Georg Forster
Entdeckungsreise nach Tahiti und in die Südsee 1772-1775
Georg Forster

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18. Kapitel

Reise von den Gesellschafts-Inseln nach den Freundschaftlichen Inseln

Bei unserer Abfahrt von Raiatea feuerten wir dem Geburtstag Sr. Majestät des Königs zu Ehren einige Kanonen ab, welches für die Insulaner ein neues Schauspiel zu sein schien. Während der sechs Wochen auf den Sozietäts-Inseln hatten wir uns von Gallenkrankheiten und Skorbut völlig erholt, dagegen kamen nun die venerischen zum Vorschein. Fast die Hälfte der Matrosen wurde von dieser häßlichen Krankheit angesteckt, doch war sie im ganzen genommen nicht so bösartig wie in Europa. Maheine hat uns oft versichert, daß sie auf Tahiti und den Nachbarinseln schon eingerissen gewesen sei, ehe Kapitän Wallis im Jahre 1768 dorthin kam, und er behauptete, daß seine eigene Mutter einige Jahre zuvor auf Borabora an dieser Krankheit gestorben sei. So wäre also der Ausbruch der Krankheit in verschiedenen Teilen der Welt bisher einer ganz unrichtigen Ursache zugeschrieben worden. Seit fast dreihundert Jahren haben unsere Moralisten auf die Spanier geschimpft, weil ihnen die Schuld gegeben wurde, die Seuche aus Amerika zu uns gebracht zu haben, doch ist jetzt erwiesen, daß wir sie in Europa kannten, ehe Amerika entdeckt war. Ebenso übereilt haben auch die englischen und französischen Seefahrer einander vorgeworfen, daß diese fürchterliche Krankheit durch einen von ihnen unter die gutherzigen Tahitier gebracht worden sei, da diese doch schon lange vorher davon angesteckt gewesen sind und sie sogar zu heilen wissen. Ja noch mehr, das Gift scheint hier bereits ebensosehr entkräftet zu sein, als es in Südamerika ist. Die Ausschweifungen unserer Matrosen auf Tongatabu, den Marquesas-Inseln und der Osterinsel hatten keine üblen Folgen. Daraus läßt sich vielleicht schließen, daß diese Inseln zur Zeit noch nicht verseucht sind; ich sage vielleicht, denn solche Folgerungen können dennoch trügen. Dies beweist Kapitän Wallis' Beispiel. Er verließ Tahiti, ohne einen einzigen venerischen Patienten an Bord zu haben, gleichwohl war die Krankheit schon zuvor eingerissen. Daß auch die Neuseeländer diese Krankheit gehabt haben, ehe die Europäer kamen, ist wohl ebenfalls außer allem Zweifel.

Nachmittags passierten wir die Insel Maurua und steuerten mit einem guten Passatwind nach Westen. Am folgenden Tage änderte sich der Wind, und den ganzen Nachmittag hatten wir Blitz, Donner und heftige Regengüsse. An den nächsten drei Tagen war der Wind so schwach, daß wir fast nicht von der Stelle kamen. Die Matrosen fingen einen großen Hai an der Angel, aber zu ihrem größten Leid entging er ihnen wieder, obschon sie ihm drei Kugeln in den Leib gejagt hatten. Am 20. nachmittags kam eine bergige Insel in Sicht, und wir segelten in einer Entfernung von zwei Meilen daran entlang. Um zehn Uhr wurden wir sieben bis acht Leute gewahr, die am Strand umherliefen. Jeder hielt einen Spieß, eine Keule oder eine Ruderschaufel in der Hand. Wir sahen kleine Kanus auf den Strand gezogen, und auf den Felshängen standen einige Kokospalmen. Das war schon Einladung genug, hier zu landen. Also wurden zwei Boote in See gesetzt, bewaffnet und bemannt, und der Kapitän, Dr. Sparman, Herr Hodges, mein Vater und ich gingen nach dem Ufer ab. Ein Korallenriff lief vor der Küste her, aber wir fanden bald einen Durchlaß, wo wir an Land gingen. Wir ließen einige Soldaten und Matrosen auf Posten und kletterten auf die nächste Felsenklippe. Wir mochten hundertfünfzig Schritte durch das Gesträuch gegangen sein, als wir die Eingeborenen laut rufen hörten. Dies bewog uns, nach der Felsenklippe zurückzukehren. Wir riefen nun in allen uns bekannten Südseesprachen, daß wir Freunde seien und daß sie zu uns an den Strand kommen möchten. Endlich kam einer von ihnen zum Vorschein. Er hatte den Oberleib bis an die Hüften schwarz gefärbt, trug einen Kopfputz aus Federbüschen und hielt einen Speer in der Hand. Bald sprang ein zweiter hervor und warf einen Stein nach uns. Er zielte so gut, daß Dr. Sparman eine sehr empfindliche Kontusion am Arm davontrug, obschon er wenigstens fünfzig Schritte entfernt stand. Er ließ sich durch den heftigen Schmerz verleiten, einen Schrotschuß abzugeben, der aber zum Glück nicht traf. Darauf verschwanden die beiden Eingeborenen und kamen auch nicht wieder zum Vorschein.

Wir ruderten weiter den Strand entlang und kamen endlich an eine Stelle, wo der Zugang zum Land etwas freier war. Wir fanden hier vier Kanus auf den Strand gezogen. Der Kapitän legte in jedes einige Geschenke für die Eigentümer, während er aber noch damit beschäftigt war, sah ich einen Trupp Insulaner den Weg herabkommen. Zwei von ihnen liefen unter wütendem Geschrei auf uns los und schwenkten ihre Speere. Der Kapitän wollte auf sie feuern, aber das Gewehr versagte. Er bat uns, ebenfalls Feuer zu geben, aber es erging uns wie ihm. Die Insulaner, die nun noch mehr Mut bekommen hatten, warfen zwei Speere nach uns. Der eine hätte den Kapitän um ein Haar getroffen, aber er bückte sich zur rechten Zeit. Der andere fuhr mir so dicht an der Lende vorbei, daß die schwarz Farbe, womit er beschmiert war, mir das Kleid beschmutzte. Nach einigen weiteren Versuchen ging meine Flinte endlich los. Ich hatte zwar nur mit Schrot geladen, traf meinen Mann aber richtig. Nun fing die auf dem Felsenriff postierte Mannschaft ein Pelotonfeuer an, das anhielt, solange einer von den Insulanern zu sehen war. Zwei von ihnen hielten besonders lange stand. Endlich mußte einer verwundet worden sein, denn sie ergriffen unter gräßlichem Geheul die Flucht.

Nun gingen wir in die Boote zurück und wollten mit diesen Leuten nichts mehr zu schaffen haben. Die Natur selbst scheint sie schon dadurch, daß sie ihr Land fast unzugänglich machte, zur Ungeselligkeit verurteilt zu haben. Die Boote und Waffen der Eingeborenen gleichen denen von Tongatabu. Die Bewohner beider Inseln scheinen also gleichen Ursprungs zu sein, doch ist die Zahl der hiesigen nur gering, und sie sind auch noch sehr ungesittet, wild und gehen nackt. Die Insel mag ungefähr drei Meilen lang sein. Sie liegt unter dem 19. Grad s.Br. und dem 169. Grad 37 Sekunden w.L. und bekam von uns den Namen Wildes Eiland (Savage Island).

Sobald wir wieder an das Schiff gelangten, wurden die Boote eingenommen, und am folgenden Morgen segelten wir weiter. Ein großer Wal mit hoher Rückenflosse schnaubte nahe beim Schiff mit viel Getöse das Wasser in die Höhe, und Vögel und Fische machten wie gewöhnlich unsere Begleitung aus. Da wir um diese Zeit nicht weit von Anamoka oder der Insel Rotterdam zu sein glaubten, die von Tasman im Jahre 1643 entdeckt wurde, ließ der Kapitän in der Nacht die Segel einnehmen. Bei Tagesanbruch lag das Land vor uns. Es bestand aus mehreren niedrigen Inseln, die zusammen von einem großen Riff umgeben waren. Als wir noch eine Meile vom Land entfernt waren, kam uns schon ein Kanu entgegen. Obschon nur zwei Leute darin saßen, ruderten sie mutig auf uns zu, da das Schiff aber schneller war als ihr Boot, kehrten sie zurück.

Am folgenden Tag segelten wir zwischen den Inseln und Riffen durch, in deren Bezirk die See ganz ruhig war. Gegen Mittag ließ der Wind nach, und dies machten sich einige Insulaner zunutze. Sie brachten ihre Kanus zu Wasser und ruderten so scharf, daß sie binnen einer Stunde bei dem eine Seemeile entfernten Schiff waren. Sie schickten uns einige Büschel Pisangs und schmackhafte Pampelmusen an Deck und fügten einen Stengel voll roter Palmnußfrüchte oder Pandangs bei, die hier als Freundschaftszeichen gelten. Nach diesen Präliminarien verkauften sie uns ihren ganzen Vorrat an Früchten und kamen hierauf selbst an Bord. Mittlerweile langten auch die übrigen Kanus an, und die Insulaner überließen uns ihre Waren mit so großem Zutrauen, als ob wir uns schon lange gekannt hätten.

Sobald sich der Wind wieder erhob, segelten wir nach Namoka und gelangten an die Westseite dieser Insel, wo ehemals auch Tasman vor Anker gelegen hatte. Als wir den Anker auswarfen, erhaschte ein Insulaner das Senkblei und riß es von der Leine. Man bat ihn, es wieder herauszugeben, aber er hörte nicht auf den Kapitän, und so wurde die Forderung etwas nachdrücklicher, nämlich durch eine Ladung Schrot unterstützt. Nun war er auf einmal folgsam und knüpfte das Lot an einen über Bord hängenden Strick. Damit waren aber seine Landsleute noch nicht zufrieden, sie warfen ihn aus dem Kanu, so daß er sich durch Schwimmen an Land retten mußte und von dem Tauschhandel ausgeschlossen blieb, den sie nun eifrig fortsetzten.

Am folgenden Morgen ging Kapitän Cook in der sandigen Bucht an Land, die Tasman so genau beschrieben hat. Er erkundigte sich, ob in dieser Gegend Trinkwasser zu finden sei, worauf man ihn zu dem gleichen Teich führte, aus dem auch Tasman Wasser eingenommen hatte. Unterwegs kaufte er ein junges Schwein und hatte zugleich Gelegenheit, die Gastfreiheit der Insulaner von einer besonderen Seite kennenzulernen, indem eins der schönsten Mädchen ihm zum freundlichen Willkommen galante Anträge machte. Er verbat sich dies aber recht höflich und eilte, sobald er eine zum Wasserfüllen geeignete Stelle gefunden hatte, nach dem Schiff zurück. Hier hatte sich in der Zwischenzeit eine Menge Kanus voller Frauensleute versammelt. Da aber der Kapitän streng angeordnet hatte, daß keiner, der mit venerischen Krankheiten behaftet oder erst vor kurzem davon geheilt war, an Land gehen, also auch keine Frauenspersonen auf das Schiff gelassen werden sollten, so mußten all diese Dirnen, nachdem sie lange vergebens hin und her gerudert waren, ganz unverrichteterdinge wieder abziehen.

Kaum merkten die Eingeborenen, daß uns mit Lebensmitteln gedient sei, so drängten sich ganze Scharen von Verkäufern herbei und überschrien einander dermaßen, daß wir uns dem Getümmel des Marktplatzes entzogen und weiter ins Land zu kommen suchten. Der Weg ging über Wiesengrund und war zum Teil mit Bäumen besetzt, zum Teil auch von blühenden, wohlriechenden Büschen überwölbt. Wir kamen an einer Menge Wohnhäuser vorbei, fanden aber nur selten Leute darin, weil die meisten sich nach dem Marktplatz begeben hatten. Diejenigen aber, die wir antrafen, leisteten uns gute Dienste, sie führten uns auf der Insel herum, kletterten auf die höchsten Bäume, um uns Blüten zu verschaffen, und holten die Vögel, die wir geschossen hatten, aus dem Wasser. Sie bewirteten uns mit Pampelmusen und Kokosnüssen, trugen uns nach, was wir eingesammelt hatten, und hielten sich für reichlich belohnt, wenn wir ihnen am Ende einen Nagel, eine Koralle oder ein Stückchen Zeug schenkten.

Gegen Mittag kamen wir wieder nach dem Marktplatz zurück, wo Kapitän Cook unterdessen einen großen Vorrat von Früchten und Wurzeln, etliche Hühner und ein paar Ferkel eingekauft hatte. Auch an Waffen und Hausrat wurden uns ganze Bootsladungen zugeführt. Beim Mittagessen bemerkten wir, daß einer von uns am Ufer zurückgeblieben und von Insulanern umringt war. Er gab durch Zeichen zu erkennen, daß ihn ein Boot abholen solle. Gleichwohl nahm es niemand ernst, bis endlich nach der Mahlzeit einige Matrosen des Einkaufs wegen an Land gingen. Sie sahen, daß es unser Wundarzt Dr. Patton war, und nahmen ihn gleich an Bord. Er hatte bei Gefahr für sein Leben erfahren müssen, daß es auch unter diesem gutherzigen Volk einzelne Bösewichter gab. Er hatte, von einem Insulaner auf der Insel herumgeführt, elf Enten geschossen, die sein Begleiter ihm treulich nachtrug. Als er zum Marktplatz zurückkam, waren unsere Leute bereits sämtlich zum Schiffe zurückgekehrt. Er stieg also auf die Felsenklippe, wo wir ihn von Bord aus bemerkt hatten. Mittlerweile wollte sein Begleiter unbemerkt einige Enten von sich werfen, als aber Herr Patton sich danach umsah, nahm er sie wieder auf. Nun aber drängten die Insulaner immer dichter auf ihn ein, doch hielt der Anblick des Gewehrs sie noch in Respekt. Um nun durch List zu erlangen, was durch Gewalt nicht tunlich schien, veranlaßten sie einige Weiber, ihn durch wollüstige Gebärden an sich zu locken, seine Lage aber war viel zu gefährlich, als daß damit das geringste wäre auszurichten gewesen.

Da sah Herr Patton ein Kanu vom Schiff zurückkommen, er bot also dem Eigentümer seinen letzten Nagel an, wenn er ihn an Bord bringen werde. Schon war er im Begriff, ins Kanu zu steigen, als man ihm seine Vogelflinte entriß, die Enten bis auf drei wegnahm und das Kanu fortschickte. Da die Insulaner ihn nun gänzlich wehrlos sahen, fingen sie an, ihm der Reihe nach die Kleider zu nehmen, wobei sie ihn aufs neue mit ihren Waffen bedrohten. In der größten Angst fühlte er in seinen Taschen herum, fand aber nichts als ein Zahnstocher-Etui. Dies machte er auf und hielt es wie ein Terzerol dem Trupp entgegen, der sich auch vor dem unbekannten Ding ein paar Schritte zurückzog. Er fing aber bereits an, sein Leben aufzugeben, als eine junge Insulanerin ihn in Schutz nahm. Mit fliegenden Haaren trat sie aus dem Gedränge zu ihm. Güte und zärtliches Mitleid waren so deutlich in ihren Mienen zu lesen, daß er alles Gute von ihr erhoffen durfte. Sie reichte ihm eine Pampelmuse, die er mit Begierde und Dank annahm.

Endlich stießen die Boote vom Schiff ab, und sobald die Insulaner dies gewahr wurden, stoben sie eiligst auseinander. Nur seine Beschützerin und ein alter Mann, ihr Vater, blieben unbesorgt bei ihm sitzen. Sie fragte ihn nach seinem Namen, und als er sich dem tahitischen Dialekt gemäß Patine genannt hatte, versprach sie ihm, diesen Namen künftig zu führen, veränderte ihn aber in Patsine. Beim Abschied beschenkte er sie und ihren Vater mit allerlei Kleinigkeiten, die er von den Matrosen borgte. Bei seiner Rückkunft erstattete er dem Kapitän Bericht, bekam aber keinen anderen Bescheid, als daß ihm recht geschehen sei, er hätte den Eingeborenen nicht trauen sollen.

Am folgenden Morgen entdeckten wir in Nordwest einige Inseln, die wegen des nebligen Wetters bisher nicht zu sehen gewesen waren. Die beiden westlichsten schienen bergig, die dritte aber dem Umfang nach die größte zu sein. Von dieser stieg ein dicker Rauch empor, und in der Nacht hatten wir in derselben Gegend Feuer bemerkt. Die Insulaner berichteten uns, daß dies Feuer ständig zu sehen sei, wir vermuteten also, daß es von einem Vulkan herrühren müsse. Sie nannten dies Eiland Tofua und die dabei liegende Insel mit dem spitzen Berge E-Ghao. Nordwärts von diesen beiden Inseln konnten wir dreizehn flache Eilande unterscheiden, deren Namen uns die Eingeborenen der Reihe nach herzusagen wußten.

Nach dem Frühstück eilten wir von neuem an Land. Die erste Pflanze, die wir fanden, war eine schöne Lilienart (Crinum asiaticum), und wir trafen noch mehr dergleichen schätzbare Blumen an. Unser Weg brachte uns an den Wasserplatz, wo die Wasserfässer gefüllt wurden. Leutnant Clerke, der hier das Kommando hatte, erzählte uns, daß ein Insulaner ihm mit großer Behendigkeit die Muskete weggeschnappt habe und damit entronnen sei. Während wir hier nach Pflanzen suchten, dünkte es uns, als ob drei Kanonenschüsse abgefeuert würden, deren Schall durch die Bäume sehr gedämpft wurde. Als wir zum Wasserplatz zurückkamen, eilte uns der Lotse Gilben entgegen und erklärte uns, die Kanonenschüsse seien abgegeben worden, um uns wegen eines mit den Insulanern entstandenen Streites zurückzurufen. Der Kapitän stand auch schon mit einem Kommando Seesoldaten in der Nachbarschaft. Wir vermuteten, daß der Streit wegen des Gewehrs von Leutnant Clerke entstanden sei, aber er hatte in einer unbedeutenden Kleinigkeit seine Ursache. Unser Böttcher hatte nämlich bei der Ausbesserung der Wasserfässer nicht genug auf sein Handbeil achtgegeben, und ein Insulaner die Gelegenheit genutzt und war damit entlaufen. Um nun dies kostbare Instrument, wovon gleichwohl noch ein Dutzend auf dem Schiffe vorrätig waren, wieder herbeizuschaffen, ließ der Kapitän ein paar Doppelkanus in Beschlag nehmen, obschon diese Fahrzeuge nicht einmal hiesigen Insulanern gehörten, sondern des Handels wegen von anderen Inseln gekommen waren. So befremdlich aber dies Verfahren auch den Eingeborenen vorkommen mußte, hatte es doch den Nutzen, daß Leutnant Clerkes Gewehr auf der Stelle zurückgebracht wurde. Um nun auch das Böttcherbeil wiederzubekommen, mußte noch ein Kanu konfisziert werden. Der Eigentümer verteidigte sein Eigentum, indem er einen Speer ergriff und damit auf den Kapitän zielte. Dieser schoß ihm jedoch eine Ladung Hagel durch die Faust und durchs Bein, so daß er zu Boden stürzte. Damit noch nicht zufrieden, wurde Befehl gegeben, vom Schiff aus drei Kanonen gegen die höchste Spitze der Insel abzufeuern. Nun dachten wir, die Insulaner würden sich eiligst entfernen, aber im Vertrauen auf ihre Unschuld blieben sie am Strande, ja einige Kanus ruderten nach wie vor um das Schiff herum.

Wir waren noch nicht lange zu dem Kapitän und seinem Kommando gestoßen, als die Veranlassung alles Unheils, das Böttcherbeil, wieder abgeliefert wurde. Eine Frau, die einiges Ansehen zu haben schien, hatte mehrere Leute ausgeschickt, und diese brachten nicht nur dies Stück, sondern auch eine Patronentasche und Herrn Pattons Vogelflinte zurück. Bald darauf trugen einige Insulaner ihren verwundeten Landsmann auf einem Brett zu uns. Man schickte gleich nach dem Wundarzt Patton. Die Eingeborenen kamen nun nach und nach wieder, und die Frauen ließen es sich besonders angelegen sein, Ruhe und Frieden wiederherzustellen, doch schienen ihre schüchternen Blicke uns anzuklagen, daß wir zu grausam mit ihnen umgegangen seien. Endlich setzten sich ihrer fünfzig oder mehr auf den grünen Rasen und winkten, daß wir neben ihnen Platz nehmen möchten. Jede dieser Schönen hatte ein paar Pampelmusen mitgebracht, die sie mit freundlicher Gebärde unter uns austeilte. Unterdessen war der Schiffsarzt mit den Instrumenten angelangt und verband den verwundeten Insulaner. Als er mit der Bandage fertig war, legten die Eingeborenen noch Pisangblätter darüber, und so überließen wir ihn ihrer eigenen Kurmethode.

Das Volk war auf dieser Insel ebenso friedfertig und dabei ebenso gewinnsüchtig wie auf Tongatabu. Sie trugen uns unsere Übereilung nicht nach und fuhren ungestört fort, am Schiffe Handel zu treiben. Sie fanden besonderes Wohlgefallen an jungen Hunden, wovon wir auf den Sozietäts-Inseln eine große Anzahl an Bord genommen hatten, um sie auf anderen Inseln einzuführen. Die gewöhnlichen Kanus waren nur klein, aber sauber gearbeitet. Die Kanus von benachbarten Inseln waren ansehnlicher und je zwei durch Querbalken zusammengekoppelt, so daß in manchen wohl fünfzig Mann Platz hatten. In der Mitte stand meist eine Hütte, in deren Mitte eine Öffnung in den Bauch des Kanus führte. Die Masten bestanden aus starken Bäumen, die niedergelegt werden konnten. Die Segel waren groß und dreieckig, taugten aber wenig zum Lavieren. Statt der Anker hatten sie am Ende eines starken Taus etliche große Steine be- festigt, die vermöge ihrer Schwere das Schiff anhielten.

Am folgenden Morgen lichteten wir die Anker und steuerten nach dem Eiland Tofua, auf welchem wir auch in dieser Nacht das Feuer des Vulkans wieder wahrgenommen hatten. Eine ganze Flotte von Kanus begleitete uns meilenweit, um noch Kleider und Hausrat anzubringen. Einige brachten uns auch Fische, die durchgehend sehr wohlschmeckend waren. Gegen Mittag verließen uns die Kanus und kehrten nach verschiedenen niedrigen Inseln zurück. Nachmittags ließ der Wind nach und drehte sich, so daß wir mehr rück- als vorwärts kamen. Dies machten sich verschiedene Insulaner zunutze und ruderten von neuem herbei. Gegen Abend hatte die Anzahl der Kanus so zugenommen, daß sie wie heute morgen eine Flotte ausmachten und der Tauschhandel von beiden Seiten so lebhaft wie je betrieben wurde.

Bei Anbruch des Tages fanden sich die Kanus von neuem ein. Die großen dreieckigen Segel gaben ihnen ein malerisches Aussehen. Es währte nicht lange, so erhob sich ein Wind und machte dem Handel ein Ende, denn nun segelten wir nach den beiden hohen Inseln, die wir von unserem vorigen Ankerplatz aus entdeckt hatten. Die größere dieser Inseln heißt in der Landessprache Tofua und scheint bewohnt zu sein. Wir steuerten bis auf Kabellänge heran, aber nirgends war ein Ankerplatz zu finden. Des nebligen Wetters wegen konnten wir den eigentlichen Gipfel der Insel nicht deutlich erkennen, doch sah man beträchtlichen Rauch davon emporsteigen. Der Süd-Süd-Ost führte uns so schnell von der Insel weg, daß wir keine weiteren Beobachtungen des Vulkans anstellen konnten.

Nun segelten wir nach West-Süd-West und entdeckten am folgenden Tage, dem 1. Juli, um die Mittagszeit Land, das noch von keinem Seefahrer bemerkt worden war. Vor Einbruch der Nacht kamen wir ziemlich nahe heran, mußten aber der Brandung wegen die ganze Nacht über gegen den Wind lavieren. Am folgenden Morgen näherten wir uns wieder der Küste, und es währte nicht lange, so kamen fünf schwarzbraune Männer zum Vorschein, die mit Keulen bewaffnet waren und scharf nach uns ausschauten. Als wir ein Boot aussetzten, um durch den Lotsen die Durchfahrt untersuchen zu lassen, ruderten sie eilig nach der Insel zurück. Der Lotse passierte die Durchfahrt und fand etwa dreißig Insulaner beisammen, die aber ihr Fahrzeug in den Wald zogen und davonliefen. Er kam mit dem Bericht zurück, daß die See in der Einfahrt durch das Riff unergründlich tief, innerhalb aber zu seicht sei.

Bis zum 12. dauerte der frische, gute Wind fort, am 13. aber ließ er nach, und abends fielen einige Regentropfen. Es waren heute gerade zwei Jahre seit unserer Abreise von England verflossen, die Matrosen unterließen daher nicht, diesen Tag nach ihrer gewohnten Art, das heißt bei vollen Gläsern zu feiern. Sie hatten von ihrem täglichen Deputat an Branntwein ausdrücklich etwas gespart und sich vorgenommen, allen Kummer und Verdruß in Grog, der wahren Lethe des Seemanns, zu ersäufen. Einer von ihnen, der ein halber Schwärmer war, hatte im vorigen Jahr, also auch diesmal wieder, ein geistliches Lied auf diesen Tag gemacht und hielt nach Absingung desselben seinen Kameraden eine ernstliche Bußpredigt, alsdann aber setzte er sich zu ihnen und ließ sich die Flasche ebenso kräftig wie die Buße empfohlen sein, indessen ging es ihm dabei wie den anderen mit der Sünde, sie überwältigte ihn.

An den beiden folgenden Tagen bekamen wir frischen Wind, am dritten aber nebliges und von Regengüssen begleitetes Wetter. Nachmittags sahen wir eine hohe Insel von ziemlichem Umfang vor uns. Nachts verstärkte sich der Wind, und die Wellen warfen das Schiff von einer Seite zur anderen, dabei regnete es so heftig, daß der Regen in unsere Kajüten eindrang und weder an Ruhe noch an Schlaf zu denken war. Dies Wetter war um so unangenehmer, weil wir es in dieser Gegend, die immer das Stille Meer genannt worden ist, gar nicht erwartet hatten. Man sieht hieraus, wie wenig dergleichen allgemeinen Benennungen zu trauen ist, und daß, wenn Stürme und Orkane in diesem Meer auch selten, so dennoch gar nichts Ungewöhnliches oder gar Unerhörtes sind. Als Kapitän Fernando de Quiros seine Tierra del Espiritu Santo verließ, als Herr Bougainville an der Küste von Luisiada war und Kapitän Cook auf der »Endeavour« die östliche Küste von Neu-Holland (Australien) untersuchte, fanden sie alle stürmisches Wetter. Vielleicht rührt dies von den großen Ländern her, die in diesem Teil des Ozeans liegen, wenigstens ist gewiß, daß in der Nachbarschaft eines großen und bergigen Landes sogar die Passatwinde, die unverrückt nach einer Richtung wehen, unbeständig und veränderlich werden.

Am folgenden Tage klärte sich das Wetter auf, so daß wir es wagen konnten, nach der Küste zu steuern. Man konnte nunmehr zwei Inseln unterscheiden, die Pfingstinsel (Pentecote) und die Aurora- Insel (Maiwo) des Herrn von Bougainville, und wir liefen auf das Nordende der letzteren zu. Nachdem wir zwei Jahre damit zugebracht hatten, lauter schon entdeckte Inseln aufzusuchen, die Fehler unserer Vorgänger zu berichtigen und alte Irrtümer zu widerlegen, fingen wir nun das dritte Jahr an, dem vorbehalten war, an neuen Entdeckungen besonders fruchtbar zu sein und uns für die beiden ersten Jahre zu entschädigen.


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