch sehr drückend zu empfinden schienen, jetzt ohne Zweifel wieder erholt.

Regen und Ungewitter hielten diesen ganzen Vormittag über an, und die Blitze waren so heftig, daß wir sicherheitshalber eine kupferne Kette an die Spitze des mittleren Mastes befestigen und zum Schiff hinaushängen ließen. Das untere Ende verwickelte sich im Tauwerk, und kaum hatte ein Matrose es losgemacht und über Bord geworfen, als ein erschrecklicher Blitz losbrach, der an der ganzen Kette hinablief und von einem fürchterlichen Donnerschlag begleitet wurde. Das ganze Schiff erbebte dermaßen, daß nicht nur die an Bord befindlichen Tahitier, sondern auch wir anderen äußerst erschraken. Der Blitz hatte jedoch nicht den geringsten Schaden angerichtet, und das überzeugte uns wieder einmal von dem großen Nutzen der elektrischen Kette.

Die erste Nachricht, die wir am anderen Morgen von unserer auf dem Lande kampierenden Mannschaft erhielten, lautete dahin, daß verschiedene Kamisole und einige Bettdecken, die dem Kapitän gehörten und gewaschen werden sollten, gestohlen worden seien. Der Kapitän fuhr also an Land, um dem König seinen Besuch abzustatten und ihn um seine Vermittlung zur Wiedererlangung des Entwendeten anzusprechen. Dr. Sparman, mein Vater und einige Herren begleiteten ihn, und ich war soweit wiederhergestellt, daß ich mit von der Partie sein konnte. Bei unserer Ankunft an der Küste von O-Parre wurden wir durch einen Anblick überrascht, den keiner von uns erwartet hatte. Längs dem Ufer lag nämlich eine zahlreiche Flotte von großen Kriegskanus vor Anker, mit Ruderern und Streitern bemannt, die in ihrer vollen Rüstung mit Brustschildern und hohen Helmen versehen waren. Der Strand wimmelte von Menschen, doch herrschte ein allgemeines feierliches Stillschweigen.

Wir hatten kaum das Land erreicht, als der Oberbefehlshaber der Flotte ans Ufer eilte, uns willkommen zu heißen. Das Volk rief: »Tohah kommt!« und machte ihm ehrfürchtig Platz. Er ging auf den Kapitän zu und reichte ihm die Hand, nannte ihn seinen Freund und bat ihn, auf sein Kanu zu kommen. Der Kapitän war schon im Begriff, das Kanu zu betreten, als er sich besann und die Einladung ablehnte. Tohah verließ uns darauf mit kalter Miene und stieg in sein Kanu. Wir aber nahmen die Schiffe, die alle mit dem Vorderteil gegen das Land gekehrt waren, eins nach dem anderen in Augenschein. Es waren nicht weniger als 159 doppelte Kriegskanus von fünfzig bis neunzig Fuß Länge. Wenn man bedenkt, mit was für unvollkommenem Handwerkszeug die Leute hierzulande versehen sind, kann man sich über die Geduld, mit der sie am Bau dieser Schiffe gearbeitet haben müssen, nicht genug wundern. Denn um die Bäume zu fällen, Planken daraus zu schneiden, diese glatt und eben zu machen, sie aneinanderzufügen und endlich in die Form großer und belastbarer Schiffe zusammenzusetzen, dazu haben sie weiter nichts als ein Beil und einen Meißel von Stein, ein Stückchen Koralle und etwas scharfes Rochenfell, womit sie zuletzt die Oberfläche abhobeln und glätten. Alle ihre Kanus sind doppelt und durch fünfzehn bis achtzehn starke Querbalken nebeneinander befestigt.

An Streitern mochten in jedem Fahrzeug fünfzehn bis zwanzig Mann sein. Ihre Kleidung war sonderbar und machte bei diesem Schauspiel das meiste Gepränge. Sie hatten drei große Stücke Zeug vermittels eines Lochs für den Kopf angezogen. Das lange untere war weiß, das zweite rot, das oberste und kürzeste braun. Die Brustschilder waren mit Federn und Haifischzähnen besetzt. Die Helme maßen fast fünf Fuß in der Höhe und bestanden aus einem langen Korb, dessen Vorderseite durch Flechtwerk verstärkt war, das am Rande strahlenweise lange Schwanzfedern von tropischen Vögeln trug, so daß es von weitem so aussah, als ob eine Lichtgloriole um das Haupt der Krieger strahlte. Da aber ein solcher Kopfputz nur zum Staat dient, pflegen die Kriegsleute ihn meistens abzunehmen und neben sich zu setzen. Die vornehmsten Befehlshaber trugen ein Unterscheidungszeichen, das mit den Roßschweifen türkischer Paschas einige Ähnlichkeit hatte. Es bestand aus langen Schwänzen, die aus grünen und gelben Federn verfertigt waren und auf dem Rücken herunterhingen. Tohah, der Admiral, hatte fünf solcher Federschwänze, die am unteren Ende mit Kokosschnüren und roten Federn versehen waren. Statt des Helmes trug er einen schönen Turban, der ihn gut kleidete. Er schien ein Mann von sechzig Jahren zu sein, war aber noch sehr munter, dabei groß und ungemein edel in seinem Betragen.

Um die Flotte auch von der Seeseite in Augenschein nehmen zu können, setzten wir uns in unser Boot und ruderten längs der ganzen Linie der Kanus hin. In jedem Kanu sahen wir große Bündel von Speeren und lange Keulen oder Streitäxte, auch hielt jeder Krieger einen Speer oder eine Keule in der Hand. Außerdem lag in jedem Kanu noch ein Haufen von großen Steinen, dies ist die einzige Waffe, mit der sie ihren Feind aus der Ferne zu erreichen suchen. Außer den Kriegskanus zählten wir noch siebzig kleinere Kanus mit einem Dach auf dem Hinterteil, die den Befehlshabern zum Nachtlager oder auch als Proviantschiffe dienten. Andere Kanus waren mit Pisangblättern gefüllt, und nach Aussage der Insulaner waren sie für die Toten bestimmt. Die Bemannung der Flotte mußte nach mäßiger Schätzung aus 1500 Kriegern und 4000 Ruderern bestehen.

Da der König O-Parre verlassen hatte und nach Matavai-Bai gegangen war, kehrten wir, ohne ihn gesprochen zu haben, gegen Mittag an Bord zurück. Hier fanden wir viele Befehlshaber, unter ihnen auch Potatau, der mit uns speiste und bei Tisch erzählte, die ganze Rüstung sei gegen die Insel Eimeo gerichtet, deren Befehlshaber ein Vasall von O-Tu sei, sich aber empört habe. Zugleich hörten wir zu unserer größten Verwunderung, die Flotte, die wir gesehen, sei nur das Kontingent des Distrikts Atahuru, und alle übrigen Distrikte könnten nach Maßgabe ihrer Größe noch eine Anzahl von Schiffen in See stellen.

Der Kapitän ging nachmittags abermals mit uns nach O-Parre. Die Flotte war aber schon abgefahren, dagegen trafen wir den König O-Tu an. Er führte uns nach einigen seiner Häuser, wohin der Weg durch eine Landschaft ging, die überall einem Garten ähnlich sah. Wir brachten einige Stunden in seiner Gesellschaft zu, und seine Verwandten und Bedienten taten alles mögliche, uns ihre Freundschaft zu beweisen. Vornehmlich lachten und plauderten die Damen mit ausnehmend guter Laune und mit wirklich witzigen und drolligen Einfällen. Unter diesem Zeitvertreib verstrich der Tag so unbemerkt, daß wir erst bei Sonnenuntergang an Bord zurückkehrten.

Am folgenden Morgen statteten der Kapitän und mein Vater dem König O-Tu zu O-Parre abermals einen Besuch ab. Sie fanden Tohah, den Admiral der Flotte, bei ihm, und der König machte sie miteinander bekannt. Der Kapitän lud sie ein, mit ihm an Bord zu kommen, und das taten sie auch noch am gleichen Vormittag. Sowohl über als unter Deck wurden alle Winkel des Schiffes besichtigt, hauptsächlich dem Admiral zu Gefallen, weil dieser noch nie auf einem europäischen Schiff gewesen war. Er betrachtete besonders die Stärke und Größe der Balken, Masten und Taue, und unser Takelwerk gefiel ihm so ausnehmend, daß er sich verschiedene Artikel, wie Taue und Anker, ausbat. Er war jetzt nicht besser als andere Insulaner gekleidet und ging in Anwesenheit des Königs bis auf die Hüften nackt. Ich hatte Mühe, ihn wiederzuerkennen, er kam mir heute dickbäuchig vor, was ich gestern unter dem weiten Kriegskleid nicht wahrgenommen hatte.

Der König und sein Admiral blieben bei uns zu Mittag und aßen von allem, was ihnen vorgesetzt wurde, mit bestem Appetit. O-Tu war nicht mehr der schüchterne, mißtrauische Mann, er schien bei uns zu Hause zu sein und machte sich ein Vergnügen daraus, Tohah in unseren Gebräuchen Unterricht zu geben. Er zeigte ihm, wie er Salz zum Fleisch nehmen und Wein trinken müsse, trug auch keine Bedenken, ihm zum Exempel ein volles Glas zu leeren, und hätte ihn gern überredet, den roten Wein für Blut anzusehen. Tohah kostete von unserem Grog, verlangte aber bald puren Branntwein, den er E-Wai no Bretanni, »britisches Wasser« nannte, wovon er ein Gläschen voll hinunterschluckte, ohne eine Miene zu verziehen. Er sowohl als Seine Majestät waren außerordentlich lustig und schienen an unserer Art zu leben viel Geschmack zu finden. Sie erzählten, ihre Flotte sei gegen die Rebellen auf Eimeo bestimmt. Zum Spaß erbot sich Kapitän Cook, sie mit seinem Schiff zu begleiten und die Landung durch Kanonenfeuer zu unterstützen. Anfänglich lachten sie darüber und waren es zufrieden. Gleich darauf aber sprachen sie unter sich, spannten andere Saiten auf und sagten, sie könnten von unserer Hilfe keinen Gebrauch machen, da sie gesonnen seien, erst fünf Tage nach unserer Abreise auf Eimeo loszugehen. Wenn dies wohl auch nicht der wahre Grund sein mochte, unser Angebot abzulehnen, so gebot es doch die Klugheit. Unsere allzugroße Übermacht würde den Eingeborenen von Eimeo ein gar zu wichtiges Ansehen gegeben haben, die Überwundenen hätten ihre Niederlage lediglich unserem Geschütz zugeschrieben, die Sieger hingegen würden nach unserer Abreise viel von ihrem Ansehen verloren haben, das sie zuvor genossen.

Mein Vater und Dr. Sparman gingen am folgenden Nachmittag in Begleitung eines Matrosen und eines Seesoldaten an Land, um die Berge hinaufzusteigen. Die Zufuhr an Lebensmitteln und anderen Handelsartikeln war seit einigen Tagen sehr beträchtlich. Das Schiff war ständig von Kanus umringt, in denen die Befehlshaber der Nachbardistrikte ihre Schweine und andere schätzbare Sachen selbst zu Markte brachten, um rote Federn dagegen einzutauschen. Eben diese Federn brachten auch in den Beziehungen der Matrosen zu den Frauensleuten eine große Veränderung zuwege. Glücklich war derjenige, der von dieser kostbaren Ware auf den Freundschafts-Inseln einen Vorrat gesammelt hatte. Ihn allein umringten die Mädchen, nur er hatte unter den Schönsten die Wahl. Wie allgemein und unwiderstehlich unter diesem Volke das Verlangen nach roten Federn sein mußte, davon erlebten wir heute einen überzeugenden Beweis. Ich habe bereits berichtet, daß die Weiber der Vornehmen nie Besuch von Europäern annahmen und daß bei aller Freiheit, die den unverheirateten Mädchen gestattet wurde, die Verheirateten sich immer rein und unbefleckt erhielten. Allein die Begierde nach roten Federn warf auch diesen Unterschied über den Haufen. Ein Befehlshaber ließ sich durch sie verleiten, dem Kapitän Cook seine Frau anzubieten, und die Dame wandte auf Geheiß ihres Mannes alles mögliche an, den Kapitän in Versuchung zu führen. Sie wußte ihre Reize so sichtbar geltend zu machen, daß manche europäische Dame vom Stande sie darin nicht hätte übertreffen können. Es tat mir leid, daß ich einen solchen Antrag von einem Manne hören mußte, dessen Charakter sich sonst so untadelhaft gezeigt hatte. Potatau war es, der sich so sehr erniedrigen konnte. Wir verwiesen ihm seine Schwachheit und bezeugten unseren Unwillen darüber.

Es war als ein Glück anzusehen, daß die Matrosen schon eine Menge roter Federn auf den Marquesas eingetauscht hatten, denn wären diese Reichtümer alle hierhergekommen, so würden die Lebensmittel ohne Zweifel so hoch im Preis gestiegen sein, daß wir diesmal vielleicht schlechter als beim ersten Aufenthalt daran gewesen wären. Die kleinste Feder wurde weit höher geschätzt als eine Koralle oder ein Nagel, und ein Stück Zeug mit Federn besetzt erregte bei dem, der es empfing, ein solches Entzücken, wie ein Europäer kaum empfinden dürfte, wenn er unverhoffterweise den Diamanten des Großmoguls fände. Potatau brachte seinen großen Kriegshelm an Bord und verkaufte ihn – für rote Federn. Andere folgten seinem Beispiel, und Brustschilder ohne Zahl wurden von den Matrosen eingehandelt. Noch mehr zu verwundern war es, daß die Insulaner sogar die sonderbaren Trauerkleider zum Verkauf brachten, die sie bei Kapitän Cooks erstem Aufenthalt um keinen Preis weggeben wollten. Da sie aus den kostbarsten Produkten des Landes und der See mit vieler Kunst verfertigt sind, so ist es ganz natürlich, daß sie einen sehr hohen Wert darauf legen mußten. Gleichwohl wurden nicht weniger als zehn solcher Trauerkleider von verschiedenen Leuten an Bord aufgekauft und nach Europa gebracht. Gewöhnlich pflegt der nächste Verwandte eines Verstorbenen diese wunderliche Tracht anzuziehen, dabei hat er in der Hand ein paar große Perlmutterschalen, womit er ständig klappert, in der anderen Hand aber führt er einen mit Haifischzähnen besetzten Stock, mit dem er alle Tahitier verwundet, die ihm in den Wurf kommen. Bei unserer Rückkehr waren die Liebhaber ausländischer Seltenheiten auf diese Trauerkleider so begierig, daß unter anderen ein Matrose fünfundzwanzig Guineen dafür bekam.

Am folgenden Morgen wurde ein Tahitier, der bei den Zelten ein Wasserfaß stehlen wollte, ertappt und gefangengesetzt. O-Tu und Tohah, die früh an Bord gekommen waren, begleiteten den Kapitän an Land, um die Bestrafung des Diebes mit anzusehen. Er wurde an einen Pfahl gebunden und bekam mit ihrer Genehmigung vierundzwanzig tüchtige Hiebe. Diese Exekution jagte den dabei versammelten Insulanern einen solchen Schrecken ein, daß sie anfingen davonzulaufen. Tohah aber rief sie zurück und erklärte ihnen in einer kurzen Rede, daß unsere Bestrafung des Diebstahls billig und notwendig sei. Er stellte ihnen vor, Freunde zu bestehlen sei schändlich und verdiene bestraft zu werden. Nachmittags kam eben dieser Tohah mit seiner Frau an das Schiff. Sie war schon bei Jahren und dünkte uns dem äußeren Ansehen nach von ebenso gutem Charakter wie er. Ihr Fahrzeug bestand aus einem großen Doppelkanu, welches ein Verdeck auf dem Hinterteil und acht Ruderer hatte. Die beiden alten Leute baten Herrn Hodges und mich, sie an Land zu besuchen, also stiegen wir in ihr Kanu und fuhren gleich mit nach O-Parre. Unterwegs erkundigte sich Tohah sehr genau nach der Beschaffenheit und Verfassung des Landes, aus dem wir kamen. Da Herr Banks und Kapitän Cook die Vornehmsten unter den Europäern waren, die er gesehen hatte, glaubte er, jener könne wohl nichts Geringeres als des Königs Bruder und dieser müsse wenigstens Großadmiral von England sein. Was wir auf seine Fragen antworteten, hörte er mit Aufmerksamkeit und Verwunderung an, als wir ihm aber sagten, es gebe bei uns weder Kokosnüsse noch Brotfruchtbäume, schien er England bei all seinen sonstigen Vorzügen doch nur für ein schlechtes Land anzusehen. Als wir in seiner Wohnung angelangt waren, ließ er Fische und Früchte auftragen und nötigte uns zu essen. Obgleich wir gerade zu Mittag gespeist hatten, wollten wir seine Einladung doch nicht abschlagen, wir setzten uns also und fanden die Speisen vortrefflich. Die gute Dame speiste nachher, der Gewohnheit des Landes gemäß, in einiger Entfernung. Nach der Mahlzeit gingen wir mit ihnen spazieren und plauderten zusammen bis Sonnenuntergang. Sie fuhren nach dem Distrikt Atahuru, wir aber mieteten für einen Nagel ein Kanu und langten vor Eintritt der Nacht auf dem Schiffe an.

Seit dem Handel mit roten Federn hatte sich die Zahl der Frauenspersonen an Bord ungemein vermehrt, und heute waren sie in solcher Menge gekommen, daß manche, die keinen Galan hatten finden können, sich als überzählig auf dem oberen Deck herumtrieben. Nächst den roten Federn mochte sie noch das Schweinefleisch herbeilocken, denn da die geringeren Leute es selten zu essen bekamen, pflegten die Dirnen sich bei unseren Matrosen, die Überfluß daran hatten, gern zu Gast zu bitten. Oft aber ließen sie es sich so gut schmecken, daß ihre Verdauungskräfte dem Übermaß ihres Appetits nicht gleichkamen, und dann mußten sie es durch unruhige Nächte büßen. Abends pflegten sich diese Frauenzimmer in verschiedene Gruppen zu teilen und auf dem Deck zu tanzen. Ihre Lustigkeit ging oft bis zur Ausschweifung, und gewöhnlich waren sie sehr laut dabei. Mitunter fehlte es ihnen auch nicht an drolligen und originellen Einfallen. Wir hatten zum Beispiel einen Skorbutkranken, der bei unserer Ankunft sehr schwach gewesen, aber durch den Genuß frischer Kräuter bald wieder genesen war und keine Bedenken fand, dem Beispiel seiner Kameraden zu folgen. Er wandte sich an eins der Mädchen und brachte es nach seiner Schlafstelle, wo er ein Licht anzündete. Nun sah sie ihrem Liebhaber ins Gesicht, und da sie gewahr wurde, daß er nur ein Auge hatte, faßte sie ihn stillschweigend bei der Hand, führte ihn wieder an Deck und zu einem Mädchen, dem ebenfalls ein Auge fehlte, und sie fügte hinzu, daß diese sich recht gut für ihn schicke.

Um diese Zeit erfuhren wir, daß Maheine die Tochter eines im Tal Matavai wohnhaften Befehlshabers namens Toperri geheiratet habe. Einer unserer jungen Seeoffiziere rühmte sich, bei der Verheiratung zugegen gewesen zu sein, konnte sich aber keiner der Zeremonien erinnern. Indessen kam Maheine mit seiner Neuvermählten an Bord. Sie war ein sehr junges Mädchen, klein von Statur und nicht sonderlich schön, aber aufs Betteln verstand sie sich vortrefflich. Sie ging durch das ganze Schiff, um sich Geschenke auszubitten, und da ihr Mann allgemein beliebt war, bekam sie Korallen, Nägel, Hemden und rote Federn die Menge. Der neue Ehemann erzählte uns, seine Absicht sei, sich auf Tahiti niederzulassen, denn seine Freunde hätten ihm hier Haus und Garten angeboten. Er war in die Familie eines Eri aufgenommen worden und stand in großem Ansehen. Einer seiner Freunde hatte ihm bereits einen Tautau oder Leibeigenen gegeben, einen Knaben, der ihn bedienen, ihm überall folgen und jederzeit zu Gebote stehen mußte.

Am anderen Morgen kam O-Tu in aller Frühe nach Point Venus und gab dem Sergeanten der dort kampierenden Seesoldaten Nachricht, daß einer seiner Untertanen unserer Schildwache die Muskete gestohlen habe und damit entlaufen sei. Zu gleicher Zeit schickte er an seinen Bruder, der seit gestern abend noch bei uns an Bord war, einen Boten und ließ ihn abrufen. Der König erwartete ihn schon am Strand, und sobald er ankam, flüchteten beide mit den übrigen königlichen Herrschaften nach Westen aus Furcht, man werde die gestohlene Muskete von ihnen fordern. Um sie nun trotzdem wiederzubekommen, wandte Kapitän Cook Repressalien an, wie er schon mehrmals mit Erfolg getan hatte. Er nahm einige Doppelkanus in Beschlag, die verschiedenen vornehmen Leuten und vornehmlich einem gewissen Maratata gehörten, dem man die Schuld gab, er habe einem seiner Leute befohlen, die Muskete zu entwenden. Maratata befand sich in seinem Kanu und suchte dem Embargo durch die Flucht zu entgehen. Als aber Kapitän Cook einige Schüsse auf das Fahrzeug abgeben ließ, sprang er samt seinen Ruderern in die See und schwamm ans Ufer, wir aber nahmen sein Kanu an uns. Gegen Abend kam E-Tih an Bord und zeigte an, der Dieb sei nach der kleinen Halbinsel geflüchtet, worauf die angehaltenen Kanus, das von Maratata ausgenommen, wieder freigegeben wurden. Als Kapitän Cook endlich gegen Abend an Land ging, kamen ihm einige Tahitier ganz außer Atem und von Schweiß triefend entgegen und brachten nicht nur die Muskete, sondern auch ein Bündel Kleider und ein doppeltes Stundenglas mit sich. Sie erzählten, daß sie den Dieb eingeholt, tüchtig verprügelt und gezwungen hätten, ihnen den Ort zu zeigen, wo er die gestohlenen Sachen im Sande verscharrt hatte. So treuherzig sie sich aber auch dabei anstellten, so mochte ihre Erzählung doch wohl nicht ganz stimmen, wenigstens war einer dieser Gesellen noch vor kurzem bei den Zelten gewesen, so daß er unmöglich so weit gelaufen sein konnte, wie sie vorgaben. Indessen stellten wir uns, als ob wir nichts argwöhnten, sondern machten ihnen allerhand Geschenke, damit sie sehen sollten, daß wir Diensteifer jederzeit belohnten.

Am folgenden Tage war der Handel gänzlich eingestellt, es zeigte sich niemand, der etwas zum Verkauf gebracht hätte. Tih war der einzige, der an Bord kam. Er bat, wir möchten den König zu Parre aufsuchen und wieder besänftigen, denn er sei Matau, also ungehalten und in Besorgnis, weshalb man ihn durch einige Geschenke umstimmen müsse. Der Kapitän, Dr. Sparman, mein Vater und ich gingen deshalb zu den Zelten. Wir fanden die Tahitier recht betreten. Der König hatte ihnen ausdrücklich untersagt, Lebensmittel an uns zu verkaufen, gleichwohl konnten sie es nicht übers Herz bringen, uns nicht mit Kokosnüssen und anderen Erfrischungen zu bewirten. Gegen Mittag kamen wir wieder an Bord zurück und fanden dort den Kapitän, der in der Zwischenzeit bei dem König alles wieder gutgemacht hatte. Diese Nacht mußten die Matrosen sich ohne ihre gewöhnliche Gesellschaft zurechtfinden. Der König hatte es den Frauenspersonen verboten, damit durch die Diebereien nicht neue Händel entstehen könnten. Am folgenden Tage hatten sie sich hingegen schon wieder die Erlaubnis erwirkt, an Bord zu kommen, und mit ihnen langten auch wieder eine Menge Kanus mit Früchten und Fischen an.

Das Gerücht von unseren roten Federn hatte sich bis nach Paparra, dem Wohnsitz der Oberea, verbreitet. Sie kam an Bord und brachte dem Kapitän zwei Schweine. Sie machte kein Geheimnis daraus, daß sie nur gekommen sei, um sich einige Federn auszubitten. Sie mochte jetzt zwischen vierzig und fünfzig Jahre alt sein, war groß und stark, und ihre Gesichtszüge hatten ein ziemlich männliches Aussehen bekommen. Doch bemerkte man in ihrer Physiognomie noch immer Spuren von ehemaliger Majestät. Sie blieb nicht lange bei uns, vielleicht weil es ihr wehe tat, in unseren Augen nicht mehr so viel wie vormals zu bedeuten. Sie begnügte sich, nach einigen ihrer Freunde, die vor einigen Jahren auf dem Schiffe »Endeavour« hier gewesen waren, zu fragen, dann ließ sie sich wieder an Land bringen. Um eben die Zeit besuchte uns auch ihr voriger Gemahl O-Ammo, dem noch weniger Achtung widerfuhr als der Oberea. Da die Matrosen ihn nicht kannten, hatte man ihm sogar den Zutritt zur Kapitänskajüte verweigert, und er hatte sogar Mühe, seine Schweine anzubringen, denn wir hatten jetzt fast mehr an Bord, als wir unterbringen konnten. Ammo und Oberea, die sich vor weniger Zeit noch auf dem Gipfel der Ehre befanden, waren jetzt tief herabgesunken, lebendige Beispiele von der Unbeständigkeit aller irdischen Größe.

Am 12. suchten wir dem König allerlei Abwechslung zu bieten. Wir feuerten unsere scharfgeladenen Kanonen ab, so daß die Kugeln und Kartätschen über das Riff hinweg ins Meer schlugen, welches für ihn und einige tausend Zuschauer ein bewunderungswürdiges Schauspiel war. Bei Anbrach der Nacht ließen wir Raketen und Luftkugeln steigen, worüber sie noch mehr Vergnügen und Erstaunen zeigten. Sie wußten nicht, was sie dazu sagen sollten, daß wir Blitze und Sterne hervorbringen konnten. Unserem Feuerwerk gaben sie den hochtönenden Namen »Hiva Bretanni«, das britische Fest.

Am folgenden Tage war der Zulauf ungewöhnlich groß. Man hatte bemerkt, daß wir zur Abreise rüsteten, daher brachten sie statt Lebensmitteln lauter Zeug und andere Seltenheiten, die am teuersten bezahlt wurden. Nachmittags gingen wir mit Kapitän Cook nach O-Parre und fanden dort unseren würdigen Freund Tohah und Maheine. Tohah war an einer Art Gicht sehr krank gewesen und klagte noch über Schmerzen und eine Geschwulst an den Füßen. Trotzdem hatte er sich auf den Weg gemacht, um Abschied von uns zu nehmen, und er versprach uns, morgen noch einmal an Bord zu kommen. O-Tu war gleichfalls da und ließ verlauten, daß er uns einen Vorrat an Brotfrucht zugedacht habe, womit uns damals mehr als mit Schweinen gedient war. Am 14. Mai morgens bekamen wir von vielen Vornehmen der ganzen Insel Besuch. Happai und alle seine Kinder, O-Tu ausgenommen, waren darunter, und um acht Uhr langte auch Tohah mit seiner Frau an und hatte eine ganze Bootsladung von Geschenken bei sich. Der gute alte Admiral befand sich aber so übel, daß er nicht auf den Beinen stehen konnte, deshalb ließen wir ihn in einem an Tauen befestigten Tragsessel an Deck winden. Wir nahmen Gelegenheit, das Gespräch auf die bevorstehende Expedition nach der Insel Eimeo zu lenken, und er versicherte uns, daß sie bald nach unserer Abfahrt vor sich gehen werde und daß seine Unpäßlichkeit ihn nicht abhalten würde, die Flotte zu kommandieren. Maheine, der mit ihm an Bord gekommen war, entschloß sich kurz, mit uns nach Raietea zu gehen, um seine Verwandten der Reihe nach zu besuchen und dann nach Tahiti zurückzukehren. Er erzählte uns mit einer Art von Prahlerei, aber im Vertrauen, daß er vorige Nacht bei Oberea die Aufwartung gemacht habe, er zeigte uns auch einige Stücke feinen Zeugs, die sie ihm für treu geleistete Dienste geschenkt habe. Oberea war also für die Freuden der Sinnlichkeit noch immer nicht zu alt, ungeachtet in diesem Klima die Weiber früher reifen und auch früher alt und stumpf werden sollen als bei uns zu Lande.

Da O-Tu nicht an Bord gekommen war, statteten wir ihm noch einen Besuch ab und sahen bei dieser Gelegenheit eine Anzahl von Kriegskanus am Gestade von O-Parre vor Anker. O-Tu ließ in unserer Gegenwart einige Manöver ausführen, die mit der größten Fertigkeit vonstatten gingen. Die Befehlshaber waren alle in Kriegsausrüstung mit Brustschildern, aber ohne Helme. Wir fanden auch einige ganz junge Knaben dabei, die als Krieger gekleidet waren und ebenso geschickt mit dem Speer umzugehen wußten wie die Erwachsenen. Einige Kanus mußten auch Manöver im Rudern machen. Sie passierten eins nach dem anderen die schmale Durchfahrt im Felsenriff, und sobald sie hindurch waren, formierten sie eine Linie und schlossen dicht aneinander. Beim Anblick der tahitischen Flotte fiel uns die Seemacht der alten Griechen ein. Das einzige abgerechnet, daß die Griechen Metalle hatten, mochten ihre Waffen sonst wohl ebenso einfach, und ihre Art zu fechten, ebenso unregelmäßig sein wie die tahitischen, was auch Vater Homer, als Dichter, nur immer daran verschönern mag. Die vereinte Macht von ganz Griechenland, die ehemals gegen Troja in See ging, konnte nicht viel beträchtlicher sein als die Flotte, mit welcher O-Tu die Insel Eimeo anzugreifen gedachte, und ich kann mir die mille carinae nicht viel furchtbarer vorstellen als eine Flotte tahitischer Kriegskanus, deren eins fünfzig bis hundertzwanzig Ruderer erfordert. Die Schiffahrt der alten Griechen erstreckte sich nicht viel weiter als heutzutage die tahitische. Von einer Insel stach man zur anderen hinüber, das war alles. Die damaligen Seefahrer im Archipelagus richteten bei der Nacht ihren Lauf nach den Sternen, und so machen es die auf der Südsee noch jetzt. Die Griechen waren tapfer, und daß es die Tahitier nicht minder sein müssen, beweisen die vielen Narben ihrer Befehlshaber. Auch scheint es mir sehr wahrscheinlich zu sein, daß man sich hierzulande, wenn es zu einer Schlacht kommen soll, in eine Art von Raserei zu versetzen sucht, daß also die Bravour der Tahitier nur eine Art von künstlich erregtem Grimm ist. Und wie uns Homer die Schlachten der Griechen beschreibt, scheint es, daß jener Heroismus, der alle die von ihm besungenen Wunder hervorbrachte, im Grunde auch nichts anderes war.

Wir wollen einmal diese Parallele weiter verfolgen. Homers Helden werden als übernatürlich große und starke Leute geschildert, auf eben die Art haben die tahitischen Befehlshaber, der Statur und schönen Bildung nach, so viel dem gemeinen Mann voraus, daß sie fast eine ganz andere Art von Menschen zu sein scheinen. Natürlicherweise wird eine mehr als gewöhnliche Menge von Speisen dazu erfordert, um einen mehr als gewöhnlich großen Magen zu füllen. Daher rühmt der griechische Dichter von seinen trojanischen Helden, daß sie gar stattliche Mahlzeiten gehalten, und eben das läßt sich auch von den tahitischen Befehlshabern sagen. Überdies haben beide Nationen gemeinsam, daß sie eine wie die andere am Schweinefleisch Geschmack finden. Beide stimmen in der Einfalt der Sitten überein, und ihre Charaktere sind durch Gastfreiheit, Menschenfreundlichkeit und Gutherzigkeit fast in gleichem Grade vor anderen ausgezeichnet. Sogar in ihrer politischen Verfassung findet sich eine Ähnlichkeit. Die Eigentümer der tahitischen Distrikte sind mächtige Herren, die gegen O-Tu nicht mehr Ehrerbietung haben wie die griechischen Helden gegen ihren Agamemnon, und vom gemeinen Mann ist in der Iliade so wenig die Rede, daß er bei den Griechen von keiner größeren Bedeutung gewesen zu sein scheint wie die Tautaus in der Südsee. Die Ähnlichkeit beider Völker ließe sich meines Erachtens wohl noch in mehreren Stücken sichtbar machen, allein es war mir nur darum zu tun, sie durch einen Wink anzudeuten.

O-Tu kam zu uns an Bord, um noch zu guter Letzt bei uns zu speisen. Er schlug meinem Vater und Herrn Hodges vor, auf Tahiti zu bleiben, und versprach ihnen, sie in den reichen Distrikten von O-Parre und Matavai zu Eris zu machen. Doch kann man sich wohl denken, daß kein Gebrauch davon gemacht wurde. Nach dem Mittagessen lichteten wir den Anker und gingen unter Segel. O-Tu bat den Kapitän, einige Kanonen abzufeuern, und hielt bis auf den letzten Mann bei uns aus. Als seine Untertanen alle fort waren, nahm auch er Abschied und umarmte uns einen nach dem anderen recht herzlich. Das betäubende Getöse der Kanonen hinderte uns gewissermaßen, in jene Traurigkeit zu sinken, die bei solchen Gelegenheiten wohl zu folgen pflegt, oder einer sanften Wehmut nachzuhängen, zu der wir bei der Trennung von diesem gutgesinnten, sanften Volke berechtigt waren.

Einer unserer Seeleute suchte sich diese unruhigen Augenblicke zunutze zu machen, um nach der Insel zu entwischen. Man wurde ihn aber gewahr, als er hinüberschwamm, und sah zugleich einige Kanus heranrudern, die ihn aufnehmen wollten. Der Kapitän ließ ihm gleich durch eins unserer Boote nachsetzen, ihn mit Gewalt zurückbringen und zur Strafe vierzehn Tage in Ketten legen. Allem Anschein nach war die Sache zwischen ihm und den Insulanern verabredet, denn sie hätten ebensoviel Nutzen davon gehabt, einen Europäer unter sich zu haben, wie dieser gefunden haben würde, wenn er unter ihnen blieb. Wenn man erwägt, wie groß der Unterschied zwischen dem Leben eines gemeinen Matrosen an Bord und dem Leben eines Insulaners besteht, dann läßt sich leicht einsehen, daß es jenem nicht zu verdenken war, wenn er einen Versuch wagte, den Mühseligkeiten einer Reise um die Welt zu entgehen und ein sorgenfreies Leben in dem herrlichsten Klima der Welt zu genießen. Wie aber ist beim Tahitier alles ganz anders! Zwei oder drei Brotfruchtbäume, die fast ohne alle Handanlegung fortkommen und fast ebenso lange tragen als der, der sie gepflanzt hat, leben kann, drei solche Bäume reichen aus, ihm drei Viertel des Jahres hindurch Brot und Unterhalt zu geben. Selbst die Pflanzen, die die meiste Kultur erfordern, nämlich der Papierbaum, der Maulbeerbaum und die Arumwurzeln, kosten einen Tahitier nicht mehr Arbeit als uns unser Kohlbau. Die ganze Kunst, einen Brotfruchtbaum zu ziehen, besteht darin, daß man einen gesunden Zweig abschneidet und in die Erde steckt. Der Pisang sprießt alle Jahre frisch aus der Wurzel, die königliche Palme, der goldene Apfel und eine Menge anderer Pflanzen, sie alle schießen von selbst auf und erfordern so wenig Wartung, daß ich sie fast als wildwachsend ansehen möchte. Die Zubereitung des Kleidungszeuges, womit sich die Frauen allein abgeben, ist mehr als Zeitvertreib denn als Arbeit anzusehen; und so mühsam der Haus- und Schiffbau, sowie die Verfertigung der Waffen und des Handwerkszeugs auch immer sein mögen, so verlieren sie doch dadurch viel von ihrer Beschwerlichkeit, daß jeder sie nur zu seinem eigenen Nutzen und freiwillig übernimmt. Auf solcherlei Art fließt das Leben der Tahitier in einem beständigen Kreislauf von mancherlei reizendem Genüsse dahin. Sie bewohnen ein Land, wo die Natur mit schönen Gegenden sehr freigiebig gewesen, wo die Luft ständig warm, aber durch frische Seewinde stets gemäßigt und der Himmel fast ständig heiter ist. Ein solches Klima und die gesunden Früchte verschaffen den Bewohnern Stärke und Schönheit des Körpers. Sie sind alle wohlgestaltet und von schönem Wuchs, so daß Phidias und Praxiteles manchen zum Modell männlicher Schönheit gewählt haben würden. Ihre Gesichtsbildungen sind angenehm und heiter, große Augen, gewölbte Augenbrauen und eine vorstehende Stirn geben ihnen ein edles Aussehen, das durch einen starken Bart- und Haarwuchs noch mehr erhöht wird. Alles das und die Schönheit ihrer Zähne sind sprechende Kennzeichen ihrer Gesundheit und Kraft. Das andere Geschlecht ist nicht minder wohlgebildet. Man kann zwar die hiesigen Frauen nicht regelmäßige Schönheiten nennen, sie wissen aber doch das Herz der Männer zu gewinnen und erwerben sich durch ungezwungene, natürliche Freundlichkeit und durch ihr stetes Bestreben zu gefallen die Zuneigung und Liebe unseres Geschlechts.

In der Lebensart der Tahitier herrscht eine glückliche Einförmigkeit. Mit Aufgang der Sonne stehen sie auf und eilen sogleich zu Bächen und Quellen, um sich zu waschen und zu erfrischen. Dann arbeiten sie oder gehen umher, bis die Hitze des Tages sie nötigt, in ihren Hütten oder im Schatten der Bäume auszuruhen. In diesen Erholungsstunden bringen sie ihren Kopfputz in Ordnung, sie streichen das Haar glatt und salben es mit wohlriechendem Öl, zuweilen blasen sie auch die Flöte und singen dazu, oder sie ergötzen sich, im Grase ausgestreckt, am Gesang der Vögel. Um Mittag ist ihre Tischzeit, und nach der Mahlzeit gehen sie wieder an die Arbeit oder an ihren Zeitvertreib. Bei allem, was sie tun, zeigt sich gegenseitiges Wohlwollen, und ebenso sieht man auch die Jugend in Liebe untereinander und in Zärtlichkeit zu den Ihrigen aufwachsen. Munterer Scherz, ungekünstelte Erzählungen, fröhlicher Tanz und ein mäßiges Abendessen bringen die Nacht heran, und dann wird der Tag durch abermaliges Baden im Flusse beschlossen.


 << zurück weiter >>