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Sechszehntes Kapitel.

Das letzte, in welchem diese wahrhafte Geschichte zu einem glücklichen Ende geführt wird.


Fanny gab in den Aeußerungen ihrer kindlichen Liebe und der Freude, ihre Eltern gefunden zu haben, ihrem Geliebten wenig nach. Gammes Andrews küßte sie, und sagte, sie freue sich herzlich, ihre Tochter wiederzusehen, doch vermöge sie ihrerseits ihr eigenes Kind nicht zärtlicher, als ihren Joseph zu lieben. Gaffer Andrews dagegen bezeigte eine sonderliche Rührung; er segnete und küßte zwar die wiedergefundene Tochter, beklagte aber daneben bitterlich den Mangel seiner Pfeife, da er diesen Morgen noch keinen einzigen Zug aus ihr gethan habe.

Herr Borby, der nichts von seiner Tante geheimer Leidenschaft ahnte, schrieb ihr schnelles Verschwinden ihrem Hochmuth und ihrer Verachtung der Familie zu, in die er geheirathet hatte; er beschloß daher, sich so schnell als möglich von ihr zu entfernen, und nachdem er Herrn Wilson und Joseph von Herzen Glück gewünscht, Fanny umarmt, sie seine Schwester genannt, und als solche Pamela (die sich bei der Gelegenheit mit vielem Anstand benahm) vorgestellt hatte, sandte er an Lady Borby, um sie von seiner Absicht in Kenntniß zu setzen. Diese ließ ihm erwiedern, sie wünsche ihm eine glückliche Reise, es habe sie aber eine Unpäßlichkeit befallen, so daß sie nicht zur Gesellschaft zurückkehren könne. Er gab jetzt Befehl zum Anspannen, nachdem er Herrn Wilson zu sich in sein Haus eingeladen hatte, und da Pamela und Joseph ihre Bitten mit der seinigen vereinten, so willigte Jener endlich ein, nur ward zuvor noch ein Bote mit der fröhlichen Kunde an Mistreß Wilson abgefertigt, denn da ihr Gatte wußte, wie sehr dieselbe sie beglücken würde, so wollte er nicht einen Augenblick damit zögern.

Die Gesellschaft theilte sich auf folgende Weise ein: Die beiden Alten mit ihren zwei Töchtern fuhren im Wagen; Herr Borby, Herr Wilson, Joseph, Pfarrer Adams und der Hausirer begleiteten sie zu Pferde.

Unterwegs benachrichtigte Joseph seinen Vater von der beabsichtigten Verbindung mit Fanny, in welche dieser, obgleich anfangs mit einigem Widerstreben, auf die dringenden Bitten seines Sohnes endlich einwilligte, indem er sagte, wenn das Mädchen so gut und brav sei, wie er höre, und sie ihm auch zu sein scheine, so wolle er es mit der Ungleichheit der Geburt und des Vermögens nicht so genau nehmen. Doch bestand er darauf, daß die Hochzeit ohne die Gegenwart der Mutter nicht gefeiert werden dürfe, und da Joseph seine Entschiedenheit in diesem Punkt bemerkte, ergab er sich pflichtgemäß darein, zur großen Freude des Pfarrers, der sich auf diese Weise im Stande sah, die kirchlichen Gebräuche vollständig zu beobachten, und seine Beichtkinder ohne Dispensation zu trauen.

Da Herr Adams hierdurch in die heiterste Stimmung versetzt war (denn auf dergleichen Formalitäten hielt er nicht wenig), so gab er zufällig seinem Pferde die Sporen, und das edle Thier, – von feuriger Natur, und auch an erfahrnere Reiter gewöhnt, als der Herr, der jetzt auf ihm saß, gegen dessen ritterlichen Beruf es wohl gar bereits Geringschätzung empfunden haben mochte – rannte sofort in größter Eile davon, und machte zugleich so viel wunderliche Sprünge, daß es den Pfarrer, der sich nicht länger im Sattel zu erhalten vermochte, abwarf. Während das Gefolge der Bedienten aus Leibeskräften lachte, und die arme Fanny, die das Unglück mit ansah, als sie vorbeifuhren, laut aufschrie, eilte Joseph Herrn Adams zu Hülfe, der sogleich aufstand, und durch die Versicherung, daß er keinen Schaden gelitten, der Einen Lust, der Andern Angst bald ein Ende machte.

Nachdem das Pferd sich seines unwürdigen Reiters (wofür es ihn wahrscheinlich hielt) entledigt hatte, rannte es seine Straße fort, wurde aber von einem Herrn und dessen Bedienten, die ihnen entgegentrabten, und jetzt nicht mehr weit von der Kutsche waren, aufgefangen. Sie trafen bald zusammen, und als einer der Bedienten dem Pfarrer sein Pferd wieder zuführte, hörte letzterer sich von einem Fremden begrüßen, und erkannte, als er ihn näher ins Auge faßte, in ihm jenen Friedensrichter, vor den er und Fanny einst geführt worden waren. Er erwiederte den Gruß sehr freundlich, und der Richter erzählte ihm nun, der Taugenichts, der gegen ihn und das junge Mädchen sich zum Schwur erboten habe, sei schon den Tag darauf eingefangen worden, und er habe ihn nach Salisbury ins Gefängniß geschickt, wo er wegen noch vieler andern Frevel jetzt angeklagt sei.

Nach vielen gegenseitigen Komplimenten zog der Friedensrichter wieder seine Straße; der Pfarrer aber, der etwas verächtlich Josephs Anerbieten, mit den Pferden zu tauschen, ausschlug, und sich dahin erklärte, er wisse ein Pferd so gut zu behandeln wie irgend einer im Königreich, bestieg das edle Thier von neuem; und langte nun wirklich ohne weitern Unfall – obschon er dieses mehr seinem guten Glück als seinem guten Reiten verdanken mochte – nebst den übrigen am Ziel ihrer Reise an.

In Herrn Borby's Hause wurden sie Alle von ihm äußerst höflich und gastfreundlich und ganz mit den auf einige wenige Familien in den entlegenern Theilen Englands fortgeerbten altbrittischen biedern Sitten und Gebräuchen empfangen und bewirthet. Sie Alle brachten diesen Tag äußerst heiter und zufrieden zu; und es dürfte vielleicht unmöglich sein, eine Gesellschaft zu finden, die in diesem Grade mit dem Gefühl des wahren und echten Glücks durchdrungen ist. Joseph und Fanny fanden Mittel, über zwei Stunden allein miteinander zuzubringen, welche ihnen zwar die kürzesten dünkten, die sie je verlebt hätten, aber auch zugleich die seligsten. – Am andern Morgen schlug Herr Wilson seinem Sohn einen Besuch bei seiner Mutter vor, worauf einzugehen, trotz seiner Sehnsucht, sie zu sehen, und obgleich das Pflichtgefühl kein geringer Antrieb war, ihn dennoch einige Ueberwindung kostete, weil er glaubte, Fanny auf so lange verlassen zu müssen; des Herrn Borby Güte kam jedoch Dem zuvor, indem er sich erbot, Mistreß Wilson in seinem Wagen mit Sechsen holen zu lassen, ein Anerbieten, welches Pamela so dringend unterstützte, daß Herr Wilson endlich auf das fernere Zureden des Herrn Borby und Josephs darauf einging.

Am Sonntag Abend kam Mistreß Wilson, in welcher sich die glückliche Gesellschaft noch um ein Mitglied vermehrte, mit der Kutsche an. Der Leser wird sich schneller und besser, als ich es beschreiben könnte, die vielen Umarmungen und Freudenthränen denken können, welche ihre Ankunft zur Folge hatte. Hier genüge es, zu sagen, daß sie leicht vermocht wurde, ihres Gatten Beispiel zu folgen, und ihre Einwilligung zu der Heirath nicht vorzuenthalten.

Am Sonntage hielt Herr Adams den Gottesdienst in der Dorfkirche, deren Pfarrer so gefällig war, dafür seine Stelle zu übernehmen, und acht Stunden weit nach dem Kirchspiel seines Amtsbruders zu reiten, wobei er noch den ausdrücklichen Auftrag erhielt, ja nicht die Verkündung des Aufgebots, nämlich des dritten und letzten, zu vergessen.

Endlich kam der glückliche Tag, der Joseph an das Ziel aller seiner Wünsche führen sollte. Er kleidete sich in einen geschmackvollen aber einfachen Anzug des Herrn Borby, der ihm vollkommen paßte; auch verschmähte er allen übertriebenen Putz, eben so wie Fanny, die durch Pamela nicht vermocht werden konnte, sich in reichere Stoffe zu kleiden, als in schneeweiße Leinwand. Ihr Hemd jedoch, ein Geschenk Pamela's, war von der feinsten Gattung, und rund um den Busen mit einer kostbaren Spitze besetzt; auch wurde sie noch von ihrer Schwester mit einem Paar weißen feinen Zwirnstrümpfen ausgestattet, das war aber auch alles, was sie annehmen wollte, denn sonst trug sie nur noch eine ihrer gewöhnlichen runden Mützchen, und darüber einen kleinen mit kirschfarbenem Taffet gefutterten und mit eben solchem Bande unter dem Halse zugebundenen Strohhut. In diesem Anzug trat sie aus ihrem Kämmerlein, erröthend und süße Düfte hauchend, und wurde von Joseph, dessen Augen vor Freude funkelten, in die Kirche geführt. Hierhin folgte die ganze Gesellschaft, und Adams verrichtete die Trauungsceremonie, bei welcher nichts so bemerkenswerth war, als die ungemeine und unerkünstelte Sittsamkeit der Braut, und des Pfarrers wahrhaft christliche Frömmigkeit, in Folge deren er denn auch nicht umhin könnte, Herrn Borby und Pamela wegen ihres Lachens und Zischelns an einem so heiligen Ort und bei einer so feierlichen Gelegenheit öffentlich einen Verweis zu geben. Unser Pfarrer würde sich nicht anders gegen die mächtigsten Fürsten auf Erden benommen haben, denn obgleich er in allen andern Dingen seinen Obern alle gebührende Ehrerbietung bezeigte, so galt doch kein Ansehen der Person mehr bei ihm, sobald die Religion ihm höhere Pflichten gebot. Es war sein Grundsatz, daß er ein Diener des Höchsten sei, und ohne diesem Beruf treulos zu werden, der Ehre und der Sache desselben nicht das Geringste, auch um der größten irdischen Macht willen, vergeben dürfe. Er pflegte immer zu behaupten, Herr Adams in der Kirche und im Priesterornat, und Herr Adams ohne diesen außerhalb derselben seien zwei ganz verschiedene Personen.

Als die kirchliche Ceremonie beendigt war, führte Joseph seine vor Freude und Schaam erglühende junge Frau nach Herrn Borby's Hause zurück (denn die Entfernung war so geringe, daß sie es nicht für nöthig gehalten hatten, sich einer Kutsche zu bedienen); die übrige Gesellschaft folgte gleichfalls zu Fuß; und jetzt ließ man sich an einer mit Pracht und Ueberfluß besetzten Tafel nieder, wo der Pfarrer Adams einen eben so bewundernswerthen als den aller andern Gäste überbietenden Appetit darlegte. Uebrigens waren jene Personen, die in dieser Beziehung es ihm am wenigsten gleichthaten, gerade die, um derentwillen das Fest veranstaltet worden. Sie nährten ihre Phantasie mit dem weit köstlicherm Genuß, den die herannahende Nacht ihnen versprach. Die Gedanken an dieselbe erfüllten sie Beide, doch mit verschiedenen Gefühlen; hier des Verlangens, dort der mädchenhaften Furcht. Endlich, nach einem unter Lust und Scherz, obschon durch die strengste Schicklichkeit in Schranken gehalten, verlebten Tage, an welchem Pfarrer Adams nach reichlich genossenem Ale und Budding mehr Späße ausgehen ließ, als sonst seine Sitte war, endlich erschien der selige, der wonnevolle Augenblick, da Fanny mit ihrer Mutter, ihrer Schwiegermutter und ihrer Schwester sich entfernte.

Sie war bald entkleidet, denn sie hatte keine Juwelen in das Schmuckkästchen zu legen, noch feine Spitzen mit der äußersten Sorgfalt zusammen zu falten. Sich ausziehen hieß bei ihr ganz eigentlich nicht Putz ab- sondern anlegen, denn da alle ihre Reize Gaben der Natur waren, so konnte sie sich keines derselben entäußern. – Wie soll ich es beginnen, Leser, Dir von diesem lieblichen jungen Geschöpf eine entsprechende Schilderung zu entwerfen? Der zarte Schmelz der Rosen und Lilien möchten ihrer Gesichtsfarbe, der Duft derselben ihrer Holdseligkeit halb und halb zum Sinnbilde dienen; aber um Dir sie ganz vorzustellen, denke Dir Jugend, Gesundheit, Schönheit, Anmuth und Unschuld in ihrem Bette beisammen; denke Dir dieses alles in seiner äußersten Vollkommenheit, und dann mag Deiner Phantasie vielleicht der reizenden Fanny Bilde vorschweben.

Joseph vernahm kaum, daß sie zu Bett gebracht sei, als er mit jener Schnelligkeit, die der Liebesgott zu diesem Gange zu gewähren pflegt, zu ihr eilte. Eine Minute führte ihn in ihre Arme, und hier lassen wir das beglückte Paar des geheimen Lohns unerschütterter Treue sich erfreuen; eines so süßen und überschwenglichen Lohns, daß ich vermuthe, Joseph beneidete diese Nacht über keinen Fürsten und Fanny keine Königin.

Am dritten Tage kehrte Herr Wilson und dessen Gattin mit ihrem Sohn und ihrer Tochter in die Heimath zurück, wo sie jetzt durch eine Fülle häuslichen Glücks gesegnet sind, wie sie selten in diesem Maaße Sterblichen zu Theil werden dürfte. Herr Borby hat mit beispielloser Großmuth Fanny eine Aussteuer von zweitausend Pfund mitgegeben, welche Joseph auf den Ankauf eines der Besitzung seines Vaters nahe gelegenen Gütchens verwendete und wo er jetzt wohnt (indem sein Vater es für ihn mit den nöthigen Hausgeräth ec. versehen hat). Fanny verwaltet auf das musterhafteste ihre Hauswirthschaft, mit welcher sie jedoch sich für jetzt weniger beschäftigen kann, weil sie, wie Herr Wilson mir in seinem letzten Briefe meldet, schon sehr an Körperfülle in Folge der ersten Schwangerschaft zugenommen hat.

Herrn Adams ist durch den Einfluß des Herrn Borby eine Pfarrei zugewiesen worden, die hundert und dreißig Pfund jährlich einbringt. Er schlug sie zwar anfangs aus, weil er seine Gemeinde, welcher er so lange vorgestanden hatte, nicht verlassen wollte; aber da ihm einfiel, daß er die neue Pfründe einem Substituten übertragen könne, so ist er vor Kurzem doch dazu vermocht worden.

Der Hausirer wurde nicht allein von dem Herrn Wilson und Borby reichlich beschenkt, sondern auch auf der letztern Verwendung bei der Accise angestellt; ein Amt, welchem er mit solcher Unparteilichkeit vorsteht, daß er sich in der ganzen Gegend schon sehr beliebt gemacht hat.

Was die Lady Borby betrifft, so kehrte sie in wenig Tagen nach London zurück, wo ein junger Rittmeister von den Dragonern nebst einer ununterbrochenen Reihe von Whistpartieen sie Joseph schon ziemlich haben vergessen lassen.

Dieser Letztere findet immer noch sein ganzes Glück in Fanny, die er stets mit der zärtlichsten Innigkeit liebt, und von welcher er eben so wieder geliebt wird. Die Glückseligkeit dieses Paars ist ein ewiger Freudenquell für ihre Eltern. Besonders bemerkenswerth ist es noch, daß Joseph erklärt, er werde gleich ihnen stiller Zurückgezogenheit treu bleiben, und es dürfte daher schwerlich zu hoffen sein, daß Verleger oder deren Schriftsteller ihn jemals vermögen werden, auch in der vornehmen Welt aufzutreten.

 

Ende.



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